TE OGH 2008/3/25 8Bs93/08w

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Veröffentlicht am 25.03.2008
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Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden und Dr. Bergmayr und die Richterin Dr. Engljähringer in der Strafsache gegen H***** G***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach den §§ 111 Abs 1 und 2 (117 Abs 2) StGB über den Antrag des F***** H***** auf Fortführung des Verfahrens 44 BAZ 146/08h der Staatsanwaltschaft Linz in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden und Dr. Bergmayr und die Richterin Dr. Engljähringer in der Strafsache gegen H***** G***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach den Paragraphen 111, Absatz eins und 2 (117 Absatz 2,) StGB über den Antrag des F***** H***** auf Fortführung des Verfahrens 44 BAZ 146/08h der Staatsanwaltschaft Linz in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Dem Antrag wird stattgegeben.

Text

Begründung:

Eine Privatperson zeigte H***** G***** wegen des Verdachtes des Vergehens der üblen Nachrede nach den §§ 111 Abs 1 und 2 (117 Abs 2) StGB an; der Angezeigte habe an mehrere Personen Postkarten versandt; auf der einen Seite dieser Karten seien unter dem Text „Haben wir die Lüge regierungsfähig gemacht?" drei Fotos, darstellend LH Dr. P*****, LH-Stv. H***** und LR A*****, platziert. Unter den Fotos der beiden Erstgenannten sei jeweils das Wort „vorbestraft?" angebracht.Eine Privatperson zeigte H***** G***** wegen des Verdachtes des Vergehens der üblen Nachrede nach den Paragraphen 111, Absatz eins und 2 (117 Absatz 2,) StGB an; der Angezeigte habe an mehrere Personen Postkarten versandt; auf der einen Seite dieser Karten seien unter dem Text „Haben wir die Lüge regierungsfähig gemacht?" drei Fotos, darstellend LH Dr. P*****, LH-Stv. H***** und LR A*****, platziert. Unter den Fotos der beiden Erstgenannten sei jeweils das Wort „vorbestraft?" angebracht.

Am unteren Rand dieser Kartenseite scheine der Satz auf: „Oder sind wir mit verbrecherischen Machenschaften vorgegangen?". Durch den letztgenannten Satz würde den auf der Postkarten abgebildeten Personen übel nachgeredet. Die Postkarten seien „an einen großen Adressatenkreis" versandt worden. Neben mehreren Mitgliedern des Linzer Gemeinderates seien auch alle Mitglieder des Aufsichtsrats der E***** AG beschickt worden. Konkret sei anzunehmen, dass darüber hinaus noch eine Vielzahl von weiteren Personen die Postkarten erhalten hätten.

Die Staatsanwaltschaft Linz stellte das Verfahren gegen H***** G***** ein; soweit ihrer Mitteilung vom 5.3.2008 zu entnehmen ist, dürfte die Einstellung damit begründet worden sein, dass das Versenden von lediglich 27 Postkarten anzunehmen sei, dann aber nicht davon gesprochen werden könne, dass die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Damit läge lediglich ein Privatanklagedelikt (zu dessen Verfolgung die Staatsanwaltschaft nicht berechtigt sei) vor.

F***** H***** beantragt nunmehr die Fortführung des Verfahrens; er sei in seiner Ehre verletzt worden, damit also Opfer iSd § 65 Z 1 lit c StPO, somit aber auch antragslegitimiert nach § 195 Abs 1 StPO. Hätte die Staatsanwaltschaft den Kreis der Empfänger derartiger Postkarten gezielt erheben lassen, wäre von einer entsprechenden Publizität iSd § 111 Abs 2 bzw § 117 Abs 2 StGB auszugehen gewesen. Der Fortführungsantrag ist berechtigt.F***** H***** beantragt nunmehr die Fortführung des Verfahrens; er sei in seiner Ehre verletzt worden, damit also Opfer iSd Paragraph 65, Ziffer eins, Litera c, StPO, somit aber auch antragslegitimiert nach Paragraph 195, Absatz eins, StPO. Hätte die Staatsanwaltschaft den Kreis der Empfänger derartiger Postkarten gezielt erheben lassen, wäre von einer entsprechenden Publizität iSd Paragraph 111, Absatz 2, bzw Paragraph 117, Absatz 2, StGB auszugehen gewesen. Der Fortführungsantrag ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Antragslegitimation: Der Beleidigte hat nach Verfahrenseinstellung auch das Recht zur privaten Verfolgung (§ 117 Abs 4 StGB). Dass er deshalb nicht das Antragsrecht nach § 195 StPO in Anspruch nehmen könne, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Bei den in § 65 Z 1 lit c StGB definierten Opfern ein Unterscheidungsmerkmal in Beziehung auf die Antragslegitimation nach § 195 Abs 1 StPO einzuziehen, wäre sachlich nicht gerechtfertigt.Zur Antragslegitimation: Der Beleidigte hat nach Verfahrenseinstellung auch das Recht zur privaten Verfolgung (Paragraph 117, Absatz 4, StGB). Dass er deshalb nicht das Antragsrecht nach Paragraph 195, StPO in Anspruch nehmen könne, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Bei den in Paragraph 65, Ziffer eins, Litera c, StGB definierten Opfern ein Unterscheidungsmerkmal in Beziehung auf die Antragslegitimation nach Paragraph 195, Absatz eins, StPO einzuziehen, wäre sachlich nicht gerechtfertigt.

Vorweg kann nicht ausgeschlossen werden, dass nach dem Bedeutungsinhalt der Postkarte den darauf abgebildeten Personen „verbrecherische Machenschaften" vorgeworfen werden. Die bloße Anfügung eines Fragezeichens könnte im Empfängerhorizont als bloß rhetorischer „Kunstgriff", auch im Sinn einer plakativen Aufbereitung einer Behauptung verstanden werden. Diesfalls könnte das Tatbild des § 111 Abs 1 StGB verwirklicht sein; da in der Postkarte ersichtlich ein Bezug zu den Vorgängen um die E***** AG rund um die Jahreswende 2007/2008 hergestellt wird (vgl die Einfügungen zwischen den Fotos „E***** AG - ADE"), damit also ein konkretes Verhalten der genannten Politiker im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Belangen der E***** AG releviert wird, könnte der Vorwurf eines „unehrenhaften Verhaltens" angenommen werden. Wie auch immer: Ob dieser Unterfall des § 111 Abs 1 StGB greifen könnte oder ein anderer (Vorwurf einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung oder eines sittenwidriges Verhaltens), muss im derzeitigen Verfahrensstadium nicht abschließend geklärt werden.Vorweg kann nicht ausgeschlossen werden, dass nach dem Bedeutungsinhalt der Postkarte den darauf abgebildeten Personen „verbrecherische Machenschaften" vorgeworfen werden. Die bloße Anfügung eines Fragezeichens könnte im Empfängerhorizont als bloß rhetorischer „Kunstgriff", auch im Sinn einer plakativen Aufbereitung einer Behauptung verstanden werden. Diesfalls könnte das Tatbild des Paragraph 111, Absatz eins, StGB verwirklicht sein; da in der Postkarte ersichtlich ein Bezug zu den Vorgängen um die E***** AG rund um die Jahreswende 2007/2008 hergestellt wird vergleiche die Einfügungen zwischen den Fotos „E***** AG - ADE"), damit also ein konkretes Verhalten der genannten Politiker im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Belangen der E***** AG releviert wird, könnte der Vorwurf eines „unehrenhaften Verhaltens" angenommen werden. Wie auch immer: Ob dieser Unterfall des Paragraph 111, Absatz eins, StGB greifen könnte oder ein anderer (Vorwurf einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung oder eines sittenwidriges Verhaltens), muss im derzeitigen Verfahrensstadium nicht abschließend geklärt werden.

Soweit in dem Zusammenhang die Oberstaatsanwaltschaft auf die „Rechtsprechung der Straßburger Instanzen" verweist, „wonach im Fall der Beleidigung von Politikern weitere Grenzen zu stecken sind", kann eine Erörterung dessen im derzeitigen Verfahrensstadium ebenfalls noch nicht abschließende Lösungen bringen, abgesehen davon, dass dieser Hinweis viel zu undifferenziert ist, um derzeit schon eine taugliche Grundlage für eine Verfahrenseinstellung sein zu können. Entscheidend hängt die Zulässigkeit politischer Kritik von Faktoren wie dem Charakter der Äußerungen (Tatsachenbehauptung oder Werturteil), Verifizierbarkeit (bei Tatsachenbehauptung), angemessene oder exzessive Wertung (bei Werturteil) und dergleichen ab. All das kann noch nicht beantwortet werden.

Weiters verweist die Oberstaatsanwaltschaft darauf, dass bislang keine Ermächtigungen der beleidigten Beamten iSd § 117 Abs 3 StGB vorliegen. Dazu bedarf es freilich der Klarstellung, dass es an der (Kriminalpolizei oder) Staatsanwaltschaft liegt, dann unverzüglich bei den gesetzlich berechtigten Personen nach der Ermächtigung zu fragen, soweit das Gesetz eine Ermächtigung zur Strafverfolgung voraussetzt (§ 92 Abs 1 StPO). Dass die Staatsanwaltschaft einen derartigen Versuch schon unternahm, ist nicht aktenkundig. Die die Konfiguration der üblen Nachrede als Ermächtigungsdelikt nach § 117 Abs 2 StGB bewirkende besondere Publizitätsform wird grundlegend in § 111 Abs 2 StGB angesprochen.Weiters verweist die Oberstaatsanwaltschaft darauf, dass bislang keine Ermächtigungen der beleidigten Beamten iSd Paragraph 117, Absatz 3, StGB vorliegen. Dazu bedarf es freilich der Klarstellung, dass es an der (Kriminalpolizei oder) Staatsanwaltschaft liegt, dann unverzüglich bei den gesetzlich berechtigten Personen nach der Ermächtigung zu fragen, soweit das Gesetz eine Ermächtigung zur Strafverfolgung voraussetzt (Paragraph 92, Absatz eins, StPO). Dass die Staatsanwaltschaft einen derartigen Versuch schon unternahm, ist nicht aktenkundig. Die die Konfiguration der üblen Nachrede als Ermächtigungsdelikt nach Paragraph 117, Absatz 2, StGB bewirkende besondere Publizitätsform wird grundlegend in Paragraph 111, Absatz 2, StGB angesprochen.

So ist der Blick darauf zu konzentrieren, ob die inkriminierte Handlung im einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begangen worden sei, dass sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde.

Evidentermaßen scheidet hier eine Begehung im Rundfunk aus.

Das „Druckwerk" ist im Gesetz definiert (§ 1 Abs 1 Z 3 und 4 MedienG:Das „Druckwerk" ist im Gesetz definiert (Paragraph eins, Absatz eins, Ziffer 3 und 4 MedienG:

Ein Druckwerk ist ein Medienwerk, durch das Mitteilungen oder Darbietungen ausschließlich in Schrift oder in Standbildern verbreitet werden. Unter einem „Medienwerk" versteht man einen zur Verbreitung an einen größeren Personenkreis bestimmten, in einem Massenherstellungsverfahren in Medienstücken vervielfältigten Träger von Mitteilungen und Darbietungen mit gedanklichem Inhalt). Nun wird eine einzelne Postkarte im Regelfall kein Druckwerk darstellen (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 111 RN 41). Allerdings erwecken die in Rede stehenden Postkarten - zumindest dem ersten Anschein nach - den Eindruck, dass sie in einem Massenherstellungsverfahren produziert worden sein könnten. Diesfalls hinge es dann freilich davon ab, ob sie eben zur Verteilung an einen größeren Personenkreis bestimmt waren. Hier schließt sich - fallbezogen - der Kreis der systematischen Betrachtung zur Frage, ob der dritte Fall des § 111 Abs 2 StGB (einem größeren Personenkreis zugänglich machen) gegeben ist, unabhängig von der Eigenschaft der Botschaft. Das heißt, dass auch bei Verneinung der Druckwerkseigenschaft der Karten zu untersuchen bleibt, ob nicht der dritte Fall des § 111 Abs 2 StGB erfüllt wurde. Hier braucht es noch die Klärung, an wie viele Personen Karten versandt wurden (zum nicht stringent definierbaren Begriff des „größeren" Personenkreises, vgl insbes MR 1989, E 16; Leukauf-Steininger StGB3 § 69 RN 3 mwH; Berka et.al. MedienG2 § 1 Rz 10 mwH). Zu Recht mahnt in dem Zusammenhang der Fortführungswerber ein, dass einerseits Ermittlungen über die wirkliche Zahl der Postkartenempfänger nicht vorweg aussichtslos erscheinen; immerhin könnte die Liste der bisher ermittelten Empfänger auf eine bestimmte Methode bei Auswahl der Adressaten hindeuten. Vor allem aber könnte auch der Beschuldigte selbst zu dieser Frage vernommen werden.Ein Druckwerk ist ein Medienwerk, durch das Mitteilungen oder Darbietungen ausschließlich in Schrift oder in Standbildern verbreitet werden. Unter einem „Medienwerk" versteht man einen zur Verbreitung an einen größeren Personenkreis bestimmten, in einem Massenherstellungsverfahren in Medienstücken vervielfältigten Träger von Mitteilungen und Darbietungen mit gedanklichem Inhalt). Nun wird eine einzelne Postkarte im Regelfall kein Druckwerk darstellen vergleiche Kienapfel/Schroll BT I5 Paragraph 111, RN 41). Allerdings erwecken die in Rede stehenden Postkarten - zumindest dem ersten Anschein nach - den Eindruck, dass sie in einem Massenherstellungsverfahren produziert worden sein könnten. Diesfalls hinge es dann freilich davon ab, ob sie eben zur Verteilung an einen größeren Personenkreis bestimmt waren. Hier schließt sich - fallbezogen - der Kreis der systematischen Betrachtung zur Frage, ob der dritte Fall des Paragraph 111, Absatz 2, StGB (einem größeren Personenkreis zugänglich machen) gegeben ist, unabhängig von der Eigenschaft der Botschaft. Das heißt, dass auch bei Verneinung der Druckwerkseigenschaft der Karten zu untersuchen bleibt, ob nicht der dritte Fall des Paragraph 111, Absatz 2, StGB erfüllt wurde. Hier braucht es noch die Klärung, an wie viele Personen Karten versandt wurden (zum nicht stringent definierbaren Begriff des „größeren" Personenkreises, vergleiche insbes MR 1989, E 16; Leukauf-Steininger StGB3 Paragraph 69, RN 3 mwH; Berka et.al. MedienG2 Paragraph eins, Rz 10 mwH). Zu Recht mahnt in dem Zusammenhang der Fortführungswerber ein, dass einerseits Ermittlungen über die wirkliche Zahl der Postkartenempfänger nicht vorweg aussichtslos erscheinen; immerhin könnte die Liste der bisher ermittelten Empfänger auf eine bestimmte Methode bei Auswahl der Adressaten hindeuten. Vor allem aber könnte auch der Beschuldigte selbst zu dieser Frage vernommen werden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein Rechtsmittel zu. Oberlandesgericht Linz, Abt. 8

Anmerkung

EL00107 8Bs93.08w

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2008:0080BS00093.08W.0325.000

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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