Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Andrea Eisler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj Matteas K*****, geboren am 2. September 2001, *****, gegen die beklagte Partei Land Wien, Neues Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. September 2007, GZ 7 Rs 99/07s-16, den
Spruch
Beschluss
gefasst:
Text
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Zulassungsbeschwerde der außerordentlichen Revision wendet sich ausschließlich dagegen, dass bei der Berücksichtigung der notwendigen Begleitung des Klägers zur wöchentlichen Ergo- und Physiotherapie eine „Trennung" in Fahrtzeit (zwei Stunden) und Behandlungszeit (eine Stunde) nicht vorgenommen wurde, obwohl das Berufungsgericht (anders als das Erstgericht) hinsichtlich der Begleitung beim halbjährlich erforderlichen (zwei- bis dreitägigen) stationären Aufenthalt des Klägers - zu Recht - nur den „eigentlichen Begleitaufwand zur Klinik" (mit rund 20 Minuten monatlich) als Pflegeaufwand berücksichtigt habe. Die Behandlungs- oder Therapiezeit als Pflegeaufwand (Mobilitätshilfe im weiteren Sinn) zu berücksichtigen, stehe im Widerspruch zur ständigen Judikatur, wonach selbst Therapien an Behinderten, die von Familienangehörigen selbständig nach einer Einschulung durch Fachkräfte durchgeführt würden, weder der Betreuung noch der Hilfe zuzurechnen und daher bei der Bemessung des Pflegeaufwands nicht zu berücksichtigen seien (RIS-Justiz RS0106399). Ein Abweichen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt jedoch nicht von; zur Frage, ob - im Fall eines Kleinkinds - bei der Ermittlung des zeitlichen Ausmaßes der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn auch die mit den Behandlungen und Therapien regelmäßig verbundenen kurzfristigen Wartezeiten sowie die Behandlungs- und Therapiezeiten zu berücksichtigen sind, hat der Senat nämlich erst jüngst Stellung genommen und ausgeführt, weshalb dies sachlich gerechtfertigt erscheint (E v 5. 2. 2008, 10 ObS 10/08f):
„Es trifft zu, dass Verrichtungen medizinischer Art wie Krankenbehandlung, Therapie oder medizinische Hauskrankenpflege keinen Pflegebedarf im Sinne der einschlägigen Pflegegeldgesetze darstellen. Es sind daher nach ständiger Rechtsprechung therapeutische Maßnahmen an Behinderten, die der Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustands dienen, auch dann nicht der Betreuung oder Hilfe zuzurechnen, wenn sie von Familienangehörigen oder sonstigen Pflegepersonen selbstständig nach einer erfolgten Einschulung durch Fachkräfte durchgeführt werden. Derartige therapeutische Maßnahmen (zB nach Bobath oder Vojta) sind daher bei der Bemessung des Pflegeaufwands nicht zu berücksichtigen (Greifeneder/Liebhart, Handbuch Pflegegeld Rz 4 und 8 mwN). Im vorliegenden Fall ist jedoch, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht die Frage zu klären, ob die Durchführung von Therapien selbst oder die Zeit einer damit verbundenen Beaufsichtigung eines minderjährigen Pflegebedürftigen als Pflegeaufwand zu berücksichtigen ist, sondern nur die Frage, ob und in welchem Umfang die notwendige Begleitung des Klägers aus Anlass dieser Behandlungen und Therapien außer Haus eine Mobilitätshilfe im weiteren Sinn rechtfertigt.
Der für die Gewährung von Pflegegeld bzw die Einstufung des Pflegebedürftigen maßgebende Pflegebedarf setzt sich aus Betreuung (§ 1 EinstV) und Hilfe (§ 2 EinstV) zusammen. Nach § 2 Abs 1 EinstV sind unter Hilfe aufschiebbare Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die den sachlichen Lebensbereich betreffen und zur Sicherung der Existenz erforderlich sind. Dazu zählt unter anderem die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (§ 2 Abs 2 EinstV). Darunter ist die Begleitung des Pflegebedürftigen bei unbedingt erforderlichen Verrichtungen außer Haus zu verstehen. Dazu zählt insbesondere die Begleitung zu krankheits- oder therapiebedingten Untersuchungen, Behandlungen und Kontrollen bei Ärzten oder Therapeuten sowie die Begleitung von behinderten Kindern oder Jugendlichen zur Schule. Mobilitätshilfe im weiteren Sinn wird daher immer dann benötigt werden, wenn der Pflegebedürftige die Verrichtungen außer Haus nur in Begleitung der Pflegeperson erledigen kann (Greifeneder/Liebhart aaO Rz 295 mwN). Nach § 14 Abs 1 der Richtlinien des Hauptverbands für die einheitliche Anwendung des Bundespflegegeldgesetzes 2005 umfasst die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn Hilfeleistungen außerhalb des Wohnbereichs bei allen Abläufen, die zur Führung eines menschenwürdigen Lebens erforderlich sind. Sie umfasst insbesondere die Begleitung zum Arzt, zur Therapie, zu Behörden oder Banken sowie zu kulturellen Veranstaltungen. Bei der Auslegung des Begriffs 'Mobilitätshilfe im weiteren Sinn' ist daher ein eher großzügiges Verständnis geboten (Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 191).Der für die Gewährung von Pflegegeld bzw die Einstufung des Pflegebedürftigen maßgebende Pflegebedarf setzt sich aus Betreuung (Paragraph eins, EinstV) und Hilfe (Paragraph 2, EinstV) zusammen. Nach Paragraph 2, Absatz eins, EinstV sind unter Hilfe aufschiebbare Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die den sachlichen Lebensbereich betreffen und zur Sicherung der Existenz erforderlich sind. Dazu zählt unter anderem die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (Paragraph 2, Absatz 2, EinstV). Darunter ist die Begleitung des Pflegebedürftigen bei unbedingt erforderlichen Verrichtungen außer Haus zu verstehen. Dazu zählt insbesondere die Begleitung zu krankheits- oder therapiebedingten Untersuchungen, Behandlungen und Kontrollen bei Ärzten oder Therapeuten sowie die Begleitung von behinderten Kindern oder Jugendlichen zur Schule. Mobilitätshilfe im weiteren Sinn wird daher immer dann benötigt werden, wenn der Pflegebedürftige die Verrichtungen außer Haus nur in Begleitung der Pflegeperson erledigen kann (Greifeneder/Liebhart aaO Rz 295 mwN). Nach Paragraph 14, Absatz eins, der Richtlinien des Hauptverbands für die einheitliche Anwendung des Bundespflegegeldgesetzes 2005 umfasst die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn Hilfeleistungen außerhalb des Wohnbereichs bei allen Abläufen, die zur Führung eines menschenwürdigen Lebens erforderlich sind. Sie umfasst insbesondere die Begleitung zum Arzt, zur Therapie, zu Behörden oder Banken sowie zu kulturellen Veranstaltungen. Bei der Auslegung des Begriffs 'Mobilitätshilfe im weiteren Sinn' ist daher ein eher großzügiges Verständnis geboten (Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 191).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger behinderungsbedingt zu seiner Existenzsicherung Arzt- und Therapiebesuche wahrzunehmen, wobei schon im Hinblick auf sein Alter eine Anwesenheit der ihm vertrauten Pflegeperson auch während der Behandlung bzw Therapie unbedingt erforderlich ist. Es wäre mit dem Zweck des Pflegegelds (vgl § 1 WPGG), dem Pflegebedürftigen die Führung eines selbstbestimmten, bedürfnisorientierten Lebens zu ermöglichen, keinesfalls vereinbar, den schwerstbehinderten Kläger im Kleinkindalter nach Übergabe in der Ordination bzw Therapieeinrichtung seinem Schicksal zu überlassen. Das Berufungsgericht hat mit Recht auch darauf hingewiesen, dass oftmals auch weitere Ortsveränderungen in den jeweiligen Arztpraxen, Therapiestätten oder Krankenhäusern erforderlich sind, um letztlich die Therapie selbst zu ermöglichen, da sich die pflegebedürftige Person im Falle des Klägers selbst nicht in die dafür notwendigen Räume begeben kann, sondern dafür Hilfe benötigt. Es sind daher im vorliegendem Fall bei der Ermittlung des zeitlichen Ausmaßes der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen auch die mit den Behandlungen und Therapien regelmäßig verbundenen kurzfristigen Wartezeiten sowie die Behandlungs- und Therapiezeiten zu berücksichtigen."Im vorliegenden Fall hat der Kläger behinderungsbedingt zu seiner Existenzsicherung Arzt- und Therapiebesuche wahrzunehmen, wobei schon im Hinblick auf sein Alter eine Anwesenheit der ihm vertrauten Pflegeperson auch während der Behandlung bzw Therapie unbedingt erforderlich ist. Es wäre mit dem Zweck des Pflegegelds vergleiche Paragraph eins, WPGG), dem Pflegebedürftigen die Führung eines selbstbestimmten, bedürfnisorientierten Lebens zu ermöglichen, keinesfalls vereinbar, den schwerstbehinderten Kläger im Kleinkindalter nach Übergabe in der Ordination bzw Therapieeinrichtung seinem Schicksal zu überlassen. Das Berufungsgericht hat mit Recht auch darauf hingewiesen, dass oftmals auch weitere Ortsveränderungen in den jeweiligen Arztpraxen, Therapiestätten oder Krankenhäusern erforderlich sind, um letztlich die Therapie selbst zu ermöglichen, da sich die pflegebedürftige Person im Falle des Klägers selbst nicht in die dafür notwendigen Räume begeben kann, sondern dafür Hilfe benötigt. Es sind daher im vorliegendem Fall bei der Ermittlung des zeitlichen Ausmaßes der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen auch die mit den Behandlungen und Therapien regelmäßig verbundenen kurzfristigen Wartezeiten sowie die Behandlungs- und Therapiezeiten zu berücksichtigen."
Die gleichen Überlegungen müssen für den schon etwas älteren Kläger gelten; infolge hirnorganischer Wesensveränderung (Hyperaktivität) und Feinmotorikstörung bedarf nämlich offenbar auch er - selbst nach der Übergabe in der Ordination oder Therapieeinrichtung (also nach Ende der reinen Fahrtzeit) - weiterhin der Begleitung seiner Mutter und benötigt damit weitere (Mobilitäts-)Hilfe. Die in der außerordentlichen Revision bekämpfte Rechtsauffassung, dass für die Begleitung zu den regelmäßig durchzuführenden Kontrollen und Therapien insgesamt (jedenfalls) 13 Stunden monatlich (= 3 Stunden wöchentlich) als Zeiten der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn zu veranschlagen seien, ist daher nicht zu beanstanden. Sie entspricht vielmehr der zitierten aktuellen Rechtsprechung.
Eine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO liegt somit nicht vor.Eine erhebliche Rechtsfrage nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO liegt somit nicht vor.
Anmerkung
E86843 10ObS149.07wSchlagworte
Kennung XPUBL - XBEITR Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ZAS-Judikatur 2008/134 (Reiner) XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:010OBS00149.07W.0304.000Zuletzt aktualisiert am
03.09.2008