TE OGH 2008/2/14 4Ob249/07g

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Veröffentlicht am 14.02.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heimo G*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Kramer und Dr. Norbert Tischitz, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagten Parteien 1. Wohnungseigentümergemeinschaft *****, und 2. Stadt V*****, beide vertreten durch Reif & Partner, Rechtsanwälte OG in Villach, wegen 3.595 EUR sA und Feststellung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 4. Oktober 2007, GZ 2 R 239/07k-14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 26. Juni 2007, GZ 8 C 508/07p-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 549,34 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 91,56 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Nördlich des Hauses der Erstbeklagten verläuft ein öffentlicher Gehsteig mit vier darin eingebauten Metallgittern, welche die zum Haus gehörenden Kellerfenster nach oben hin abdecken. Der Wirtschaftshof der Zweitbeklagten ist ausschließlich mit der Schneeräumung und Streuung des Gehsteigs im Bereich des Hauses beauftragt.

Zwischen der Oberfläche des Gehsteigs und jener des östlichsten Kellerfensterabdeckgitters bestand ein Niveauunterschied, der durch die von der Zweitbeklagten ausgeführte Neuasphaltierung des Gehsteigs entstand.

Am 4. Oktober 2006 ging der Kläger um etwa 6.30 Uhr bei Dämmerlicht den Gehsteig entlang. Er war in Gedanken versunken und schaute beim Gehen nicht wirklich vor seine Füße. Er begeht den Gehsteig durchschnittlich etwa einmal pro Monat, sowohl bei Tageslicht als auch bei Dunkelheit. Die Kellerfensterabdeckgitter und der Niveauunterschied zwischen dem Gitter und dem Gehsteig im Ausmaß von 1,5 bis jedenfalls höchstens 2,5 cm waren ihm bekannt.

Nachdem der Kläger die ersten drei Kellerfensterabdeckgitter bereits passiert hatte, knickte er etwa auf der Höhe des vierten Kellergitters mit dem rechten Fuß um, verspürte ein Brennen und konnte zunächst nicht gleich weiter gehen. Sein rechter Fuß schwoll in der Folge stark an, er suchte das Krankenhaus auf.

Der Kläger begehrte 3.595 EUR sA Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Unfallfolgen mit der Behauptung, infolge des mangelhaften Kellerfensterabdeckgitters mit dem Fuß umgeknickt zu sein und sich dadurch verletzt zu haben.

Die Beklagten bestritten ihre Haftung nach § 1319a ABGB.Die Beklagten bestritten ihre Haftung nach Paragraph 1319 a, ABGB.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Dem Kläger sei der ihm obliegende Beweis, er sei aufgrund des Niveauunterschieds umgeknickt und habe sich dadurch verletzt, nicht gelungen. Außerdem komme eine Haftung der Beklagten mangels Kenntnis ähnlicher vorangegangener Vorfälle nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision wegen einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage zulässig sei. Die Kellergitter seien bei Annäherung auf dem Gehsteig vollständig einseh- und überblickbar gewesen. Der bestehende Niveauunterschied zwischen den Gittern und dem übrigen Gehsteig sei nicht überraschend oder außergewöhnlich gewesen. Ein Niveauunterschied von 1,5 bis 2 cm sei keine Mangelhaftigkeit des Wegs. Der Kläger habe die örtliche Situation überdies gekannt, sodass bei ihm ein größeres Maß an Aufmerksamkeit vorauszusetzen sei. Da der Weg nicht mangelhaft gewesen sei, komme es auf die konkrete Verursachung der Verletzung des Klägers einerseits sowie auf allfällige frühere Vorfälle nicht an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, mit der er die Klagestattgebung anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Zu grundsätzlichen Fragen der Verkehrssicherungspflichten liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Die Verkehrssicherungspflicht darf nicht überspannt werden, soll sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben. Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann. Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden. Ob eine Situation geschaffen wurde, die eine Schädigung wahrscheinlich macht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht aufgeworfen wird (10 Ob 22/06t mwN; RIS-Justiz RS0044088).Zu grundsätzlichen Fragen der Verkehrssicherungspflichten liegt eine umfangreiche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Die Verkehrssicherungspflicht darf nicht überspannt werden, soll sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben. Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann. Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden. Ob eine Situation geschaffen wurde, die eine Schädigung wahrscheinlich macht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weshalb eine Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO regelmäßig nicht aufgeworfen wird (10 Ob 22/06t mwN; RIS-Justiz RS0044088).

Zutreffend verweisen die Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung darauf, dass die erforderliche Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls - in örtlicher wie persönlicher Beziehung - der vom Kläger angestrebten generellen Einordnung des Ausmaßes von zu duldenden oder zu beanstandenden Niveauunterschieden auf Gehflächen von vornherein entgegensteht. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits Niveauunterschiede von etwa 1,8 cm (10 Ob 22/06t) oder 2 bis 3 cm (7 Ob 49/73 = Immz 1973, 203) als geringfügig und unter Berücksichtigung der von Fußgängern zu fordernden Achtsamkeit nicht haftungsbegründend beurteilt. Selbst eine 5 bis 6 cm hohe Asphaltbeule mit einem Durchmesser von etwa 15 cm wurde als nicht haftungsbegründend beurteilt, zumal „eine ballsaalähnliche Oberflächenstruktur der Gehsteige auch im städtischen Bereich nicht angestrebt werden muss" (10 Ob 50/04g = MietSlg 56.197 mwN). Der Oberste Gerichtshof sprach überdies wiederholt aus, dass von jedem Fußgänger zu verlangen ist, „vor die Füße zu schauen". Diese Verpflichtung gilt auch auf dem Gehsteig (RIS-Justiz RS0027447) oder in einem Geschäftslokal (RIS-Justiz RS0023787). Dass der Kläger dieser Obliegenheit nicht entsprach, steht aufgrund seiner eigenen Aussage fest.

Da der Kläger nach solchen Voraussetzungen mit keinen der von ihm ins Treffen geführten Rechtsgründe erfolgreich sein kann, hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ab. Seine Revision ist somit zurückzuweisen.Da der Kläger nach solchen Voraussetzungen mit keinen der von ihm ins Treffen geführten Rechtsgründe erfolgreich sein kann, hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO ab. Seine Revision ist somit zurückzuweisen.

Die Beklagten wiesen in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der vom Kläger erhobenen Revision hin, weshalb ihnen Kostenersatz gebührt.

Textnummer

E86682

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00249.07G.0214.000

Im RIS seit

15.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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