TE Vfgh Erkenntnis 2003/2/25 B1465/01

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

L2 Dienstrecht
L2400 Gemeindebedienstete

Norm

B-VG Art83 Abs2
Wr DienstO 1994 §19

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines Antrags auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die als Versetzung gewertete Änderung des Aufgabenbereiches eines Bediensteten der Gemeinde Wien sowohl in erster als auch in zweiter Instanz

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.143,68 bestimmten Prozesskosten zu Handen seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Der Beschwerdeführer richtete mit Schreiben vom 6.4.2001 eine von einem Rechtsanwalt verfasste Eingabe an den Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialamt des folgenden Inhaltes:

"Bekanntlich war mein Mandant lange Jahre hindurch Leiter des Referats Sozialarbeit mit Erwachsenen. Mit Schreiben vom 26.1.2001 hat ihn der Abteilungsleiter der Magistratsabteilung 12 - Sozialamt, Herr S S, davon in Kenntnis gesetzt, daß er mit Wirkung vom 1.2.2001 infolge Auflösung des Referats Sozialarbeit mit Erwachsenen von der Funktion des Leiters dieses Referats entbunden werde und sich 'unverzüglich beim Leiter der Stabsstelle Sozialplanung zum Arbeitsantritt zu melden' habe. Dieser Aufforderung ist mein Mandant unter Protest nachgekommen.

Im Rahmen seiner 'neuen Aufgabe' ist mein Mandant zuständig für das 'theoretische Umfeld, die Rezeption von Fachliteratur und internationale Beobachtungen des Sozialbereichs'.

Mein Mandant hat in diesem Vorgang eine verschlechternde Versetzung zu erblicken: War er als Leiter des Referats Sozialarbeit mit Erwachsenen Vorgesetzter von bis zu 100 Sozialarbeitern und anderen Bediensteten, so ist er nunmehr auf sich allein gestellt, hat keinerlei konkrete Umschreibung seines Tätigkeitsbereiches und weiß beispielsweise nicht einmal, ob er berechtigt ist, eine Schreibkraft zumindest teilweise in Anspruch zu nehmen. Hinzu tritt, daß nach meiner Information entgegen der Bestimmung des §39 Abs5 Z1 W-PVG eine Einbindung der Personalvertretung in die De-facto-Versetzung nicht stattgefunden hat.

Aus diesem Grund habe ich namens meines Mandanten den Antrag zu stellen, über den Versetzungsvorgang bescheidmäßig abzusprechen, damit mein Mandant die Sache in einem Verwaltungsverfahren im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit einer Klärung unterziehen kann."

1.1.2. Daraufhin erging an den Beschwerdeführer ein Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2 - Personalamt vom 22.5.2001, der den folgenden Spruch enthält:

"Ihr Antrag vom 6. April 2001 auf bescheidmäßige Absprache über den Versetzungsvorgang 'Entbindung von der Funktion des Leiters des Referates 'Sozialarbeit mit Erwachsenen' und Betrauung mit dem Aufgabenbereich 'Theoretische Arbeiten' in der Stabstelle Sozialplanung' wird als unzulässig zurückgewiesen."

1.2.1. Seine dagegen erhobene Berufung wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des Dienstrechtssenates der Stadt Wien vom 6.9.2001 - als unbegründet - abgewiesen.

Der Berufungsbescheid wurde wörtlich wie folgt begründet:

"Gemäß §19 Abs1 der Dienstordnung 1994 - DO 1994, LGBl. für Wien Nr. 56 idgF, ist jeder Beamte im allgemeinen nur zur Durchführung jener Geschäfte verpflichtet, zu deren Verrichtung er auf Grund seiner Anstellung und des allgemeinen Geschäftskreises seiner Gruppe bestimmt ist. Wenn es der Dienst jedoch erfordert, kann er nach Maßgabe seiner Eignung vorübergehend auch zur Verrichtung eines anderen Geschäftskreises herangezogen werden. Versetzungen auf andere Dienstposten sind aus Dienstrücksichten stets zulässig (§19 Abs2 leg. cit.)

Gemäß §39 Abs5 Z1 des Wiener Personalvertretungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 49/1985 idgF, hat der Magistrat Versetzungen, ausgenommen Stellenbesetzungen, die nach Einholung eines Gutachtens einer Stellenbesetzungskommission erfolgen, vor der Entscheidung oder Antragstellung an das zur Entscheidung zuständige Gemeindeorgan der Personalvertretung zur Kenntnis zu bringen.

Im gegenständlichen Fall liegt keine Versetzung des Berufungswerbers im Sinn des §19 Abs2 DO 1994 vor, geschweige denn eine solche, bei der ein Mitwirkungsrecht der Personalvertretung gemäß §39 Abs5 Z1 W-PVG vorgesehen ist. Von einer Versetzung kann - wie dem Wortlaut des §19 Abs2 DO 1994 eindeutig zu entnehmen ist - nur dann gesprochen werden, wenn es zu einem Wechsel des Dienstpostens kommt. Ein derartiger Wechsel ist im gegenständlichen Fall jedoch nicht erfolgt, da der Berufungswerber auch nach Zuweisung seines neuen Aufgabenbereiches mit Wirksamkeit 1. Februar 2001 auf seinem mit B/VII bewerteten Dienstposten für Diplomsozialarbeiter, der im Dienstpostenplan der Magistratsabteilung 12 - Zentrale systematisiert ist, tätig ist.

Dem Vorbringen des Berufungswerbers, es handle sich bei der Zuweisung eines neuen Aufgabenbereiches um eine qualifizierte Verwendungsänderung, die der Versetzung gleichzuhalten sei, ist zu entgegnen, dass der Versetzungsbegriff der DO 1994 qualifizierte Verwendungsänderungen nicht umfasst. Auch das vom Berufungswerber zitierte Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979 subsumiert qualifizierte Verwendungsänderungen nicht unter den Versetzungsbegriff des §38 Abs1 BDG 1979, sondern stellt diese in §40 Abs2 BDG 1979 nur ausdrücklich der Versetzung gleich. Eine derartige Gleichstellung ist in der DO 1994 nicht erfolgt. Die Rechtsmeinung, dass qualifizierte Verwendungsänderungen vom Versetzungsbegriff der DO 1994 nicht erfasst sind, wurde auch vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt, der in seinem Erkenntnis vom 8. Juni 1994, Z94/12/0126, ausdrücklich ausgesprochen hat, dass die Wiener Dienstordnung - anders als das BDG 1979 - weder ein Gebot enthält, Versetzungen in Bescheidform zu verfügen, noch dem Beamten einen generellen Schutz vor qualifizierten Verwendungsänderungen einräumt und sich ein subjektives Recht, von einer bestimmten Verwendung (Funktion) nicht abberufen zu werden, aus der Wiener Dienstordnung 1994 nicht ableiten lässt.

Der Berufungswerber irrt auch mit seinem Vorbringen, dass Versetzungen nach der DO 1994 in Bescheidform erfolgen müssten. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Z G226/96 mwN) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 8. Juni 1994, Z94/12/0126) bedeutet 'Versetzung auf einen anderen Dienstposten' - sofern nicht eine besondere, anderslautende Dienstrechtsregelung besteht, wie etwa im BDG 1979 - nur die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes ohne Änderung des bestehenden Dienstverhältnisses. Die Versetzung auf einen anderen Dienstposten begründet weder ein neues dienstrechtliches Verhältnis noch gestaltet es das bestehende Dienstverhältnis um. Einem solchen Verwaltungsakt kommt mangels einer derartigen Gestaltung dieser Rechtsverhältnisse nicht die Eigenschaft eines Bescheides zu. Es handelt sich vielmehr um eine Verfügung in Ausübung der Diensthoheit verbunden mit einem Dienstbefehl (sogenannter innerer Verwaltungsakt). Demgegenüber kann nicht ins Gewicht fallen, dass eine Versetzung mit gewissen Veränderungen im Lebensbereich eines Beamten verbunden sein kann. Denn in dieser Hinsicht handelt es sich nicht um eine Veränderung der rechtlichen Stellung eines Beamten."

1.2.2. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof behauptet der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

1.2.3. Über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof reichte der Dienstrechtssenat der Stadt Wien - unter Vorlage der Verwaltungsakten - eine Gegenschrift ein, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Über die - zulässige Beschwerde - wurde erwogen:

2.1. Der mit "Erweiterung des Geschäftskreises" übertitelte §19 Wiener Dienstordnung (DO) 1994, LGBl. 56, idF 2000/51, hat folgenden Wortlaut:

"§19 (1) Der Beamte ist im allgemeinen nur zur Durchführung jener Geschäfte verpflichtet, zu deren Verrichtung er auf Grund seiner Anstellung und des allgemeinen Geschäftskreises seiner Beamtengruppe bestimmt ist. Wenn es der Dienst jedoch erfordert, kann er nach Maßgabe seiner Eignung vorübergehend auch zur Verrichtung eines anderen Geschäftskreises herangezogen werden.

(2) Versetzungen auf andere Dienstposten sind aus Dienstrücksichten stets zulässig.

(3) Der Beamte kann im Interesse des Dienstes oder aus Gründen, die in seiner Person liegen, in eine andere Beamtengruppe überreiht werden.

(4) Der Beamte ist zu allen in seinen Geschäftskreis fallenden Dienstleistungen auch außerhalb der Diensträume verpflichtet. Inwiefern anläßlich solcher Dienstleistungen eine Entschädigung für Mehrauslagen und für erhöhten Arbeitsaufwand zukommt, bestimmen die Gebührenvorschriften."

2.2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.0405/1987, 13.280/1992).

2.2.2.1. In der Beschwerdeschrift heißt es wörtlich ua. wie folgt:

"Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter:

Die Erstbehörde hat im durchgeführten Verwaltungsverfahren den Antrag des Beschwerdeführers vom 6.4.2001 als unzulässig zurückgewiesen, sie hat damit zum Ausdruck gebracht, daß die Voraussetzungen zur Erledigung des Antrages in meritorischer Hinsicht nicht vorliegen würden, weshalb sie auf die Sache selbst nicht eingehen müsse. Die belangte Behörde teilt diese Rechtsansicht im angefochtenen Bescheid, indem sie im Spruch ausdrücklich ausführt, daß der vom Beschwerdeführer bekämpfte Erstbescheid bestätigt werde.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht dadurch verletzt, daß etwa eine Berufung gegen einen Bescheid ab- statt zurückgewiesen wird (VfSlg 10.890/1986). Dies kann aber nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht für den umgekehrten Fall gelten, in welchem eine Behörde eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einer Rechtssache von vornherein ablehnt und einen Antrag ... zurückweist, wobei sich dies im Berufungsverfahren fortsetzt und noch die belangte Behörde die Auffassung vertritt, daß diese Vorgangsweise rechtens wäre. Der angefochtene Bescheid verletzt den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil er sich inhaltlich nicht mit dessen Begehren auseinandersetzt."

2.2.2.2. Nach Auffassung der belangten Behörde (in der Gegenschrift) sei im Falle der Berufung gegen einen Bescheid, mit dem ein Parteiantrag zurückgewiesen wird, Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Vor diesem Hintergrund sei sie gar nicht berechtigt gewesen, über den Antrag des Beschwerdeführers eine meritorische Entscheidung zu treffen.

2.2.2.3. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass der unter Punkt 1.1.1. wiedergegebene Antrag des Beschwerdeführers als ein solcher auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Rechtmäßigkeit einer Weisung zu verstehen ist (s. VfSlg. 13.408/1993), der schon vom Magistrat der Stadt Wien - als erster Instanz - in der Sache zu erledigen gewesen wäre.

Dadurch, dass der belangte Dienstrechtssenat diesen Mangel in seiner nunmehr bekämpften Entscheidung nicht wahrnahm sondern den Bescheid des Magistrats bestätigte, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. VfSlg. 15.873/2000).

2.3. Der Bescheid war daher aus diesem Grund aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327 sowie eine Eingabegebühr in der Höhe von € 181,68 enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Auslegung eines Bescheides, Feststellungsbescheid, Dienstrecht, Versetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1465.2001

Dokumentnummer

JFT_09969775_01B01465_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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