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41 Innere AngelegenheitenNorm
AsylG 1997 §7, §8Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinanderdurch einen in sich widersprüchlichen und auch dem Akteninhaltwidersprechenden Bescheid betreffend Abweisung des Asylantrags undFeststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oderAbschiebung nach Nigeria; Sachverhaltsdarstellung hinsichtlich eineranderen Person als in der Beweiswürdigung als Sachverhalt zugrundegelegtSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.160,- bestimmten Prozesskosten zuhanden seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer, ein 1979 geborener nigerianischerrömisch eins. 1. Der Beschwerdeführer, ein 1979 geborener nigerianischer
Staatsbürger, reiste am 29. Juli 2004 illegal in Österreich ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Mit Bescheid vom 26. September 2005 wies das Bundesasylamt (im Folgenden: BAA) den Asylantrag ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig und wies ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.
2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 17. Jänner 2007 und 12. Juli 2007 vom Unabhängigen Bundesasylsenat (im Folgenden: UBAS) mit Bescheid vom 4. Februar 2008 abgewiesen. Der Spruch dieses Bescheides lautet:
"Die Berufung vom 10.10.2005 von U J U, Sohn des U D gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.09.2005, Zl. 04 15.378-BAE, wird gemäß §7 und §8 Abs1 und Abs2 AsylG abgewiesen.
Die Berufung von U J U, Sohn des U D vom 3.10.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.09.2005, Zl. 04 15.378-BAE, wird gemäß §8 Abs2 AsylG abgewiesen."
Hiezu wird festgestellt, dass im Verwaltungsakt zwar eine Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid mit Datum 3. Oktober 2005 erliegt, jedoch keine, die das Datum 10. Oktober 2005 trägt. Hingegen ist die Berufung vom 3. Oktober 2005 dem BAA mit Fax vom 10. Oktober 2005 zugestellt worden. Bei den beiden im Spruch genannten Berufungen handelt es sich somit offensichtlich um dasselbe Rechtsmittel.
3. Gegen den genannten Bescheid des UBAS richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Der Beschwerdeführer macht die Verletzung des Verbots der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art3 EMRK), des "Verbots rassischer Diskriminierung (BGBl. 390/1973)" und die Verletzung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) geltend. Die Beschwerde weist darauf hin, dass mehrfach eine "Berufungswerberin" genannt ist und dass der von der belangten Behörde im Bescheid gewürdigte Sachverhalt mit dem Vorbringen und dem Akteninhalt nicht übereinstimme. 3. Gegen den genannten Bescheid des UBAS richtet sich die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Der Beschwerdeführer macht die Verletzung des Verbots der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art3 EMRK), des "Verbots rassischer Diskriminierung Bundesgesetzblatt 390 aus 1973,)" und die Verletzung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) geltend. Die Beschwerde weist darauf hin, dass mehrfach eine "Berufungswerberin" genannt ist und dass der von der belangten Behörde im Bescheid gewürdigte Sachverhalt mit dem Vorbringen und dem Akteninhalt nicht übereinstimme.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und mit dem "Hinweis, dass im gegenständlichen Fall keine Verfassungswidrigkeit" vorliege, von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid ist in sich widersprüchlich und widerspricht auch dem Akteninhalt in einer Weise, die den Grad der Willkür erreicht, sodass der Bescheid das Grundrecht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt:
2. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. 2. Nach der mit VfSlg. 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg. 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, Bundesgesetzblatt 390 aus 1973,, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet ein Bescheid, wenn er auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg. 16.214/2001), wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001). Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet ein Bescheid, wenn er auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht vergleiche zB VfSlg. 16.214/2001), wenn die Behörde dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der - hätte ihn das Gesetz - dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, Bundesgesetzblatt 390 aus 1973,, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg. 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (zB VfSlg. 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001).
3. Der angefochtene Bescheid geht in der Sachverhaltsdarstellung von einer anderen Person und einem völlig anderen Vorbringen aus als in der Folge in der Beweiswürdigung als Sachverhalt zugrunde gelegt wird:
"Hingegen folgte die Berufungsbehörde den Behauptungen der Berufungswerberin über ihre Fluchtgründe nicht, und zwar aus folgenden Gründen:
Erscheint es solcher Art schon sehr unwahrscheinlich, dass die Berufungswerberin die Begebenheiten, die sie schildert, tatsächlich erlebt hat, so wird dies noch weniger vorstellbar, wenn man die Widersprüche in ihrem Vorbringen betrachtet.
Nach ihren Angaben vor dem Bundesasylamt (AS 17) und vor der erkennenden Behörde (Niederschrift über die Verhandlung vom 31.8.2004, S 5) starb der Vater des Berufungswerbers am 20.12.2003. Nach seinen Angaben vor dem Bundesasylamt floh sie am 21.12.2003 zu dem Pastor. Vor der Berufungsbehörde gab sie an (S 13 der Niederschrift), dies sei nicht am 21.12.2003 gewesen, da drei Tage nach diesem Tag - an dem sie die erste Begegnung mit den Angehörigen des Ogboni-Bundes gehabt habe - die Männer des Ogboni-Bundes sie in der Nacht nochmals aufgesucht hätten. Als ihr dieser Widerspruch in der Berufungsverhandlung vorgehalten wurde, erklärte die Berufungswerberin, dies - der zweite Besuch - sei drei Tage später gewesen. Folgt man der Berufungswerberin hier - im Vorbringen vor dem Bundesasylamt ist von diesen drei Tagen noch nicht die Rede -, so starb der Vater der Berufungswerberin am 20.12.2003; am nächsten Tag, es suchten sie Mitglieder des Ogboni-Bundes zu Hause auf, und weitere drei Tage später - sohin am 24.12.2003 - kehrten sie in der Nacht nochmals zu ihm zurück. Auf die Frage, ob dies der Weihnachtsabend gewesen sei, erklärte die Berufungswerbers, dies sei vielleicht der Fall gewesen sei; sie sei 'ganz woanders mit meinen Gedanken' gewesen (S 13 der Niederschrift).
Am nächsten Tag (mithin am 25.12.2003) wäre die Berufungswerberin danach zum Pastor gegangen, der sie nach Lagos gebracht hätte; dort hätte sie sich zwei oder drei Tage aufgehalten (S 13 und 14 der Niederschrift). Dann kann die Berufungswerberin aber unmöglich am 26.12.2003 Nigeria verlassen haben, wie sie vor dem Bundesasylamt angegeben hat (AS 17). Als sie während der Berufungsverhandlung mit dieser ihrer Datumsangabe konfrontiert wurde, bestritt sie, vor dem Bundesasylamt überhaupt Daten angegeben zu haben. Dennoch blieb sie auf weitere Frage dabei, sie habe Nigeria am 26.12.2003 verlassen (S 14 der Niederschrift). Diesen Widerspruch konnte sie somit letztlich nicht aufklären.
Insgesamt erscheint somit die Fluchtgeschichte, welche die Berufungswerberin vorgebracht hat, nicht glaubwürdig. Den bisherigen Überlegungen steht nämlich nur die Beteuerung der Berufungswerberin gegenüber, die Wahrheit zu sprechen. Die Gründe, die gegen die Glaubwürdigkeit sprechen, überwiegen bei weitem."
In einem Satz (1. Satz des 3. Absatzes des Punktes 2.2.2.0) wechselt der angefochtene Bescheid sogar das Geschlecht jener Person, über deren Berufung der UBAS zu entscheiden hatte.
4. Dass es sich bei der Würdigung des Sachverhalts betreffend eine "Berufungswerberin" nicht bloß um einen Schreibfehler handelt, geht aus Folgendem hervor:
Der angefochtene Bescheid erwähnt eine Verhandlung vor dem UBAS vom 31. August 2004. An diesem Tage fand keine Verhandlung mit dem Beschwerdeführer vor dem UBAS statt, zumal beim UBAS noch gar kein Berufungsverfahren betreffend den Beschwerdeführer anhängig war. Aus dem Verwaltungsakt und dem erstinstanzlichen Bescheid ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 2. und 5. August 2004 sowie am 24. August 2005 einvernommen worden war. Keine der Niederschriften hat eine Seite 5, sodass sich daraus auch kein Widerspruch über den Tod des Vaters ergeben kann. Zu angeblichen Widersprüchen bezüglich der Flucht verweist der UBAS auf Seite 13 der nicht existierenden Niederschrift vom 31. August 2004.
Der UBAS hat somit im Rahmen der Beweiswürdigung bei der Behauptung angeblicher Widersprüche eine Sachverhaltsdarstellung über den Beschwerdeführer mit Angaben konfrontiert, die offenbar eine andere Person in einem anderen Verfahren gemacht hat.
Dem angefochtenen Bescheid ist somit Willkür vorzuwerfen, sodass der Beschwerdeführer im Grundrecht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurde.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG; im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 360,- enthalten.römisch III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG; im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 360,- enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Asylrecht, Fremdenrecht, BescheidbegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:B257.2008Zuletzt aktualisiert am
18.08.2010