TE Vfgh Beschluss 2003/2/25 G267/02

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
AVG §13 Abs3
AVG §67c

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags eines Unabhängigen Verwaltungssenates auf Aufhebung von Regelungen des AVG über die Einbringung von Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt vor dem UVS als im Hinblick auf die vorgebrachten Bedenken zu eng gestellt

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (im Folgenden: UVS) ist eine auf Art129a Abs1 Z2 B-VG iVm. §67a Abs1 Z2 AVG gestützte Maßnahmenbeschwerde gegen eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme anhängig.

1.2. Mit Bescheid des UVS vom 30. Juni 2000 wurde diese Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Eingabe keine eindeutige Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts iSd. §67c Abs2 Z1 AVG enthalte, weil sich im Beschwerdeschriftsatz zwar ein "Verzeichnis der in Verwahrung genommenen Beweisgegenstände" finde (in 294 Positionen wurden die beschlagnahmten Gegenstände aufgelistet), die Beschwerdeführerin jedoch "eine auch nur ansatzweise Deklaration, welche dieser Gegenstände tatsächlich 'im Beschlagnahmebefehl des LG Ried ... keinesfalls Deckung finden' sollen" unterlassen habe. Es könne ihr aber auch kein Verbesserungsauftrag gemäß §13 Abs3 AVG erteilt werden, weil es sich bei der Nichteinhaltung des §67c Abs2 Z1 AVG um einen nicht verbesserungsfähigen inhaltlichen Mangel handle, was schon daraus hervorgehe, dass es andernfalls ein Beschwerdeführer gleichsam selbst in der Hand hätte, sich durch eine vorerst undifferenzierte Eingabe die Rechtsmittelfrist des §67c Abs1 AVG selbst zu verlängern.

1.3. Mit Beschluss vom 26. September 2000, B1207/00, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab. Der Verwaltungsgerichtshof gab der parallel erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2000/01/0331, statt und hob den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf:

Dadurch, dass mit der Novelle BGBl. I 158/1998 §67c Abs3 AVG idF BGBl. 471/1995 entfiel, sollte - so der Verwaltungsgerichtshof - der UVS für das weiterhin vorgesehene Verbesserungsverfahren ausschließlich §13 Abs3 AVG anwenden. Die mangelhafte Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsakts allein berechtige die belangte Behörde noch nicht zur Zurückweisung der an sie gerichteten Beschwerde; sie könne nur nach §13 Abs3 AVG der Beschwerdeführerin vorerst die Behebung dieses Mangels binnen einer Frist auftragen.

1.4. Aus Anlass des - nach Aufhebung des Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof - fortgesetzten Verfahrens stellte der UVS den vorliegenden Antrag

"gemäß Art140 Abs1 i.V.m. Art129a Abs3 und Art89 B-VG

auf Aufhebung des

§67c Abs2 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.F.

BGBl. Nr. I 158/1988,

in eventu §67c Abs1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.F.

BGBl. Nr. I 158/1998,

in eventu §67c Abs3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.F. BGBl. Nr. I 158/1998,

in eventu §67c AVG, BGBl. Nr. 51/1991 i.d.F. BGBl. Nr. I 158/1998".

2. §67c des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. 51/1991 idF BGBl. I 158/1998, lautet (der mit dem Hauptantrag bekämpfte Abs2 ist hervorgehoben):

"Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher

Befehls- und Zwangsgewalt

§67c. (1) Beschwerden nach §67a Abs1 Z2 sind innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

(2) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes,

2. soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat und welcher Behörde er zuzurechnen ist (belangte Behörde),

3. den Sachverhalt,

4. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

5. das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären,

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

(3) Der angefochtene Verwaltungsakt ist für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Dauert der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen."

3. Seine Bedenken gegen die angefochtene(n) Gesetzesbestimmung(en) legt der UVS wie folgt dar:

"3. Verfassungsrechtliche Bedenken

3.1. §67c Abs3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, i.d.F. BGBl. Nr. 471/1995 lautete:

'Beschwerden, die nicht den Anforderungen des Abs2 entsprechen, sind zur Behebung der Mängel unter Anberaumung einer kurzen Frist zurückzustellen; die Versäumung dieser Frist gilt als Zurückziehung.'

Durch die AVG-Novelle BGBl. Nr. I 158/1998 entfiel der vorzitierte §67c Abs3 AVG; an dessen Stelle trat der bisherige §67c Abs4 AVG. Die Erläuterungen zur RV (1167 BlgNR, 20. GP, 37) führen dazu aus:

'Da über die Frage, ob der Antragsteller einem Mängelbehebungsauftrag vollständig entsprochen hat, Meinungsverschiedenheiten entstehen können, über die letztlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu entscheiden haben, erscheint es jedoch zweckmäßiger, anstelle der Zurückziehungsfiktion, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihren guten Sinn macht, eine förmliche Zurückweisung nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. §13 Abs3) vorzusehen. §67c Abs3 AVG soll daher entfallen.'

Im Ergebnis ist daher nunmehr auch für Maßnahmenbeschwerden i. S.d. Art129a Abs1 Z. 2 B-VG i.V.m. §67a Abs1 Z. 2 AVG hinsichtlich der Problematik von Eingaben, die mit Mängel behaftet sind, das allgemein in §13 Abs3 AVG vorgesehene Mängelbehebungsverfahren maßgeblich.

3.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat dies in seinem vorangeführten Erkenntnis vom 9. Juli 2002, Zl. 2000/01/0331-7, dahin präzisiert, dass z.B. auch Maßnahmenbeschwerden, die per se keine Beurteilung der Frage, ob eine offenkundige Überschreitung des gerichtlichen Befehls und damit eine der Verwaltung zurechenbare Handlung vorlag, ermöglichen, einer Verbesserung i.S.d. §13 Abs3 AVG zugänglich sind; dies selbst dann, wenn derartige Beschwerden (erst) am letzten Tag der in §67c Abs1 AVG festgelegten sechswöchigen Frist eingebracht werden.

3.3. Wie aus §67b AVG hervorgeht, genießt im Maßnahmenbeschwerdeverfahren vor dem UVS auch die belangte Behörde die Stellung einer Partei i.S.d. §8 AVG. Aus dieser prozessualen Position resultiert für sie (bzw. ihren Rechtsträger) zumindest ein Anspruch darauf, dass der Beschwerdeführer - d.i. der von der angefochtenen Maßnahme Betroffene - die sechswöchige Beschwerdefrist des §67[c] Abs1 AVG einhält.

Dies folgt vornehmlich auch aus §79a AVG, gemäß dessen Abs1 die im Verfahren nach §67c AVG obsiegende Partei einen Anspruch auf Ersatz ihrer finanziellen Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat, wobei die belangte Behörde zufolge §79a Abs3 AVG insbesondere auch im Falle der Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde - z.B. wegen Verspätung - als obsiegende Partei anzusehen ist.

3.4. Unter diesem Aspekt erscheint es daher aber als unsachlich, wenn es ein Beschwerdeführer - infolge unterlassener zweckmäßiger Vorkehrungen des Gesetzgebers - in einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen faktisch in der Hand hat, sich die gemäß §67c Abs1 AVG im Wege einer gesetzlich festgelegten, nicht verlängerbaren Frist konstruierte zeitliche Limitierung seiner Rechtsmittelbefugnis einseitig dadurch zu verlängern, dass er - wie im gegenständlichen Fall - am letzten Tag dieser Frist eine objektiv offenkundig untaugliche, d.h. ersichtlich nicht den Anforderungen des §67c Abs2 AVG genügende Beschwerde (im Sinne einer bloßen 'Rechtsmittelanmeldung') einbringt und ihm dann noch die Möglichkeit gewährt werden muss, diese gemäß §13 Abs3 AVG den gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechend richtig zu stellen, so dass diese als ursprünglich richtig eingebracht gilt (vgl. §13 Abs3 AVG).

Während nun etwa im Falle der - für das Administrativverfahren von vornherein gar nicht vorgesehenen - Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß §51a VStG offenkundig berücksichtigungswürdige (und damit i.S.d. Art7 Abs1 B-VG bzw. Art2 StGG sachlich gerechtfertigte) Gründe für eine dementsprechende Verlängerung der Rechtsmittelfrist sprechen (vgl. §51 Abs5 VStG), ist eine solcherart sachbedingte Erforderlichkeit im gegebenen Zusammenhang - insbesondere dann, wenn der Beschwerdeführer (wie hier) durch einen Rechtsanwalt vertreten wird - nach h. Auffassung nicht erkennbar.

3.5. Es fehlt demnach offenbar an einer sachlichen Rechtfertigung dafür, dass die für den Regelfall eines Einparteienverfahrens geschaffene allgemeine Vorschrift des §13 Abs3 AVG über Mängelbehebungen ohne entsprechende Modifikation auch für das gemäß §67c i.V.m. §67b und §79a AVG als ein spezifisch kontradiktorischer Mehrparteienprozess konzipierte Maßnahmenbeschwerdeverfahren gilt.

3.6. Nach h. Auffassung ist primär §67c Abs2 AVG als Sitz der aufgezeigten Verfassungswidrigkeit anzusehen, und zwar deshalb, weil in diesem Absatz die formalen Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Maßnahmenbeschwerde geregelt werden, ohne dass sich - weil nicht ohnehin eine dem §67c Abs3 AVG i.d.F. BGBl. Nr. 51/1991 vergleichbare Anordnung getroffen wird - darin gleichzeitig wenigstens ein expliziter Hinweis derart findet, dass insoweit die Bestimmung des §13 Abs3 AVG nicht gilt.

Außerdem würde durch eine Aufhebung des §67c Abs2 ein vergleichsweise geringerer Eingriff in die Gesamtrechtsordnung erfolgen (vgl. dazu z.B. VfSlg. 13.722/1994) als im Falle der Aufhebung des die Einbringungsbefugnis regelnden Abs1 bzw. des die Entscheidungsart regelnden Abs3 dieser Bestimmung.

Für den Fall, dass sich der Verfassungsgerichtshof dieser Ansicht nicht anzuschließen vermag, waren entsprechende Eventualanträge zu stellen."

4. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie zunächst die Zulässigkeit des Antrags bestreitet. Die angefochtene Bestimmung stelle nicht den Sitz der vom UVS behaupteten Verfassungswidrigkeit dar; die behauptete Verfassungswidrigkeit sei vielmehr Konsequenz der undifferenzierten Regelung des §13 Abs3 AVG. Gleiches gelte im Hinblick auf die Eventualanträge; es fehle darüber hinaus jegliche Begründung, wieso die in eventu angefochtenen Bestimmungen als Sitz der behaupteten Verfassungswidrigkeit anzusehen seien. Auch in der Sache tritt die Bundesregierung den Bedenken des UVS mit näherer Begründung entgegen. Es wird daher die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrags beantragt.

5. Die beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie gleichfalls die Zurück-, in eventu die Abweisung des Antrags begehrt.

6. Der antragstellende UVS hat auf die Äußerung der Bundesregierung repliziert; die beteiligte Partei hat zu dieser Replik eine Äußerung erstattet.

7. Der Antrag ist nicht zulässig:

7.1. Gemäß Art140 Abs3 B-VG kann der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz nur insoweit als verfassungswidrig aufheben, als seine Aufhebung beantragt wurde. Der antragstellende UVS begehrt in seinem Hauptantrag die Aufhebung des §67c Abs2 AVG im Wesentlichen mit dem Argument, dass es unsachlich sei, wenn der Beschwerdeführer in einem Maßnahmenbeschwerdeverfahren nach §§67a ff. AVG - durch Ausnutzung der ihm gemäß §13 Abs3 AVG einzuräumenden Möglichkeit der Verbesserung seiner Beschwerde - die Frist nach §67c Abs1 leg. cit. einseitig verlängern könne. Zusammenfassend meint der UVS, es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass "die für den Regelfall eines Einparteienverfahrens geschaffene allgemeine Vorschrift des §13 Abs3 AVG über Mängelbehebungen ohne entsprechende Modifikation auch für das gemäß §67c i.V.m. §67b und §79a AVG als ein spezifisch kontradiktorischer Mehrparteienprozess konzipierte Maßnahmenbeschwerdeverfahren gilt".

Wie der UVS selbst in seinem Antrag darlegt, enthält §67c AVG spezifische Regelungen über die Einbringung von Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor dem UVS. Die angefochtene Bestimmung enthält keine Regelung betreffend die Anwendbarkeit oder den Ausschluss der Anwendbarkeit des die Mängelbehebung regelnden §13 Abs3 AVG. Dass die behauptete Unsachlichkeit der sich aus dem Mängelbehebungsverfahren ergebenden "Fristverlängerung zu Gunsten der Beschwerdeführerin" durch eine Aufhebung des §67c Abs2 AVG beseitigt würde, kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, zumal die Anwendbarkeit des §13 Abs3 AVG von einer allfälligen Aufhebung des §67c Abs2 leg. cit. unberührt bliebe. Die angenommene Gleichheitswidrigkeit bliebe also bestehen.

Das Ziel des Aufhebungsantrags würde durch die Aufhebung des §67c Abs2 AVG also nicht erreicht. Da der Hauptantrag somit zu eng gestellt wurde, ist er als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 12.762/1991 und 13.299/1992, S 748, mwN).

7.2. Nichts anderes gilt für die Eventualanträge auf Aufhebung des §67c Abs1, des §67c Abs3 und des §67c AVG; auch diese Anträge waren daher zurückzuweisen.

8. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Unabhängiger Verwaltungssenat, Verwaltungsverfahren, Formgebrechen, VfGH / Bedenken, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:G267.2002

Dokumentnummer

JFT_09969775_02G00267_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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