TE OGH 2008/6/10 1Ob235/07a

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Veröffentlicht am 10.06.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. Dr. Eva L*****, und 2. Dipl.-Ing. Heinrich S*****, beide vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei N*****ges.m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Dr. Till Hausmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 48.973,96 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 45.886,91 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. August 2007, GZ 39 R 36/07v-33, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. November 2006, GZ 48 C 635/04w-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden - unter Einschluss des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils - dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen 48.973,96 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 10. 2004 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 17.558,75 EUR (darin enthalten 2.242,71 EUR USt und 4.102,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger begehrten als Vermieter von Geschäftsräumlichkeiten von der Beklagten als Mieterin die Zahlung von rückständigem Mietzins (zuletzt 48.973,96 EUR) aufgrund einer gemäß § 12a MRG vorgenommenen Anhebung des Hauptmietzinses.Die Kläger begehrten als Vermieter von Geschäftsräumlichkeiten von der Beklagten als Mieterin die Zahlung von rückständigem Mietzins (zuletzt 48.973,96 EUR) aufgrund einer gemäß Paragraph 12 a, MRG vorgenommenen Anhebung des Hauptmietzinses.

Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines „Machtwechsels" in ihrer Gesellschaft im Sinne des § 12a Abs 3 MRG.Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines „Machtwechsels" in ihrer Gesellschaft im Sinne des Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang überwiegend (Zuspruch von 45.886,91 EUR, unangefochtene Abweisung des Mehrbegehrens von 3.087,05 EUR) statt. Es ging im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Bei Gründung der Beklagten im März 1986 hielten der Gesellschafter Norbert S***** 50 %, Ursula S***** 25 % und Alfred S***** weitere 25 % der Geschäftsanteile. Im Oktober 1986 erwarb Norbert S***** ein weiteres 1/2 % der Anteile. Die Anteile der beiden übrigen Gesellschafter sanken auf je 24,75 %. Per 1. 10. 1997 erwarb Norbert S***** die Anteile von Alfred S*****. Seit diesem Zeitpunkt hält Norbert S***** 75,25 % und Ursula S***** nach wie vor 24,75 % der Geschäftsanteile.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass (auch) Veränderungen des Geschäftsanteils von 50 % auf über 75 % eine entscheidende Änderung im Sinne von § 12a Abs 3 MRG darstellten. Das Erlangen der Dreiviertelmehrheit durch den Gesellschafter Norbert S***** im Jahr 1997 begründe einen Machtwechsel in der Mietergesellschaft, weshalb die Kläger zur (rückwirkenden) Anhebung des Mietzinses berechtigt seien.Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass (auch) Veränderungen des Geschäftsanteils von 50 % auf über 75 % eine entscheidende Änderung im Sinne von Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG darstellten. Das Erlangen der Dreiviertelmehrheit durch den Gesellschafter Norbert S***** im Jahr 1997 begründe einen Machtwechsel in der Mietergesellschaft, weshalb die Kläger zur (rückwirkenden) Anhebung des Mietzinses berechtigt seien.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Gemäß § 46a Abs 1 MRG sei § 12a Abs 3 MRG auf alle Änderungen in der Mietergesellschaft anzuwenden, die ab dem 1. 10. 1993 eingetreten seien. Vor diesem Stichtag erfolgte gesellschaftsrechtliche Veränderungen könnten nicht im Nachhinein zu einer Mietzinsanhebung führen. Die Aufstockung der Anteile des Norbert S***** im Jahr 1986 könne daher nicht (im Nachhinein) als eine „Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten" im Sinne des § 12a Abs 3 MRG angesehen werden. Erst die bereits im Anwendungsbereich des 3. WÄG erfolgte Ausweitung der Einflussmöglichkeiten des Norbert S***** als Mehrheitsgesellschafter berechtige die Kläger zur Anhebung des Mietzinses.Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Gemäß Paragraph 46 a, Absatz eins, MRG sei Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG auf alle Änderungen in der Mietergesellschaft anzuwenden, die ab dem 1. 10. 1993 eingetreten seien. Vor diesem Stichtag erfolgte gesellschaftsrechtliche Veränderungen könnten nicht im Nachhinein zu einer Mietzinsanhebung führen. Die Aufstockung der Anteile des Norbert S***** im Jahr 1986 könne daher nicht (im Nachhinein) als eine „Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten" im Sinne des Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG angesehen werden. Erst die bereits im Anwendungsbereich des 3. WÄG erfolgte Ausweitung der Einflussmöglichkeiten des Norbert S***** als Mehrheitsgesellschafter berechtige die Kläger zur Anhebung des Mietzinses.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

1. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 46a Abs 1 MRG ist im Fall eines am 1. 3. 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit § 12a Abs 3 MRG mit der Maßgabe anzuwenden, dass solche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem 1. 10. 1993 eingetreten sind. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Geschäftsanteilsaufstockung des Norbert S***** im Jahr 1986 - auf 50,5 % - bei der hier zu lösenden Frage des Machtwechsels keine Berücksichtigung zu finden hat. Zu beurteilen bleibt daher, ob die Aufstockung von 50,5 % auf 75,25 % der Geschäftsanteile zu einem Machtwechsel im Sinne des § 12a Abs 3 MRG führte.1. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des Paragraph 46 a, Absatz eins, MRG ist im Fall eines am 1. 3. 1994 bestehenden Hauptmietvertrags über eine Geschäftsräumlichkeit Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG mit der Maßgabe anzuwenden, dass solche Änderungen unberücksichtigt bleiben, die vor dem 1. 10. 1993 eingetreten sind. Das Berufungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Geschäftsanteilsaufstockung des Norbert S***** im Jahr 1986 - auf 50,5 % - bei der hier zu lösenden Frage des Machtwechsels keine Berücksichtigung zu finden hat. Zu beurteilen bleibt daher, ob die Aufstockung von 50,5 % auf 75,25 % der Geschäftsanteile zu einem Machtwechsel im Sinne des Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG führte.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt ein Machtwechsel bei Kapitalgesellschaften im Sinne des § 12a Abs 3 MRG grundsätzlich dann vor, wenn es zum „Kippen der Mehrheitsverhältnisse" kommt (1 Ob 226/98m uva). Ein „Kippen der Mehrheitsverhältnisse" ist dann gegeben, wenn es dem Machtträger aufgrund seiner geänderten gesellschaftsrechtlichen Position nunmehr möglich ist, die Geschicke der Gesellschaft faktisch zu bestimmen, weil deren rechtliche Strukturen keine Handhabe bieten, ihn daran wirksam zu hindern. Dabei ist vor allem an die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführungsorgane zu denken (5 Ob 288/98h). Ein Machtwechsel tritt gewiss auch dann ein, wenn ein Gesellschafter an der Mietergesellschaft mit einem Stammkapital von 50 % beteiligt war und eine weitere Stammeinlage von 25 % erwirbt, sodass er über einen Geschäftsanteil von 75 % und damit über jene Dreiviertelmehrheit verfügt, die ihn gemäß § 50 Abs 1 GmbHG berechtigt, sogar den Gesellschaftsvertrag zu ändern (5 Ob 320/98i).2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt ein Machtwechsel bei Kapitalgesellschaften im Sinne des Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG grundsätzlich dann vor, wenn es zum „Kippen der Mehrheitsverhältnisse" kommt (1 Ob 226/98m uva). Ein „Kippen der Mehrheitsverhältnisse" ist dann gegeben, wenn es dem Machtträger aufgrund seiner geänderten gesellschaftsrechtlichen Position nunmehr möglich ist, die Geschicke der Gesellschaft faktisch zu bestimmen, weil deren rechtliche Strukturen keine Handhabe bieten, ihn daran wirksam zu hindern. Dabei ist vor allem an die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführungsorgane zu denken (5 Ob 288/98h). Ein Machtwechsel tritt gewiss auch dann ein, wenn ein Gesellschafter an der Mietergesellschaft mit einem Stammkapital von 50 % beteiligt war und eine weitere Stammeinlage von 25 % erwirbt, sodass er über einen Geschäftsanteil von 75 % und damit über jene Dreiviertelmehrheit verfügt, die ihn gemäß Paragraph 50, Absatz eins, GmbHG berechtigt, sogar den Gesellschaftsvertrag zu ändern (5 Ob 320/98i).

Im vorliegenden Fall erreichte der Mehrheitsgesellschafter 1997 die Dreiviertelmehrheit und könnte somit „sogar" den Gesellschaftsvertrag ändern. Weiters berechtigt ihn dieser qualifizierte Mehrheitsbesitz unter anderem zur Veräußerung des Gesellschaftsvermögens als Ganzes, zur Vornahme einer Verschmelzung bzw einer formwechselnden Umwandlung in eine AG oder zur Fassung eines verhältniswahrenden Spaltungsbeschlusses (siehe Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5, Rz 438). Dies alles bedeutet aber nicht ein „Kippen der Mehrheitsverhältnisse". Norbert S***** hatte bereits vor der streitgegenständlichen Aufstockung seiner Geschäftsanteile - im Unterschied zu dem der Entscheidung 5 Ob 320/98i zugrunde liegenden Sachverhalt - die absolute Mehrheit der Anteile an der Mietergesellschaft inne. Er konnte auch schon vor der Aufstockung über die Geschicke der GmbH bestimmen. Die hier erfolgte Erhöhung der bereits bestehenden Stimmenmehrheit bewirkte keine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft (vgl 3 Ob 114/00m).Im vorliegenden Fall erreichte der Mehrheitsgesellschafter 1997 die Dreiviertelmehrheit und könnte somit „sogar" den Gesellschaftsvertrag ändern. Weiters berechtigt ihn dieser qualifizierte Mehrheitsbesitz unter anderem zur Veräußerung des Gesellschaftsvermögens als Ganzes, zur Vornahme einer Verschmelzung bzw einer formwechselnden Umwandlung in eine AG oder zur Fassung eines verhältniswahrenden Spaltungsbeschlusses (siehe Umfahrer, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung5, Rz 438). Dies alles bedeutet aber nicht ein „Kippen der Mehrheitsverhältnisse". Norbert S***** hatte bereits vor der streitgegenständlichen Aufstockung seiner Geschäftsanteile - im Unterschied zu dem der Entscheidung 5 Ob 320/98i zugrunde liegenden Sachverhalt - die absolute Mehrheit der Anteile an der Mietergesellschaft inne. Er konnte auch schon vor der Aufstockung über die Geschicke der GmbH bestimmen. Die hier erfolgte Erhöhung der bereits bestehenden Stimmenmehrheit bewirkte keine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der Gesellschaft vergleiche 3 Ob 114/00m).

3. Die Aufstockung von 50,5 % auf 75,25 % der Geschäftsanteile stellt auch keine Veränderung dar, die einer Änderung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft nahe käme. Dem Gesetzgeber ging es (nur) darum, typische Umgehungsfälle zu erfassen (siehe Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 12a MRG Rz 16). Tragender Gedanke des § 12a Abs 3 MRG ist es, zu verhindern, dass durch gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten mehrheitlich andere Personen als der bisherige Mieter zum Nachteil des Vermieters einen unangemessen niedrigen Mietzins verwerten können (1 Ob 180/07p mwN). Davon kann hier nicht die Rede sein.3. Die Aufstockung von 50,5 % auf 75,25 % der Geschäftsanteile stellt auch keine Veränderung dar, die einer Änderung der wirtschaftlichen Machtverhältnisse in der Gesellschaft nahe käme. Dem Gesetzgeber ging es (nur) darum, typische Umgehungsfälle zu erfassen (siehe Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 Paragraph 12 a, MRG Rz 16). Tragender Gedanke des Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG ist es, zu verhindern, dass durch gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten mehrheitlich andere Personen als der bisherige Mieter zum Nachteil des Vermieters einen unangemessen niedrigen Mietzins verwerten können (1 Ob 180/07p mwN). Davon kann hier nicht die Rede sein.

Es hat sohin kein Machtwechsel im Sinne des § 12a Abs 3 MRG stattgefunden, weshalb der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen ist.Es hat sohin kein Machtwechsel im Sinne des Paragraph 12 a, Absatz 3, MRG stattgefunden, weshalb der Revision Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50 und 41 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet auf den Paragraphen 50 und 41 ZPO.

Textnummer

E87674

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00235.07A.0610.000

Im RIS seit

10.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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