TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/20 2007/05/0211

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Veröffentlicht am 20.11.2007
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Index

L08013 Vereinbarungen nach Art 15a B-VG Niederösterreich;
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L44003 Feuerwehr Niederösterreich;
L44103 Feuerpolizei Kehrordnung Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
17 Vereinbarungen gemäss Art 15a B-VG;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §1;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauRallg;
B-VG Art15a;
FeuerwehrG NÖ §23 Abs1 Z2;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §77 Abs1;
Vereinbarung Bund Bundesländer Warn- und Alarmsystem;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde

1. des Josef Söllner und 2. der Ingrid Söllner, beide in Hautzendorf, beide vertreten durch Dr. Lorenz E. Riegler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Rilkeplatz 8, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. Juli 2007, Zl. RU1- BR-323/003-2007, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Kreuttal, vertreten durch den Bürgermeister, Kirchengasse 1, 2123 Kreuttal), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 1171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf dessen Darstellung in dem im vorliegenden Fall ergangenen hg. Erkenntnis vom 28. April 2006, Zl. 2005/05/0169, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis war der damals angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 28. April 2005 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben worden.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 31. Jänner 2005 war der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug gemäß § 23 Abs. 1 und 2 der Niederösterreichischen Bauordnung, LGBl. 8200 (NÖ BauO 1996) die baubehördliche Bewilligung zur Aufstellung einer Sirene auf dem Dach des Gemeindeamtes Hautzendorf erteilt worden. Die Beschwerdeführer, die Anrainer des Gemeindeamtes sind, hatten gegen diese Entscheidung Vorstellung erhoben, die mit dem damals angefochtenen Bescheid vom 28. April 2005 als unbegründet abgewiesen worden war.

Der Verwaltungsgerichtshof vertrat im zitierten hg. Erkenntnis vom 28. April 2006 unter anderem die Ansicht, dass mit der im vorliegenden Fall gegebenen Widmungsart des Grundstückes "Bauland-Agrargebiet" die Errichtung einer Sirene vereinbar sei, soweit es sich um die Einrichtung einer Alarm- oder Warneinrichtung der Bevölkerung auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung - dies wäre von der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahren noch näher darzulegen - handle. Hinsichtlich der örtlichen Zumutbarkeit der Belästigungen bzw der Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen durch die genannte Emission genügte nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes das damalige Ermittlungsverfahren nicht den Anforderungen der Einholung entsprechender technischer und medizinischer Gutachten. Zum einen fehlten nähere Angaben zu dem von der Behörde bzw. dem technischen Sachverständigen herangezogenen Grenzwert für die Zulässigkeit der Lärmbelästigung, zum anderen fehle es an einem Gutachten eines medizinischen Sachverständigen. Es wäre darauf angekommen, dass ein medizinischer Sachverständiger die Auswirkungen der vom Techniker festgestellten Immissionen auf den menschlichen Organismus darlege. Den eingeholten Gutachten sei auch nicht zu entnehmen, ob - bezogen auf den Zeitpunkt des wöchentlichen Probealarms - eine allenfalls bestehende Immissionsbelastung durch die zweite Sirene am Feuerwehrhaus Berücksichtigung gefunden habe bzw. ob und warum sie keine Berücksichtigung zu finden gehabt hätte. Des weiteren sei nicht erhoben worden, ob die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Erschütterungen für die Dauer des Sirenenlärms tatsächlich vorlägen.

Im fortgesetzten Verfahren behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 2. Juni 2006 den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 31. Jänner 2005 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurück.

Am 22. September 2006 wurde im Wohnhaus der Beschwerdeführer eine Erschütterungsmessung durch Universitätsdozent Dr. Wolfgang L. von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) durchgeführt. Die Messungen ergaben während des Betriebes der Sirene auf dem Dach des Gemeindeamtes mittlere Maximalwerte von 0,049 +/- 0,021 mm/s im Frequenzbereich um 17 Hz, wobei diese Amplituden beim Anfahren und beim Herunterfahren der Sirene gemessen worden seien. Dazwischen, sowie davor und danach hätten die Schwinggeschwindigkeiten ca. 0,01 mm/s betragen. Die dabei aufgetretenen maximalen Beschleunigungen reichten im Mittel von 7,91-8,93 mm/s2. Die Erschütterungen durch den Verkehr (Lastauto auf der Hauptstraße) führten zu 0,11-0,16 mm/s im Frequenzbereich um 10 Hz. Die damit verbundenen maximalen Beschleunigungen reichten von 8,0-16,88 mm/s2. Die größten Werte seien jeweils in X-Richtung, also senkrecht zur Hauptstraße, aufgetreten.

Aus dem "Erschütterungsbericht durch Sirene" vom 3. Oktober 2006 geht als Resultat der Messungen hervor, dass laut ÖNORM S 9010 (1982) erst ab einer sogenannten "bewerteten Schwingstärke" von 0,1 eine Erschütterung im Sinne "gerade spürbar" wahrgenommen werden könne (Fühlschwelle). Keine der Messreihen überschreite diesen Wert. Der größte Wert sei während der letzten Messung beobachtet worden, wobei der Großteil der Erschütterung auf das Lastauto zurückzuführen gewesen sei. Auch dieser Wert sei unter der Fühlschwelle gelegen. Die durch die Sirene hervorgerufenen Schwingstärken lägen noch weiter darunter. Was die Gefährdung der Bausubstanz betreffe, so seien laut ÖNORM S 9020 (1986) bei einem Gebäude der Gebäudeklasse II (Wohnbauten) Schwinggeschwindigkeiten bis 20 mm/s zulässig. Bei häufiger Belastung sei der Wert um 20 % zu reduzieren, womit sich 16 mm/s ergäbe. Die beobachteten Messwerte lägen somit weit unterhalb (< 1 %) der zulässigen Erschütterungswerte. Bauschäden seien auf Grund der Erschütterungsbelastung daher nicht zu erwarten.

Die Behörde holte weiters ein die Schallimmissionen durch eine Sirene auf dem Dach des Gemeindeamtes betreffendes Gutachten des Diplomingenieur Erich R. vom 3. November 2006 ein. Dieses stützt sich auf ebenfalls am 22. September 2006 durchgeführte Messungen der Schallimmissionen durch den Betrieb der Sirene an verschiedenen Messpunkten auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer. Die Ergebnisse wurden nach der ÖNORM S 5004 (Messung von Schallimmissionen) ermittelt und ausgewertet. Die Ergebnisse für die Schallimmissionen des Sirenentons erbrachten an den einzelnen Punkten im Gutachten näher dargestellte Ergebnisse, die zwischen einem Wert von 77 und 113 LA (dB) liegen. Auch die Umgebungsgeräusche wurden gemessen.

Im Gutachten heißt es unter der Überschrift "Immissionsgrenzwert" weiter, dass wegen der Funktion von Sirenen im Bereich des Zivilschutzes die sonst üblichen technischen Richtlinien zur Beurteilung von Schallimmissionen nicht heranziehbar seien. Diese zielten nämlich darauf ab, Menschen in Nachbarschaftsbereichen von Lärmemittenten möglichst wenig zu beinträchtigen. Würde man dies auch im Bezug von Sirenen verlangen, wären sie für ihren Zweck nicht einsetzbar. Es sei daher nach anderen Kriterien zu beurteilen. Weder für das Land Niederösterreich noch bundesweit gäbe es hinsichtlich der Höchstgrenzen für die Schallabstrahlung von Sirenen Grenzwerte. Dies sei auf den beschriebenen Warncharakter zurück zu führen. Somit müssten die Schallimmissionen in allen Wohnbereichen das Umgebungsgeräusch soweit übersteigen, dass sie von möglichst allen Personen in einer Art wahrgenommen werden, dass sie aufmerksam werden und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen könnten (Zivilschutz). Dies bedinge andererseits, dass im Nahbereich von Sirenen sehr hohe Schallimmissionen auftreten. Als möglicherweise einzige Institution, welche Immissionsgrenzwerte bezüglich Schall festgelegt habe, habe die Magistratsabteilung 15 der Gemeinde Wien angefragt werden können. Es seien jedoch keine schriftlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt sondern lediglich mündlich die Grenzwertsituation erläutert worden. Diese Grenzwertsituation werde dahingehend beschrieben, dass der Immissionsgrenzwert für Probealarm gelte, dass der maximal zulässige A-bewertete Schalldruckpegel in 30 Meter Entfernung bei freier Schallabstrahlung maximal LA = 120 dB betrage, und dass der Grenzwert für eine Dauer des Probealarms von weniger als eine Minute gelte.

Anhand dieser Werte würden die Ergebnisse der Messungen aus schalltechnischer Sicht bewertet. Diesbezüglich führte der Sachverständige aus, die zulässigen, auf eine Minute bezogenen Immissionsgrenzwerte würden auf die Messentfernungen von der Sirene umgerechnet und mit den gemessenen Werten verglichen. Die Umrechnung auf Grund der unterschiedlichen Entfernung erfolge entsprechend den einschlägigen Richtlinien (ÖAL-Richtlinie Nr. 28). Die Gegenüberstellung der ermittelten Werte mit dem aus schalltechnischer Sicht zulässigen Immissionspegel ergebe, dass hinsichtlich aller drei Messpunkte keine Überschreitung der zur Verfügung stehenden Immissionsgrenzwerte vorliege. Diese Beurteilung erfolge allerdings nach rein schalltechnischen Kriterien. Auf die Faktoren Anzahl der auftretenden Schallereignisse, Ort der Immissionen (im Freien, im Raum), Tageszeit des Auftretens der Schallereignisse und Impulshaltigkeit werde nicht eingegangen. Wie weit die Notwendigkeit des Warncharakters in die Beurteilung einzugehen habe, könne vom Akustiker nicht beurteilt werden. Die vorliegende Messung samt Auswertung könne jedoch als Grundlage zur Beurteilung eventueller Lärmstörungen in der Nachbarschaft durch den Amtsarzt herangezogen werden.

Unter der Überschrift "Kurzbeurteilung der Vibrationen" und unter Bezugnahme auf das Gutachten vom 3. Oktober 2006 führte der schalltechnische Sachverständige weiter aus, dass nach dem Gutachten zwar Bauschäden am Gebäude nicht zu erwarten seien, dass es aber während des Probealarms dennoch zu Vibrationserscheinungen der Fensterscheiben komme. Bei diesen handle es sich um 2-Scheiben-Isolierglasfenster mit Kunststoffrahmen im Alter von etwa 20 Jahren. Solche Vibrationen seien typisch und abhängig von Scheibenformat, Materialart und -dicke, Einbettung der Scheiben im Rahmen und dergleichen mehr. Bei den vorhandenen Scheibengrößen von etwa 1,40 m2 bzw. ca. 2 m2 seien solche Vibrationen auch bei Vorbeifahrten von Lkws und landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu erwarten. Erfahrungsgemäß würden aber erst dann Glasschäden auftreten, wenn Erschütterungsimmissionen auch andere Schäden verursachen könnten. Als Grenzwerte für Erschütterungsbelastungen von Fensterscheiben, wie sie im gegenständlichen Gebäude eingebaut seien, könnten durchaus jene herangezogen werden, welche für die Gebäudesubstanz allgemein gelten. Ohne genaue Nachweise zu führen, könne daher festgestellt werden, dass Erschütterungen, welche weniger als 1/100 des zulässigen Grenzwertes für das Gesamtgebäude betrügen, auch langfristig keine Schäden an Fenstern verursachten.

Auf Grundlage dieser beiden Gutachten erstattete der Gemeindearzt Dr. P. ein medizinisches Gutachten vom 8. November 2006. Nach Darstellung der Dynamik des Gehörs, der Hörbahn sowie der Hörstörungen durch Schall führte der medizinische Sachverständige aus, dass die bedeutenden Kriterien einer Lärmbelastung der Schalldruckpegel, der impulsartige Pegelanstieg und die Expositionszeit seien. Grundsätzlich bestehe eine große interindividuelle Differenz der Schallschädigung durch unterschiedliche Vulnerabilität der Innenohren. Das Risiko einer Innenohrschädigung durch Lärmeinwirkung wachse mit dem Schallpegel und der Expositionsdauer der Lärmeinwirkung. Ab einem Schallpegel von 85 dB bis 90 dB könne bei längerer Expositionsdauer, darüber auch bei kürzerer Expositionsdauer, ein Gehörschaden eintreten. Dies sei aber auch abhängig von der Häufigkeit und Frequenz und Dauer der Schallbelastung bzw. der Zeitdauer der Erholungsmöglichkeit für die Sinneshärchen im Innenohr. Eine Verdoppelung der Expositionsdauer verdopple die Gehörgefährdung. Eine fünfminütige Einwirkung von 105 dB (Diskotheken) entspreche dem Gefährdungspotenzial einer vierstündigen Einwirkung von 85 dB. Im Umkehrschluss sei eine Lärmexposition unter einer Minute - vor allem bei Vermeidung einer Impulsqualität - auch bei größeren Schallpegeln weniger gesundheitsgefährdend. Lärm mit Schalldruckspitzen (Impulslärm) sei gehörgefährdender als Dauerlärm.

Nach Wiedergabe der Werte des schalltechnischen Gutachtens führte der medizinische Sachverständige weiter aus, bezogen auf die vom Bundesamt für Gesundheit der Schweizerischen Eidgenossenschaft ermittelten Werte betrage die wöchentlich zulässige Einwirkzeit folgender Schallpegel, ohne einem gesundheitlichen Risiko ausgesetzt zu sein, bis 85 dB: unbegrenzt, 87-103 dB: 40 Minuten bis eine Stunde und 106-111 dB: 30 Minuten bis 10 Minuten. Die Deutsche Bundesärztekammer verlange eine Reduktion der Schalldruckpegel in Diskotheken und Konzerten von derzeit bis zu 110 dB Mittelpegel/Dauerschall auf maximal 95 dB sowie das Tragen von Gehörschutz für exponierte Berufe mit über 85 dB Schallbelastung über einen längeren Zeitraum. Zusammenfassend erscheine eine akute Gesundheitsgefährdung durch die gemessenen Schalldruckpegel bei Einhaltung einer Expositionszeit von unter einer Minute in der Literatur nicht belegt, wobei einige Faktoren in diese Beurteilung keinen Eingang finden hätten können, nämlich die völlige geistige und körperliche Gesundheit der exponierten Personen und die Häufigkeit, Impulshaltigkeit sowie Tages- oder Nachtzeit der auftretenden Schallereignisse.

Diese Gutachten wurden den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht, die in einer Stellungnahme vom 6. Dezember 2006 das ärztliche Gutachten kritisierten und meinten, es fehlten dort ausreichende Angaben zu den erlaubten Grenzwerten etwa im Sinne der Europäischen Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm. Es werde lediglich auf deutsche bzw. schweizerische Daten verwiesen, welche weder vergleichbar seien noch irgendeine Rechtsgrundlage in Österreich aufwiesen. Auch komme die ärztliche Stellungnahme zum Ergebnis, dass Schalldruckspitzen gehörgefährdender als Dauerlärm seien. Schon aus diesen Gründen wäre das Bauansuchen abzuweisen gewesen. Weiters sei noch zu prüfen, ob die Erhöhung der Beschallung durch eine zusätzliche zweite Sirene überhaupt notwendig sei. Die Überprüfung dieser Notwendigkeit sei dem nunmehr vorgelegten Gutachten noch nicht zu entnehmen. Weiters legten die Beschwerdeführer einen fachärztlichen Befund des Facharztes für Neurologie Dr. Jörg H. vom 10. August 2006 vor, wonach die Zweitbeschwerdeführerin an einem depressiven Syndrom leide. Demnach bestehe kein Zweifel, dass die gegebene Situation (Lärmpegel über 130 Dezibel) für die Patientin eine Extrembelastung darstelle und das Grundleiden negativ beeinflusse bzw. bei Fortbestand dieser Belastung auch mit einer anhaltenden Verschlechterung des Zustandsbildes zu rechnen sei.

Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2006 legten die Beschwerdeführer ein Gutachten des Universitätsprofessors Dr. Andreas T., eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Fach Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, vom 14. Dezember 2006 vor. Der Sachverständige führte aus, eine regelmäßige Lärmexposition führe zu einer Hörstörung. Die von Dr. P. genannte Lärmexposition über 85 dB sei jene Lärmexposition, die - so die wissenschaftliche Literatur - zu einer Gefährdung des Hörvermögens für die Umgangssprache führe, natürlich abhängig von der Höhe des Expositionspegels und der Expositionsdauer. Lang andauernde oder häufig rezidivierende Lärmbelastung führe zuerst zu einem akuten Lärmtrauma, welches anfangs reversibel sei. Nach längerer Exposition (wiederum abhängig von verschiedenen Parametern wie Alter, Geschlecht, andere Erkrankungen) könne das Regenerationspotenzial des Innenohres erschöpft sein, sodass ein chronischer Lärmschaden entstehe. Typischerweise beginne dieser symmetrisch im Hochtonbereich. Langsam komme es auch zu einer Beeinträchtigung des Sprachverständnisses. Da die chronische Lärmschwerhörigkeit einen irreversiblen Schaden der Cochlea (Innenohr) darstelle, gebe es keine Therapie. Abschließend führte der Sachverständige aus, dass eine chronische bzw. rezidivierende Lärmbelastung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einer frühzeitigen Erschöpfung des Regenerationspotenzials des Innenohres führe und damit wahrscheinlich zu einer frühzeitigen Verschlechterung des Hörvermögens gegenüber einer nicht exponierten Vergleichsgruppe.

Daraufhin ergänzte der medizinische Sachverständige Dr. P. mit Stellungnahme vom 29. Jänner 2007 sein Gutachten, und meinte, eine inhaltliche Abänderung seiner Einschätzung vom 8. November 2006 ergebe sich auch nach Vorlage dieses Privatgutachtens nicht. Wie vom Privatgutachter Dris. T. in seiner Expertise angesprochen und auch zum Teil in seiner Stellungnahme vom 8. November 2006 erwähnt, seien neben dem Schallpegel auch einige andere Parameter für eine potenziell gehörschädigende Entwicklung mit einzubeziehen. Neben einer sicherlich kaum zu kategorisierenden interindividuellen (genetischen) Komponente, spielten Expositionsdauer, Schallqualität, Alter, Geschlecht und allgemeiner Gesundheitszustand eine entscheidende Rolle. Unter Berücksichtigung aller dieser Faktoren sei der Conclusio Dris. T. - wenn auch recht allgemein gehalten -, dass eine chronische bzw. rezidivierende Lärmbelastung früher zu Innenohrschäden führe als dies bei einer nicht exponierten Population der Fall wäre, medizinisch sicher nicht zu widersprechen.

Auch dazu erstatteten die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 26. Februar 2007 eine Stellungnahme, in der sie darauf verwiesen, dass der medizinische Sachverständige die Beschwerdeführer nicht untersucht hätte.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. März 2007 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Baubewilligungsbescheid vom 20. Dezember 2004 als unbegründet abgewiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung. Darin wandten sich die Beschwerdeführer gegen das Gutachten des Schalltechnikers, weil sich dieser hinsichtlich der nicht zu überschreitenden Imissionsgrenzwerte lediglich auf die mündliche Beschreibung der möglicherweise einzigen Institution, welche Imissionsgrenzwerte bezüglich Schall festgelegt habe, nämlich die Gemeinde Wien, stütze. Es fehlten nähere Informationen über das Zustandekommen und die Hintergründe dieses Grenzwertes, weshalb dieser nicht der Beurteilung zugrunde gelegt werden könne. Die Schallimissionsgrenzwerte des Österreichischen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung, ÖAL, würden massiv überschritten. Weiters werde das medizinische Gutachten von Dris. P. kritisiert, weil es sich nicht um ein solches nach der Europäischen Richtlinie 2002/49/EG handle. Auf Grund des vorgelegten Privatgutachtens von Dris. T., dem der Amtssachverständige für Medizin nicht widersprochen habe, könne eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden. Auch würden die vorgenommenen Messungen der ZAMG angezweifelt, da die Vibrationen durch den Betrieb der Sirene mit der Handfläche deutlich spürbar hätten wahrgenommen werden können. Es werde daher davon ausgegangen, dass die Messwerte von 0,1 überschritten würden. Weiters werde darauf hingewiesen, dass zu prüfen sei, ob diese zweite Sirene überhaupt notwendig sei, und dass das schalltechnische Gutachten insofern zu ergänzen wäre, als die Situation bei Inbetriebnahme beider Sirenen erhoben werden müsste. Die eingeholten Gutachten seien vom Gemeindevorstand nicht richtig beurteilt worden und es sei die Rechtslage verkannt worden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. Juli 2007 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte die belangte Behörde aus, dass vorerst die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der rechtswirksamen Flächenwidmung zu prüfen sei. Unter der Voraussetzung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmungsart hätten die Nachbarn einen Anspruch darauf, dass sie vor das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Gefahren geschützt würden. Bei einer Sirene handle es sich um eine Warneinrichtung, welche im verbauten Gebiet aufgestellt werden müsse, um die Bevölkerung zu warnen bzw. eine Alarmierung der Mitglieder der Feuerwehr zu ermöglichen. Nach § 23 Abs. 1 des Niederösterreichischen Feuerwehrgesetzes sei die Gemeinde verpflichtet, die nötigen Einrichtungen zu schaffen und zu erhalten, um eine möglichst rasche Alarmierung der Feuerwehr zu gewährleisten. Auf Grund dieser Verpflichtung und der Feststellung des Zivilschutzbeauftragten, dass die Montage einer zusätzlichen Sirene im Oberort von Hautzendorf notwendig sei, um eine ausreichende Beschallung des gesamten Ortsgebietes zu erreichen, da die derzeit vorhandene Sirene am Dach des Feuerwehrhauses dies alleine nicht bewältigen könne, sei die Erforderlichkeit der gegenständlichen Sirene als gegeben zu erachten. Es seien auch mehrere Standorte mit einem Vertreter der bauausführenden Firma in die Auswahl genommen worden. Nach eingehender Beratung sei entschieden worden, dass das Dach des Gemeindeamtes der ideale Standort sei, um den gewünschten Anforderungen einer ausreichenden Beschallung zu entsprechen. Von der Aufsichtsbehörde werde daher davon ausgegangen, dass die gegenständliche Sirene für eine ordentliche Beschallung des gesamten Ortsgebietes erforderlich sei und daher der Verpflichtung des § 23 Abs. 1 des NÖ Feuerwehrgesetzes entsprochen worden sei. Der Standort der Sirene im Bauland-Agrargebiet werde daher als widmungskonform angesehen.

Bezüglich der Einwendungen der Beschwerdeführer im Hinblick auf den berücksichtigten Grenzwert werde ausgeführt, dass es in Österreich diesbezüglich nur den Wert der Magistratsabteilung 15 gebe, wo Emissionsgrenzwerte bezüglich Schalles für Sirenen festgelegt worden seien. Dieser Wert betrage in 30 Meter Entfernung bei freier Schallabstrahlung maximal 120 dB und gelte nur für den Probealarm für die Dauer von unter einer Minute. Im schalltechnischen Gutachten seien vom Sachverständigen die zulässigen Emissionspegel aus schalltechnischer Sicht, umgerechnet auf die Messentfernung, festgelegt worden. Die Gegenüberstellung dieser Grenzwerte mit den tatsächlich gemessenen Werten zeige, dass keine Überschreitung der zur Verfügung stehenden Emissionsgrenzwerte vorliege. Die Grenzwerte der ÖAL seien im gegenständlichen Fall nicht heranzuziehen, weil sich diese nicht mit Sirenen befassten. Es liege in der Natur der Sache, dass eine Sirene eine erhebliche Lautstärke aufweisen müsse, um die Bevölkerung vor auftretenden Gefahren zu warnen, was bedinge, dass das Sirenensignal deutlich über der Umgebungsgeräuschsituation liegen müsse. Auch die Ausführungen zu den gemessenen Erschütterungen vor den Fenstern seien für die belangte Behörde nachvollziehbar. Erschütterungen unter 1 % des zulässigen Grenzwertes könnten keine Schäden verursachen. Zum medizinischen Gutachten werde ausgeführt, dass der Sachverständige zuerst allgemeine Ausführungen über die Belastung von Lärm bei Menschen angebracht habe, dann aber unter Berücksichtigung der durchgeführten Lärmmessungen ausgesagt habe, dass eine akute Gesundheitsgefährdung durch den gemessenen Schalldruckpegel unter einer Minute nicht belegt sei. Diese Aussage sei für die belangte Behörde entscheidend. Andere Faktoren, wie die völlige geistige und körperliche Gesundheit, seien unter Berücksichtigung des § 48 Abs. 2 NÖ BauO 1996 im Bauverfahren nicht entscheidend. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Belästigung sei nämlich der Maßstab eines gesunden, normal empfindenden Menschen heranzuziehen. Dass die Zweitbeschwerdeführerin an einer Depression leide, möge zwar für sie persönlich bedauerlich sein, habe aber für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Immissionen nach der NÖ BauO 1996 keine Bedeutung. Zum vorgelegten Gutachten Dris. T. sei zu sagen, dass dieses Gutachten nur eine allgemeine Darstellung zur Problematik der Lärmimmissionen und der Auswirkungen auf das menschliche Gehör beinhalte. In der Conclusio werde nur ausgeführt, dass eine chronische Lärmbelastung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlechterung des Hörvermögens führen würde. Dieser Aussage sei vom medizinischen Amtsachverständigen nicht widersprochen worden. Für den konkreten Fall der Errichtung einer Sirene sei aber vom Privatsachverständigen keine Aussage getroffen worden, dass diese Sirene mit den festgestellten Messwerten eine gesundheitliche Beeinträchtigung bei den Beschwerdeführern herbeiführe.

Zusammenfassend komme die belangte Behörde zur Erkenntnis, dass auf Grund der medizinischen Stellungnahme durch die Errichtung und den Betrieb der gegenständlichen Sirene bei einer Schalldauer von unter einer Minute keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den Beschwerdeführern zu erwarten seien. Das bautechnische Gutachten vom 3. Oktober 2006 sage klar und deutlich, dass Bauschäden auf Grund der Erschütterungsbelastung nicht zu erwarten seien. Die Beschwerdeführer seien mit ihrer Kritik an diesem Gutachten dem Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sodass auf die subjektiven Wahrnehmungen der Beschwerdeführer nicht weiter eingegangen werden müsse. Ebenso sei bereits im vorangegangenen Verfahren die Verlegung der Sirene an einen anderen Standort geprüft und sei diese als nicht ausreichend verworfen worden. Das Verfahren habe ergeben, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Sirene auf dem Dach des Gemeindeamtes unter Berücksichtigung der Beschallung von unter einer Minute (bei einem Probealarm) die Beschwerdeführer nicht unzumutbar durch Lärm bzw. Erschütterungen belästigt würden. Die Vorstellungswerber seien daher in keinen subjektivöffentlichen Rechten verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführer sind als Nachbarn, die rechtzeitig Einwendungen erhoben haben, Parteien im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 NÖ BauO 1996. Nach dieser Bestimmung sind Nachbarn nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlich Rechten berührt sind.

§ 6 Abs. 2 und § 48 leg. cit. haben folgenden Wortlaut:

"§ 6. (1) ....

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8200, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben, gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, dem Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

Immissionsschutz

§ 48. (1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

1.

das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;

2.

Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

Die Beschwerdeführer haben sowohl die Gefährdung ihres Lebens und ihrer Gesundheit nach § 48 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996 als auch die örtlich unzumutbare Belästigung durch Lärm und Erschütterung nach § 48 Abs. 1 Z 2 leg. cit. geltend gemacht.

2. Im Zusammenhang mit der örtlichen Unzumutbarkeit machen die Beschwerdeführer die Widmungswidrigkeit der Sirenenlage geltend und meinen, eine solche wäre ohne Erforderlichkeitsprüfung nicht zulässig. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 28. April 2006 die Ansicht vertreten, dass die Errichtung einer solchen Anlage mit der Widmung "Bauland-Agrargebiet" vereinbar ist, soweit es sich dabei um die Schaffung einer nötigen Einrichtung zur möglichst raschen Alarmierung der Feuerwehr im Sinne des § 23 Abs. 1 Z 2 des NÖ Feuerwehrgesetzes oder um eine akustische Warneinrichtung für die Bevölkerung im Rahmen des Warn- und Alarmsystems (vgl. die Art. 15a B-VG - Vereinbarung zwischen dem Bund und den Bundesländern vom 4. Juni 1987, BGBl. Nr. 87/1988 bzw. (NÖ) LGBl Nr. 47/1988) handelt.

Für das fortgesetzte Verfahren erachtete es der Verwaltungsgerichtshof als notwendig, dass durch die Behörde näher dargelegt werde, ob eine solche rechtliche Verpflichtung zur Verstärkung der vorhandenen Alarmierungsmöglichkeit bestand.

Im angefochtenen Bescheid bezieht sich die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die Verpflichtung der Gemeinde, nach § 23 Abs. 1 des NÖ Feuerwehrgesetzes die nötigen Einrichtungen zu schaffen und zu erhalten, um eine möglichst rasche Alarmierung der Feuerwehr zu gewährleisten. Zur Notwendigkeit der Schaffung dieser weiteren Einrichtung verweist sie auf die Feststellung des Zivilschutzbeauftragten, wonach eine ausreichende Beschallung des gesamten Ortsgebietes durch die vorhandene Sirene am Feuerwehrhaus nicht gewährleistet werden könne.

Dies wurde in den Bescheiden des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde jeweils mit der besonderen Situation in Richtung Nordwest des Ortsgebietes begründet, weil durch den Kirchturm und die höher gelegenen Wohnbauten bzw durch natürliche Niveauerhöhungen des Ortes eine Beschallung nicht gegeben sei. Dass der Zivilschutzbeauftragte in diesem Zusammenhang die Erforderlichkeit der Erhöhung der Beschallungsmöglichkeit des Ortsgebietes unrichtig dargestellt hätte, behaupten die Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht substantiiert. Wenn sie meinen, ein Kirchturm könne die Schallausbreitung einer Feuerwehrsirene nicht wirklich beeinträchtigen, so übersehen sie, dass die Notwendigkeit der Errichtung einer weiteren Sirene nicht allein mit der Situierung des Kirchturms, sondern zusätzlich mit der Lage anderer, höher gelegener Gebäude begründet wurde. Ihr Einwand, die Erforderlichkeit der Erhöhung der Beschallungsmöglichkeiten sei unklar geblieben, verfängt daher nicht.

Trifft die Feststellung einer ungenügenden Beschallung aber zu, so war die Gemeinde nach § 23 des NÖ Feuerwehrgesetzes verpflichtet, diesen Umstand durch die Schaffung weiterer Einrichtungen zu beseitigen. Besteht nun - wie hier - eine rechtliche Verpflichtung zur Verstärkung der bestehenden, nicht ausreichenden Warneinrichtung, so steht - so bereits der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Vorerkenntnis - jede Maßnahme, die dazu dient, dass dieser Verpflichtung entsprochen wird, also auch die zusätzliche Errichtung einer zweiten Sirene, mit der Widmungsart im Einklang. Die davon ausgehenden Lärmbelästigungen stellen demgemäß in Bezug auf die Widmung zulässige Auswirkungen des Bauwerkes bzw. dessen Benutzung dar.

Nach § 48 Abs. 1 Z 2 in Verbindung mit Abs. 2 NÖ BauO 1996 war weiters zu prüfen, ob die Belästigungen der Beschwerdeführer durch die genannte Immission örtlich zumutbar sind oder nicht. Nun wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das örtlich zumutbare Maß von Belästigungen nicht erst dann überschritten, wenn diese gerade noch nicht gesundheitsschädlich sind, sondern bereits dann, wenn sie das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbaren Maß stören (vgl. die zu Geruchsbelästigungen ergangenen hg Erkenntnisse vom 26. Mai 1992, 92/05/0004, und vom 16. März 1993, 92/05/0290).

Die belangte Behörde hat - aufbauend auf dem Gutachten des Schalltechnikers - zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Sirenenton anders beurteilt werden müsse als sonstige Lärmquellen. Es ist klar, dass die Lautstärke einer Sirene den Umgebungslärm signifikant überschreiten muss, damit er den bezweckten Alarmierungseffekt der Bevölkerung erreichen kann. Daraus folgt aber, dass die Belästigung durch Lärm einer auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung eingerichteten Sirene jedenfalls örtlich zumutbar im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 2 NÖ BauO 1996 ist.

3. Im Zusammenhang mit Belästigungen durch Erschütterungen nach § 48 Abs. 1 Z 2 NÖ BauO 1996 machen die Beschwerdeführer unter dem Aspekt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, der Sachverhalt wäre ergänzungsbedürftig, weil auf die Vibrationen und Erschütterungen an der Glasoberfläche ihrer Fenster im Gutachten der ZAMG nicht eingegangen werde. Dies trifft zwar zu; die Beschwerdeführer übersehen aber mit diesem Vorbringen, dass der schalltechnische Sachverständige auf diesen Aspekt der Vibrationen und ihrer Auswirkungen auf Glasflächen sehr wohl eingegangen ist. Insofern die Beschwerdeführer die Aussage im Gutachten der ZAMG kritisieren, wonach die "Fühlschwelle" entgegen den Feststellungen des dortigen Sachverständigen sehr wohl überschritten worden sei, so stellt dies eine inhaltliche Kritik des Gutachtens dar, die allerdings auf gleicher fachlicher Ebene hätte erfolgen müssen, um die dort getroffene gegenteilige Aussage zu entkräften.

4. Zu prüfen war weiters, ob die Sirene bzw deren Benützung den Kriterien des § 48 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996 entspricht, also, ob sie das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdet oder nicht.

4.1. In diesem Zusammenhang hat der vom Gemeindevorstand beigezogene medizinische Amtssachverständige auf Grundlage der vorgelegten Messergebnisse Gutachten erstattet. Darauf bezogen rügen die Beschwerdeführer, dass auf ihre konkrete gesundheitliche Verfassung, insbesondere diejenige der Zweitbeschwerdeführerin, nicht eingegangen worden sei.

Nun ist der Verwaltungsgerichtshof wiederholt davon ausgegangen, dass die Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen (§ 48 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996) von der Baubehörde bei gewerblichen Betriebsanlagen nicht zu prüfen ist, da diese bereits Prüfgegenstand der Gewerbebehörde im gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahren gemäß § 77 Abs. 1 iVm § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2006, Zl. 2004/05/0128). Er hat damit zu erkennen gegeben, den in der Gewerbeordnung vorgegebenen Prüfungsmaßstab im Zusammenhang mit der Gefahr für das Leben oder die Gesundheit (dort: der Nachbarn, vgl. § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994; hier: von Menschen) als vergleichbar zu erachten.

Die dort geforderte, objektiven Gegebenheiten Rechnung tragende Durchschnittsbetrachtung (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 31. März 1992, 91/04/0306, und vom 25. Februar 1993, Zlen. 92/04/0208, 0209, und Grabler-Stolzlechner-Wendl, Gewerbeordnung, Rz 22 zu § 77 GewO 1994) stellt aber nicht auf die konkrete gesundheitliche Situation einer Einzelperson ab. Dass der medizinische Sachverständige in seiner fachlichen Bewertung auf den konkreten Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin nicht eingegangen ist, ist daher ebenso wenig zu beanstanden wie der Umstand, dass er die Beschwerdeführer nicht selbst untersucht hat.

4.2. Die Gutachten des Amtssachverständigen für Medizin bauen auf den schalltechnischem Messungen vom 22. September 2006 auf. Nun ist hinsichtlich der auch jetzt wieder vom schalltechnischen Sachverständigen herangezogenen "Grenzwerte eines Probealarms seitens der Magistratsabteilung 15 der Gemeinde Wien" in Erinnerung zu rufen, dass in dem im ersten Rechtsgang vorliegenden Gutachten jegliche Begründung für die Heranziehung dieser "Regelung für den Probealarm" fehlte. So war unklar, um welche Art von Regelung es sich damals handelte und ob bzw. welche Kriterien bei der Festlegung dieses "Grenzwertes" Berücksichtigung gefunden hatten. Das nunmehr vorliegende schalltechnische Gutachten legt in diesem Zusammenhang näher dar, dass es hinsichtlich der Schallimmissionen von Sirenen weder in Niederösterreich noch in einem sonstigen Bundesland entsprechende "Grenzwerte" gebe; einzig die Gemeinde Wien habe "Grenzwerte" im Zusammenhang mit einer solchen Situation erarbeitet.

Nähere Angaben über die Hintergründe dieses "Grenzwertes", insbesondere dazu, auf welche Situation städtebaulicher Art er abgestimmt ist und welche "Grenze" (der Zumutbarkeit, der gesundheitlichen Beeinträchtigung oder der gesundheitlichen Gefährdung) damit gemeint ist, fehlen zwar. Das Fehlen dieser Angaben ist aber deshalb nicht mehr von wesentlicher Bedeutung, weil die Berufungsbehörde - im Gegensatz zum ersten Rechtsgang - aus Eigenem medizinische Gutachten zur Gesundheitsgefährdung eingeholt hat, denen die ermittelten Messergebnisse zu Grunde gelegt wurden. Der "Grenzwert" der MA 15 spielte daher bei der Beurteilung der Gesundheitsgefährdung keine entscheidende Rolle mehr.

4.3. Allerdings weisen die Beschwerdeführer erfolgreich auf einen Ermittlungsmangel in Bezug auf die erhobenen Messwerte hin. Der Verwaltungsgerichtshof hatte in seinem Vorerkenntnis nämlich ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass den damals vorgelegenen Gutachten u.a. nicht zu entnehmen gewesen sei, ob - bezogen auf den wöchentlichen Probealarm - eine allenfalls bestehende Immissionsbelastung durch die zweite Sirene am Feuerwehrhaus bei den Messungen Berücksichtigung gefunden habe, bzw. ob und warum sie keine Berücksichtigung zu finden gehabt hätte. Hinter dem oben wiedergegebenen Ermittlungsauftrag an die Behörde stand die Überlegung, dass im Fall eines gleichzeitigen Einsatzes beider Sirenen, zB beim wöchentlichen Probealarm (vgl. zum diesbezüglich zur Verfügung stehenden Zeitraum § 2 Abs. 2 Z 4 der NÖ Alarmierungsverordnung, LGBl. 4400/1, bzw im Gegensatz dazu die in Anlage A Punkt 4 - "Sireneprobe" - der Art. 15a B-VG - Vereinbarung zwischen dem Bund und den Bundesländern vom 4. Juni 1987, BGBl. Nr. 87/1988 bzw. (NÖ) LGBl Nr. 47/1988, die auf einen bestimmten Zeitpunkt abstellt), möglicherweise eine kumulative Wirkung (Erhöhung des Pegels) eintreten könnte, die auch bei der medizinischen Beurteilung der Gesundheitsgefährdung entsprechend zu berücksichtigen wäre.

Diesbezüglich scheint zwischen dem angefochtenen Bescheid und dem vorgelegten Verwaltungsakt nun ein Widerspruch insofern zu bestehen, als im angefochtenen Bescheid (S. 2, dritter Absatz, zweiter Satz) davon die Rede ist, dass "während dieser Messung die Sirene auf dem Feuerwehrhaus aktiviert worden" sei. Davon, dass neben der verfahrensgegenständlichen Sirene auf dem Gemeindeamt auch zusätzlich die Sirene auf dem Feuerwehrhaus aktiviert worden wäre, ist aber in den beiden, auf die Messung aufbauenden Gutachten, insbesondere in deren Befundteilen, nicht die Rede. Vermutlich handelt es sich bei dieser Feststellung im angefochtenen Bescheid um einen Schreibfehler; gemeint war wohl die während der Messungen vorgenommene Aktivierung der Sirene auf dem Gemeindeamt.

Demnach liegen den technischen Gutachten Messungen nur der Sirene am Gemeindeamt zugrunde. Ausführungen dazu, dass bzw. warum es nicht notwendig gewesen wäre, eine allenfalls gleichzeitig bestehende Immissionsbelastung durch die Sirene am Feuerwehrhaus zu berücksichtigen, fehlen in den Gutachten ebenso wie im angefochtenen Bescheid. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass zB. im Rahmen des wöchentlichen Probealarms im Fall gleichzeitiger Aktivierung beider Sirenen eine Situation mit höherer Immissionsbelastung eintritt, deren Gefährdungstauglichkeit noch nicht medizinisch geklärt ist. In diesem Zusammenhang liegt daher unverändert die im ersten Rechtsgang bereits aufgezeigte Ergänzungsbedürftigkeit des angefochtenen Bescheides vor.

5. Abschließend sei bemerkt, dass im vorliegenden Fall die von den Beschwerdeführern eingeforderte Bezugnahme auf die Ausgabe 2006-10-01 des ÖAL, einer durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geförderten Einrichtung, wo die Grundlagen zur Beurteilung von Lärmstörungen und Grenzen zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdung definiert würden, zu Recht nicht erfolgte. Die Beschwerdeführer übersehen nämlich, dass es sich hier um einen speziellen Fall der Lärmerzeugung, nämlich um den Lärm einer Sirene handelt, der - wie bereits oben ausgeführt - projektsgemäß so geartet sein muss, dass er den Umgebungslärm übertönt. Daraus ist aber zu folgern, dass alle auf die Reduzierung des Umgebungslärms abzielenden Regelwerke oder Normen auf den vorliegenden Fall nicht zur Anwendung gelangen können.

Dies gilt auch für die Heranziehung der von den Beschwerdeführern mehrfach ins Spiel gebrachten Richtlinie des Europäischen Parlamentes und Rates vom 25. Juni 2002, 2002/49/EG. Diese Richtlinie befasst sich mit der Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm und wurde in Österreich durch das Bundesgesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Planung von Lärmminderungsmaßnahmen (Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz - Bundes-LärmG), BGBl. Nr. 60/2005, umgesetzt. Weder aus der Richtlinie noch aus dem zitierten Bundesgesetz ergeben sich aber - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer - inhaltliche Vorgaben betreffend das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen.

Wegen der oben aufgezeigten Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes erwies sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. November 2007

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1sachliche ZuständigkeitBaubewilligung BauRallg6Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007050211.X00

Im RIS seit

07.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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