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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit jeweils € 2.142,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer beziehen eine Versehrtenrente aus einer gesetzlichen Unfallversorgung.
2. Mit Bescheiden des örtlich zuständigen Finanzamtes wurde die Einkommensteuer der Beschwerdeführer für das Jahr 2001 festgesetzt. Dabei wurde die den Beschwerdeführern ausbezahlte Versehrtenrente den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§25 EStG 1988) zugerechnet und in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen (vgl. §3 Abs1 Z4 litc EStG 1988).
3. Die Finanzlandesdirektion für Steiermark wies die dagegen erhobenen Berufungen als unbegründet ab.
4. Gegen diese - letztinstanzlichen - Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden gem. Art144 Abs1 B-VG, worin die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §3 Abs1 Z4 litc EStG 1988, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.
5. Mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2002, G85/02, hat der Verfassungsgerichtshof das Wort "einmalige" sowie die Wortfolge ", soweit nicht Ansprüche auf laufende Zahlungen abgefunden werden," in §3 Abs1 Z4 litc EStG 1988 idF des Euro-Steuerumstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 59/2001, durch die Versehrtenrenten aus einer gesetzlichen Unfallversorgung im Ergebnis in die Einkommensteuerpflicht einbezogen wurden, als verfassungswidrig aufgehoben (s. auch die Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. I Nr. 1/2003).
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde liegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet wurde, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der mündlichen Verhandlung (sollte eine solche nicht stattfinden: zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10.616/1985, 10.736/1985, 10.954/1986, 11.711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung in dem zu G85/02 geführten Verfahren begann am 28. November 2002. Die Beschwerden zu B1672/02 und B1673/02 waren bereits am 18. November 2002, somit vor diesem Zeitpunkt, beim Verfassungsgerichtshof eingelangt, also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Nach dem soeben Ausgeführten stehen die Fälle daher einem Anlaßfall gleich.
2. Wie Art140 Abs7 zweiter Satz, zweiter Halbsatz, B-VG entnommen werden kann, kommt dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis zu, die Anlaßfallwirkung eines aufhebenden Erkenntnisses auch auf andere vor Aufhebung des Gesetzes verwirklichte Sachverhalte zu erstrecken. Mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2002,
G85/02, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die aufgehobenen Teile des §3 Abs1 Z4 litc EStG 1988 "für die Bemessung der Einkommensteuer der Jahre 2001 und 2002 nicht mehr anzuwenden [sind], soweit die aus der seit 1. Jänner 2001 geltenden Besteuerung von Bezügen aus einer gesetzlichen Unfallversicherung oder aus einer gesetzlichen Unfallversorgung entstandene Mehrbelastung nicht nach den Bestimmungen der §§33 ff des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990 in der Fassung des Art1 des Bundesgesetzes, mit dem das Bundesbehindertengesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Bundesfinanzgesetz 2001 geändert werden, BGBl. I Nr. 60/2001, abgegolten worden ist".
Da die zu B1750/02 protokollierte Beschwerde erst am 3. Dezember 2002 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt ist, handelt es sich dabei somit zwar um keinen Anlaßfall iS des Art140 Abs7 B-VG, wohl aber ist - auch - dieser Fall nach dem Wortlaut des soeben wiedergegebenen Ausspruchs von der Anlaßfallwirkung des hg. Erkenntnisses vom 7. Dezember 2002 erfaßt.
3. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war.
Die Beschwerdeführer wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.404/1985).
Die Bescheide waren daher aufzuheben.
4. Der Kostenspruch stützt sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist jeweils Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG) in Höhe von € 180,-- enthalten.
5. Dies konnte gem. §19 Abs4 Z3 VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1672.2002Dokumentnummer
JFT_09969775_02B01672_00