TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/20 2007/11/0157

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Veröffentlicht am 20.11.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;

Norm

AKG 1954 §18 Abs2;
AKG 1992 §77 Abs1;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 B Z31;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Mag. M in T, vertreten durch Dr. Georg Santer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 29, gegen den mit Schreiben vom 6. Juli 2006 ausgefertigten Bescheid des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. Gunther Nagele, Mag. Christian Presl und Dr. Johannes Nagele, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Südtiroler Platz 8, vertretenen Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol vom 3. Juli 2006, Zl. 1017/06, betreffend Abberufung als Kammerdirektor, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.102,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 2 Arbeiterkammergesetz 1954 iVm § 17 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol durch Beschluss des Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol vom 18. März 1985 zum Kammerdirektor bestellt wurde.

An den Beschwerdeführer wurde folgende, mit 6. Juli 2006

datierte Erledigung gerichtet:

"Betrifft: Vorstandsbeschluss

Sehr geehrter Herr Mag. ... !

Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol teilt Ihnen mit gegenständlichem Schreiben mit, dass Sie in der 34. Vorstandssitzung am 3. Juli 2006 aus wichtigen Gründen als Direktor der Arbeiterkammer Tirol gemäß § 77 Abs. 1 AKG mit sofortiger Wirkung, somit ab dem Tag des Vorstandsbeschlusses, abberufen wurden.

Ab dem Zeitpunkt der Abberufung besteht keine Rechtsgrundlage für eine entsprechende Verwendungszulage mehr, die Ihnen in der Ausübung Ihrer Funktion zustand.

Als wichtige Gründe für die Abberufung liegen insbesondere grobe Pflichtverletzung bzw. Unfähigkeit zur Erfüllung der Ihnen übertragenen Aufgaben vor. Bei der Sitzung des Vorstandes wurden exemplarisch nachfolgende Gründe angeführt:

-

Die einseitige schriftliche Anweisung an den Leiter der Finanzbuchhaltung, Ihren Bezug entsprechend der eigenen Rechtsmeinung neu zu berechnen und zwar dies entgegen der ausdrücklichen Weisung des Organs Präsident an Sie, die Genehmigung des Vorstandes hiefür einzuholen.

-

Des weiteren haben Sie sich über fünf Jahre ohne vertragliche oder beschlussmäßige Rechtsgrundlage für Ihr Privatauto eine Vollkaskoversicherung aus Mitteln der Arbeiterkammer Tirol finanziert, obwohl Sie für dienstliche Zwecke einen eigenen Dienstwagen rund um die Uhr zur Verfügung hatten.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme verbleiben wir

Mit freundlichen Grüßen

Der Präsident: ... Der Direktor: ..."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Oktober 2006, Zl. 2006/11/0129-2, wurde die Beschwerde zurückgewiesen, weil der Verwaltungsgerichtshof nach seiner Auffassung unzuständig sei. Der Beschwerdeführer erhob ferner auch Klage beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht mit dem Begehren, festzustellen, dass die mit Beschluss des Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol vom 3. Juli 2006 erfolgte Abberufung rechtswidrig und der Antragsteller daher weiterhin Direktor der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol sei. Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. Jänner 2007 wurde die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Mit dem zur Entscheidung im negativen Kompetenzkonflikt ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2007, K I-1/07-11, wurde der genannte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes aufgehoben und ausgesprochen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Vorstandsbeschlusses der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol über die Abberufung des Beschwerdeführers als Direktor der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol zuständig sei. Der Verfassungsgerichtshof führte zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem aus:

"...

2.1.6. Auch wenn § 77 AKG keine expliziten Vorgaben in Bezug auf die Frage enthält, ob die Organisationsakte der Bestellung sowie der Abberufung des Direktors der Arbeiterkammer als Hoheitsakte ergehen, ist vor dem Hintergrund der spezifischen Stellung der Arbeitkammern als Träger der beruflichen Selbstverwaltung, ferner des Umstandes, dass die Abberufung nicht nur an eine qualifizierte Mehrheit, sondern auch an das Vorliegen gesetzlich normierter Abberufungsgründe geknüpft ist, sowie schließlich der individuell - normativen Wirkung des Abberufungsaktes und dem dadurch bewirkten Eingriff in die Rechtssphäre des Direktors der Arbeiterkammer (siehe unten 2.1.7) - davon auszugehen, dass die Abberufung des Direktors durch den Vorstand der Arbeiterkammer durch einen Hoheitsakt vorgenommen wird.

2.1.7. Dass der Hoheitsakt der Abberufung des Direktors der Arbeiterkammer im konkreten Fall in der Rechtsform des Bescheides zu ergehen hatte (und auch tatsächlich erging), ergibt sich aus verfassungskonformer Interpretation des § 77 Abs. 1 AKG. Im Hinblick auf den aus rechtsstaatlichen Gründen gebotenen Rechtsschutz nach Art. 130 B-VG begründet § 77 Abs. 1 AKG eine gesetzliche Verpflichtung des Vorstandes, den Abberufungsbeschluss in der Form eines Bescheides, zu erlassen, da durch diesen subjektive Rechte des Antragstellers berührt wurden:

2.1.8. Vorschriften, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, berühren nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter zwar grundsätzlich nicht, soweit sich aus den in Betracht zu ziehenden Regelungen (verfassungsgesetzlicher oder einfachgesetzlicher Art) nicht etwas anderes ergibt (VfSlg. 8187/1977, 8210/1977, 8385/1978, 8774/1980, 10.571/1985, 10.621/1985, 11.750/1988, 13.939/1994, 17.178/2004). Wenn aber die Ausübung einer bestimmten staatlichen Funktion gleichzeitig Rechte vermittelt (so etwa bei einem Beamten die Dienstrechtssphäre berührt - vgl. zB VfSlg. 8187/1977, 8774/1980), wird die Rechtssphäre der Person (die in anderer Beziehung Organwalter ist) betroffen (vgl. zB VfSlg. 5433/1966); in dieser Hinsicht geht es nicht um die Wahrung der Vollzugskompetenz eines Organwalters (die grundsätzlich die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Person nicht berührt), sondern um die Wahrung von Rechten als Rechtsperson (VfSlg. 10.621/1985). Eine solche Rechtssphäre hat der Verfassungsgerichtshof in jenen Fällen angenommen, in denen der Gesetzgeber den jeweiligen Organwalter entweder durch Einräumung von bestimmten Verfahrensrechten im Verfahren der Enthebung von der staatlichen Funktion (zuletzt VfSlg. 17.023/2003 zum Mitglied des Verwaltungsrates des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherung) oder durch Einräumung von bestimmten - an die Organfunktion angeknüpften - wirtschaftlichen Vorteilen (VfSlg. 12.331/1990 zum gesetzlich eingeräumten Recht des Fleischuntersuchungstierarztes auf Entlohnung), mit subjektiven öffentlichen Rechten ausgestattet hat (VfSlg. 17.427/2004). Auch der Verwaltungsgerichtshof nimmt die (die Beschwerdelegitimation begründende) Verletzung eines Organwalters in subjektiven Rechten an, wenn mit seiner Abberufung ein Einkommensentgang verbunden ist (VwGH 28.9.1990, 89/17/0041).

2.1.9. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung in Bezug auf Eingriffe in die Rechtssphäre von Organwaltern ist davon auszugehen, dass der Direktor einer Arbeiterkammer über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügt, nur bei Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen seines Amtes enthoben zu werden und seiner damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Rechte verlustigt zu gehen. Zwar wird er durch die Abberufung lediglich seiner (amtlichen) Funktion enthoben, während seine Stellung als Arbeitnehmer der Arbeiterkammer unberührt bleibt. Die Zulässigkeit der Abberufung ist aber in § 77 Abs. 1 AKG an das Vorliegen bestimmter Gründe geknüpft, woraus sich ein rechtlicher Anspruch des Direktors ableiten lässt, tatsächlich nur bei Vorliegen der im Gesetz hierfür vorgesehenen Gründe seiner Funktion enthoben zu werden (vgl. in Bezug auf einen Misstrauensantrag des Gemeinderates gegenüber dem Bürgermeister VfSlg. 7669/1975, 9848/1983).

Darüber hinaus verfügt der Direktor einer Arbeiterkammer nach § 77 Abs. 6 AKG über einen Rechtsanspruch auf ein Gehalt sowie eine Verwendungszulage. Das für die Tätigkeit gebührende Gehalt bildet daher, insbesondere aufgrund der Verwendungszulage, die im vorliegenden Fall etwa mit 40% des Grundgehaltes bemessen ist, für den Direktor der Arbeiterkammer einen über eine bloße Aufwandentschädigung hinausgehenden grundlegenden Einkommensbestandteil, der an seine Funktion als Direktor geknüpft ist. Die Ausübung der Funktion des Direktors einer Arbeiterkammer vermittelt dem Funktionsinhaber demgemäß in wirtschaftlicher Hinsicht Rechte in Verbindung mit der von ihm zu leistenden Arbeit, deren Entfall von so gravierender Bedeutung ist, dass der Verlust des Amtes einen Eingriff in seine Rechtssphäre darstellt.

2.1.10. Daraus folgt, dass die Abberufung des Direktors durch den Vorstand der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Form eines Bescheides zu erfolgen hat.

Der mit Schreiben vom 6. Juli 2006 mitgeteilte Beschluss des Vorstandes der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol, mit dem der Antragsteller mit sofortiger Wirkung von seiner Funktion als Direktor der Arbeiterkammer abberufen wird und seinen Anspruch auf Verwendungszulage verliert, stellt einen Bescheid dar, der nach Art. 130 und 131 B-VG beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint.

..."

Im Zuge des im Hinblick auf dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde eingeleiteten Vorverfahrens legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Der Beschwerdeführer erstattete dagegen die Replik vom 29. Oktober 2007.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 77 des Arbeiterkammergesetzes 1992 lautet auszugsweise wie

folgt:

"Direktor

§ 77 (1) Der Vorstand hat einen entsprechenden fachlich qualifizierten Arbeitnehmer zum Direktor zu bestellen. Die Bestellung und Abberufung des Direktors erfolgt durch den Vorstand jeweils auf Vorschlag des Präsidenten. Die Abberufung ist nur aus wichtigen Gründen mit Zustimmung von zwei Drittel der Vorstandsmitglieder zulässig; wichtige Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben.

(2) - (4) ...

(5) Die Arbeitsverträge des Direktors und dessen Stellvertreters bzw. Stellvertretern schließt für die Kammer der Vorstand, vertreten durch den Präsidenten, ab. Die Verträge bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Vorstandes der Bundesarbeitskammer.

(6) ..."

Zunächst ist dem Beschwerdeführer, soweit er die Auffassung vertritt, seine Abberufung sei auf Grund des mit ihm abgeschlossenen Sondervertrages generell nicht möglich bzw. könne "gem. § 18 Abs. 2 des Arbeiterkammergesetzes ... nur durch Versetzung in den dauernden Ruhestand" erfolgen, Folgendes zu entgegnen: Seit dem Inkrafttreten des Arbeiterkammergesetzes 1992 (1. Jänner 1992) finden sich die Regelungen über die Abberufung des Direktors der Arbeiterkammer in § 77 Abs. 1 des Arbeiterkammergesetzes 1992, der insofern an die Stelle des § 18 Abs. 2 des Arbeiterkammergesetzes 1954 getreten ist. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers folgt aus § 77 des Arbeiterkammergesetzes 1992, dass seine Abberufung - worauf in weiterer Folge noch eingegangen wird - unter den dort genannten Voraussetzungen möglich ist. Mangels einer Grundlage im Arbeiterkammergesetz 1992 vermögen auch Bestimmungen des mit dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Sondervertrages daran nichts zu ändern.

Der Beschwerdeführer macht ferner (zusammengefasst) geltend, dass sich die "Begründung" des angefochtenen Bescheides in der Wiedergabe der maßgeblichen Teile des § 77 Abs. 1 des Arbeiterkammergesetzes 1992 erschöpfe und somit nur eine Scheinbegründung vorliege. Die belangte Behörde habe allgemeine rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze verletzt, indem die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes und die Einräumung des Parteiengehörs unterlassen worden seien. Der Beschwerdeführer habe keine Weisung an den Leiter der Finanzbuchhaltung erteilt und auch der Vorwurf hinsichtlich der abgeschlossenen Vollkaskoversicherung für den Privat-PKW, mit dem er auch Dienstfahrten unternommen habe, sei wegen des mit ihm abgeschlossenen Sondervertrages unbegründet. Zum Vorwurf der "Unfähigkeit zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben" gäbe es überhaupt keine näheren Hinweise.

Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend.

Aus § 77 Abs. 1 Arbeiterkammergesetz 1992 ist ersichtlich, dass im Wesentlichen zwei Voraussetzungen für die Abberufung des Direktors erforderlich sind, nämlich einerseits die Zustimmung von zwei Drittel der Vorstandsmitglieder und andererseits wichtige Gründe für die Abberufung, so insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur Erfüllung der übertragenen Aufgaben. So hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem eingangs erwähnten Erkenntnis vom 30. Juni 2007 hervorgehoben, dass die Abberufung nicht nur an eine qualifizierte Mehrheit geknüpft ist, sondern auch an das Vorliegen gesetzlich normierter Abberufungsgründe. Daher muss dem Verwaltungsgerichtshof auch eine Überprüfung in der Weise möglich sein, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, weil der Abberufene derartige grobe Pflichtverletzungen oder die Unfähigkeit zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben zu vertreten hat, oder rechtswidrig ist, weil die Behörde zu Unrecht vom Vorliegen derartiger Gründe ausgegangen ist.

Zwar ist das gemäß Art. II Abs. 2 lit. B Z. 31 EGVG (unter anderem) von Organen gesetzlicher beruflicher Vertretungen, wie es die belangte Behörde eines ist, zu führende "behördliche Verfahren" von der Anwendung des AVG ausgenommen. Dies bedeutet aber nicht, dass auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben, in diesen behördlichen Verfahren nicht beachtet werden müssen.

Der Grundsatz, dass die Bestimmungen des AVG immer dann sinngemäß anzuwenden sind, wenn nicht das Gesetz ausdrücklich etwas anderes bestimmt, kommt zum Tragen, wenn es um allgemeine, für jedes rechtsstaatliche Verfahren gültige Rechtsgrundsätze geht. Zu diesen Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zählen - insbesondere - die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes in einem Ermittlungsverfahren, die Pflicht zur Begründung von Bescheiden sowie die Pflicht zur Gewährung des Parteiengehörs (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 40, in E 15 f zu Art. II EGVG, und die dort angeführte Rechtsprechung). Die - in der Gegenschrift vertretene - Auffassung der belangten Behörde, dass Entscheidungen im Zusammenhang mit der Abberufung des Kammerdirektors nicht bzw. nicht stricte iure an den Voraussetzungen des AVG zu messen seien, geht somit am Kern der Sache vorbei.

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde ist hinlänglich erkennbar, dass er das Vorliegen von groben Pflichtverletzungen (und die vorgeworfene Unfähigkeit zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben) bestreitet. Seine Ausführungen in der Beschwerde, wonach von ihm keine Weisung erteilt worden und sein Vorgehen hinsichtlich der Versicherung für den Privat-PKW durch den mit ihm abgeschlossenen Vertrag gedeckt sei, stellen auch keine unzulässigen Neuerungen dar, weil die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht das Parteiengehör eingeräumt hat.

Die belangte Behörde weist selbst in der Gegenschrift darauf hin,

dass (lediglich) die "wider den Beschwerdeführer erhobenen

Vorwürfe ... durch die Kammer eingehend geprüft und festgestellt"

worden seien und nach "umfangreicher Diskussion und Beratung

anlässlich der 34. Vorstandssitzung vom 03.07.2006 seitens des

Vorstandes ... auf Vorschlag des Präsidenten mit Zustimmung von

zwei Drittel der Vorstandsmitglieder der Beschluss gefasst" worden

sei, den Beschwerdeführer mit sofortiger Wirkung abzuberufen, und

er mit Schreiben vom 6. Juli 2006 "vom Beschluss des Vorstandes

... in Kenntnis gesetzt" worden sei. Weder daraus noch auf Grund

des Akteninhaltes ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens konkret vorgehalten und er zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Daran ändert auch der in der Gegenschrift ins Treffen geführte Umstand nichts, dass die Abberufung "erst mehrere Monate nach Einleitung des Disziplinarverfahrens" erfolgt sei und "der Arbeiterkammer zum Zeitpunkt der Abberufung das Vorliegen zahlreicher wichtiger Gründe bereits bekannt" gewesen sei. Schließlich folgt auch aus § 77 Arbeiterkammergesetz 1992 entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht, dass sie in dem hier in Rede stehenden Verfahren zur Abberufung des Beschwerdeführers als Direktor von der Einräumung des Parteiengehörs entbunden gewesen wäre.

Im Übrigen fehlen im angefochtenen Bescheid auch nähere Feststellungen zu den vorgeworfenen Pflichtverletzungen, etwa ob die Anweisung an den Leiter der Buchhaltung bloß die Berechnung oder auch die Auszahlung des Bezuges betraf, zu welchem Zeitpunkt das Fehlverhalten gesetzt wurde, etc.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. September 2007, Zl. 2006/11/0005, vom 28. März 2007, Zl. 2006/12/0115, vom 11. Oktober 2006, Zl. 2006/12/0090, uva.) ersetzen Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift nicht die erforderliche Begründung des angefochtenen Bescheides. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift offensichtlich die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Erwägungen näher darzustellen sucht, ist ihr daher unter Bezug auf die genannte Rechtsprechung zu entgegnen, dass diese Ausführungen die erforderliche hinreichende Begründung und vor allem konkrete Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen vermögen. Soweit schließlich die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführt, der Vorstandsbeschluss sei bereits am 3. Juli 2006 wirksam geworden und die maßgeblichen Umstände und die wichtigen Gründe, die zur Abberufung geführt hätten, seien aus dem Beschlussprotokoll dieser Vorstandssitzung zu entnehmen, ist auch daraus für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen. Denn auch der Inhalt des Protokolls der Vorstandssitzung kann nähere Feststellungen der belangten Behörde über das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers nicht ersetzen.

Im Hinblick darauf, dass die Frage der Wirksamkeit der Enthebung als Direktor durch Vorstandsbeschluss für die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Beschwerdeführers von Bedeutung sein kann, ist das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auch nicht etwa dadurch weggefallen, dass er mittlerweile, wie die belangte Behörde vorbringt, auf Grund des Disziplinarerkenntnisses der Disziplinarkommission der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol vom 18. Juni 2007 entlassen wurde und damit aufgehört hat, Arbeitnehmer im Sinne des § 77 Abs. 1 Arbeiterkammergesetz 1992 zu sein.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der oben dargestellten Verfahrensfehler zu einem anderen Bescheid gelangt wäre. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im Hinblick auf diese Erledigung erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den mit Schriftsatz vom 24. September 2007 von der belangten Behörde gestellten Antrag, den hg. Beschluss vom 22. August 2007, Zl. AW 2007/11/0042, dahin abzuändern, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werde.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des verzeichneten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. November 2007

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze außerhalb des Anwendungsbereiches des AVG VwRallg10/2Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Begründung BegründungsmangelAllgemeinMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007110157.X00

Im RIS seit

21.12.2007

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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