TE OGH 2008/5/9 1R124/08t

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Veröffentlicht am 09.05.2008
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Republik Österreich

Landesgericht Klagenfurt

1 R 124/08t

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Spruch

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Melchart und Dr. Steflitsch in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Wien, vertreten durch Dr. Peter Ouschan, Rechtsanwalt in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei mj. *****, geb. am *****, Schüler, vertreten durch die Eltern *****, alle wohnhaft *****, vertreten durch Dr. Peter Wasserbauer, Dr. Gisela Possnig, Dr. Michael Maurer, Rechtsanwälte in Weiz, wegen €

3.299,67 s. A., über die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 30. Jänner 2008, 2 C 335/07d-19, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Text

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird abgeändert und hat zu lauten:

"Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, dem Kläger € 3.299,67 samt 4 % Zinsen seit 6. August 2006 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Der Kläger hat dem Beklagten zu Handen seiner Vertreter die mit €

3.115,46 (davon € 1.036,-- Barauslagen, € 346,58 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Der Kläger hat dem Beklagten zu Handen seiner Vertreter weiters die mit € 774,96 (davon € 233,-- Barauslagen und € 90,32 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).Die Revision ist jedenfalls unzulässig (Paragraph 502, Absatz 2, ZPO).

Entscheidungsgründe:

Am 5. August 2006 nahm der Beklagte an einem durch die BH ***** genehmigten Radrundstreckenrennen teil, bei dem auch die ***** Landesstraße befahren wurde. Der Kläger war Betreuer einer teilnehmenden Gruppe. Alle Teilnehmer wussten, dass der Rundkurs für den öffentlichen Verkehr nicht gesperrt war. Als Auflagen wurden unter anderem vorgeschrieben, dass das Radrennen an neuralgischen Punkten, insbesondere an Kreuzungen, Start- und Zielpunkten, von Organen der Straßenaufsicht besonders zu überwachen ist und die Teilnehmer die Verkehrsvorschriften genauestens zu beachten haben. Gegen 16.00 Uhr - zu diesem Zeitpunkt regnete es stark, es hagelte auch zwischendurch, sodass die Sicht nur mehr zwischen 20 m und 30 m betrug - hielt der Kläger mit seinem Betreuungsfahrzeug auf der ***** Landesstraße nordwestlich der ***** Staubrücke an, weil er seinen ebenfalls teilnehmenden Sohn am rechten Fahrbahnrand sitzen sah. Der Kläger stieg aus dem Klagsfahrzeug, ohne den Motor abzustellen und das Abblendlicht auszuschalten. Die linke Fahrzeugflanke ragte ca. 1,2 m in die Fahrbahn. Der Beklagte fuhr als letzter Fahrer in einer nach rechts gestaffelten Dreiergruppe. Sein Abstand zum rechten Fahrbahnrand betrug ca. 70 cm. Die Gruppe hielt eine Geschwindigkeit zwischen 40 und 45 km/h. Als der Beklagte ca. 28 m vor sich das Heck des Klagsfahrzeuges wahrnahm, leitete er aus einer Fahrgeschwindigkeit von im Durchschnitt 42,5 km/h eine Vollbremsung ein und stieß mit ca. 30 km/h - wegen des starken Regens war die Wirksamkeit der Felgenbremsen stark herabgesetzt - mit seinem Vorderrad gegen das linke Drittel des Hecks des Klagsfahrzeuges. Um innerhalb einer Sichtstrecke von 28 m anhalten zu können, hätte der Beklagte eine Grenzgeschwindigkeit von 32 km/h einhalten müssen. Kurz nach dem Auffahrunfall des Beklagten fuhr ein weiterer Fahrer gegen das Heck des Klagsfahrzeuges.

Mit der Behauptung, der Beklagte sei infolge Einhaltung einer unaufmerksamen Fahrweise bzw. überhöhten Geschwindigkeit gegen seinen PKW geprallt, begehrt nun der Kläger die Bezahlung seines Schadens von insgesamt € 3.299,67 s. A.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, ihm sei kein Verschulden am Zustandekommen dieses Verkehrsunfalles anzulasten. Der Kläger habe sein Fahrzeug bei schlechten Witterungsverhältnissen ohne entsprechende Absicherung teilweise innerhalb der Fahrbahn angehalten. Der Beklagte habe unverzüglich durch Einleitung einer Vollbremsung reagiert, ein Auffahren aber nicht verhindern können. Einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung hielt er seinen Schaden von insgesamt € 4.174,-- kompensando entgegen. Ausgehend vom eingangs dargestellten, unstrittigen Sachverhalt und den weiteren auf Seite 4 bis 9 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen, auf welche verwiesen werden kann, hat der Erstrichter die Klagsforderung als zu Recht, die vom Beklagten eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und dementsprechend dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben. Rechtlich vertrat der Erstrichter die Auffassung, der Beklagte habe gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen, weshalb ihm das Alleinverschulden am gegenständlichen Verkehrsunfall anzulasten sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. In eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der erstatteten Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufungssenat teilt die vom Obersten Gerichtshof in einer Strafsache zu 10 Os 150/86 = ZVR 1987/65 = RZ 1987/38, vertretene Auffassung, dass selbst dann, wenn, wie hier, die Behörde bei Bewilligung eines Radrennens auf öffentlichen Straßen keine Ausnahmen von den Verkehrsregeln gemäß § 64 Abs 3 StVO zulässt, daraus noch nicht abgeleitet werden kann, dass die Teilnehmer während der Veranstaltung sämtliche Vorschriften der StVO zu beachten hätten. Das Gesetz sieht nämlich die Zulassung sportlicher Veranstaltungen ungeachtet dessen vor; weil es dabei in einzelnen Belangen geradezu wesenmäßig (und demnach notorisch) auch im Rahmen einer regelgerechten Sportausübung auf ein bestimmten Vorschriften für die Straßenbenützung zuwider laufendes Verhalten der Rennteilnehmer ankommt, würde die Einhaltung jener Bestimmungen den Sinn derartiger Veranstaltungen ad absurdum führen (vgl RIS-Justiz RS0075426). Dem ist zu entnehmen, dass solche Vorschriften, deren Beachtung eine sinnvolle Durchführung der behördlich genehmigten Veranstaltung überhaupt ausschlösse - wie etwa die Einhaltung des § 20 StVO, zumal der Faktor Zeit bei der Erbringung der sportlichen Leistung naturgemäß eine wesentliche Rolle spielt -, auf ein regelkonformes, die Grenzen freiwilliger Selbstgefährdung der Teilnehmer nicht überschreitendes und demgemäß sozialadäquates Verhalten von vornherein gar nicht gemünzt sind, sodass auch pauschalierende Floskeln in Genehmigungsbescheiden dahin, dass die Verkehrsvorschriften genauestens zu beachten seien, in diesem Umfang ins Leere gehen. Anderenfalls hätte dies die Annahme eines - von der Behörde nicht nur (durch die Bewilligung derartiger Veranstaltungen) bewusst tolerierten, sondern (durch die Beistellung von Organen der Straßenaufsicht) sogar aktiv geförderten - rechtswidrigen Verhaltens faktisch sämtlicher Teilnehmer an so gut wie allen Radrennen auf nicht gesperrten öffentlichen Straßen in Österreich zur Folge. Die Sorgfaltspflicht der Teilnehmer an einem behördlich genehmigten Radrennen bestimmt sich daher nach dem gedachten Verhalten eines gewissenhaften und einsichtigen Radrennfahrers. Den Teilnehmern faktisch unrealisierbare, mit dem Ziel der rechtlich gebilligten Sportausübung unvereinbare Sorgfaltspflichten aufzuerlegen, ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. RIS-Justiz RS0075415). Dem rennmäßig fahrenden Beklagten kann im vorliegenden Fall daher nicht als rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten angelastet werden, dass er bei den gegebenen Witterungsverhältnissen nicht auf Sicht gefahren ist und eine Fahrgeschwindigkeit von durchschnittlich 42,5 km/h anstelle von 30 km/h eingehalten hat. Die Annahme eines dem Beklagten vorwerfbaren Aufmerksamkeitsfehlers findet keine Grundlage im festgestellten Sachverhalt.Der Berufungssenat teilt die vom Obersten Gerichtshof in einer Strafsache zu 10 Os 150/86 = ZVR 1987/65 = RZ 1987/38, vertretene Auffassung, dass selbst dann, wenn, wie hier, die Behörde bei Bewilligung eines Radrennens auf öffentlichen Straßen keine Ausnahmen von den Verkehrsregeln gemäß Paragraph 64, Absatz 3, StVO zulässt, daraus noch nicht abgeleitet werden kann, dass die Teilnehmer während der Veranstaltung sämtliche Vorschriften der StVO zu beachten hätten. Das Gesetz sieht nämlich die Zulassung sportlicher Veranstaltungen ungeachtet dessen vor; weil es dabei in einzelnen Belangen geradezu wesenmäßig (und demnach notorisch) auch im Rahmen einer regelgerechten Sportausübung auf ein bestimmten Vorschriften für die Straßenbenützung zuwider laufendes Verhalten der Rennteilnehmer ankommt, würde die Einhaltung jener Bestimmungen den Sinn derartiger Veranstaltungen ad absurdum führen vergleiche RIS-Justiz RS0075426). Dem ist zu entnehmen, dass solche Vorschriften, deren Beachtung eine sinnvolle Durchführung der behördlich genehmigten Veranstaltung überhaupt ausschlösse - wie etwa die Einhaltung des Paragraph 20, StVO, zumal der Faktor Zeit bei der Erbringung der sportlichen Leistung naturgemäß eine wesentliche Rolle spielt -, auf ein regelkonformes, die Grenzen freiwilliger Selbstgefährdung der Teilnehmer nicht überschreitendes und demgemäß sozialadäquates Verhalten von vornherein gar nicht gemünzt sind, sodass auch pauschalierende Floskeln in Genehmigungsbescheiden dahin, dass die Verkehrsvorschriften genauestens zu beachten seien, in diesem Umfang ins Leere gehen. Anderenfalls hätte dies die Annahme eines - von der Behörde nicht nur (durch die Bewilligung derartiger Veranstaltungen) bewusst tolerierten, sondern (durch die Beistellung von Organen der Straßenaufsicht) sogar aktiv geförderten - rechtswidrigen Verhaltens faktisch sämtlicher Teilnehmer an so gut wie allen Radrennen auf nicht gesperrten öffentlichen Straßen in Österreich zur Folge. Die Sorgfaltspflicht der Teilnehmer an einem behördlich genehmigten Radrennen bestimmt sich daher nach dem gedachten Verhalten eines gewissenhaften und einsichtigen Radrennfahrers. Den Teilnehmern faktisch unrealisierbare, mit dem Ziel der rechtlich gebilligten Sportausübung unvereinbare Sorgfaltspflichten aufzuerlegen, ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung vergleiche RIS-Justiz RS0075415). Dem rennmäßig fahrenden Beklagten kann im vorliegenden Fall daher nicht als rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten angelastet werden, dass er bei den gegebenen Witterungsverhältnissen nicht auf Sicht gefahren ist und eine Fahrgeschwindigkeit von durchschnittlich 42,5 km/h anstelle von 30 km/h eingehalten hat. Die Annahme eines dem Beklagten vorwerfbaren Aufmerksamkeitsfehlers findet keine Grundlage im festgestellten Sachverhalt.

Der Berufung war somit Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

Diese Abänderung führt auch zu einer Neuentscheidung der Kosten des Verfahrens erster Instanz, die sich auf § 41 ZPO stützt. Der Beweisantrag vom 14. 5. 2007, ON 11, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weil der Beklagte die Einvernahme dieser Zeugen bereits in den vorher erstatteten Schriftsätzen bzw. spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2007 hätte beantragen können. Der Beweisantrag ist daher nicht zu entlohnen. Die verzeichneten Kopierspesen vom 28. 3. 2007 in der Höhe von € 7,20 sind nicht aufgeschlüsselt, sodass eine Honorierung schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.Diese Abänderung führt auch zu einer Neuentscheidung der Kosten des Verfahrens erster Instanz, die sich auf Paragraph 41, ZPO stützt. Der Beweisantrag vom 14. 5. 2007, ON 11, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weil der Beklagte die Einvernahme dieser Zeugen bereits in den vorher erstatteten Schriftsätzen bzw. spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2007 hätte beantragen können. Der Beweisantrag ist daher nicht zu entlohnen. Die verzeichneten Kopierspesen vom 28. 3. 2007 in der Höhe von € 7,20 sind nicht aufgeschlüsselt, sodass eine Honorierung schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich

auf die §§ 41, 50 ZPO.auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Landesgericht Klagenfurt

als Berufungsgericht

Anmerkung

EKL00081 1R124.08t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LGKL729:2008:00100R00124.08T.0509.000

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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