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L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Beck, Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde der Gemeinde M, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in 4910 Ried im Innkreis, Claudistraße 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 19. Mai 2005, Zl. UW.4.1.6/0057-I/5/2005, bettreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit wasserpolizeiliche Aufträge, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei hat unter Vorlage von Projektsunterlagen um Durchführung der wasserrechtlichen Überprüfung jener Anlagen angesucht, die aufgrund der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (kurz: LH) erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen vom 22. September 1999 und vom 27. Februar 2003 zur Errichtung und zum Betrieb einer Ortskanalisation im Trennbetrieb ausgeführt wurden.
Gleichzeitig wurde um Erteilung der nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung hinsichtlich der geänderten Ausführung und zusätzlich errichteter Anlagenteile angesucht.
Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 2. und 3. August 2004 wurde bei einem Lokalaugenschein im Bereich der Siedlungen E und B festgestellt, dass neben dem bestehenden (zur Kollaudierung bestimmten) Schmutzwasserkanal eine Niederschlagswasserkanalisation besteht, über welche die Ableitung von Straßen- und Oberflächenwässern in den I erfolgt und welche wasserrechtlich im Rahmen des zur Kollaudierung bestimmten Bewilligungsprojektes nicht erfasst wurde.
Mit Bescheid des LH vom 18. August 2004 wurde der beschwerdeführenden Gemeinde aufgetragen, für jene Bereiche der Ortskanalisation, die im Trennsystem entwässern, für die Ableitung der Niederschlagswässer (soweit noch nicht eine wasserrechtliche Bewilligung dafür erwirkt wurde) unter Vorlage von dem § 103 WRG 1959 entsprechenden Projektsunterlagen bis spätestens 31. Dezember 2005 um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung anzusuchen oder die Ableitung dauerhaft einzustellen.
Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung.
Der beschwerdeführenden Partei wurde schließlich mit Bescheid des LH vom 21. Oktober 2004 unter Spruchpunkt I gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 aufgetragen, entweder a) die Ableitung der Straßen- und Oberflächenwässer aus dem Bereich der Siedlung E, beginnend bei Grundstück Nr. 132/1, KG. P. (Einleitungsschacht südlich des Grundstückes Nr. 208/1, KG P.), in den I bis 31. Dezember 2005 dauerhaft zu unterbinden und einzustellen oder b) um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung unter Vorlage von entsprechenden Projektsunterlagen anzusuchen.
Unter Spruchpunkt II wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 aufgetragen, entweder a) die Ableitung der Straßen- und Oberflächenwässer aus dem Bereich der Siedlung B in den I bis 31. Dezember 2005 dauerhaft zu unterbinden und einzustellen oder b) um die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung unter Vorlage von entsprechenden Projektsunterlagen anzusuchen.
Die beschwerdeführende Partei erhob daraufhin sowohl gegen den Bescheid vom 18. August 2004 (nochmals) als auch gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2004 Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Mai 2005 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des LH vom 21. Oktober 2004 zurückgewiesen.
In der Begründung wird u.a. ausgeführt, die beschwerdeführende Partei sei von der belangten Behörde im Zuge des (ergänzenden) Ermittlungsverfahrens mit Schreiben vom 25. Oktober 2005 gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert worden, eine Kopie der nachträglichen Genehmigung der erhobenen Berufung durch den Gemeindevorstand zu übermitteln. In der Folge habe die beschwerdeführende Gemeinde mitgeteilt, dass die vom Bürgermeister mit Schreiben vom 8. November 2004 erhobene Berufung gegen den Bescheid des LH vom 21. Oktober 2004 in der nächstfolgenden Sitzung des Gemeindevorstandes am 16. Dezember 2004 genehmigt werde.
Zur von der beschwerdeführenden Partei in Zweifel gezogenen Zuständigkeit des LH in erster Instanz wird u.a. ausgeführt, dass dieser unbestrittener Maßen als Wasserrechtsbehörde erster Instanz für die Durchführung des wasserrechtlichen Kollaudierungsverfahrens zuständig sei. Es sei der beschwerdeführenden Partei Recht zu geben, wenn sie vorbringe, dass für die Ableitung von Oberflächenwässern gemäß § 9, aber auch gemäß § 32 WRG 1959 die Bezirksverwaltungsbehörde (in erster Instanz) zuständig sei.
Im vorliegenden Fall sei aber die gegenständliche Ableitung der Straßen- und Oberflächenwässer in den I als Teil eines gesamten Entsorgungssystems anzusehen, auch wenn es wasserrechtlich im Rahmen des zur Kollaudierung anstehenden Bewilligungsprojektes nicht erfasst worden sei. Ein Vorliegen eines technisch sachnahen Zusammenhangs des Kollaudierungsverfahrens mit dem in Berufung gezogenen wasserpolizeilichen Auftrag sei aber offensichtlich. Es sei die Zuständigkeit für die Bewilligung des Gesamtprojektes maßgebend. Zum Bewilligungszeitpunkt des 1. Detailprojektes (im Jahre 1999) sei jedenfalls die Zuständigkeit des Landeshauptmannes noch gegeben gewesen. Es sei daher dessen Zuständigkeit im vorliegenden Fall zu bejahen.
Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde habe im Namen der Gemeinde Berufung erhoben. Gemäß § 56 der Oö. Gemeindeordnung obliege die Einbringung von Rechtsmitteln gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen nur dem Gemeindevorstand (vgl. Abs. 2 Z. 11 leg. cit.). Das bedeute, dass der Bürgermeister der Gemeinde oder eine andere ermächtigte Person nur nach einem förmlichen Beschluss des Gemeindevorstandes berechtigt sei, eine Berufung gegen einen wasserrechtlichen Bescheid zu erheben. Aus der vorgelegten Berufung sei aber die Ermächtigung des Bürgermeisters zur Berufungserhebung nicht hervorgegangen. Die beschwerdeführende Gemeinde habe sich vielmehr auf die Notkompetenz des Bürgermeisters nach § 60 der Oö. Gemeindeordnung berufen.
Die beschwerdeführende Gemeinde habe nachweislich - wie aus dem Rückschein der Post hervorgehe - bereits am 27. Oktober 2004 von dem Inhalt des gegenständlichen Bescheides Kenntnis erhalten. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei die beschwerdeführende Partei aufgefordert worden, ihr Berufungsvorbringen gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu ergänzen, nämlich darzulegen, dass ein zeitgerechter Beschluss des Gemeindevorstandes bezüglich der gegenständlichen Berufungserhebung gefasst worden sei. Fest stehe, dass zum Zeitpunkt der Berufungserhebung die Zustimmung des Gemeindevorstandes, und somit die Berufungslegitimation des Bürgermeisters nicht vorgelegen sei.
§ 60 Abs. 1 der Oö. Gemeindeordnung spreche ausdrücklich davon, dass eine Genehmigung unter bestimmten Voraussetzungen ohne unnötigen Aufschub nachträglich einzuholen sei. Wenn man aber die Zeitspanne zwischen Berufungserhebung (bzw. Kenntnis des erstinstanzlichen Bescheides am 27. Oktober 2004) und Beschluss in der Gemeindevorstandssitzung (die - wie vorgebracht - am 16. Dezember 2004 stattgefunden habe) bedenke, könne man von einer "Unverzüglichkeit" im Sinne des § 60 Abs. 1 der Oö. Gemeindeordnung nicht mehr sprechen. Da somit die Berufungslegitimation des Bürgermeisters fehle, liege die formelle Prozessvoraussetzung der Berufungslegitimation nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei wendet u.a. ein, dass sie ihre bisherigen Ausführungen zur Zuständigkeitsfrage vollinhaltlich aufrecht erhalte.
Die belangte Behörde habe die Berufungslegitimation des Bürgermeisters zu Unrecht verneint. Es treffe zwar zu, dass gemäß § 56 Abs. 2 Z. 11 der Oö. Gemeindeordnung dem Gemeindevorstand die Einbringung von Rechtsmitteln gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen einschließlich von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof obliege; diese Bestimmung betreffe jedoch ausschließlich das Innenverhältnis.
Gemäß § 58 Abs. 1 leg. cit. vertrete nämlich der Bürgermeister die Gemeinde nach außen und sei daher im Außenverhältnis zur Einbringung von Rechtsmitteln legitimiert. Im Innenverhältnis seien die gegenständlichen Berufungen durch den Beschluss des Gemeindevorstandes vom 21. Dezember 2004 nachträglich genehmigt worden. Die Frage der Notkompetenz des Bürgermeisters gemäß § 60 der Oö. Gemeindeordnung erscheine daher im vorliegenden Fall nicht relevant.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
In einer Replik vertrat die beschwerdeführende Partei unter Bezugnahme auf die Oö. Gemeindeordnung 1979 und 1990, die Tiroler Gemeindeordnung und die Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung erneut den Standpunkt, dass diese Normen eine unbeschränkte Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters vorsähen, weshalb der Bürgermeister der beschwerdeführenden Partei zur Erhebung der Berufung vom 21. Oktober 2004 an die belangte Behörde legitimiert gewesen sei, dies unabhängig von der Frage, ob der Berufung auch eine Beschlussfassung des Gemeindevorstandes oder eines sonstigen Gemeindeorgans im Innenverhältnis zu Grunde gelegen sei. Die belangte Behörde hätte sich daher mit der Berufung der beschwerdeführenden Partei materiell auseinandersetzen müssen, anstatt sie zu Unrecht als unzulässig zurückzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es kann im Beschwerdefall dahin gestellt bleiben, ob zur Erlassung des Bescheides in erster Instanz tatsächlich der Landeshauptmann von Oberösterreich zuständig war, weil zunächst zu prüfen ist, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, dass die Berufung mangels Berufungslegitimation zurückzuweisen war. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang, dass auf der Basis des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes betreffend die gegenständliche Ableitung von Straßen- und Oberflächenwässern in näher genannten Ortsteilen in den I derzeit nicht beurteilt werden kann, ob ein so untrennbarer Zusammenhang mit dem übrigen, der wasserrechtlichen Kollaudierung unterzogenen "Entsorgungssystem" besteht, dass auch bezüglich der dem wasserpolizeilichen Alternativauftrag nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 zugrunde liegenden Ableitung von Straßen- und Oberflächenwässern von einer Zuständigkeit des Landeshauptmanns in erster Instanz auszugehen ist.
Sowohl nach § 58 Abs. 1 der Oö. Gemeindeordnung 1979, LGBl. Nr. 119, als auch nach § 58 Abs. 1 der Oö. Gemeindeordnung 1990, LGBl. Nr. 91, vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen.
Nach § 56 Abs. 2 Z. 6 der Oö. Gemeindeordnung 1979 obliegt dem Gemeindevorstand die Einbringung von Rechtsmitteln gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen, jedoch ausgenommen Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof.
Nach § 56 Abs. 2 Z. 11 der Oö. Gemeindeordnung 1990, i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 152/2001, obliegt dem Gemeindevorstand die Einbringung von Rechtsmitteln gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen einschließlich von Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof.
Während der Verwaltungsgerichtshof in seiner früheren Rechtsprechung (vgl. die im hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 29. Mai 1980, VwSlg. Nr. 10147/A, zitierte Judikatur) im Zusammenhang mit der Beschwerdeerhebung durch juristische Personen des öffentlichen Rechtes ausgesprochen hat, dass nicht nur die Erteilung der Vollmacht durch das nach außen vertretungsbefugte Organ, sondern auch die auf die Beschwerdeerhebung gerichtete Willensbildung des zuständigen Organes dem Verwaltungsgerichtshof nachgewiesen werden müsse, hat er in dem zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates diese Rechtsansicht nicht mehr aufrechterhalten, sondern vielmehr die Auffassung vertreten, dass ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsnormen für juristische Personen auch des öffentlichen Rechtes nach außen Handlungsbeschränkungen der zur Vertretung berufenen Organe vorsehen können; sprechen die Normen jedoch von einer Vertretung nach außen schlechthin, so kann nicht auf anderweitige, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnde Normen zurückgegriffen werden. Auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des zitierten hg. Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof führte zu § 58 Abs. 1 der Oö. Gemeindeordnung 1979 in seinem Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 93/05/0082, u.a. aus, dass nach dieser Bestimmung der Bürgermeister der Gemeinde ohne jede Einschränkung zur Vertretung der Gemeinde nach außen berufen ist. Es kommt daher nach der vorzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf an, ob die sonstigen, bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnden Normen ebenfalls eingehalten wurden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1981, VwSlg. Nr. 10479/A).
Diese Ausführungen sind sinngemäß auch auf die hinsichtlich der Außenvertretung des Bürgermeisters unverändert gebliebene Rechtslage nach der Oö. Gemeindeordnung 1990, unbeschadet der bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnden Norm des § 56 Abs. 2 Z. 11 leg. cit., anzuwenden.
Daraus ergibt sich aber, das die belangte Behörde zu Unrecht die Berufung der beschwerdeführenden Gemeinde mangels Berufungslegitimation zurückgewiesen hat.
Der angefochtene Bescheid stellt sich somit als inhaltlich rechtswidrig dar und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff. VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II. Nr. 333/2003.
Wien, am 15. November 2007
Schlagworte
Voraussetzungen des Berufungsrechtes Diverses Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Vertretungsbefugter juristische Person Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005070100.X00Im RIS seit
06.12.2007