TE OGH 2008/5/6 10ObS19/08d

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Veröffentlicht am 06.05.2008
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Günther Schön (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anna K*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2007, GZ 7 Rs 112/07b-53, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. März 2007, GZ 27 Cgs 44/07t-50, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem dem Klagebegehren stattgebenden Teil betreffend den Zeitraum vom 1. 11. 2006 bis einschließlich 30. 11. 2007 als unangefochten unberührt bleibt und in seinem das Klagebegehren für den Zeitraum vom 1. 10. 2003 bis 31. 10. 2006 abweisenden Teil bestätigt wird, wird im Übrigen (mit Ausnahme der Kostenentscheidung), also hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens ab dem 1. 12. 2007 aufgehoben. Insoweit wird die Sozialrechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 17. 9. 2004 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Klägerin vom 16. 9. 2003 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab.

Das Erstgericht wies das von der Klägerin dagegen erhobene und auf die Gewährung der abgelehnten Leistung ab 1. 10. 2003 gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass die am 5. 6. 1950 geborene Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. 10. 2003) 54 Beitragsmonate als Verkäuferin (in der Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte) erworben hat. Aufgrund ihrer näher festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen kann sie nur noch leichte Arbeiten mit einfachem geistigen Leistungsvermögen, geringer psychischer Belastbarkeit und nur durchschnittlicher Zeitdruckbelastung durchführen. Kundenkontakte sowie einfache Aufsichtstätigkeiten sind zumutbar. Arbeiten in exponierten Lagen sind nicht zumutbar. Ein Kraftfahrzeug kann ebenso benützt werden wie ein öffentliches Verkehrsmittel. Der Klägerin ist Tagespendeln möglich. Ausgeschlossen sind Arbeiten in ständiger Nässe und Kälte. Die Arbeiten sollten vorwiegend in geschlossenen Räumen verrichtet werden. Ausgeschlossen sind Arbeiten in gebückter Haltung unter Tischniveau mehr als zwei Stunden pro Tag über diesen verteilt sowie Arbeiten, die ganztägig im Stehen und Gehen oder an gefährlichen Maschinen durchgeführt werden müssen.

Die zumutbare Gehstrecke für die Anmarschwege zur Arbeitsstätte betrug bis Mitte Oktober 2006 etwa 500 m. Aufgrund eines Bypassverschlusses im rechten Bein beträgt die zumutbare Gehstrecke für die Anmarschwege zur Arbeitsstätte seit Mitte Oktober 2006 nur mehr 150 bis 200 m. Eine Besserungsfähigkeit betreffend die Länge der Anmarschwege wäre durch eine neuerliche Gefäßoperation im Bereich des rechten Beines (Beseitigung der Stenose der Beckenschlagader und Over-Bypass auf die Arteria poplitea infragenualer rechts) gegeben. Dieser Eingriff ist indiziert, wird ärztlicherseits empfohlen und ist mit einem „Operationsrisiko" von 0,5 bis 1 % pro Eingriff verbunden; „betreffend die Extremitätenerhaltung besteht ein Operationsrisiko von 3 bis 7 %". Bei Nichtdurchführung der Operation ist mit leidensbedingten Krankenständen in einem Ausmaß von etwa vier bis sechs Wochen zu rechnen, weil sich der Zustand verschlechtern kann. Bei erfolgreicher Durchführung der Operation ist aus gefäßchirurgischer Sicht mit Krankenständen von etwa zwei bis drei Wochen und aus urologischer Sicht mit einem Krankenstand von einer Woche zu rechnen.

Nach Durchführung der Operation ist eine Heilungsdauer inklusive Gehtraining und Rehabilitation von etwa drei bis vier Monaten zu erwarten. Nach erfolgreicher Durchführung der Operation bestünden bei der Klägerin betreffend die Zurücklegung des Anmarschwegs mit Ausnahme der Wirbelsäulenbeschwerden keine Probleme. Es besteht eine Leidenspotenzierung zum linken Bein hin, die aber nicht zum Tragen kommen wird, weil zuerst im rechten Bein Behandlungsmaßnahmen gesetzt werden müssen. Bei der Klägerin kommt es aufgrund der Erkrankungen zu Schmerzüberschneidungen bei der Lendenwirbelsäule, die in die Beine ausstrahlen.

Beim derzeitigen Leistungskalkül ist der Klägerin die Tätigkeit als Verkäuferin nicht mehr möglich. Sie könnte aber noch als Bürohilfskraft tätig sein.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 2 ASVG, weil die Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag keine 120 Beitragsmonate aufgrund einer einheitlichen Tätigkeit im Sinn des § 255 Abs 4 ASVG erworben habe. Eine Berufsunfähigkeit nach § 273 Abs 1 ASVG liege nicht vor, weil es die Klägerin jedenfalls leicht fahrlässig unterlassen habe, sich einer als notwendig erachteten Operation zu unterziehen, um die erforderlichen Anmarschwege zur Arbeitsstätte zurücklegen zu können. Auch für die Phase der Rehabilitation nach einer allfälligen Operation im rechten Bein komme eine befristete Zuerkennung der Pension nicht in Betracht, weil die Dauer des Heilungsverlaufs nur mit etwa drei bis vier Monaten zu veranschlagen sei und daher die Voraussetzung des Vorliegens einer Berufsunfähigkeit in der Dauer von mindestens sechs Monaten nicht gegeben sei.In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension nach Paragraph 273, Absatz 2, ASVG, weil die Klägerin in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag keine 120 Beitragsmonate aufgrund einer einheitlichen Tätigkeit im Sinn des Paragraph 255, Absatz 4, ASVG erworben habe. Eine Berufsunfähigkeit nach Paragraph 273, Absatz eins, ASVG liege nicht vor, weil es die Klägerin jedenfalls leicht fahrlässig unterlassen habe, sich einer als notwendig erachteten Operation zu unterziehen, um die erforderlichen Anmarschwege zur Arbeitsstätte zurücklegen zu können. Auch für die Phase der Rehabilitation nach einer allfälligen Operation im rechten Bein komme eine befristete Zuerkennung der Pension nicht in Betracht, weil die Dauer des Heilungsverlaufs nur mit etwa drei bis vier Monaten zu veranschlagen sei und daher die Voraussetzung des Vorliegens einer Berufsunfähigkeit in der Dauer von mindestens sechs Monaten nicht gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für den Zeitraum 1. 11. 2006 bis 30. 11. 2007 eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, trug der beklagten Partei für diesen Zeitraum die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von 70 EUR monatlich auf und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension auch für den Zeitraum 1. 10. 2003 bis 31. 10. 2006 sowie ab 1. 12. 2007 ab. Es verwies in seiner rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (16. 3. 2007) das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, weshalb die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs 2 ASVG schon aus diesem Grunde nicht in Betracht komme. Es verwies auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach ein Versicherter solange nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei, als er ohne wesentliche Einschränkungen ein öffentliches Verkehrsmittel benützen und vorher sowie nachher ohne unzumutbare Pausen eine Wegstrecke von jeweils 500 m zurücklegen könne. Dies treffe auf die Klägerin für den Zeitraum bis Mitte Oktober 2006 zu. Seit dieser Zeit sei es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, in zumutbarer Weise einen Arbeitsplatz zu erreichen. Diese Anmarschbeschränkung auf nunmehr 150 bis 200 m könnte allerdings durch eine (neuerliche) Gefäßoperation im Bereich des rechten Beines behoben werden. Dieser der Klägerin ärztlicherseits empfohlene operative Eingriff sei trotz eines „Operationsrisikos" von 0,5 bis 1 % und des „Risikos der Extremitätenerhaltung von 3 bis 7 %" zumutbar und überschreite auch im Hinblick auf seine Schwere und Intensität sowie seine Folgen und die Heilungsdauer das Ausmaß des Zumutbaren nicht, zumal sich die Klägerin bereits früher einem gleichartigen Eingriff unterzogen habe. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mitwirkungspflicht der Klägerin erst mit der Erörterung der Operationsrisiken durch den Sachverständigen in der Tagsatzung am 16. 3. 2007 entstanden sei, der Klägerin danach ein angemessener Überlegungszeitraum von vier Wochen einzuräumen sei, ein weiterer Zeitraum von etwa drei Monaten bis zur Aufnahme der Klägerin in eine öffentliche Krankenanstalt zur Durchführung der Operation und schließlich ein weiterer Zeitraum von etwa vier Monaten für die Dauer der Anstaltspflege, der Heilungsdauer inklusive Gehtraining und Rehabilitation anzusetzen sei, sei eine Berufsunfähigkeit der Klägerin bei Befolgung ihrer Mitwirkungspflicht für den Zeitraum von November 2006 bis einschließlich November 2007 anzunehmen. Nur insoweit sei daher das Klagebegehren berechtigt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei, weil der Frage der Zumutbarkeit einer Operation im Rahmen der Mitwirkungspflicht einer Versicherten keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin für den Zeitraum 1. 11. 2006 bis 30. 11. 2007 eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, trug der beklagten Partei für diesen Zeitraum die Erbringung einer vorläufigen Zahlung von 70 EUR monatlich auf und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension auch für den Zeitraum 1. 10. 2003 bis 31. 10. 2006 sowie ab 1. 12. 2007 ab. Es verwies in seiner rechtlichen Beurteilung im Wesentlichen darauf, dass die Klägerin im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (16. 3. 2007) das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, weshalb die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension nach Paragraph 273, Absatz 2, ASVG schon aus diesem Grunde nicht in Betracht komme. Es verwies auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach ein Versicherter solange nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sei, als er ohne wesentliche Einschränkungen ein öffentliches Verkehrsmittel benützen und vorher sowie nachher ohne unzumutbare Pausen eine Wegstrecke von jeweils 500 m zurücklegen könne. Dies treffe auf die Klägerin für den Zeitraum bis Mitte Oktober 2006 zu. Seit dieser Zeit sei es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, in zumutbarer Weise einen Arbeitsplatz zu erreichen. Diese Anmarschbeschränkung auf nunmehr 150 bis 200 m könnte allerdings durch eine (neuerliche) Gefäßoperation im Bereich des rechten Beines behoben werden. Dieser der Klägerin ärztlicherseits empfohlene operative Eingriff sei trotz eines „Operationsrisikos" von 0,5 bis 1 % und des „Risikos der Extremitätenerhaltung von 3 bis 7 %" zumutbar und überschreite auch im Hinblick auf seine Schwere und Intensität sowie seine Folgen und die Heilungsdauer das Ausmaß des Zumutbaren nicht, zumal sich die Klägerin bereits früher einem gleichartigen Eingriff unterzogen habe. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mitwirkungspflicht der Klägerin erst mit der Erörterung der Operationsrisiken durch den Sachverständigen in der Tagsatzung am 16. 3. 2007 entstanden sei, der Klägerin danach ein angemessener Überlegungszeitraum von vier Wochen einzuräumen sei, ein weiterer Zeitraum von etwa drei Monaten bis zur Aufnahme der Klägerin in eine öffentliche Krankenanstalt zur Durchführung der Operation und schließlich ein weiterer Zeitraum von etwa vier Monaten für die Dauer der Anstaltspflege, der Heilungsdauer inklusive Gehtraining und Rehabilitation anzusetzen sei, sei eine Berufsunfähigkeit der Klägerin bei Befolgung ihrer Mitwirkungspflicht für den Zeitraum von November 2006 bis einschließlich November 2007 anzunehmen. Nur insoweit sei daher das Klagebegehren berechtigt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei, weil der Frage der Zumutbarkeit einer Operation im Rahmen der Mitwirkungspflicht einer Versicherten keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme. Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer vollinhaltlichen Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage der Zumutbarkeit der (neuerlichen) Gefäßoperation der Klägerin sekundäre Feststellungsmängel vorliegen, und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch teilweise berechtigt.

Die Klägerin zieht in ihren Revisionsausführungen nicht in Zweifel, dass ein Versicherter nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs so lange nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist, als er ohne wesentliche Einschränkungen ein öffentliches Verkehrsmittel benützen und vorher sowie nachher ohne unzumutbare Pausen eine Wegstrecke von jeweils 500 m zurücklegen kann. Diese Voraussetzung erfüllte die Klägerin nach den Feststellungen in dem ebenfalls noch strittigen Zeitraum vom 1. 10. 2003 bis Mitte Oktober 2006. Da auch die Verweisbarkeit der Klägerin auf die Tätigkeit als Bürohilfskraft in den Rechtsmittelausführungen nicht in Zweifel gezogen wird, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen für den Zeitraum 1. 10. 2003 bis 31. 10. 2006 als zutreffend, weil eine Berufsunfähigkeit der Klägerin in diesem Zeitraum im Sinne der für sie maßgebenden Bestimmung des § 273 Abs 1 ASVG nicht vorlag. In diesem Umfang war daher die Entscheidung des Berufungsgerichts zu bestätigen.Die Klägerin zieht in ihren Revisionsausführungen nicht in Zweifel, dass ein Versicherter nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs so lange nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen ist, als er ohne wesentliche Einschränkungen ein öffentliches Verkehrsmittel benützen und vorher sowie nachher ohne unzumutbare Pausen eine Wegstrecke von jeweils 500 m zurücklegen kann. Diese Voraussetzung erfüllte die Klägerin nach den Feststellungen in dem ebenfalls noch strittigen Zeitraum vom 1. 10. 2003 bis Mitte Oktober 2006. Da auch die Verweisbarkeit der Klägerin auf die Tätigkeit als Bürohilfskraft in den Rechtsmittelausführungen nicht in Zweifel gezogen wird, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens durch die Vorinstanzen für den Zeitraum 1. 10. 2003 bis 31. 10. 2006 als zutreffend, weil eine Berufsunfähigkeit der Klägerin in diesem Zeitraum im Sinne der für sie maßgebenden Bestimmung des Paragraph 273, Absatz eins, ASVG nicht vorlag. In diesem Umfang war daher die Entscheidung des Berufungsgerichts zu bestätigen.

Hinsichtlich des ebenfalls noch strittigen Zeitraums ab 1. 12. 2007 wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen die Richtigkeit der vom Berufungsgericht ebenfalls im Einklang mit der ständigen

Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl insb SSV-NF 4/23 = ZASRechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vergleiche insb SSV-NF 4/23 = ZAS

1992/11, 90 [Dörner] = DRdA 1991/24, 236 [Oberbauer] ua) vertretenen

Rechtsansicht, wonach die Versicherten in der Sozialversicherung Mitwirkungspflichten treffen, die Nichtvornahme einer zumutbaren Operation im Sozialversicherungsrecht als Verletzung der Schadensminderungspflicht angesehen werden kann und eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Duldungs- oder Mitwirkungspflicht den Verlust des Anspruchs auf die Versicherungsleistung bewirken kann. Die Klägerin vertritt allerdings den Standpunkt, dass ihr die (neuerliche) Gefäßoperation im Hinblick auf das damit verbundene Mortalitätsrisiko von 0,5 bis 1 % und das Risiko des Verlusts ihres Beines von 3 bis 7 % nicht zumutbar sei.

Dazu ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage, ob ein operativer Eingriff zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zumutbar ist, nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden kann, wobei insbesondere auf die mit der Maßnahme verbundenen Gefahren, die Erfolgsaussichten der Operation, die Schwere des Eingriffs und seine Folgen unter Berücksichtigung auch einer erforderlichen Nachbehandlung sowie die damit verbundenen Schmerzen Bedacht zu nehmen ist. Der Versicherte ist daher grundsätzlich nur dann verpflichtet, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, wenn zu erwarten ist, dass sich dadurch sein Gesundheitszustand verbessert oder zumindest eine sonst mögliche Verschlechterung verhindert wird. Ist eine solche Erwartung nicht gerechtfertigt, ist die Mitwirkungspflicht zu verneinen. Die Grenzen der Zumutbarkeit einer Krankenbehandlung werden in den Fällen überschritten, in denen für den deutschen Rechtsbereich § 65 SGB I eine Ausnahme von der dort durch andere Bestimmungen allgemein angeordneten Untersuchungs- und Behandlungspflicht statuiert (SSV-NF 17/21; 6/13 mwN ua). Nach dieser Bestimmung können Behandlungen abgelehnt werden, a) bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, b) die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder c) die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten. Ob ein Schaden für Leben oder Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, ist nach der im Zeitpunkt der Entscheidung herrschenden medizinischen Lehrmeinung zu beurteilen. Auch wenn in der deutschen Literatur zur Frage, bei welchen statistischen Quoten von einer hohen Wahrscheinlichkeit zu sprechen ist, keine einhellige Auffassung besteht und teilweise auch die Auffassung vertreten wird, dass ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, wonach etwa bei einer sogenannten Komplikationsdichte von 4 % oder mehr die Annahme einer atypischen Gefahr, welche bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen sei, auszuschließen sei, wird doch eine in diesem Bereich liegende Komplikationsdichte bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Operation insbesondere bei im Falle der Klägerin möglichen schwerwiegenden Operationsfolgen nicht außer Betracht bleiben dürfen. Es darf dabei aber jedenfalls nicht nur - wie dies im bisherigen Verfahren offenbar geschehen ist - auf allgemeine Richtwerte hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens von Komplikationen bei bestimmten Operationen abgestellt werden, sondern es ist auch die konkrete psychische und psychische Verfassung des Versicherten (wie zB Konstitution, subjektive Belastbarkeit) einzubeziehen, weil ansonsten den Verhältnissen des Einzelfalls nicht genügend Rechnung getragen würde (vgl W. Lilge in Lilge, SGB I Anm 7 zu § 65; Hauck, SGB 16. Lfg K § 65 Rz 12 ua).Dazu ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage, ob ein operativer Eingriff zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zumutbar ist, nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden kann, wobei insbesondere auf die mit der Maßnahme verbundenen Gefahren, die Erfolgsaussichten der Operation, die Schwere des Eingriffs und seine Folgen unter Berücksichtigung auch einer erforderlichen Nachbehandlung sowie die damit verbundenen Schmerzen Bedacht zu nehmen ist. Der Versicherte ist daher grundsätzlich nur dann verpflichtet, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, wenn zu erwarten ist, dass sich dadurch sein Gesundheitszustand verbessert oder zumindest eine sonst mögliche Verschlechterung verhindert wird. Ist eine solche Erwartung nicht gerechtfertigt, ist die Mitwirkungspflicht zu verneinen. Die Grenzen der Zumutbarkeit einer Krankenbehandlung werden in den Fällen überschritten, in denen für den deutschen Rechtsbereich Paragraph 65, SGB römisch eins eine Ausnahme von der dort durch andere Bestimmungen allgemein angeordneten Untersuchungs- und Behandlungspflicht statuiert (SSV-NF 17/21; 6/13 mwN ua). Nach dieser Bestimmung können Behandlungen abgelehnt werden, a) bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, b) die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder c) die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten. Ob ein Schaden für Leben oder Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, ist nach der im Zeitpunkt der Entscheidung herrschenden medizinischen Lehrmeinung zu beurteilen. Auch wenn in der deutschen Literatur zur Frage, bei welchen statistischen Quoten von einer hohen Wahrscheinlichkeit zu sprechen ist, keine einhellige Auffassung besteht und teilweise auch die Auffassung vertreten wird, dass ein allgemeiner Grundsatz dahingehend, wonach etwa bei einer sogenannten Komplikationsdichte von 4 % oder mehr die Annahme einer atypischen Gefahr, welche bei der Entscheidung nicht zu berücksichtigen sei, auszuschließen sei, wird doch eine in diesem Bereich liegende Komplikationsdichte bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Operation insbesondere bei im Falle der Klägerin möglichen schwerwiegenden Operationsfolgen nicht außer Betracht bleiben dürfen. Es darf dabei aber jedenfalls nicht nur - wie dies im bisherigen Verfahren offenbar geschehen ist - auf allgemeine Richtwerte hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens von Komplikationen bei bestimmten Operationen abgestellt werden, sondern es ist auch die konkrete psychische und psychische Verfassung des Versicherten (wie zB Konstitution, subjektive Belastbarkeit) einzubeziehen, weil ansonsten den Verhältnissen des Einzelfalls nicht genügend Rechnung getragen würde vergleiche W. Lilge in Lilge, SGB römisch eins Anmerkung 7 zu Paragraph 65 ;, Hauck, SGB 16. Lfg K Paragraph 65, Rz 12 ua).

Neben diesen objektiven Zumutbarkeitskriterien (Gefahrlosigkeit der Heilbehandlung, geringe Schmerzsensationen, kein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Integrität, Erfolgsaussicht, Dauer des allfälligen stationären Aufenthalts sowie des Genesungsprozesses) sind auch subjektive Zumutbarkeitskriterien (wie körperliche und seelische Eigenschaften, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse) zu berücksichtigen (vgl dazu im Einzelnen Dörner in seiner Entscheidungsanmerkung in ZAS 1992/11, 93 ff [95 f]). So besteht eine Mitwirkungspflicht insbesondere auch dann nicht, wenn die Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Unter einem wichtigen Grund sind die die Willensbildung bestimmenden Umstände zu verstehen, die die Weigerung entschuldigen und sie als berechtigt erscheinen lassen (SSV-NF 17/21 mwN). Schließlich ist noch zu beachten, dass nur eine schuldhafte, also eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Duldungs- oder Mitwirkungspflicht des Versicherten, der sich einer zumutbaren Behandlung zu unterziehen hat, zum Verlust des Anspruchs führt (SSV-NF 14/68 mwN).Neben diesen objektiven Zumutbarkeitskriterien (Gefahrlosigkeit der Heilbehandlung, geringe Schmerzsensationen, kein schwerwiegender Eingriff in die körperliche Integrität, Erfolgsaussicht, Dauer des allfälligen stationären Aufenthalts sowie des Genesungsprozesses) sind auch subjektive Zumutbarkeitskriterien (wie körperliche und seelische Eigenschaften, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse) zu berücksichtigen vergleiche dazu im Einzelnen Dörner in seiner Entscheidungsanmerkung in ZAS 1992/11, 93 ff [95 f]). So besteht eine Mitwirkungspflicht insbesondere auch dann nicht, wenn die Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Unter einem wichtigen Grund sind die die Willensbildung bestimmenden Umstände zu verstehen, die die Weigerung entschuldigen und sie als berechtigt erscheinen lassen (SSV-NF 17/21 mwN). Schließlich ist noch zu beachten, dass nur eine schuldhafte, also eine zumindest leicht fahrlässige Verletzung der Duldungs- oder Mitwirkungspflicht des Versicherten, der sich einer zumutbaren Behandlung zu unterziehen hat, zum Verlust des Anspruchs führt (SSV-NF 14/68 mwN).

Bei der Frage, ob der Klägerin im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht eine (neuerliche) Gefäßoperation im Bereich des rechten Beines zumutbar ist, handelt es sich um eine rechtliche Beurteilung, wofür jedoch die erforderlichen Tatsachenfeststellungen im Sinne der soeben dargelegten Ausführungen fehlen. Da es zur Gewinnung der erforderlichen Tatsachengrundlage einer Verhandlung erster Instanz bedarf, war die Sache im Umfang der Entscheidung über das Klagebegehren für den Zeitraum ab 1. 12. 2007 an das Erstgericht zurückzuverweisen. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren die Frage der Zumutbarkeit der Operation mit den Parteien im Sinne der dargelegten Ausführungen zu erörtern und entsprechende - ergänzende - Feststellungen insbesondere zu dem individuellen Operationsrisiko der Klägerin, zu den konkreten Erfolgsaussichten der Operation vor allem auch im Hinblick auf die Frage einer längerfristigen oder nur kurzfristigen Besserung des medizinischen Leistungskalküls und einer damit verbundenen Möglichkeit der Ausübung einer Verweisungstätigkeit sowie zu allfälligen berücksichtigungswürdigen Gründen der Klägerin für die Ablehnung dieser Behandlung zu treffen haben.

Da die Klägerin im Ergebnis im Verfahren vor dem Erstgericht und vor dem Berufungsgericht zumindest mit einem Teil ihres Begehrens durchgedrungen ist, hat sie nach § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG Anspruch auf Kostenersatz; die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts bleibt daher durch die vorliegende Aufhebung unberührt. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Da die Klägerin im Ergebnis im Verfahren vor dem Erstgericht und vor dem Berufungsgericht zumindest mit einem Teil ihres Begehrens durchgedrungen ist, hat sie nach Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer 2, Litera a, ASGG Anspruch auf Kostenersatz; die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts bleibt daher durch die vorliegende Aufhebung unberührt. Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren stützt sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E8752210ObS19.08d

Schlagworte

Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inzuvo 2008/63 S 99 (Neumayr, tabellarische Übersicht) - zuvo 2008,99(Neumayr, tabellarische Übersicht) = ARD 5917/9/2008 = zuvo 2008/109S 161 - zuvo 2008,161 = DRdA 2008,530 = infas 2008,178/S32 - infas2008 S32 = RdW 2009/111 S 103 - RdW 2009,103 = DRdA 2009,373/36(Fördermayr) - DRdA 2009/36 (Fördermayr) = SSV-NF 22/29XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:010OBS00019.08D.0506.000

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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