TE Vfgh Beschluss 2003/2/25 G153/01, KI-2/01

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art138 Abs1 lita
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
VfGG §42
VfGG §48

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung zweier Bestimmungen des Verfassungsgerichtshofgesetzes betreffend das Verfahren bei Kompetenzkonflikten sowie eines Antrags auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen einem Gericht und einer Justizverwaltungsbehörde; keine aktuelle Betroffenheit mangels Vorliegen eines Kompetenzkonfliktes

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Die Einschreiterin stellte mit Stichtag 1. Jänner 1997 einen Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension. Nach bescheidmäßiger Ablehnung durch den Versicherungsträger erhob sie zur Durchsetzung ihres Anspruches Klage beim Arbeits- und Sozialgericht. Der Klage auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension wurde mit rechtskräftigen Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 6. Dezember 2000 (GZ 7 Rs 177/00d, der Antragstellerin zugestellt am 5. März 2001) Folge gegeben.

1.2. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin nahm sie im Zuge dieses Verfahrens persönlich an mehreren Verhandlungen teil, wurde von zahlreichen Gerichtsgutachtern untersucht und legte - nach zusätzlichen Untersuchungen - auch private Gutachten bei. Insgesamt haben vier Verhandlungen stattgefunden und seien fünf Untersuchungen durch Gerichtsgutachter in deren Ordinationen, zwei Röntgenuntersuchungen und mehrere Untersuchungen an der Abteilung für Nuklearmedizin an der Universität Graz, sowie zwei Lungenuntersuchungen erfolgt. Die Antragstellerin habe in diesem Verfahren "Fahrtkosten nach Kilometergeld" beansprucht, weil ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund ihrer Erkrankungen nicht zumutbar gewesen wäre. Diese Ansprüche seien ins Kostenverzeichnis aufgenommen worden. Der Kostenersatzanspruch sei sowohl vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz als auch vom Oberlandesgericht Graz in der zweiten Instanz abgewiesen worden, da - so das Vorbringen der Antragstellerin - nach ständiger, "vom OLG Graz initiierter Rechtsprechung", derartige Ansprüche gemäß §79 ASGG und §20 GebAG beim zuständigen Kostenbeamten im Justizverwaltungswege geltend zu machen wären.

1.3. Die Antragstellerin hält diese Rechtsprechung für nicht zutreffend. Nach ihrer Rechtsauffassung sind die ordentlichen Gerichte nach §42 Abs2 ZPO zuständig, im Falle ihres "Obsiegens - oder gemäß §77 Abs1 Z2 litb ASGG nach Billigkeit", Kostenersatz für Fahrtgeld und Zeitversäumnis zuzusprechen.

2.1. Die Einschreiterin stellte beim zuständigen Kostenbeamten keinen Antrag auf Ersatz dieser Kosten, sodaß eine Ablehnung der Zuständigkeit (im Bescheidwege oder in anderer Form) seitens der Justizverwaltungsbehörde nicht erfolgte.

2.2. Trotzdem behauptet die Antragstellerin das Vorliegen eines negativen Kompetenzkonfliktes nach Art138 Abs1 B-VG. Zur Antragszulässigkeit führt sie aus:

"Im vorliegenden Fall verneint das OLG Graz zu Unrecht seine Zuständigkeit. Eine ablehnende Entscheidung des Kostenbeamten kann nicht vorliegen, weil Kostenersatzansprüche nach dem GebAG binnen 14 Tagen nach der letzten Verhandlung geltend zu machen sind. Da die Antragstellerin den Kostenbeamten für Begehren nach §79 ASGG für unzuständig hält und er es für Kostenersatzansprüche nach §42 Abs2 JN jedenfalls ist, die auch das OLG Graz ablehnt, steht das Fehlen einer zweiten ablehnenden Zuständigkeitsentscheidung dem vorliegenden Antrag nach Art138 B-VG nicht entgegen.

Es liegt im Sinne der Rechtsprechung des VfGH VfSlg 3798,

11.861 (Mayer, BVG, 1997, Anm I.4. zu Art138 B-VG) ein Fall vor, in dem nicht formell zwei ablehnende Entscheidungen vorliegen müssen, um die Zuständigkeit des VfGH nach Art138 B-VG zu begründen. Eine Antragstellung beim Kostenbeamten wäre auch gar nicht mehr zulässig."

Die Einschreiterin stellt gemäß Art138 Abs1 B-VG den Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes, mit dem Begehren, "der Verfassungsgerichtshof möge gemäß §51 VfGG das Urteil 7 Rs 177/00d des Oberlandesgerichtes Graz vom 6. Dezember 2000 und die Kostenentscheidung im Urteil 7 Rs 177/00d vom 6. Dezember 2000 insoweit aufheben, als das OLG eine Kompetenzverletzung begangen hat".

2.3. Gleichzeitig begehrt die Einschreiterin in der Auffassung, ihrer Antragstellung nach Art138 Abs1 B-VG stünden die Bestimmungen der §§42 und 48 VfGG entgegen, welche als Voraussetzung für die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes normieren, daß einerseits noch keine rechtskräftige Gerichtsentscheidung vorliege (§42) und die anderseits den Parteien in diesem Fall nur ein subsidiäres Antragsrecht einräumen (§48), gemäß Art140 Abs1 B-VG,

"der Verfassungsgerichtshof möge [bevor er über den Kompetenzkonflikt entscheidet]

1. §42 Abs1 VfGG

(i) zur Gänze in eventu,

(ii) die Wortfolge ',kann nur so lange gestellt

werden, als nicht in der Hauptsache ein rechtskräftiger Spruch gefällt ist' in eventu;

(iii) die Wortfolgen 'nur so lange' und ', als nicht in

der Hauptsache ein rechtskräftiger Spruch gefällt ist',

2. §42 Abs2 VfGG die Wortfolgen 'von der zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Bundes oder eines Landes' sowie 'diese Behörde' und 'amtlich',

3. §48 VfGG

(i) zur Gänze, in eventu

(ii) die Wortfolgen 'an die zur Antragstellung

berufene Verwaltungs oder Gerichtsbehörde das Begehren zu richten,' sowie 'zu stellen. Wird diesem Antrag nicht entsprochen, so' sowie 'weiteren'

sodaß §48 VfGG nach Aufhebung lautet:

'Die am Verfahren beteiligten Parteien sind berechtigt, im Fall eines Kompetenzkonfliktes gemäß den §§42, 43 und 47 [...], den Antrag auf

Entscheidung des Kompetenzkonfliktes im Sinne des Gesetzes [...] binnen vier Wochen beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.'

diese Bestimmungen jeweils in der Fassung BGBl 1953/85 idgF BGBl I 1999/194 bzw. der auf den vorliegenden Antrag gemäß Art138 B-VG anzuwendenden Fassung, als verfassungswidrig aufheben und den Beschwerdeführern gemäß §27 iVm §65a VfGG Kostenersatz durch den Bund zuerkennen".

In weiterer Folge wird im Antrag mit näherer Begründung versucht, die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen darzulegen.

II. 1. Der Individualantrag gemäß Art140 Abs1 B-VG erweist sich als nicht zulässig:

1.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).

Für die Beurteilung der Frage, ob das angefochtene Gesetz sich auf die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig auswirkt, ist nach dieser Rechtsprechung nicht dessen subjektive Auffassung entscheidend. Es kommt vielmehr darauf an, ob bei verständiger Würdigung der konkreten Umstände nach allgemeiner Auffassung die durch das Gesetz bewirkte Änderung der Rechtsposition des Antragstellers als eine für ihn nachteilige anzusehen ist (VfSlg. 11765/1988). Ein für die Antragslegitimation unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers ist aber jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser durch Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt ist und die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden.

1.2. Eine aktuelle Betroffenheit der Antragstellerin durch die angefochtenen Bestimmungen ist aber auszuschließen, weil bereits begrifflich kein Kompetenzkonflikt iS des Art138 Abs1 B-VG vorliegt:

Ein positiver (bejahender) Kompetenzkonflikt setzt gemäß Art138 Abs1 lita B-VG voraus, daß sowohl Gerichts- als auch Verwaltungsbehörde (in derselben Sache) eine Zuständigkeit in Anspruch nehmen, eine der Behörden davon zu Unrecht (vgl. etwa VfSlg. 11925/1988, 12018/1989, 13337/1993). Bei einem negativen (verneinenden) Kompetenzkonflikt wird hingegen von beiden Behörden (in derselben Sache) ihre Zuständigkeit abgelehnt, von einer der Behörden zu Unrecht (vgl. etwa VfSlg. 11862/1988, 13824/1994, 14553/1996). Da im vorliegenden Fall nur das Gericht seine Zuständigkeit abgelehnt hat (und gleichzeitig die Zuständigkeit der Justizverwaltungsbehörde bejaht hat), eine Ablehnung der Zuständigkeit jedoch seitens der Justizverwaltungsbehörde weder durch Bescheid noch in anderer Form erfolgt ist, kann bereits von einem in Art138 Abs1 B-VG verfassungsgesetzlich zugrundegelegten "Konflikt zweier Behörden über ihre Zuständigkeit", keine Rede sein. (Im übrigen erweist sich die gänzliche bzw. teilweise Anfechtung der §§42 und 48 VfGG auch deswegen als verfehlt, weil in diesen Bestimmungen das verfassungsgerichtliche Verfahren lediglich für positive Kompetenzkonflikte geregelt wird, der Antrag inhaltlich jedoch auf die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes abzielt.)

1.3. Der gemäß Art140 Abs1 B-VG gestellte Antrag war daher mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen.

III. Da - wie unter Punkt II.1.2. näher dargelegt - schon begrifflich kein Kompetenzkonflikt iS des Art138 Abs1 B-VG vorliegt, war auch der Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes als unzulässig zurückzuweisen.

IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ("Mangels der Legitimation") und §19 Abs3 Z2 lita VfGG ("offenbare Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes") in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G153.2001

Dokumentnummer

JFT_09969775_01G00153_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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