Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede R*****, vertreten durch Dr. Peter Ouschan, Rechtsanwalt in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, vertreten durch Dr. Manfred Angerer und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 8.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2006, GZ 1 R 267/06v-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 13. Juli 2006, GZ 2 C 1489/05g-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 665,66 EUR (darin 110,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin wurde am 15. 5. 1998 bei einem vom Lenker eines slowenischen Sattelzuges verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Sie erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma vom Schweregrad einer contusio cerebri (Gehirnprellung). Bleibende Folgen dieser Verletzung sind ein geringgradiges organisches Psychosyndrom und der Verlust des Geruchssinns sowie die Beeinträchtigung des Geschmacksinns. Die Klägerin kann seit dem Unfall nur mehr die Qualitäten süß, sauer, bitter und salzig wahrnehmen; der sogenannte feinere Geschmack ging verloren.
Mit Teilanerkenntnisurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 24. 11. 1999 wurde die - auf die gesetzliche Mindestdeckungssumme beschränkte - Haftung der beklagten Partei für alle zukünftigen Schäden der Klägerin aus diesem Verkehrsunfall festgestellt. Mit dem am 30. 3. 2001 ergangenen (rechtskräftigen) Endurteil des Vorprozesses wurde der Klägerin Schmerzengeld sowie der Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe und der Therapiekosten zuerkannt.
Nunmehr begehrt die Klägerin mit 8.000 EUR bezifferte weitere Kosten einer Haushaltshilfe für den Zeitraum von Juni 2003 bis März 2006 mit der Begründung, wegen des unfallbedingten Verlusts des Geruchssinns und der Beeinträchtigung des Geschmacksinns beim Kochen die Hilfe dritter Personen in Anspruch nehmen zu müssen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen maßgeblichen Feststellungen lebt die Klägerin mit ihrem Ehemann und ihren zwei (erwachsenen) Söhnen im gemeinsamen Haushalt. Sie war vor dem Unfall zumindest zwei Mal täglich mit der Zubereitung von Speisen beschäftigt und hatte den Ruf, eine gute Köchin zu sein. Infolge des fehlenden Geruchssinns ist ihr die Unterscheidung von Geschmacksnuancen nicht mehr möglich. Im klagsgegenständlichen Zeitraum nahm sie deshalb beim Kochen die Hilfe der Lebensgefährtinnen ihrer Söhne in Anspruch, deren Aufgabe darin bestand, mehrmals in der Woche abwechselnd Speisen zuzubereiten. Hiefür zahlte die Klägerin einen monatlichen Pauschalbetrag von 250 EUR. „Durch den mit dem Verlust des Geruchssinns einhergehenden und festgestellten eingeschränkten Geschmacksinn, war es der Klägerin ohne Hilfestellung nicht mehr möglich, durchschnittlich anspruchsvolle Speisen zu fertigen."
Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es verneinte die Bindung an die zuletzt (wörtlich) zitierte Feststellung des Erstgerichts, weil diese in Wahrheit Teil der rechtlichen Beurteilung sei. Nach ausführlicher Befassung mit dem Begriff „Geschmack" und den Vorgängen des „Würzens" und „Abschmeckens" bei der Zubereitung von Speisen gelangte es zu dem Ergebnis, dass im Verlust der Fähigkeit, Speisen „sensorisch zu bewerten bzw abzuschmecken", keine ersatzfähige Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin gelegen sei. Dieses Unvermögen sei bereits bei der Schmerzengeldbemessung berücksichtigt worden.
Über Antrag der Klägerin erklärte das Berufungsgericht in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruchs die Revision nachträglich mit der Begründung für zulässig, es sei von der unbekämpften Sachverhaltsgrundlage des Erstgerichts abgewichen, falls die besagte Feststellung doch dem Tatsachenbereich zugehören sollte.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig; in dessen Begründung wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan.Die von der Klägerin gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß Paragraph 508 a, Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig; in dessen Begründung wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dargetan.
Die Feststellung, wonach der Klägerin infolge des Verlusts des Geruchssinns und des eingeschränkten Geschmacksinns die Fertigung durchschnittlich anspruchsvoller Speisen ohne Hilfestellung nicht mehr möglich sei, betrifft zwar ausschließlich den Tatsachenbereich. Sie kann vernünftigerweise aber nur dahin verstanden werden, dass der Klägerin aufgrund ihrer unfallbedingten Sinnesbehinderung nicht die Zubereitung durchschnittlicher Mahlzeiten schlechthin, sondern lediglich die Verrichtung jener dabei anfallenden und ihr Gelingen beeinflussenden Teiltätigkeiten nicht mehr möglich ist, die einen intakten Geruchs- und Geschmacksinn voraussetzen. Die diese Feststellung im Ergebnis bloß auslegende Erwägung des Berufungsgerichts, dies treffe nicht auf die „rein manuellen Tätigkeiten des Kochens", zu denen auch das „Würzen" gehöre, wohl aber auf das „Abschmecken" einer Speise zu, lässt keine Abweichung von der erstinstanzlichen Tatsachengrundlage erkennen. Insoweit ist dem Berufungsgericht daher weder eine Aktenwidrigkeit noch ein Verstoß gegen § 498 Abs 1 ZPO unterlaufen.
Aber auch in der Revision der Klägerin wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
Eine entscheidungserhebliche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird im Falle der Verletzung einer haushaltsführenden Ehefrau dieser ein Ersatzanspruch für die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit zuerkannt. Dabei handelt es sich um eine Entschädigung für konkreten Verdienstentgang, die unabhängig von der Einstellung einer Ersatzkraft gebührt (2 Ob 221/06y mwN; RIS-Justiz RS0030606, RS0030922). Soweit die Haushaltstätigkeit der Befriedigung eigener Bedürfnisse der Verletzten dient, steht ihr die Entschädigung aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse zu (2 Ob 221/06y mwN; RIS-Justiz RS0087380, RS0087381). Maßgebend für die Höhe dieses Ersatzanspruchs der Ehefrau sind die Art und das Ausmaß der von ihr im Haushalt erbrachten Leistungen und die Kosten einer hiefür erlangbaren Ersatzkraft (ZVR 1989/16 mwN; 2 Ob 325/97a). Inwieweit eine haushaltsführende Ehefrau im Einzelfall gehindert ist, ihre bisher ausgeübten Tätigkeiten durchzuführen, stellt aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, weil die Lösung dieser Frage in ihrer Bedeutung über den Anlassfall nicht hinausgeht (2 Ob 325/97a).Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird im Falle der Verletzung einer haushaltsführenden Ehefrau dieser ein Ersatzanspruch für die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit zuerkannt. Dabei handelt es sich um eine Entschädigung für konkreten Verdienstentgang, die unabhängig von der Einstellung einer Ersatzkraft gebührt (2 Ob 221/06y mwN; RIS-Justiz RS0030606, RS0030922). Soweit die Haushaltstätigkeit der Befriedigung eigener Bedürfnisse der Verletzten dient, steht ihr die Entschädigung aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse zu (2 Ob 221/06y mwN; RIS-Justiz RS0087380, RS0087381). Maßgebend für die Höhe dieses Ersatzanspruchs der Ehefrau sind die Art und das Ausmaß der von ihr im Haushalt erbrachten Leistungen und die Kosten einer hiefür erlangbaren Ersatzkraft (ZVR 1989/16 mwN; 2 Ob 325/97a). Inwieweit eine haushaltsführende Ehefrau im Einzelfall gehindert ist, ihre bisher ausgeübten Tätigkeiten durchzuführen, stellt aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Absatz eins, ZPO dar, weil die Lösung dieser Frage in ihrer Bedeutung über den Anlassfall nicht hinausgeht (2 Ob 325/97a).
Die unfallbedingte Beeinträchtigung der Klägerin in der Haushaltsführung beschränkt sich - bei richtigem Verständnis der vorinstanzlichen Feststellungen - auf die verloren gegangene Fähigkeit, die Art der Zubereitung von Speisen durch Riechen und Schmecken zu beeinflussen und ihr Gelingen auf diese Weise zu kontrollieren. Dass die Klägerin diese Defizite mit ihren (koch-)technischen Fertigkeiten und ihrer langjährigen Erfahrung - sie kocht zumindest zwei Mal täglich für ihre Familie - auch kompensieren kann, folgt schon aus der Tatsache, dass sie die Hilfe der „Lebensgefährtinnen" ihrer (im Haushalt lebenden) Söhne nicht ständig in Anspruch nimmt. Sie ist auch nicht während des gesamten Zeitraums der Speisenzubereitung erforderlich, sondern nur, soweit es zu deren Gelingen der Erzielung besonderer Geschmacksnuancen bedarf.
Die Beantwortung der Frage, ob nur fallweise notwendige, mit geringem Arbeits- und Zeitaufwand verbundene Hilfeleistungen anderer Haushalts- oder Familienangehöriger, wie sie in einem Mehrpersonenhaushalt auch sonst üblich sind (zB das Kosten oder das Nachwürzen von Speisen), schon eine tragfähige Grundlage für einen Ersatzanspruch der verletzten haushaltsführenden Ehefrau bilden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich einer verallgemeinernden Aussage des Obersten Gerichtshofs (vgl dazu etwa die einschlägige deutsche Judikatur: Oberlandesgericht Düsseldorf VersR 1982, 881; weitere Nachweise bei Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess25 Kap 4 Rn 142 ff). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die auf dem Verlust des Geruchssinns beruhende Unmöglichkeit, Speisen „sensorisch zu bewerten bzw abzuschmecken" rechtfertige noch keine Haushaltshilfe, hält sich im Rahmen seines Beurteilungsspielraums und wirft keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.Die Beantwortung der Frage, ob nur fallweise notwendige, mit geringem Arbeits- und Zeitaufwand verbundene Hilfeleistungen anderer Haushalts- oder Familienangehöriger, wie sie in einem Mehrpersonenhaushalt auch sonst üblich sind (zB das Kosten oder das Nachwürzen von Speisen), schon eine tragfähige Grundlage für einen Ersatzanspruch der verletzten haushaltsführenden Ehefrau bilden kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich einer verallgemeinernden Aussage des Obersten Gerichtshofs vergleiche dazu etwa die einschlägige deutsche Judikatur: Oberlandesgericht Düsseldorf VersR 1982, 881; weitere Nachweise bei Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess25 Kap 4 Rn 142 ff). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die auf dem Verlust des Geruchssinns beruhende Unmöglichkeit, Speisen „sensorisch zu bewerten bzw abzuschmecken" rechtfertige noch keine Haushaltshilfe, hält sich im Rahmen seines Beurteilungsspielraums und wirft keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Absatz eins, ZPO auf.
Die Revision ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Textnummer
E87428European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0020OB00100.07F.0410.000Im RIS seit
10.05.2008Zuletzt aktualisiert am
12.11.2010