TE OGH 2008/2/15 8Bs38/08g

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Veröffentlicht am 15.02.2008
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Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden und Dr. Bergmayr und die Richterin Dr. Engljähringer in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB (zum Nachteil M***** L*****) über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wels gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichtes Wels (im Ermittlungsverfahren) vom 24.1.2008, 9 Hr 20/08g-9, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden und Dr. Bergmayr und die Richterin Dr. Engljähringer in der Strafsache gegen unbekannte Täter wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach Paragraph 80, StGB (zum Nachteil M***** L*****) über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wels gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichtes Wels (im Ermittlungsverfahren) vom 24.1.2008, 9 Hr 20/08g-9, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Staatsanwaltschaft Wels wurde am 2.1.2008 ein bedenklicher Todesfall gemeldet (AS 1). Am selben Tag bestellte sie eine Ärztin zur Sachverständigen mit dem Auftrag, die Leiche zu beschauen und zu obduzieren (ON 3). Die L***** AG stellte dafür Räumlichkeiten zur Verfügung und verlangte dafür EUR 160,56 (ON 6, AS 1); deren Bezahlung begehrte sie von der Staatsanwaltschaft Wels. Der Revisor, dem diese Gebührennote von der Staatsanwaltschaft übermittelt worden war, äußerte sich folgendermaßen: „Es handelt sich hier um keine SV-Gebühr, sondern um Kosten ..." (ON 8, AS 1). Daraufhin übermittelte die Staatsanwaltschaft die Gebührennote der Einzelrichterin des Landesgerichtes Wels (im Ermittlungsverfahren) „zur Entscheidung über die Bestattungskosten" (gemeint wohl für die in ON 6, AS 1 beschriebenen Leistungen).

Die Richterin wies diesen Antrag mit der angefochtenen Entscheidung ab. Die Kosten seien auf keinen richterlichen Auftrag zurückzuführen.

Zudem handle es sich nicht um strittige Kosten iSd § 52 Abs 3 GebAG. Mit der dagegen erhobenen Beschwerde begehrt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung dieses Beschlusses mit dem Ziel, dem Gericht die Entscheidung über den Gebührenbestimmungsantrag (der Staatsanwaltschaft) aufzutragen. Zudem handle es sich nicht um strittige Kosten iSd Paragraph 52, Absatz 3, GebAG. Mit der dagegen erhobenen Beschwerde begehrt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung dieses Beschlusses mit dem Ziel, dem Gericht die Entscheidung über den Gebührenbestimmungsantrag (der Staatsanwaltschaft) aufzutragen.

Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1) Zur Zulässigkeit der Beschwerde:

Die prozessualen Wurzeln der angefochtenen Entscheidung liegen nicht (ausschließlich) im GebAG oder sonst in einem (verfahrensrechtlichen) Nebengesetz, sondern (entscheidend) in der StPO selbst. Würde sogleich auf das GebAG mit seinem prozessualen Regelwerk (siehe unten 2 d) rückgegriffen werden, wäre schon vorweg die Frage beantwortet, nach welchen Verfahrensregeln der gesamte rechtsmittelverfangene Vorgang zu beurteilen wäre. Dies wäre freilich methodisch unkorrekt. Evident ist jedenfalls, dass es sich um eine strafprozessuale Frage handelt, die nicht prima vista (ausschließlich) nach den Regeln eines Nebengesetzes zu beantworten ist. Also ist die Zulässigkeitsfrage im Rahmen der StPO selbst zu lösen. Auf dieser Basis ist die Zulässigkeit der Beschwerde jedoch zu bejahen, wird sie doch durch ausdrückliche Bestimmungen nicht ausgeschlossen (§ 87 Abs 1 StPO).Die prozessualen Wurzeln der angefochtenen Entscheidung liegen nicht (ausschließlich) im GebAG oder sonst in einem (verfahrensrechtlichen) Nebengesetz, sondern (entscheidend) in der StPO selbst. Würde sogleich auf das GebAG mit seinem prozessualen Regelwerk (siehe unten 2 d) rückgegriffen werden, wäre schon vorweg die Frage beantwortet, nach welchen Verfahrensregeln der gesamte rechtsmittelverfangene Vorgang zu beurteilen wäre. Dies wäre freilich methodisch unkorrekt. Evident ist jedenfalls, dass es sich um eine strafprozessuale Frage handelt, die nicht prima vista (ausschließlich) nach den Regeln eines Nebengesetzes zu beantworten ist. Also ist die Zulässigkeitsfrage im Rahmen der StPO selbst zu lösen. Auf dieser Basis ist die Zulässigkeit der Beschwerde jedoch zu bejahen, wird sie doch durch ausdrückliche Bestimmungen nicht ausgeschlossen (Paragraph 87, Absatz eins, StPO).

2) Zur Berechtigung der Beschwerde:

a) Die Strafprozessordnung enthält für das Ermittlungsverfahren keine Bestimmungen, die der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht (oder sonst einem hoheitlichen Organ) Kompetenzen zur Auszahlungsanordnung oder gar Bestimmung von Kosten zuweisen. Die für das Haupt-(und Rechtsmittel)verfahren vor allem in den §§ 380 ff StPO enthaltenen Bestimmungen können für das Ermittlungsverfahren wegen der Verschiedenartigkeit (vgl §§ 20 Abs 1, 104 Abs 1 StPO) der beiden Verfahrensstrukturen nicht undifferenziert angewandt werden. Abgesehen davon existieren selbst im 18. Hauptstück der StPO keine ausdrücklichen Zuständigkeitsregeln für die Behandlung von Gebührenansprüchen.a) Die Strafprozessordnung enthält für das Ermittlungsverfahren keine Bestimmungen, die der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht (oder sonst einem hoheitlichen Organ) Kompetenzen zur Auszahlungsanordnung oder gar Bestimmung von Kosten zuweisen. Die für das Haupt-(und Rechtsmittel)verfahren vor allem in den Paragraphen 380, ff StPO enthaltenen Bestimmungen können für das Ermittlungsverfahren wegen der Verschiedenartigkeit vergleiche Paragraphen 20, Absatz eins,, 104 Absatz eins, StPO) der beiden Verfahrensstrukturen nicht undifferenziert angewandt werden. Abgesehen davon existieren selbst im 18. Hauptstück der StPO keine ausdrücklichen Zuständigkeitsregeln für die Behandlung von Gebührenansprüchen.

Die Regelungen aus Nebengesetzen, vor allem aus dem GebAG, sind freilich insoweit unmittelbar anzuwenden, als sie explizite Normen, die sich eben (auch) auf das Ermittlungsverfahren beziehen, enthält. Aber vom GebAG sind - soweit hier von Interesse - nur die Gebühren von Sachverständigen und Dolmetschern erfasst.

Bezüglich anderweitig entstehender Kosten, die, wie hier, in Form von Kosten für die vorübergehende Benützung von Obduktionsräumen u dgl entstehen, findet sich weder in der StPO noch im GebAG (noch in einem anderen Nebengesetz) eine Regelung. Auch dann, wenn am äußersten Wortsinn des Terminus „Sachverständiger" Maß genommen wird, können Personen (oder Unternehmen), wie der Leichenbestatter, der Eigentümer der Obduktionsräume (und ähnliche) nicht als Sachverständige bezeichnet werden. In dem Zusammenhang versagt die Argumentation der Staatsanwaltschaft, soweit sie auf § 24 Z 2 GebAG verweist; der Sachverständige habe durch seine Tätigkeit diese Benützungskosten notwendigerweise verursacht. Dabei übersieht nämlich die Staatsanwaltschaft die grundlegende Einleitung zu § 24 GebAG, wonach dort „Gebühren des Sachverständigen" geregelt werden. In einem rechtlichen Zusammenhang steht der Kostenanspruch des Leichenüberführers, des Raumvermieters (u dgl) zum Gebührenanspruch des Sachverständigen nicht. Beide sind voneinander unabhängig. Dass der Sachverständige faktisch an der Überlassung von Obduktionsräumen (bzw an der Leichenüberführung in den Obduktionsraum) interessiert ist, ändert daran (gebührenmäßig) nichts. Zudem würde die Sichtweise der Beschwerdeführerin in jenen Fällen keine Lösung bringen, in denen dem Werk oder der Dienstleistung keine Tätigkeit eines Sachverständigen nachfolgt.Bezüglich anderweitig entstehender Kosten, die, wie hier, in Form von Kosten für die vorübergehende Benützung von Obduktionsräumen u dgl entstehen, findet sich weder in der StPO noch im GebAG (noch in einem anderen Nebengesetz) eine Regelung. Auch dann, wenn am äußersten Wortsinn des Terminus „Sachverständiger" Maß genommen wird, können Personen (oder Unternehmen), wie der Leichenbestatter, der Eigentümer der Obduktionsräume (und ähnliche) nicht als Sachverständige bezeichnet werden. In dem Zusammenhang versagt die Argumentation der Staatsanwaltschaft, soweit sie auf Paragraph 24, Ziffer 2, GebAG verweist; der Sachverständige habe durch seine Tätigkeit diese Benützungskosten notwendigerweise verursacht. Dabei übersieht nämlich die Staatsanwaltschaft die grundlegende Einleitung zu Paragraph 24, GebAG, wonach dort „Gebühren des Sachverständigen" geregelt werden. In einem rechtlichen Zusammenhang steht der Kostenanspruch des Leichenüberführers, des Raumvermieters (u dgl) zum Gebührenanspruch des Sachverständigen nicht. Beide sind voneinander unabhängig. Dass der Sachverständige faktisch an der Überlassung von Obduktionsräumen (bzw an der Leichenüberführung in den Obduktionsraum) interessiert ist, ändert daran (gebührenmäßig) nichts. Zudem würde die Sichtweise der Beschwerdeführerin in jenen Fällen keine Lösung bringen, in denen dem Werk oder der Dienstleistung keine Tätigkeit eines Sachverständigen nachfolgt.

So ist von einem - nicht gewollten - Regelungsdefizit auszugehen, das jedoch im Wege der Analogie zu beseitigen ist (vgl F. Bydlinski, Methodenlehre2 473 ff, insbes 475).So ist von einem - nicht gewollten - Regelungsdefizit auszugehen, das jedoch im Wege der Analogie zu beseitigen ist vergleiche F. Bydlinski, Methodenlehre2 473 ff, insbes 475).

c) Unverkennbar regelt das GebAG (allerdings nicht in deckungsgleicher, sondern nur) in nächstähnlicher Weise das prozessuale Instrumentarium bezüglich derartiger Kostenansprüche, soweit sie im Ermittlungsverfahren entstehen.

Mit dem Strafprozessreformgesetz (StPRG) erhielt die Staatsanwaltschaft die Befugnis, Zeugen zu laden und Sachverständige und Dolmetscher zu bestellen. Die daraus entstehenden Konsequenzen für das Kostenverfahren wurden einer speziellen Regelung durch das Berufsrechts-Änderungsgesetz (BRÄG) 2008, Art XIII, zugeführt. Da seit Inkrafttreten des StPRG mit 1.1.2008 die Staatsanwaltschaft jedoch auch andere (unmittelbar wirksame) Anordnungen zu Ermittlungen geben kann, wie etwa auch die Beschaffung eines entsprechenden Obduktionsraumes, die Überführung einer Leiche vom Auffindungsort in diesen Raum u dgl, kann für das Kostenverfahren hier nichts anderes gelten als im Fall einer (von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen) Bestellung von Sachverständigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gericht mit diesen Ermittlungen und Beweisaufnahmen - wie hier - überhaupt nicht befasst war. Auch in diesen Fällen soll „aus verwaltungsökonomischen Gründen" die Befassung des Gerichts tunlichst - freilich unter Beachtung rechtsstaatlicher Mindeststandards - hintan gehalten werden (vgl 303 Blge XXIII. GP, 9, 51, 52).Mit dem Strafprozessreformgesetz (StPRG) erhielt die Staatsanwaltschaft die Befugnis, Zeugen zu laden und Sachverständige und Dolmetscher zu bestellen. Die daraus entstehenden Konsequenzen für das Kostenverfahren wurden einer speziellen Regelung durch das Berufsrechts-Änderungsgesetz (BRÄG) 2008, Art römisch XIII, zugeführt. Da seit Inkrafttreten des StPRG mit 1.1.2008 die Staatsanwaltschaft jedoch auch andere (unmittelbar wirksame) Anordnungen zu Ermittlungen geben kann, wie etwa auch die Beschaffung eines entsprechenden Obduktionsraumes, die Überführung einer Leiche vom Auffindungsort in diesen Raum u dgl, kann für das Kostenverfahren hier nichts anderes gelten als im Fall einer (von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen) Bestellung von Sachverständigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gericht mit diesen Ermittlungen und Beweisaufnahmen - wie hier - überhaupt nicht befasst war. Auch in diesen Fällen soll „aus verwaltungsökonomischen Gründen" die Befassung des Gerichts tunlichst - freilich unter Beachtung rechtsstaatlicher Mindeststandards - hintan gehalten werden vergleiche 303 Blge römisch 23 . GP, 9, 51, 52).

d) So führt der Weg zur analogen Anwendung des § 52 GebAG (idF BRÄG 2008). Das heißt, dass auch hier die Möglichkeit des vereinfachten Auszahlungsverfahrens nach Abs 2 leg cit vorgesehen ist. Dies bedeutet weiter, dass dem Revisor die (ehedem von der Staatsanwaltschaft inne gehabte) Funktion der Verfahrensbeteiligung in vollem Umfang zukommt. Er hat nicht nur ein Äußerungsrecht, sondern auch Rechtsmittellegitimation.d) So führt der Weg zur analogen Anwendung des Paragraph 52, GebAG in der Fassung BRÄG 2008). Das heißt, dass auch hier die Möglichkeit des vereinfachten Auszahlungsverfahrens nach Absatz 2, leg cit vorgesehen ist. Dies bedeutet weiter, dass dem Revisor die (ehedem von der Staatsanwaltschaft inne gehabte) Funktion der Verfahrensbeteiligung in vollem Umfang zukommt. Er hat nicht nur ein Äußerungsrecht, sondern auch Rechtsmittellegitimation.

e) Werden innerhalb der Äußerungsfrist keine Einwendungen erhoben oder verzichten die dazu legitimierten Personen auf Einwendungen und hegt die Staatsanwaltschaft selbst keine Bedenken gegen die Höhe der Gebühren, ordnet sie die Auszahlung der Gebühren aus Amtsgeldern an (§ 52 Abs 3 1.Satz GebAG nF).e) Werden innerhalb der Äußerungsfrist keine Einwendungen erhoben oder verzichten die dazu legitimierten Personen auf Einwendungen und hegt die Staatsanwaltschaft selbst keine Bedenken gegen die Höhe der Gebühren, ordnet sie die Auszahlung der Gebühren aus Amtsgeldern an (Paragraph 52, Absatz 3, 1.Satz GebAG nF).

Die Staatsanwaltschaft vermeint nun, dass hier kein unstrittiger Fall eines Gebührenanspruchs vorläge, da sich der Revisor in der Sache selbst nicht geäußert, sondern (lediglich) einen Mangel seiner Äußerungskompetenz behauptet habe.

Der Staatsanwaltschaft steht jedoch eine Überprüfung der Erwägungen des Revisors, die ihn eine Sachäußerung oder eben keine Äußerung abgeben ließen, nicht zu. Entscheidend ist der Befund, dass Einwendungen oder eben keine erhoben wurden oder auf sie verzichtet wurde.

Gewiss kann aus der erwähnten Äußerung des Revisors nicht auf einen (ausdrücklichen) Einwendungsverzicht geschlossen werden, ebenso wenig aber darauf, dass er Einwendungen erhob. Im Ergebnis liegen von seiner Seite keine Einwendungen vor. Damit findet sich in der Äußerung des Revisors kein Ansatz für die Annahme, es sei ein strittiger Kostenfall. Dass die Staatsanwaltschaft ihrerseits Bedenken gegen die Höhe der Gebühren hätte, behauptete sie bislang nicht.

Damit lehnte das Erstgericht zu Recht die Kompetenz zur Kostenbestimmung ab. Für eine Interpretation dahin, dass der Staatsanwalt auch bei unstrittiger Ausgangssituation dennoch die Bestimmungskompetenz des Gerichtes provozieren könne (er also eine Wahlmöglichkeit habe), gibt das Gesetz nichts her. Er hat bei Vorliegen der Voraussetzungen die Auszahlungsanordnung zu treffen. Vorliegend empfiehlt es sich, zunächst noch einmal den Revisor - unter besonderem Hinweis auf die vorliegende Entscheidung - mit der Gebührennote zu konfrontieren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu. Oberlandesgericht Linz, Abt. 8,

Anmerkung

EL00104 8Bs38.08g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2008:0080BS00038.08G.0215.000

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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