TE OGH 2008/3/10 10Ob119/07h

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Veröffentlicht am 10.03.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sandra S*****, verehelichte L*****, Bürokauffrau, *****, vertreten durch Dr. Margit Stüger, Rechtsanwältin in Frankenmarkt, gegen die beklagte Partei Dr. Margit S*****, Zahnärztin, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, und der auf der Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin B***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Helmut Valenta und Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 4.600 EUR sA und Feststellung (500 EUR), infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Teil- und Teilzwischenurteil sowie den Beschluss des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 27. August 2007, GZ 21 R 214/07f-67, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 18. Jänner 2007, GZ 11 C 91/03y-59, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision und der Rekurs der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Wolfgang G*****, der den Beruf eines Zimmermanns (ohne Lehrabschluss) ausübte, verfügte aufgrund einer insgesamt siebenwöchigen Tätigkeit bei verschiedenen Zahnärzten als Ordinationsgehilfe bzw zahnärztlicher Assistent über rudimentäre Grundkenntnisse in Bezug auf Abläufe in einer Zahnarztpraxis, weiters betreffend die verwendeten zahntechnischen Instrumente und Hilfsmittel sowie in Bezug auf die dabei verwendeten Begriffe und die im Zuge einer Zahnbehandlung vorgesehenen Maßnahmen.

Am 12. 2. 2002 stellte er sich mit gefälschten Papieren bei der Beklagten, die in einem in der Universitätszahnklinik in Wien aufliegenden Stellenangebot einen Zahnarztkollegen suchte, der in ihrer Ordination mitarbeitet und sie auch vertritt, als „Zahnarzt Dr. Rudolf F*****" vor. Nach einem überzeugenden Einstellungsgespräch begann er in der Ordination der Beklagten zu arbeiten; er zog bei Patienten Milchzähne, machte unter Assistenz der Beklagten Füllungen, zog einen Zahn und begann Wurzelbehandlungen, wobei er sich geschickt anstellte und wusste, wie man eine Wurzelbehandlung grundsätzlich durchführt. Schließlich bat die Beklagte Wolfgang G***** (alias „Dr. F*****"), für sie die Urlaubsvertretung in der Zeit von 18. bis 22. Februar 2002 zu machen.

In diesem Zeitraum nahm Wolfgang G***** in der Ordination der Beklagten an der Klägerin, die bereits etwa zehn Jahre bei dieser in zahnärztlicher Behandlung war und ab 15. 2. 2002 an starken Zahnschmerzen litt, eine Wurzelbehandlung am Zahn 36 vor. Am 21. 2. 2002 fertigte er ein Messröntgen an; sodann wurde der Zahn wieder mit einer medikamentösen Einlage versehen und provisorisch verschlossen. Bei einem Messröntgen handelt es sich um die Anfertigung eines Röntgenbildes mit Wurzelkanalinstrumenten in den Nervkanälen zur Kontrolle der Länge der Wurzeln. Die Durchführung eines Messröntgens im Zuge einer zahnärztlichen Notbehandlung ist nicht erforderlich, jedoch ist der dritte Wurzelkanal, soweit (wie hier) vorhanden, im Rahmen der definitiven Wurzelbehandlung zu messen. Der Zeitpunkt hiefür ergibt sich daraus, dass ein Patient klinisch subjektiv beschwerdefrei ist und das Wurzelkanalsystem mit Wurzelfüllmaterial gefüllt wird. Die Klägerin litt nach dem 21. 2. 2002 nach wie vor unter Schmerzen, doch waren diese im Vergleich zum Ausgleichsbefund deutlich geringer.

Am 25. 3. 2002 nahm die Beklagte in korrekter Weise eine Wurzelbehandlung im Bereich des Zahnes 36 vor. Anlässlich dieser Behandlung wurde kein neuerliches bzw vollständiges Kontrollröntgen angefertigt. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt nach wie vor subjektiv Beschwerden, weshalb die Nichtdurchführung eines Messröntgens zu diesem Zeitpunkt keinen Behandlungsfehler durch die Beklagte darstellte.

Die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns einer Wurzelbehandlung oder endodontischen Maßnahme im Sinne von anhaltender Schmerzhaftigkeit und einer Notwendigkeit der Wiederholung einer Wurzelbehandlung bzw die Notwendigkeit eines chirurgischen Vorgehens zur Entzündungssanierung, Wurzelspitzenresektion oder eventuell sogar Extraktion des Zahnes liegt selbst bei einer lege artis durchgeführten Wurzelbehandlung im Bereich von 5 bis 10 %. Die weiterhin vorhandene Aufbissempfindlichkeit der Klägerin tritt in etwa 5 % der Fälle nach Wurzelbehandlung auf, dies auch bei Durchführung lege artis.

Das Erstgericht wies das auf Schadenersatz in Höhe von 4.600 EUR (4.500 EUR Schmerzengeld und 100 EUR Spesen) und auf die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden aus Anlass der in ihrer Praxis von Wolfgang G***** im Zeitraum von 13. 2. 2002 bis 25. 3. 2002 vorgenommenen „Behandlungen" gerichtete Klagebegehren ab. Mangels eines eigenen Vertragsverhältnisses zur Klägerin sei Wolfgang G***** als Erfüllungsgehilfe der Beklagten nach § 1313a ABGB anzusehen. Da aber die Behandlung durch Wolfgang G***** lege artis vorgenommen worden sei, komme es zu keiner Haftung der Beklagten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, sprach ihr mit Teilurteil den Ersatz der Spesen von 100 EUR sA zu und sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass das Schmerzengeldbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wurde das Ersturteil aufgehoben.

Das Berufungsgericht, das eine mündliche Berufungsverhandlung ohne Beweiswiederholung oder -ergänzung durchführte, verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und bestätigte mit einer Ausnahme die erstinstanzlichen Feststellungen: Mangels Deckung im Gutachten des medizinischen Sachverständigen übernahm es die von der Klägerin bekämpfte Feststellung, wonach Wolfgang G***** die Wurzelbehandlung lege artis durchgeführt und das Pulpengewebe vollständig entfernt habe, nicht. Eine Beweiswiederholung sei in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, weil eine Haftung der Beklagten für die nachteiligen Folgen der Wurzelbehandlung unabhängig davon zu bejahen sei, ob diese von Wolfgang G***** zufälligerweise lege artis durchgeführt worden sei oder nicht.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht ebenfalls von einer Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Wolfgang G***** aus, der als Urlaubsvertreter nicht nur die Patienten, sondern auch die Praxisräume und das Personal der Beklagten für eine bestimmte Zeit übernommen habe und damit in deren Praxisbetrieb eingegliedert gewesen sei. Im Übrigen sei für die Beklagte selbst bei Annahme einer Substitution nichts zu gewinnen, weil bei unerlaubter Substitution (hier: an eine mangels entsprechender fachlicher Qualifikation gar nicht passiv substitutionsfähige Person) die Verpflichtung zur Geschäftsbesorgung bestehen bleibe und der Geschäftsbesorger für alle Schäden hafte, die er durch die unzulässige Substitution verursacht habe; in diesem Fall sei das Verhalten des „Übernehmers" dem Erstbeauftragten entsprechend § 1313a ABGB zuzurechnen.

Eine mit Schmerzen verbundene Wurzelbehandlung eines Zahnes sei per se als Körperverletzung anzusehen. Ein ärztlicher Eingriff sei nur insoweit vertragsgemäß und nicht rechtswidrig, als die Einwilligung des Patienten reiche. Werde der Patient vom Behandelnden in einem für seine Entscheidung relevanten Punkt getäuscht, liege eine eigenmächtige Heilbehandlung vor. Dementsprechend sei eine Einwilligung unwirksam, wenn der Täter sie durch die Vortäuschung, Arzt zu sein, erschlichen habe. Da der Arzt für nachteilige Folgen einer ohne Einwilligung oder ausreichende Aufklärung vorgenommenen Behandlung des Patienten selbst dann hafte, wenn ihm bei der Behandlung kein Kunstfehler unterlaufen sei, sei der Ersatzanspruch der Klägerin für nachteilige Folgen der von Wolfgang G***** begonnenen und von der Beklagten selbst abgeschlossenen Wurzelbehandlung unabhängig davon zu bejahen, ob Wolfgang G***** dabei ein Behandlungsfehler unterlaufen sei oder nicht. Im Übrigen sei anzumerken, dass der Beklagten selbst ein ärztlicher Behandlungsfehler insofern anzulasten sei, als sie die Wurzelbehandlung trotz Fehlens eines Messröntgens des dritten Wurzelkanals und anhaltender subjektiver Beschwerden der Klägerin abgeschlossen habe. Stehe aber fest, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch den ärztlichen Kunstfehler nicht bloß unwesentlich erhöht worden sei, dann obliege infolge der erwiesenen Vertragsverletzung (Kunstfehler) dem Schädiger der volle Beweis dafür, dass im konkreten Behandlungsfall das Fehlverhalten mit größter Wahrscheinlichkeit für den Schaden unwesentlich geblieben sei. Dieser Nachweis sei von der Beklagten jedoch nicht angetreten worden und könne auch nach den Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nicht als erbracht angesehen werden.

Da das Erstgericht aufgrund seiner vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht keine Feststellungen zur Höhe des Schmerzengeldbegehrens getroffen habe, sei diesbezüglich ein stattgebendes Teilzwischenurteil zu erlassen. Hinsichtlich der der Höhe nach unstrittigen Spesenforderung der Klägerin von 100 EUR sei der Berufung im klagsstattgebenden Sinn Folge zu geben, zumal die mit der gegenständlichen Heilbehandlung verbundenen bzw auf deren Fehlschlagen zurückzuführenden Aufwendungen der Klägerin jedenfalls einen ersatzfähigen Schaden darstellten. Da auch Feststellungen zum Feststellungsinteresse der Klägerin fehlten, sei diesbezüglich mit einer Aufhebung und Zurückverweisung an die erste Instanz vorzugehen.

Die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nach § 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO seien zulässig, weil das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Wolfgang G***** möglicherweise von den Grundsätzen der Entscheidung 2 Ob 805/53 = SZ 27/6 abgewichen sei und es zu den Rechtsfolgen einer von einem Nichtarzt durch die fälschliche Vorgabe, Arzt zu sein, erschlichenen schmerzlindernden ärztlichen Behandlung eines Patienten an höchstgerichtlicher Rechtsprechung fehle.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die Revision und der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisions- und Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1, § 526 Abs 2 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Weder im Rechtsmittel noch in der Rechtsmittelbeantwortung wird die Zulässigkeitsfrage explizit angesprochen. Inhaltlich lässt sich erkennen, dass die Beklagte eine erhebliche Rechtsfrage in folgenden vier Punkten sieht:

a) Fehlende Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Wolfgang G***** als Urlaubsvertreter wegen fehlender Möglichkeit der Beaufsichtigung durch den auf Urlaub befindlichen Arzt;

b) im Übrigen entfalle eine Haftung für den Erfüllungsgehilfen jedenfalls dann, wenn das Delikt auf einer selbständigen unerlaubten Handlung beruhe;

c) ein Irrtum über die fehlende Arzteigenschaft mache die Einwilligung nicht unwirksam;

d) angesichts der Feststellungen des Erstgerichts hätte der Vorwurf eines Behandlungsfehlers der Beklagten die Durchführung einer Beweiswiederholung vorausgesetzt; selbst wenn ein Behandlungsfehler (in Form der Unterlassung eines Messröntgens) bejaht würde, wäre dieser mit größter Wahrscheinlichkeit für den Schaden unwesentlich geblieben.

Dazu hat der Senat erwogen:

ad a) Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 805/53 = SZ 27/6 = JBl 1954, 437 ausgesprochen, dass ein praktischer Arzt für den von ihm bestellten Urlaubsvertreter nicht nach § 1313a ABGB, sondern nach § 1010 ABGB hafte, weil die Behandlung durch den praktischen Arzt zum Zeitpunkt des Vertretungsfalls bereits abgeschlossen gewesen sei und die Übertragung eines Geschäfts zu eigener selbstverantwortlicher Besorgung mit dem Begriff eines Gehilfen unvereinbar sei; beim Urlaubsvertreter sei im Übrigen eine Beaufsichtigung durch den auf Urlaub befindlichen Arzt nach der Sachlage ausgeschlossen.

In gewissem Gegensatz dazu hat der Oberste Gerichtshof in dem ebenfalls den gegenständlichen Sachverhalt betreffenden Verfahren wegen Versicherungsdeckung zu 7 Ob 264/04f = EvBl 2005/125 = ecolex 2006, 974 (Ertl) die Rechtsansicht der zweiten Instanz nicht in Zweifel gezogen, dass Wolfgang G***** als Erfüllungsgehilfe der Beklagten anzusehen sei.

Tatsächlich entspricht die in der Entscheidung 2 Ob 805/53 herangezogene Argumentation nicht mehr der aktuell herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu den Eigenschaften eines Erfüllungsgehilfen. Abgesehen davon, dass ein Arzt - anders als ein Rechtsanwalt - keine allgemeine Substitutionsbefugnis hat (RIS-Justiz RS0025546; Harrer in Schwimann, ABGB3 VII § 1300 Rz 73; relativierend Reischauer in Rummel3 § 1299 Rz 30), wird die Haftung eines Schuldners nach § 1313a ABGB nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Schuldner gar nicht in der Lage ist, nähere Anweisungen zu geben; entscheidend ist nur, dass sich der Schuldner zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten eines Dritten bedient (4 Ob 251/06z = EvBl 2007/90 = JBl 2007, 588 = RIS-Justiz RS0028447 [T4]; Reischauer in Rummel3 § 1313a Rz 9; noch auf die Weisungsbefugnis im Innenverhältnis abstellend 1 Ob 23/86 = JBl 1986, 789). Erfüllungsgehilfe kann nach mittlerweile ganz gesicherter Rechtsprechung neben einem unselbständig Tätigen auch ein selbständiger Unternehmer sein (4 Ob 2112/96h = SZ 69/115 = RIS-Justiz RS0028447 [T2]; 4 Ob 251/06z = EvBl 2007/90 = JBl 2007, 588 = RIS-Justiz RS0028563 [T2]). Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 210/07x die Erfüllungsgehilfeneigenschaft eines Ordinationsvertreters ausdrücklich bejaht.Tatsächlich entspricht die in der Entscheidung 2 Ob 805/53 herangezogene Argumentation nicht mehr der aktuell herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu den Eigenschaften eines Erfüllungsgehilfen. Abgesehen davon, dass ein Arzt - anders als ein Rechtsanwalt - keine allgemeine Substitutionsbefugnis hat (RIS-Justiz RS0025546; Harrer in Schwimann, ABGB3 römisch VII § 1300 Rz 73; relativierend Reischauer in Rummel3 § 1299 Rz 30), wird die Haftung eines Schuldners nach § 1313a ABGB nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Schuldner gar nicht in der Lage ist, nähere Anweisungen zu geben; entscheidend ist nur, dass sich der Schuldner zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten eines Dritten bedient (4 Ob 251/06z = EvBl 2007/90 = JBl 2007, 588 = RIS-Justiz RS0028447 [T4]; Reischauer in Rummel3 § 1313a Rz 9; noch auf die Weisungsbefugnis im Innenverhältnis abstellend 1 Ob 23/86 = JBl 1986, 789). Erfüllungsgehilfe kann nach mittlerweile ganz gesicherter Rechtsprechung neben einem unselbständig Tätigen auch ein selbständiger Unternehmer sein (4 Ob 2112/96h = SZ 69/115 = RIS-Justiz RS0028447 [T2]; 4 Ob 251/06z = EvBl 2007/90 = JBl 2007, 588 = RIS-Justiz RS0028563 [T2]). Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 210/07x die Erfüllungsgehilfeneigenschaft eines Ordinationsvertreters ausdrücklich bejaht.

In diesem Sinn ist die Entscheidung 2 Ob 805/53 = SZ 27/6, auf die die beklagte Partei im Wesentlichen ihren Standpunkt stützt, als überholt anzusehen; sie wurde im Übrigen von Engljähringer (Ärztlicher Behandlungsvertrag, ÖJZ 1993, 488 [495 FN 74]) als nicht haltbare Einzelentscheidung bezeichnet. Auch Steiner/Fleisch (Ärztliche Substitutionsbefugnis, AnwBl 1997, 702 [705]) gehen für den auch hier gegebenen Fall der Urlaubsvertretung, wenn der Vertreter nicht nur die Patienten, sondern auch die Praxisräume und das Personal eines Kollegen für eine bestimmte Zeit übernimmt, von Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Vertreters aus. Insoweit kann auch nicht danach differenziert werden, ob der Vertretene bereits eine Behandlung begonnen hat, die vom Vertreter fortgesetzt wird, oder ob der Vertreter in der Ordination des Vertretenen mit dessen Personal eine Behandlung beginnt.

Ist die Erfüllungsgehilfeneigenschaft des Wolfgang G***** zu bejahen, hat die Beklagte für dessen Unterlassungen bei der gebotenen Aufklärung (auch über seine fehlende Qualifikation als Zahnarzt; siehe c) einzustehen. Hat die ohne ausreichende Aufklärung des Patienten vorgenommene Behandlung des Patienten nachteilige Folgen, haftet der Arzt, wenn der Patient sonst in die Behandlung nicht eingewilligt hätte, für diese Folgen selbst dann, wenn ihm bei der Behandlung kein Kunstfehler unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0026783).

ad b) Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen entfällt, wenn der Schaden bloß „gelegentlich der Erfüllung" verursacht wurde. Dann allerdings, wenn die unerlaubte Handlung des Gehilfen in den Aufgabenbereich eingreift, zu dessen Wahrnehmung er vom Geschäftsherrn bestimmt worden ist, hat dieser dafür einzustehen (RIS-Justiz RS0028626). Selbst vorsätzliche unerlaubte Handlungen in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht sind dem Geschäftsherrn zuzurechnen, wenn ein innerer sachlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung des Erfüllungsgehilfen und der Erfüllung des Vertrags besteht, das Delikt also innerhalb des Pflichtenkreises gesetzt wird, den der Geschäftsherr vertraglich übernommen hat (RIS-Justiz RS0028626 [T6]).

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass zwischen der schädigenden Handlung des Erfüllungsgehilfen und der Erfüllung des Vertrags ein innerer sachlicher Zusammenhang besteht.

ad c) Der Nichtarzt, der eine ärztliche Behandlung vornimmt, hat jedenfalls über das Fehlen seiner ärztlichen Qualifikation aufzuklären. Fehlende Offenlegung gegenüber einem insoweit unkundigen Patienten führt zur Unwirksamkeit einer allfälligen Einwilligung in die Behandlung.

ad d) Der der Beklagten vorgeworfene Behandlungsfehler in Form des Abschlusses der Behandlung ohne Durchführung eines Kontrollröntgens ist aus den erstinstanzlichen Feststellungen abzuleiten. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass dann, wenn die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts durch den ärztlichen Kunstfehler nicht bloß unwesentlich erhöht worden ist, dem Arzt der volle Beweis dafür obliegt, dass im konkreten Behandlungsfall das Fehlverhalten mit größter Wahrscheinlichkeit für den Schaden unwesentlich geblieben ist, entspricht der höchstgerichtlichen Judikatur (6 Ob 702/89 = SZ 63/90; RIS-Justiz RS0026768). Darauf, dass dieser Nachweis von der Beklagten nicht erbracht wurde, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen.

Insgesamt wird somit von der beklagten Partei keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 und § 519 Abs 2 ZPO aufgezeigt, weshalb ihr Rechtsmittel zurückzuweisen ist. In Bezug auf das Feststellungsbegehren ist noch darauf hinzuweisen, dass sich dieses nur auf Fehlverhaltensweisen des Wolfgang G*****, nicht der Beklagten bezieht.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten für ihre Rechtsmittelbeantwortung, weil sie auch nicht inhaltlich auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der beklagten Partei hingewiesen hat. Zu einem Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 ZPO besteht kein Anlass, weil durch die Zurückweisung des Rechtsmittels der beklagten Partei zufolge Unzulässigkeit eine abschließende und vom Ergebnis der Hauptsachenentscheidung unabhängige Erledigung der Rechtsmittelschriftsätze durch den Obersten Gerichtshof erfolgen konnte (2 Ob 155/06t).

Textnummer

E86932

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0100OB00119.07H.0310.000

Im RIS seit

09.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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