TE OGH 2008/3/12 7Ob46/08b

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Veröffentlicht am 12.03.2008
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am 3. Februar 2001 verstorbenen Josef L*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erbserklärten Tochter des Erblassers Gisela K*****, vertreten durch Dr. Helmut Atzl, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 27. Dezember 2007, GZ 51 R 100/07s-171, mit dem der Rekurs der genannten Tochter des Erblassers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 9. Jänner 2007, GZ 9 A 71/01m-147, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird aufgetragen, über den verbesserten Rekurs der Tochter des Erblassers unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluss vom 9. 1. 2007 teilte das Erstgericht der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin und einer zweiten in Österreich lebenden Tochter des Erblassers die Klägerrolle für einen Erbrechtsstreit gegen vier weitere, in Russland lebende Erbanwärter zu. Dieser Beschluss wurde der Revisionsrekurswerberin am 22. 1. 2007 zugestellt. Mit am 2. 2. 2007 zur Post gegebener Eingabe vom 30. 1. 2007 erklärte die Revisionsrekurswerberin, gegen den Beschluss vom 9. 1. 2007 „bei offener Frist Rekurs einzubringen", ohne dazu inhaltliche Ausführungen zu machen. Weiters beantragte sie, ihr „gegen den Beschluss vom 9. 1. 2007 und den weiteren darauf folgenden rechtlichen Schritten die bereits am 17. 1. 2007 eingereichte Verfahrenshilfe zu genehmigen".

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 8. 3. 2007 der Revisionsrekurswerberin die Verfahrenshilfe für das Rechtsmittelverfahren in vollem Umfang. Dem der Revisionsrekurswerberin bestellten Verfahrenshelfer Dr. Helmut Atzl wurde dieser Beschluss sowie der Beschluss des Erstgerichts vom 9. 1. 2007 und eine Kopie der Eingabe vom 30. 1. 2007 am 16. 4. 2007 zugestellt.

Mit Beschluss vom 31. 5. 2007 trug das Erstgericht der Revisionsrekurswerberin sodann auf, ihren selbst verfassten Rekurs gegen den Beschluss vom 9. 1. 2007 binnen 14 Tagen dahin zu verbessern, dass ein formeller Rekursantrag gestellt und das Rechtsmittel begründet werde. Dieser Beschluss wurde dem Verfahrenshelfer der Revisionsrekurswerberin am 11. 6. 2007 zugestellt.

Am 25. 6. 2007 überreichte der Verfahrenshelfer den verbesserten Rekurs mit dem Abänderungsantrag, die Klägerrolle im Erbrechtsstreit den vier russischen Erbanwärtern zuzuweisen.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als verspätet zurück. Die 14-tägige Rekursfrist gegen die Entscheidung des Erstgerichts vom 9. 1. 2007, die mit Zustellung dieses Beschlusses an den Verfahrenshelfer (neuerlich) in Gang gesetzt worden sei, sei zum Zeitpunkt der Überreichung des Rekurses am 25. 6. 2007 längst abgelaufen gewesen. Der erstgerichtliche Verbesserungsauftrag vom 31. 5. 2007 ändere daran nichts; dieser Auftrag sei, da die Eingabe der Revisionsrekurswerberin vom 30. 1. 2007 kein verbesserungsfähiges Rechtsmittel dargestellt habe, unzulässig gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil „die Zurückweisung verspäteter Rechtsmittel der ständigen Judikatur" entspreche.

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 71 Abs 1 AußStrG), ist der Revisionsrekurs zulässig und berechtigt, weil die Entscheidung des Rekursgerichts der oberstgerichtlichen Judikatur zur Verbesserung sogenannter leerer Rekurse im Außerstreitverfahren widerspricht.Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (Paragraph 71, Absatz eins, AußStrG), ist der Revisionsrekurs zulässig und berechtigt, weil die Entscheidung des Rekursgerichts der oberstgerichtlichen Judikatur zur Verbesserung sogenannter leerer Rekurse im Außerstreitverfahren widerspricht.

Vorauszuschicken ist, dass das vorliegende Rechtsmittel einseitig ist. Der Gesetzgeber hat auch im Außerstreitgesetz 2003 keine generelle Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens vorgesehen; vielmehr ist der Rekurs nur dann zweiseitig, wenn er sich gegen einen Beschluss richtet, mit dem über die Sache oder über die Kosten des Verfahrens entschieden worden ist (§ 48 Abs 1 AußStrG 2003). Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG 185) wird damit die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens über die bislang schon vorhandenen Anwendungsfälle hinaus auf Vorgaben der EMRK für zivilrechtliche Ansprüche dort zum Regelfall, wo es um die Hauptsache oder die Kosten geht. Eine Zweiseitigkeit als allgemeine Regel und damit auch für alle Zwischenstreite anzuordnen wäre überschießend, weil nicht in jedem Zwischenstreit auch die Rechtsposition der anderen Verfahrensparteien berührt ist. Die Verfahrensgarantien des Art 6 EMRK sind jedoch nur bei der Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen („civil rights") anzuwenden. Die im Zusammenhang mit der Zuteilung der Klägerrolle in einem Erbrechtsstreit gefällte Entscheidung, ob von einem Erbanwärter ein Rechtsmittel rechtzeitig erhoben wurde, stellt schon deshalb keine Sachentscheidung im Sinn dieser Bestimmung dar, weil nach der Konzeption des hier insoweit noch anzuwendenden AußStrG 1854 die Prüfung der Berechtigung der Erbserklärungen erst in einem nachfolgenden Erbrechtsstreit erfolgt (vgl 6 Ob 247/06a zur Frage der Annahme der Erbserklärung).Vorauszuschicken ist, dass das vorliegende Rechtsmittel einseitig ist. Der Gesetzgeber hat auch im Außerstreitgesetz 2003 keine generelle Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens vorgesehen; vielmehr ist der Rekurs nur dann zweiseitig, wenn er sich gegen einen Beschluss richtet, mit dem über die Sache oder über die Kosten des Verfahrens entschieden worden ist (Paragraph 48, Absatz eins, AußStrG 2003). Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG 185) wird damit die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens über die bislang schon vorhandenen Anwendungsfälle hinaus auf Vorgaben der EMRK für zivilrechtliche Ansprüche dort zum Regelfall, wo es um die Hauptsache oder die Kosten geht. Eine Zweiseitigkeit als allgemeine Regel und damit auch für alle Zwischenstreite anzuordnen wäre überschießend, weil nicht in jedem Zwischenstreit auch die Rechtsposition der anderen Verfahrensparteien berührt ist. Die Verfahrensgarantien des Artikel 6, EMRK sind jedoch nur bei der Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen („civil rights") anzuwenden. Die im Zusammenhang mit der Zuteilung der Klägerrolle in einem Erbrechtsstreit gefällte Entscheidung, ob von einem Erbanwärter ein Rechtsmittel rechtzeitig erhoben wurde, stellt schon deshalb keine Sachentscheidung im Sinn dieser Bestimmung dar, weil nach der Konzeption des hier insoweit noch anzuwendenden AußStrG 1854 die Prüfung der Berechtigung der Erbserklärungen erst in einem nachfolgenden Erbrechtsstreit erfolgt vergleiche 6 Ob 247/06a zur Frage der Annahme der Erbserklärung).

Weiters ist vorweg zu bemerken, dass gemäß § 205 AußStrG neu die Bestimmungen des AußStrG idF des BGBl I 2003/111 im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden sind, weil das Verlassenschaftsverfahren vor dem 31. 12. 2004 anhängig gemacht wurde. Trotz der uneingeschränkten Formulierung sind durch diese Bestimmung allerdings nur die §§ 143 bis 185 AußStrG 2003 betroffen (Fucik/Kloiber aaO § 205 Rz 1; 7 Ob 174/07z ua). Da die gesonderten Übergangsbestimmungen betreffend das erste Hauptstück (§§ 202 ff AußStrG) davon unberührt bleiben, sind etwa die neuen Vorschriften über die Rechtsmittel (vgl Fucik/Kloiber aaO) hier bereits anzuwenden (da das Rekursgericht nach dem 31. 12. 2004 entschieden hat).Weiters ist vorweg zu bemerken, dass gemäß Paragraph 205, AußStrG neu die Bestimmungen des AußStrG in der Fassung des BGBl römisch eins 2003/111 im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden sind, weil das Verlassenschaftsverfahren vor dem 31. 12. 2004 anhängig gemacht wurde. Trotz der uneingeschränkten Formulierung sind durch diese Bestimmung allerdings nur die Paragraphen 143 bis 185 AußStrG 2003 betroffen (Fucik/Kloiber aaO Paragraph 205, Rz 1; 7 Ob 174/07z ua). Da die gesonderten Übergangsbestimmungen betreffend das erste Hauptstück (Paragraphen 202, ff AußStrG) davon unberührt bleiben, sind etwa die neuen Vorschriften über die Rechtsmittel vergleiche Fucik/Kloiber aaO) hier bereits anzuwenden (da das Rekursgericht nach dem 31. 12. 2004 entschieden hat).

Wesentliche Konsequenzen für die vorliegende Verlassenschaftssache ergeben sich allerdings daraus nicht. Nichts geändert hat sich nämlich durch das Außerstreitgesetz 2003 daran, dass im Verfahren Außerstreitsachen jede Eingabe, auch wenn sie keine Anfechtungsgründe, keine Ausführungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, keine Beweismittel oder Anträge enthält, als Rekurs zu behandeln ist, sofern sie nur als solcher zu erkennen ist (RIS-Justiz RS0006991; Fucik/Kloiber aaO § 47 Rz 2f). Nach ständiger Rechtsprechung genügt demnach auch ein - wie hier von der Revisionsrekurswerberin erhobener - Rekurs ohne jeglichen Inhalt (sog „leerer Rekurs"), um ein Verbesserungsverfahren entsprechend den Bestimmungen der §§ 10 Abs 4 und 47 Abs 3 AußStrG einzuleiten, sofern der Rekurs nicht bewusst inhaltsleer eingebracht wurde, um eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erreichen (Klicka in Rechberger, AußStrG § 47 Rz 3; Fucik/Kloiber aaO § 47 Rz 3, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0052784). Ein solches missbräuchliches Vorgehen kann allerdings bei einer nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Partei mangels konkreter Anhaltspunkte regelmäßig nicht angenommen werden (7 Ob 570/95 mwN). Mangels irgendwelcher Indizien für einen Rechtsmissbrauch ist daher nicht davon auszugehen, dass die nunmehrige Revisionsrekurswerberin ihren selbst verfassten Rekurs unter absichtlicher Verletzung von inhaltlichen und formellen Vorschriften eingebracht habe.Wesentliche Konsequenzen für die vorliegende Verlassenschaftssache ergeben sich allerdings daraus nicht. Nichts geändert hat sich nämlich durch das Außerstreitgesetz 2003 daran, dass im Verfahren Außerstreitsachen jede Eingabe, auch wenn sie keine Anfechtungsgründe, keine Ausführungen tatsächlicher oder rechtlicher Art, keine Beweismittel oder Anträge enthält, als Rekurs zu behandeln ist, sofern sie nur als solcher zu erkennen ist (RIS-Justiz RS0006991; Fucik/Kloiber aaO Paragraph 47, Rz 2f). Nach ständiger Rechtsprechung genügt demnach auch ein - wie hier von der Revisionsrekurswerberin erhobener - Rekurs ohne jeglichen Inhalt (sog „leerer Rekurs"), um ein Verbesserungsverfahren entsprechend den Bestimmungen der Paragraphen 10, Absatz 4 und 47 Absatz 3, AußStrG einzuleiten, sofern der Rekurs nicht bewusst inhaltsleer eingebracht wurde, um eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist zu erreichen (Klicka in Rechberger, AußStrG Paragraph 47, Rz 3; Fucik/Kloiber aaO Paragraph 47, Rz 3, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0052784). Ein solches missbräuchliches Vorgehen kann allerdings bei einer nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Partei mangels konkreter Anhaltspunkte regelmäßig nicht angenommen werden (7 Ob 570/95 mwN). Mangels irgendwelcher Indizien für einen Rechtsmissbrauch ist daher nicht davon auszugehen, dass die nunmehrige Revisionsrekurswerberin ihren selbst verfassten Rekurs unter absichtlicher Verletzung von inhaltlichen und formellen Vorschriften eingebracht habe.

Demnach war der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts, das den dargelegten, in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen gefolgt ist, entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht unzulässig, sondern berechtigt. Ob der Verfahrenshelfer im Hinblick auf den auch im Außerstreitverfahren geltenden Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, der Nachträge prinzipiell unzulässig macht (RIS-Justiz RS0007007; Fucik/Kloiber aaO § 45 Rz 6; Klicka aaO § 47 Rz 3 ua), den inhaltsleeren Rekurs von sich aus verbessern hätte können (bzw sollen), muss angesichts des Verbesserungsauftrags durch das Erstgericht hier nicht erörtert werden.Demnach war der Verbesserungsauftrag des Erstgerichts, das den dargelegten, in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen gefolgt ist, entgegen der Ansicht des Rekursgerichts nicht unzulässig, sondern berechtigt. Ob der Verfahrenshelfer im Hinblick auf den auch im Außerstreitverfahren geltenden Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels, der Nachträge prinzipiell unzulässig macht (RIS-Justiz RS0007007; Fucik/Kloiber aaO Paragraph 45, Rz 6; Klicka aaO Paragraph 47, Rz 3 ua), den inhaltsleeren Rekurs von sich aus verbessern hätte können (bzw sollen), muss angesichts des Verbesserungsauftrags durch das Erstgericht hier nicht erörtert werden.

Der verbesserte Rekurs wurde innerhalb der vom Erstgericht gesetzten 14-tägigen Frist überreicht und ist demnach nicht verspätet. In Stattgebung des Revisionsrekurses ist der angefochtene Zurückweisungsbeschluss daher ersatzlos aufzuheben und dem Rekursgericht aufzutragen, unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund meritorisch über das verbesserte Rechtsmittel zu entscheiden.

Anmerkung

E87053 7Ob46.08b

Schlagworte

Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2008/345 S 198 - Zak 2008,198 XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0070OB00046.08B.0312.000

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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