Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Kurt Berger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin W***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Bucheinsicht (Streitwert 25.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 19. November 2007, GZ 6 R 156/07i-14, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 10. Juli 2007, GZ 29 Fr 2373/07t-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG in Verbindung mit Paragraph 15, Absatz eins, FBG zurückgewiesen (Paragraph 71, Absatz 3, AußStrG in Verbindung mit Paragraph 15, Absatz eins, FBG).
Text
Begründung:
Zwischen der Rechtsvorgängerin der W***** GmbH & Co KG und der Antragsgegnerin wurde 1970 ein Generallizenz- und Beratungsvertrag abgeschlossen, der die Antragsgegnerin zur Herstellung von Formteilen aller Art im sogenannten „W*****-Verfahren" berechtigt. Nach Punkt II 6 des Vertrags ist die W***** GmbH & Co KG berechtigt, jederzeit bei der Antragsgegnerin sämtliche Verkaufsunterlagen wie Kundenrechnungen, Auftragsbestätigungen etc, soweit sie den Verkauf von W*****-Produkten betreffen, einzusehen oder durch einen vereidigten Buchprüfer überprüfen zu lassen.Zwischen der Rechtsvorgängerin der W***** GmbH & Co KG und der Antragsgegnerin wurde 1970 ein Generallizenz- und Beratungsvertrag abgeschlossen, der die Antragsgegnerin zur Herstellung von Formteilen aller Art im sogenannten „W*****-Verfahren" berechtigt. Nach Punkt römisch II 6 des Vertrags ist die W***** GmbH & Co KG berechtigt, jederzeit bei der Antragsgegnerin sämtliche Verkaufsunterlagen wie Kundenrechnungen, Auftragsbestätigungen etc, soweit sie den Verkauf von W*****-Produkten betreffen, einzusehen oder durch einen vereidigten Buchprüfer überprüfen zu lassen.
Persönlich haftender Gesellschafter der W***** GmbH & Co KG ist die W*****-Beteiligungs-GmbH; Geschäftsführer der W*****-Beteiligungs-GmbH ist Dipl.-Kfm. Jochen W*****. Am 15. 2. und 16. 2. 2007 fand eine Überprüfung der Lizenzabrechnungen 2006 statt. Anlässlich dieser Überprüfung unterfertigten die Parteien eine Vertraulichkeitsvereinbarung.
Für den 20. 4. 2007 beriefen die Geschäftsführer der Antragsgegnerin eine außerordentliche Generalversammlung ein, bei der unter anderem Tagesordnungspunkt „1. Fristlose außerordentliche Kündigung des Generallizenz- und Beratungsvertrags vom 24. Juni 1970 durch den Lizenzgeber" war. Über Antrag der Antragstellerin wurde die Tagesordnung unter anderem um folgende Punkte ergänzt:
„3. Bericht der Geschäftsführer über die vom Lizenzgeber vorgenommene Bucheinsicht und über die im Vorfeld der Bucheinsicht und danach diesbezüglich geführte Korrespondenz.
4. Bericht der Geschäftsführer und Erläuterung, warum es die Gesellschaft dem Lizenzgeber nicht gestattet, Erkenntnisse aus der Bucheinsicht und deren Auswertungen mit der N***** AG zu teilen und zu erörtern.
5. Darlegung sämtlicher den Generallizenz- und Beratungsvertrag vom 24. Juni 1970 betreffenden Liefer- und Leistungsbeziehungen der Gesellschafter zu verbundenen Unternehmen und Dritten, namentlich unter Angabe sämtlicher Kunden, der mit diesen jeweils im Einzelnen getätigten Umsätze und Angaben der Mengen und Sorten für die Geschäftsjahre 2005, 2006 und 2007.
6. Bericht der Geschäftsführer über den Stand und die Entwicklung des Aufbaus einer neuen Marke."
Gestützt auf diesen Sachverhalt begehrt die Antragstellerin, der Antragsgegnerin aufzutragen, ihr die Einsicht in alle ihre Bücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen betreffend die von der Lizenzgeberin des Generallizenz- und Beratungsvertrags vom 24. Juni 1970 durchgeführte Bucheinsicht, insbesondere in die dazu geführte Korrespondenz, die die Basis für die Berechnung der Lizenzgebühren nach dem genannten Vertrag für die Geschäftsjahre 2005, 2006 und 2007 bildeten, insbesondere unter Angabe sämtlicher Kunden, der mit diesen jeweils im Einzelnen getätigten Umsätze und unter Angabe der diesen gelieferten Mengen und Sorten für die Geschäftsjahre 2005 bis 2007 während der Geschäftsstunden zu gewähren und die Herstellung von Abschriften und Fotokopien davon zu dulden.
Die Vorinstanzen gaben diesem Antrag statt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei; der Frage, ob die Ausübung des Bucheinsichtsrechts rechtsmissbräuchlich sei, komme keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1. Nach ständiger Rechtsprechung steht dem GmbH-Gesellschafter ein nicht näher zu begründender umfassender Informationsanspruch gegen die Gesellschaft zu (SZ 63/150 = EvBl 1990/170 = ecolex 1991, 25 [Thiery]; RIS-Justiz RS0060098). Anerkannt ist auch, dass die Inanspruchnahme des Individualrechts des Gesellschafters auf Information dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn damit gesellschaftsfremde, die Gesellschaft schädigende Interessen verfolgt werden (RIS-Justiz RS0107752), und dass der Informationsanspruch vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beherrscht ist (RIS-Justiz RS0105318). Als rechtsmissbräuchlich wurde die Inanspruchnahme des Individualrechts des Gesellschafters beurteilt, wenn damit gesellschaftsfremde, die Gesellschaft schädigende Interessen verfolgt werden (6 Ob 245/99v; 6 Ob 72/05i), insbesondere, wenn der Gesellschafter die Erlangung von Geschäftsinformationen anstrebt, die er für sein Konkurrenzunternehmen benötigt oder verwenden will (6 Ob 323/98p).
2. Voraussetzung dafür, dass das Firmenbuchgericht den Bucheinsichtsantrag des Gesellschafters ablehnen kann, ist vorerst ein konkretes Vorbringen der an sich auskunftspflichtigen Gesellschaft, das einen verlässlichen Schluss darauf zulässt, dass es diesem Gesellschafter aus im Einzelnen genannten konkreten Gründen um die rechtsmissbräuchliche Ausübung seines Individualrechts geht (6 Ob 245/99v).
3. Beweispflichtig dafür, dass der Rechtsausübende kein anderes Interesse hat als zu schädigen oder dass doch der Schädigungszweck und unlautere Motive so augenscheinlich im Vordergrund stehen, dass andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten, ist der den Rechtsmissbrauch Behauptende (SZ 69/289; 6 Ob 72/05i). Selbst wenn nur relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch verbleiben, geben diese aufgrund der dargestellten Beweislast zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt (4 Ob 233/02x; 6 Ob 72/05i).
4.1. Die Bewertung eines Begehrens als rechtsmissbräuchlich stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bzw § 62 Abs 1 AußStrG dar (5 Ob 200/02a; 7 Ob 103/05f; 6 Ob 72/05i), hängt diese doch regelmäßig von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach nicht auf eine konkrete Missbrauchsabsicht der Antragstellerin geschlossen werden könne, stellt keine im Interesse der Rechtssicherheit im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, zumal die Antragsgegnerin nicht einmal ausdrücklich behauptet hat, dass die Antragstellerin bisher ohne Zustimmung der Antragsgegnerin Informationen über Kundendaten und Preise weitergegeben hätte oder dies in Zukunft tun würde.4.1. Die Bewertung eines Begehrens als rechtsmissbräuchlich stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO bzw Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG dar (5 Ob 200/02a; 7 Ob 103/05f; 6 Ob 72/05i), hängt diese doch regelmäßig von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach nicht auf eine konkrete Missbrauchsabsicht der Antragstellerin geschlossen werden könne, stellt keine im Interesse der Rechtssicherheit im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, zumal die Antragsgegnerin nicht einmal ausdrücklich behauptet hat, dass die Antragstellerin bisher ohne Zustimmung der Antragsgegnerin Informationen über Kundendaten und Preise weitergegeben hätte oder dies in Zukunft tun würde.
4.2. Dazu kommt, dass die Lizenzgeberin W***** GmbH & Co KG nach dem Lizenzvertrag ein Einsichtsrecht in Verkaufsunterlagen, Kundenrechnungen, Auftragsbestätigungen etc hat. Im Hinblick auf diese vertragliche Bestimmung ist ein (schutzwürdiges) Geheimhaltungsinteresse der Antragsgegnerin nicht zu erkennen. Dass diese Vertragsbestimmung in einem Provisorialverfahren, wo diese Frage zudem nicht die Haupt-, sondern lediglich eine Vorfrage bildete und an dem die Antragstellerin zudem nicht beteiligt war, vom Gericht zweiter Instanz abweichend gelöst wurde, erfordert auch nicht im Interesse der Rechtssicherheit eine weitere Überprüfung der Entscheidungen der Vorinstanzen.
5. Für die in der deutschen Lehre (vgl zB Hirte, Die Ausübung der Informationsrechte von Gesellschaftern durch Sachverständige, BB 1985, 2208; Schilling in Großkommentar HGB4 § 166 Rz 10; BGH WM 1984, 807 = NJW 1984, 2470 ua) vertretene, gelegentlich auch im österreichischen Schrifttum befürwortete (Rassi, Fragen der Bucheinsicht im Gesellschaftsrecht, ecolex 1999, 546; vgl auch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 22 Rz 29) Einschränkung, das Einsichtsrecht bei einer Kollision zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft mit dem Informationsanspruch des Gesellschafters nur durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten ausüben zu lassen, besteht jedenfalls im vorliegenden Fall kein Anlass, erachteten die Vorinstanzen doch eine konkrete Gefahr der Weitergabe von Kundeninformationen gerade nicht als gegeben. Im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen der Revisionsrekurswerberin ist jedoch zu betonen, dass eine derartige Einschränkung des Einsichtsrechts aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 215/97d (= SZ 70/157) nicht abgeleitet werden kann. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof zwar die Rechtslage nach § 51a Abs 2 dGmbHG erörtert, in der Folge aber nur ausgeführt, dass „auch für den österreichischen Rechtsbereich [gelte], dass rechtsmissbräuchlich erhobenen Ansprüchen nicht stattgeben werden" dürfe. Für die der Revisionsrekurswerberin vorschwebende generelle Beschränkung des Bucheinsichtsrechts des Gesellschafters auf die Einsicht durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten lässt sich daraus nichts gewinnen, zumal der Oberste Gerichtshof in einer kurz vor dem zitierten Erkenntnis ergangenen Entscheidung (6 Ob 7/96 = SZ 69/216) gerade im Zusammenhang mit der Bucheinsicht Unterschiede zwischen der deutschen und österreichischen Rechtslage hervorgehoben hat.5. Für die in der deutschen Lehre vergleiche zB Hirte, Die Ausübung der Informationsrechte von Gesellschaftern durch Sachverständige, BB 1985, 2208; Schilling in Großkommentar HGB4 Paragraph 166, Rz 10; BGH WM 1984, 807 = NJW 1984, 2470 ua) vertretene, gelegentlich auch im österreichischen Schrifttum befürwortete (Rassi, Fragen der Bucheinsicht im Gesellschaftsrecht, ecolex 1999, 546; vergleiche auch Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ Paragraph 22, Rz 29) Einschränkung, das Einsichtsrecht bei einer Kollision zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft mit dem Informationsanspruch des Gesellschafters nur durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten ausüben zu lassen, besteht jedenfalls im vorliegenden Fall kein Anlass, erachteten die Vorinstanzen doch eine konkrete Gefahr der Weitergabe von Kundeninformationen gerade nicht als gegeben. Im Hinblick auf das diesbezügliche Vorbringen der Revisionsrekurswerberin ist jedoch zu betonen, dass eine derartige Einschränkung des Einsichtsrechts aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 215/97d (= SZ 70/157) nicht abgeleitet werden kann. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof zwar die Rechtslage nach Paragraph 51 a, Absatz 2, dGmbHG erörtert, in der Folge aber nur ausgeführt, dass „auch für den österreichischen Rechtsbereich [gelte], dass rechtsmissbräuchlich erhobenen Ansprüchen nicht stattgeben werden" dürfe. Für die der Revisionsrekurswerberin vorschwebende generelle Beschränkung des Bucheinsichtsrechts des Gesellschafters auf die Einsicht durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten lässt sich daraus nichts gewinnen, zumal der Oberste Gerichtshof in einer kurz vor dem zitierten Erkenntnis ergangenen Entscheidung (6 Ob 7/96 = SZ 69/216) gerade im Zusammenhang mit der Bucheinsicht Unterschiede zwischen der deutschen und österreichischen Rechtslage hervorgehoben hat.
Zusammenfassend bringt die Revisionsrekurswerberin somit keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.Zusammenfassend bringt die Revisionsrekurswerberin somit keine Rechtsfragen der in Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
Anmerkung
E869416Ob11.08ySchlagworte
Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inecolex 2008/194 S 541 - ecolex 2008,541 = GesRZ 2008,234 (Thiery) =GeS 2008,282 (Vavrovsky) = RdW 2008/414 S 458 - RdW 2008,458XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00011.08Y.0221.000Zuletzt aktualisiert am
18.02.2009