TE OGH 2008/2/26 11Os149/07g (11Os150/07d)

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Veröffentlicht am 26.02.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Siegfried K***** gegen die Antragsgegnerin V***** GmbH wegen §§ 6 ff MedienG, AZ 091 Hv 72/05g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. November 2005, GZ 091 Hv 72/05g-17, und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 52/06f (ON 25 der Hv-Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, sowie des Antragstellervertreters Dr. Rami und des Antragsgegnervertreters Dr. Simon zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Februar 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Siegfried K***** gegen die Antragsgegnerin V***** GmbH wegen Paragraphen 6, ff MedienG, AZ 091 Hv 72/05g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. November 2005, GZ 091 Hv 72/05g-17, und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 52/06f (ON 25 der Hv-Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Sperker, sowie des Antragstellervertreters Dr. Rami und des Antragsgegnervertreters Dr. Simon zu Recht erkannt:

Spruch

Die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. November 2005, GZ 091 Hv 72/05g-17, und des Oberlandesgerichts Wien vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 52/06f, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 111 Abs 1 StGB iVm § 6 Abs 1 MedienG und Art 10 MRK. Die genannten Urteile werden aufgehoben und die Medienrechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.Die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. November 2005, GZ 091 Hv 72/05g-17, und des Oberlandesgerichts Wien vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 52/06f, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des Paragraph 111, Absatz eins, StGB in Verbindung mit Paragraph 6, Absatz eins, MedienG und Artikel 10, MRK. Die genannten Urteile werden aufgehoben und die Medienrechtssache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem in der Medienrechtssache des Antragstellers Siegfried K***** gegen die Antragsgegnerin V***** GmbH wegen §§ 6 ff MedienG ergangenen Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. November 2005, GZ 091 Hv 72/05g-17, wurde die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 4.000 EUR an den Antragsteller verurteilt, weil im periodischen Druckwerk „p*****" vom 2. Mai 2005 Siegfried K***** der pauschalen Verurteilung aller Wehrmachtsdeserteure als Kameradenmörder beschuldigt und somit der objektive Tatbestand der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1, Abs 2 StGB hergestellt worden sei. Weiters ordnete das Erstgericht gemäß § 8a Abs 6 MedienG die Veröffentlichung des Urteils an und sprach die Kostenersatzpflicht der Antragsgegnerin aus.Mit dem in der Medienrechtssache des Antragstellers Siegfried K***** gegen die Antragsgegnerin V***** GmbH wegen Paragraphen 6, ff MedienG ergangenen Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. November 2005, GZ 091 Hv 72/05g-17, wurde die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 4.000 EUR an den Antragsteller verurteilt, weil im periodischen Druckwerk „p*****" vom 2. Mai 2005 Siegfried K***** der pauschalen Verurteilung aller Wehrmachtsdeserteure als Kameradenmörder beschuldigt und somit der objektive Tatbestand der üblen Nachrede nach Paragraph 111, Absatz eins,, Absatz 2, StGB hergestellt worden sei. Weiters ordnete das Erstgericht gemäß Paragraph 8 a, Absatz 6, MedienG die Veröffentlichung des Urteils an und sprach die Kostenersatzpflicht der Antragsgegnerin aus.

Diesem Urteil liegt die vom Antragsteller ausschließlich inkriminierte Veröffentlichung eines Lichtbildes des vor einem Rednerpult stehenden Antragstellers Siegfried K***** mit dem Begleittext „Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder" zu Grunde (vgl S 2 der verfahrenseinleitenden Anträge mit Bezug nur auf S 20 des Medienwerkes), wobei dieses Foto Teil eines die S 16 bis 20 umfassenden Artikels ist, der sich unter dem Titel „Gespenster der Gegenwart" und der Subunterschrift „NS Revisionismus. Mitten in die Jubiläumsfeiern der Republik platzen verharmlosende Äußerungen über die Zeit des Nationalsozialismus. Das ist peinlich, aber der Preis für eine Koalition mit den Freiheitlichen." mit dem Verhältnis einiger FPÖ- und BZÖ-Mitglieder zur Vergangenheitsbewältigung, insbesondere zur Thematik „Judenvernichtung in KZs und SS-Veteranen bzw Wehrmachtsdeserteure" beschäftigt.Diesem Urteil liegt die vom Antragsteller ausschließlich inkriminierte Veröffentlichung eines Lichtbildes des vor einem Rednerpult stehenden Antragstellers Siegfried K***** mit dem Begleittext „Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder" zu Grunde vergleiche S 2 der verfahrenseinleitenden Anträge mit Bezug nur auf S 20 des Medienwerkes), wobei dieses Foto Teil eines die S 16 bis 20 umfassenden Artikels ist, der sich unter dem Titel „Gespenster der Gegenwart" und der Subunterschrift „NS Revisionismus. Mitten in die Jubiläumsfeiern der Republik platzen verharmlosende Äußerungen über die Zeit des Nationalsozialismus. Das ist peinlich, aber der Preis für eine Koalition mit den Freiheitlichen." mit dem Verhältnis einiger FPÖ- und BZÖ-Mitglieder zur Vergangenheitsbewältigung, insbesondere zur Thematik „Judenvernichtung in KZs und SS-Veteranen bzw Wehrmachtsdeserteure" beschäftigt.

Das Erstgericht ging von einem Bedeutungsinhalt der dem Antragsteller zugeschriebenen Äußerung „Wehrmachtsdeserteure sind Kameradenmörder" dahingehend aus, dass danach „pauschal alle Wehrmachtsdeserteure Kameradenmörder wären, auch unschuldige, nur weil sie desertiert wären." Daran ändere nach Ansicht des Erstgerichts auch nichts, dass im zum Bild gehörenden Artikel unter der Überschrift „Gespenster der Gegenwart" auf S 16 des Fließtextes und in viel kleinerer Schrift der Antragsteller mit der Äußerung, Wehrmachtsdeserteure wären zum Teil Kameradenmörder zitiert worden war, weil viele Leser den Artikel gar nicht lesen und nur das Bild mit der dazugehörigen auffälligen Bildunterschrift beachten würden (US 41).

Der Antragsteller werde der pauschalen Verurteilung aller Deserteure als Kameradenmörder, somit auch unschuldiger Menschen, nur weil sie desertiert seien, beschuldigt. Durch diese Bezichtigung eines unehrenhaften Verhaltens im Sinn einer üblen Nachrede sei das Tatbild des § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB erfüllt. Den Wahrheitsbeweis erachtete das Erstgericht für nicht erbracht, weil der Antragsteller in der der Berichterstattung zu Grunde liegenden Rede „zwischen normalen Deserteuren und solchen, die Kameraden und andere Personen erschossen haben" unterschieden und keineswegs alle Deserteure als Kameradenmörder verunglimpft habe, nur weil sie desertiert seien. Der gegen diese Verurteilung erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 52/06f (ON 25 der Hv-Akten), nicht Folge. Nach - nicht notwendiger (vgl Ratz, WK-StPO § 473 Rz 8) - teilweiser Beweiswiederholung ging auch das Berufungsgericht davon aus, dass dem der inkriminierten Berichterstattung zu Grunde liegenden Diskussionsbeitrag des Antragstellers in der Sitzung des Bundesrates vom 14. April 2005, die die Beantwortung einer dringlichen Anfrage betreffend die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz, insbesondere der Wehrmachtsdeserteure im Gedenkjahr 2005 durch die Bundesministerin für Justiz zum Gegenstand hatte, zu entnehmen ist, dass nach Ansicht des Antragstellers auch bei Wehrmachtsdeserteuren eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht und der bloße Umstand der Fahnenflucht nicht generell und ausnahmslos positiv im Sinne eines Widerstandes gegen die Naziherrschaft zu bewerten sei, weil unter den Wehrmachtsdeserteuren auch Soldaten gewesen seien, die im Zuge der Desertion Kameraden ermordet hätten.Der Antragsteller werde der pauschalen Verurteilung aller Deserteure als Kameradenmörder, somit auch unschuldiger Menschen, nur weil sie desertiert seien, beschuldigt. Durch diese Bezichtigung eines unehrenhaften Verhaltens im Sinn einer üblen Nachrede sei das Tatbild des Paragraph 111, Absatz eins und Absatz 2, StGB erfüllt. Den Wahrheitsbeweis erachtete das Erstgericht für nicht erbracht, weil der Antragsteller in der der Berichterstattung zu Grunde liegenden Rede „zwischen normalen Deserteuren und solchen, die Kameraden und andere Personen erschossen haben" unterschieden und keineswegs alle Deserteure als Kameradenmörder verunglimpft habe, nur weil sie desertiert seien. Der gegen diese Verurteilung erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 19. April 2006, AZ 17 Bs 52/06f (ON 25 der Hv-Akten), nicht Folge. Nach - nicht notwendiger vergleiche Ratz, WK-StPO Paragraph 473, Rz 8) - teilweiser Beweiswiederholung ging auch das Berufungsgericht davon aus, dass dem der inkriminierten Berichterstattung zu Grunde liegenden Diskussionsbeitrag des Antragstellers in der Sitzung des Bundesrates vom 14. April 2005, die die Beantwortung einer dringlichen Anfrage betreffend die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz, insbesondere der Wehrmachtsdeserteure im Gedenkjahr 2005 durch die Bundesministerin für Justiz zum Gegenstand hatte, zu entnehmen ist, dass nach Ansicht des Antragstellers auch bei Wehrmachtsdeserteuren eine differenzierte Betrachtungsweise angebracht und der bloße Umstand der Fahnenflucht nicht generell und ausnahmslos positiv im Sinne eines Widerstandes gegen die Naziherrschaft zu bewerten sei, weil unter den Wehrmachtsdeserteuren auch Soldaten gewesen seien, die im Zuge der Desertion Kameraden ermordet hätten.

Die im Artikel auf S 16 des Fließtextes vorgenommene Einschränkung („zum Teil Kameradenmörder") habe das Erstgericht zutreffend außer Acht gelassen und sich bei der Ermittlung des Bedeutungsinhaltes richtigerweise auf die Interpretation des Bildtextes beschränkt, dem ein vollständiger und eigenständiger Informationsgehalt zukäme (S 11 f der Entscheidung).

Rechtliche Beurteilung

Die Urteile der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. November 2005, GZ 091 Hv 72/05g-17, und des Oberlandesgerichts Wien vom 19. April 2006, Az 17 Bs 52/06f (ON 25 der Hv-Akten), stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Diese Erkenntnisse stellen nämlich bei Ausmittlung des Bedeutungsinhalts der vom Antragsteller inkriminierten Textpassage auf unzutreffende rechtliche Kriterien ab.

Bei Feststellung des Bedeutungsgehaltes einer Mittteilung in einem Medium ist grundsätzlich die durch den inkriminierten Bericht insgesamt vermittelte Information heranzuziehen. Dies gilt gerade auch für Artikel über Äußerungen eines politischen Mandatars, insbesonders über in einer öffentlichen Sitzung einer parlamentarischen Institution getätigte Wortmeldungen. Wer sich in politischer Diskussion an die Öffentlichkeit wendet, muss damit rechnen, dass diese Aussagen journalistisch vor allem in Form von Hervorhebungen und Überschriften gekürzt und in plakativer Weise aufbereitet werden. Medien bedienen sich nämlich vielfach knapper, zugespitzter Zusammenfassungen, um das Publikum leichter zu erreichen. Der isolierten Beurteilung einer Schlagzeile oder einer ähnlichen Hervorhebung steht somit der Grundsatz entgegen, dass jede Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang der damit inhaltlich in Konnex stehenden Ausführungen zu beurteilen ist.

Würde hingegen die Auffassung vertreten, dass Überschriften in allen Fällen isoliert zu beurteilen seien, wäre es den Medien de facto verwehrt, plakative Titel zu einem Bericht oder Bilduntertitelungen innerhalb eines Artikels zu verwenden, wenn damit der von der Veröffentlichung Betroffene kritisch angegriffen würde. Gerade im Bereich der Debatten von öffentlichem Interesse stünde eine solche Auslegungsmaxime unweigerlich im Konflikt mit dem durch Art 10 MRK gewährten Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit. Die von der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien und vom Oberlandesgericht Wien aus dem bei einem Teil der Konsumenten üblichen bloßen „Schlagzeilenlesen" abgeleitete Forderung nach einer isolierten Beurteilung von Schlagzeilen und Überschriften entspricht auch nicht dem Grundsatz, dass jede Äußerung nach dem Verständnis des angesprochenen Publikums zu beurteilen ist. Als Maßstab ist nämlich der unbefangene „Durchschnittsleser" des betreffenden Mediums, also das Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers heranzuziehen (vgl dazu RIS-Justiz RS0115084 für den Bereich der zivilrechtlichen Entscheidungen). Wenn schon jede Schlagzeile selbständig zu beurteilen wäre, so setzt dies nach dem eben erläuterten Grundsatz voraus, dass ein so genannter „Schlagzeilenleser" der maßstabsgetreue Durchschnittsleser wäre. Dies ließe sich nicht mit dem auch in der Rechtsprechung des EUG und des EuGH zu gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vertretenen Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Konsumenten vereinbaren. Ein so definierter Erklärungsempfänger wird einem unvollständigen, aufklärungsbedürftigen Text in einer Überschrift entweder durch Lesen des Artikels nachgehen oder aber bewusst im Unklaren über den Sinn des Titels verbleiben, dies wäre dann aber auf seine Unterlassung zurückzuführen, den gesamten Text zu lesen (MR 2004, 396).Würde hingegen die Auffassung vertreten, dass Überschriften in allen Fällen isoliert zu beurteilen seien, wäre es den Medien de facto verwehrt, plakative Titel zu einem Bericht oder Bilduntertitelungen innerhalb eines Artikels zu verwenden, wenn damit der von der Veröffentlichung Betroffene kritisch angegriffen würde. Gerade im Bereich der Debatten von öffentlichem Interesse stünde eine solche Auslegungsmaxime unweigerlich im Konflikt mit dem durch Artikel 10, MRK gewährten Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit. Die von der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Wien und vom Oberlandesgericht Wien aus dem bei einem Teil der Konsumenten üblichen bloßen „Schlagzeilenlesen" abgeleitete Forderung nach einer isolierten Beurteilung von Schlagzeilen und Überschriften entspricht auch nicht dem Grundsatz, dass jede Äußerung nach dem Verständnis des angesprochenen Publikums zu beurteilen ist. Als Maßstab ist nämlich der unbefangene „Durchschnittsleser" des betreffenden Mediums, also das Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers heranzuziehen vergleiche dazu RIS-Justiz RS0115084 für den Bereich der zivilrechtlichen Entscheidungen). Wenn schon jede Schlagzeile selbständig zu beurteilen wäre, so setzt dies nach dem eben erläuterten Grundsatz voraus, dass ein so genannter „Schlagzeilenleser" der maßstabsgetreue Durchschnittsleser wäre. Dies ließe sich nicht mit dem auch in der Rechtsprechung des EUG und des EuGH zu gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen vertretenen Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Konsumenten vereinbaren. Ein so definierter Erklärungsempfänger wird einem unvollständigen, aufklärungsbedürftigen Text in einer Überschrift entweder durch Lesen des Artikels nachgehen oder aber bewusst im Unklaren über den Sinn des Titels verbleiben, dies wäre dann aber auf seine Unterlassung zurückzuführen, den gesamten Text zu lesen (MR 2004, 396).

Zur verfassungsrechtlich geschützten Medienfreiheit nach Art 10 Abs 1 MRK gehört es eben auch, wirksame Überschriften, Schlagzeilen, Artikelankündigungen oder eben Bilduntertitelungen zu bilden, die orientieren und das Interesse am Lesen wecken sollen. Deshalb kann nicht jede präzisierungsbedürftige Aussage isoliert betrachtet werden, sondern nur eine selbständige Aussage. Unter dem insoweit maßgeblichen Gesichtspunkt des verständigen Erklärungsadressaten gilt für (im medialen Schlagzeilen- und Hervorhebungsbereich in der Regel) unvollständige Tatsachenbehauptungen, dass derartige ergänzungsbedürftige Titel oder Bildunterlegungen nicht selbständig und isoliert zu betrachten sind. Solche Textstellen können vielmehr durch den nachfolgenden Bericht vervollständigt werden und sind am Gesamtinhalt des Textes zu prüfen (vgl 12 Os 36/07x). Überschriften oder sonstige plakativ-mediale Gestaltungselemente können aber zB dann tatbildlich im Sinn des § 111 Abs 1 StGB sein, wenn sie einen eigenen Erklärungswert besitzen und infolge sinnentstellender Verkürzung die im Artikel an anderer Stelle richtig - im Sinne von umfassend - wiedergegebenen Äußerungen geradezu ins Gegenteil verkehren, also den Inhalt der Botschaft konterkarieren. Nach diesen Grundsätzen beruht der vom Erstgericht sowie vom Oberlandesgericht Wien angenommene Bedeutungsinhalt, wonach die hier strittige Untertitelung des Fotos des Antragstellers mit den Worten „Deserteure sind Kameradenmörder" eine vom Gesamttext losgelöst zu beurteilende Tatsachenbehauptung wäre, auf einer rechtsirrigen Prämisse.Zur verfassungsrechtlich geschützten Medienfreiheit nach Artikel 10, Absatz eins, MRK gehört es eben auch, wirksame Überschriften, Schlagzeilen, Artikelankündigungen oder eben Bilduntertitelungen zu bilden, die orientieren und das Interesse am Lesen wecken sollen. Deshalb kann nicht jede präzisierungsbedürftige Aussage isoliert betrachtet werden, sondern nur eine selbständige Aussage. Unter dem insoweit maßgeblichen Gesichtspunkt des verständigen Erklärungsadressaten gilt für (im medialen Schlagzeilen- und Hervorhebungsbereich in der Regel) unvollständige Tatsachenbehauptungen, dass derartige ergänzungsbedürftige Titel oder Bildunterlegungen nicht selbständig und isoliert zu betrachten sind. Solche Textstellen können vielmehr durch den nachfolgenden Bericht vervollständigt werden und sind am Gesamtinhalt des Textes zu prüfen vergleiche 12 Os 36/07x). Überschriften oder sonstige plakativ-mediale Gestaltungselemente können aber zB dann tatbildlich im Sinn des Paragraph 111, Absatz eins, StGB sein, wenn sie einen eigenen Erklärungswert besitzen und infolge sinnentstellender Verkürzung die im Artikel an anderer Stelle richtig - im Sinne von umfassend - wiedergegebenen Äußerungen geradezu ins Gegenteil verkehren, also den Inhalt der Botschaft konterkarieren. Nach diesen Grundsätzen beruht der vom Erstgericht sowie vom Oberlandesgericht Wien angenommene Bedeutungsinhalt, wonach die hier strittige Untertitelung des Fotos des Antragstellers mit den Worten „Deserteure sind Kameradenmörder" eine vom Gesamttext losgelöst zu beurteilende Tatsachenbehauptung wäre, auf einer rechtsirrigen Prämisse.

Die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung eines Entschädigungsbetrages in der Höhe von 4.000 EUR an den Antragsteller wegen des objektiv hergestellten Tatbestandes der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB sowie die Anordnung der Veröffentlichung des Urteiles gemäß § 8a Abs 6 MedienG erfolgten daher nicht zu Recht. Da sich dieser Rechtsfehler zu Lasten der Antragsgegnerin ausgewirkt hat, eine Entscheidung in der Sache aber mangels ausreichender Feststellungsbasis nicht einzutreten hat, sieht sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, gemäß § 292 letzter Satz StPO die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien aufzuheben. Einer förmlichen Aufhebung der auf dem verfehlten Berufungsurteil beruhenden Beschlüsse bedurfte es nicht, weil es sich dabei um eine rechtslogische Folge der Kassierung der Entscheidung handelt (RIS-Justiz RS0100444).Die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung eines Entschädigungsbetrages in der Höhe von 4.000 EUR an den Antragsteller wegen des objektiv hergestellten Tatbestandes der üblen Nachrede nach Paragraph 111, Absatz eins, StGB sowie die Anordnung der Veröffentlichung des Urteiles gemäß Paragraph 8 a, Absatz 6, MedienG erfolgten daher nicht zu Recht. Da sich dieser Rechtsfehler zu Lasten der Antragsgegnerin ausgewirkt hat, eine Entscheidung in der Sache aber mangels ausreichender Feststellungsbasis nicht einzutreten hat, sieht sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, gemäß Paragraph 292, letzter Satz StPO die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien aufzuheben. Einer förmlichen Aufhebung der auf dem verfehlten Berufungsurteil beruhenden Beschlüsse bedurfte es nicht, weil es sich dabei um eine rechtslogische Folge der Kassierung der Entscheidung handelt (RIS-Justiz RS0100444).

Das Erstgericht wird die Medienrechtssache unter Beachtung der aufgezeigten Rechtslage neu zu beurteilen haben.

Anmerkung

E86962 11Os149.07g

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0110OS00149.07G.0226.000

Dokumentnummer

JJT_20080226_OGH0002_0110OS00149_07G0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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