TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/21 2006/08/0121

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2007
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §7 Abs3 Z2;
FrG 1997 §10 Abs1 Z1;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des L E in Wien, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 16. Februar 2006, Zl. LGSW/Abt. 3-AIV/1218/56/2005-8429, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der seit 14. Jänner 2003 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist, beantragte mit einem am 23. September 2005 ausgegebenen Formular beim Arbeitsmarktservice Wien Dresdnerstraße die Zuerkennung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 8. November 2005 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge gegeben. Nach der Begründung sei der Beschwerdeführer aufenthaltsrechtlich nicht berechtigt, eine Beschäftigung anzunehmen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin berechtigt, in Österreich zu arbeiten.

Einem auf einem Schreiben des Arbeitsmarktservice vom 24. November 2005 festgehaltenen handschriftlichen Aktenvermerk zufolge sei über den Beschwerdeführer nach telefonischer Auskunft bei der Fremdenpolizei vom 5. Dezember 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden. Dieser Umstand wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19. Jänner 2006 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2006 teilte der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers dazu mit, dass der Beschwerdeführer "auf Grund der EU-Richtlinie, wonach Drittstaatsangehörige, die mit EU-Bürgerinnen verheiratet sind, eine Aufenthaltsberechtigung besitzen", berechtigt sei, in Österreich zu arbeiten.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben.

In der Begründung stellte sie die Rechtslage dar und gab den wesentlichen Inhalt des Verwaltungsverfahrens wieder. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer verfüge über keine aufenthaltsrechtliche Position, die ihn in die Lage versetzte, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen und auszuüben. Der Beschwerdeführer erfülle auf Grund der Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht mehr den Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG, weil er nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei und damit ein Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt sei. Deshalb sei auch die Verfügbarkeit nach § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG nicht gegeben; diese liege nur vor, wenn der ausländische Leistungswerber sich berechtigt im Bundesgebiet aufhalte, um eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen und auszuüben. Gegen den Beschwerdeführer sei ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden, weshalb er über keinen Aufenthaltstitel verfüge, der Voraussetzung für die Verfügbarkeit gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer unter anderem der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht nach § 7 Abs. 2 AlVG zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist. Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG eine Person, die sich berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, er sei als Ehemann einer österreichischen Staatsbürgerin berechtigt, in Österreich eine unselbständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben.

Die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet regelt das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG). Gemäß § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 133/2003 (Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 23. September 2005) sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden auf EWR-Bürger, drittstaatsangehörige Ehegatten eines österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers sowie drittstaatsangehörige Kinder eines österreichischen Staatsbürgers oder eines anderen EWR-Bürgers (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder), die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der österreichische Staatsbürger bzw. der EWR-Bürger Unterhalt gewährt, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind.

Gemäß § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG in der ab 1. Jänner 2006 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 157/2005 sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden auf EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nehmen, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder) sowie die drittstaatsangehörigen Ehegatten und Kinder österreichischer Staatsbürger, sofern der Ehegatte bzw. das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist.

Voraussetzung für die Ausnahme vom AuslBG ist demnach sowohl nach der Rechtslage vor, als auch ab dem 1. Jänner 2006 für drittstaatsangehörige Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern - wie dem Beschwerdeführer - das Recht zum Aufenthalt bzw. zur Niederlassung. Dem steht jedoch im Beschwerdefall das von der belangten Behörde als tragend für die Versagung von Arbeitslosengeld gewertete Aufenthaltsverbot entgegen (vgl. die zwingenden Versagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz 1997 bzw. des § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG in Bezug auf einen Aufenthaltstitel).

Dazu bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde vor, "es gibt kein Aufenthaltsverbot", der Verwaltungsgerichtshof habe das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben. Er legt zum Beweis dafür der Beschwerde das Erkenntnis vom 15. November 2005, Zl. 2005/18/0375, bei.

Wie sich aus dem hg. Akt Zl. 2005/18/0375 ergibt, betrifft der mit diesem Erkenntnis aufgehobene Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Dezember 2003 jedoch nicht das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot, sondern die Abweisung einer Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen worden ist. Das Aufenthaltsverbot selbst ist nach dieser Verfahrenslage weiter aufrecht. Gegenteiliges ergibt sich weder aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes noch aus dem Inhalt des hg. Aktes Zl. 2005/18/0375. Auch in der Beschwerde wird nicht behauptet, dass das Aufenthaltsverbot mittlerweile aufgehoben worden sei.

Ist aber gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot aufrecht, so ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer sich nicht gemäß § 7 Abs. 3 Z. 2 AlVG berechtigt im Bundesgebiet aufhält, um eine unselbstständige Beschäftigung aufzunehmen und auszuüben (vgl. auch das Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2007/08/0244, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Der Beschwerdeführer verweist ferner in seinem Schreiben vom 8. Februar 2006 an die belangte Behörde auf eine "EU-Richtlinie, wonach Drittstaatsangehörige, die mit EU-Bürgerinnen verheiratet sind, eine Aufenthaltsberechtigung besitzen". Damit meint er offenbar die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Nach deren

Artikel 3 gilt diese Richtlinie für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen, die ihn begleiten oder ihm nachziehen. Der Beschwerdeführer hat keinen Sachverhalt behauptet, der die Anwendung dieser Richtlinie erforderte, sodass er aus dieser Richtlinie schon deshalb keine Rechte abzuleiten vermag.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 21. November 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006080121.X00

Im RIS seit

07.02.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten