Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der am 8. November 2007 verstorbenen Betroffenen Olga R*****, infolge Rekurses deren Sohnes Hans R*****, gegen Punkt 3.) des Beschlusses des Landesgerichts Innsbruck vom 28. März 2008, GZ 53 R 32/08g, 33/08d-262, womit über den Rekurswerber eine Ordnungsstrafe von 500 EUR verhängt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 5. November 2007 ON 250 bestimmte das Erstgericht ua die Entschädigung des Sachwalters für den Zeitraum 7. Juli 2006 bis 10. Oktober 2007 mit 3.000 EUR und ermächtigte den Sachwalter, diesen Betrag vom Konto der Betroffenen zu beheben. Wenige Tage später - am 8. November 2007 - verstarb die Betroffene. Wie deren Sohn (der Rekurswerber) selbst vorbringt, gelangte ihm der Beschluss des Erstgerichts erst am 8. Februar 2008 zur Kenntnis. Am 14. Februar 2008 überreichte er einen Rekurs, in dem er den Standpunkt vertrat, dem Sachwalter stehe aus näher genannten Gründen keine Entlohnung zu, weswegen er die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung und die sofortige Rücküberweisung der 3.000 EUR beantragte. Unter anderem führte er aus:
„Dieser miese Beschluss wird im Volksmund schlicht als Leichenflederei bezeichnet. ... Übrigens leben die betroffenen Richter einschließlich der Rekursrichter des LG. Ibk. noch in Hitlerzeiten ... Insgesamt möchte ich angeben, daß meine Mutter ohne Zwangseinweisung ins Altersheim nach Angaben der Ärzte noch 3 bis 5 Jahre länger gelebt hätte ! Der Altweiberschreck Dr. W***** gehört meiner Meinung nach entweder ins Narrenhaus oder in ein Zuchthaus !"
Bei Dr. Angelika W***** handelt es sich um eine am Erstgericht ernannte Richterin.
Das Rekursgericht verhängte mit Punkt 3.) seines Beschlusses über den Rekurswerber eine Ordnungsstrafe von 500 EUR. Denn jede Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletze, sei unter Sanktion zu stellen, um eine sachliche und unpersönliche Ausdrucksweise zu wahren. Die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsstrafen solle helfen, das Verfahren zu „entschärfen". Eine Ordnungsstrafe habe verhängt werden müssen, weil es sich um beleidigende und unangemessene Äußerungen handle, die mit einer sachlichen und berechtigten Kritik nichts mehr zu tun hätten.
Der Rekurswerber stellt in seinem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rekurs ON 264 den Antrag, die Ordnungsstrafe aufzuheben bzw wegen mangelnder Schuld ihm zu erlassen und Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Dazu bringt er vor, auch die Gerichte hätten in der Sachwalterschaftssache keinen Versuch der „Entschärfung" bzw der Deeskalation des für seine Mutter unzumutbaren Zustands unternommen. Infolge deren Todes habe er sich in einem verständlichen psychischen Ausnahmezustand befunden, in dessen Folge es zu einer Überreaktion in Form von unkontrollierten Äußerungen gekommen sei. Aus diesem Grund sei ihm ein nachvollziehbarer Schuld- und Tatausschließungsgrund zuzuerkennen. Seine „Tat" tue ihm leid und er wolle sich dafür höflichst entschuldigen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
a) Zur Zulässigkeit: Nach ständiger und einhelliger Rechtsprechung ist gegen die Verhängung einer Ordnungsstrafe durch das Rechtsmittelgericht der Rekurs unabhängig von der Höhe der verhängten Ordnungsstrafe, einer allfälligen Wertgrenze für die Erhebung des Rechtsmittels oder dem Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig (9 Ob 136/06z uva; RIS-Justiz RS0036270, RS0121603). Dieser Grundsatz gilt auch im Verfahren außer Streitsachen (4 Ob 2323/96p zur alten Rechtslage; an der Begründung dieser Entscheidung ist auch nach Änderung des Außerstreitverfahrens [§§ 62 ff AußStrG] festzuhalten [so 9 Ob 136/06z]). Weil die Ordnungsstrafe vom Rekursgericht erstmals verhängt wurde, besteht für den dagegen erhobenen Rekurs keine Anwaltspflicht (9 Ob 136/06z), sodass hier das Fehlen einer Anwaltsunterschrift auf dem Rechtsmittel nicht schadet.
b) Inhaltlich erweist sich der Rekurs jedoch als nicht berechtigt:
1. Nach § 22 AußStrG sind die Bestimmungen der ZPO über die Beleidigungen in Schriftsätzen und über Strafen sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 86 ZPO idF der ZVN 1983 kann gegen eine Partei, welche die dem Gericht schuldige Achtung in einem Schriftsatz durch beleidigende Ausfälle verletzt oder welche in einem Schriftsatz den Gegner ... beleidigt, unbeschadet der deshalb etwa eintretenden strafgerichtlichen Verfolgung vom Gerichte eine Ordnungsstrafe verhängt werden. Durch die Verhängung von Ordnungsstrafen soll sichergestellt werden, dass sich die am Verfahren beteiligten Personen - auch in ihrem eigenen Interesse - einer sachlichen und unpersönlichen Ausdrucksweise bedienen (stRsp, 1 Nd 27/95 uva; RIS-Justiz RS0036327). Durch die - verfassungskonforme (RIS-Justiz RS0036302) und im Einklang mit der EMRK stehende (Ordnungsstrafen nach der ZPO fallen nicht unter § 6 EMRK) - Bestimmung des § 86 ZPO soll keineswegs eine sachlich berechtigte Kritik verhindert, sondern nur jede an das Gericht gerichtete Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung verletzt, sanktioniert werden (RIS-Justiz RS0036327).1. Nach Paragraph 22, AußStrG sind die Bestimmungen der ZPO über die Beleidigungen in Schriftsätzen und über Strafen sinngemäß anzuwenden. Gemäß Paragraph 86, ZPO in der Fassung der ZVN 1983 kann gegen eine Partei, welche die dem Gericht schuldige Achtung in einem Schriftsatz durch beleidigende Ausfälle verletzt oder welche in einem Schriftsatz den Gegner ... beleidigt, unbeschadet der deshalb etwa eintretenden strafgerichtlichen Verfolgung vom Gerichte eine Ordnungsstrafe verhängt werden. Durch die Verhängung von Ordnungsstrafen soll sichergestellt werden, dass sich die am Verfahren beteiligten Personen - auch in ihrem eigenen Interesse - einer sachlichen und unpersönlichen Ausdrucksweise bedienen (stRsp, 1 Nd 27/95 uva; RIS-Justiz RS0036327). Durch die - verfassungskonforme (RIS-Justiz RS0036302) und im Einklang mit der EMRK stehende (Ordnungsstrafen nach der ZPO fallen nicht unter Paragraph 6, EMRK) - Bestimmung des Paragraph 86, ZPO soll keineswegs eine sachlich berechtigte Kritik verhindert, sondern nur jede an das Gericht gerichtete Eingabe, deren Inhalt die dem Gericht schuldige Achtung verletzt, sanktioniert werden (RIS-Justiz RS0036327).
Die oben in den wesentlichen Punkten wiedergegebenen Äußerungen überschreiten eindeutig das Maß sachlich berechtigter Kritik. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend zum Ausdruck brachte, kann eine derartige Diktion im Interesse eines objektiven und emotionslos geführten Verfahrens nicht hingenommen werden.
2. Wenn der Rekurswerber seine Äußerungen nunmehr als „Überreaktion" darzustellen versucht, so ist ihm zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Verletzung der dem Gericht schuldigen Achtung nicht nur dann mit einer Ordnungsstrafe zu belegen ist, wenn sie in der Absicht begangen wurde, das Gericht zu verunglimpfen, sondern auch dann, wenn sie einem Mangel an Überlegung entsprang (RIS-Justiz RS0036397). Es kommt nicht auf die Absicht des Verfassers des Schriftsatzes an, sondern auf die Beurteilung der Äußerung nach objektiven Gesichtspunkten (1 Nd 27/95 uva; RIS-Justiz RS0036303). Die objektive Beurteilung und nicht die Absicht des Verfassers entscheidet, ob der Schriftsatz beleidigende Ausfälle enthält (RIS-Justiz RS0036256). Ebenso kommt es auch nicht darauf an, dass die Formulierungen von einem juristischen Laien stammen (1 Ob 181/98v). Ausreichend konkrete Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor, zumal die Verfassung des Rekurses ON 260 mehr als drei Monate nach dem Tod der Mutter des Rekurswerbers erfolgte. Nur bei Unzurechnungsfähigkeit des Schriftenverfassers hat eine Bestrafung zu unterbleiben (Gitschthaler in Rechberger3, § 86 ZPO Rz 4).2. Wenn der Rekurswerber seine Äußerungen nunmehr als „Überreaktion" darzustellen versucht, so ist ihm zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Verletzung der dem Gericht schuldigen Achtung nicht nur dann mit einer Ordnungsstrafe zu belegen ist, wenn sie in der Absicht begangen wurde, das Gericht zu verunglimpfen, sondern auch dann, wenn sie einem Mangel an Überlegung entsprang (RIS-Justiz RS0036397). Es kommt nicht auf die Absicht des Verfassers des Schriftsatzes an, sondern auf die Beurteilung der Äußerung nach objektiven Gesichtspunkten (1 Nd 27/95 uva; RIS-Justiz RS0036303). Die objektive Beurteilung und nicht die Absicht des Verfassers entscheidet, ob der Schriftsatz beleidigende Ausfälle enthält (RIS-Justiz RS0036256). Ebenso kommt es auch nicht darauf an, dass die Formulierungen von einem juristischen Laien stammen (1 Ob 181/98v). Ausreichend konkrete Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor, zumal die Verfassung des Rekurses ON 260 mehr als drei Monate nach dem Tod der Mutter des Rekurswerbers erfolgte. Nur bei Unzurechnungsfähigkeit des Schriftenverfassers hat eine Bestrafung zu unterbleiben (Gitschthaler in Rechberger3, Paragraph 86, ZPO Rz 4).
Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht in der Lage, die vom Rekursgericht verhängte Ordnungsstrafe aufzuheben.
3. In Bezug auf deren Höhe wurde der dem Gericht eingeräumte Ermessensspielraum nicht überschritten, weil die verhängte Ordnungsstrafe den in § 220 Abs 1 ZPO idF des 2. Euro-JuBeG vorgesehenen Strafrahmen (bis 1.450 EUR) bei weiten nicht ausschöpft. Dass die verhängte Strafe die finanziellen Möglichkeiten des Rekurswerbers übersteigen würde, ist im Rechtsmittel nicht vorgetragen worden. Zur nun ausdrücklichen Entschuldigung des Rekurswerbers ergibt sich Folgendes: Strittig ist, ob die Zivilgerichte rechtskräftig verhängte Ordnungsstrafen gnadenweise erlassen können (vgl dazu Gitschthaler aaO § 220 Rz 8 mwN), jedoch wird eine derartige Nachsicht einer Geldstrafe in jenen Fällen verneint, in denen die Strafe gesetzlich vorgeschrieben ist (6 Ob 43/05z = SZ 2005/60; RIS-Justiz RS0037316). Auch käme eine gnadenweise Nachsicht einer Ordnungsstrafe jedenfalls nur dem Gericht zu, das die Strafe verhängt hat (2 Ob 118/99p).3. In Bezug auf deren Höhe wurde der dem Gericht eingeräumte Ermessensspielraum nicht überschritten, weil die verhängte Ordnungsstrafe den in Paragraph 220, Absatz eins, ZPO in der Fassung des 2. Euro-JuBeG vorgesehenen Strafrahmen (bis 1.450 EUR) bei weiten nicht ausschöpft. Dass die verhängte Strafe die finanziellen Möglichkeiten des Rekurswerbers übersteigen würde, ist im Rechtsmittel nicht vorgetragen worden. Zur nun ausdrücklichen Entschuldigung des Rekurswerbers ergibt sich Folgendes: Strittig ist, ob die Zivilgerichte rechtskräftig verhängte Ordnungsstrafen gnadenweise erlassen können vergleiche dazu Gitschthaler aaO Paragraph 220, Rz 8 mwN), jedoch wird eine derartige Nachsicht einer Geldstrafe in jenen Fällen verneint, in denen die Strafe gesetzlich vorgeschrieben ist (6 Ob 43/05z = SZ 2005/60; RIS-Justiz RS0037316). Auch käme eine gnadenweise Nachsicht einer Ordnungsstrafe jedenfalls nur dem Gericht zu, das die Strafe verhängt hat (2 Ob 118/99p).
Textnummer
E87883European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00102.08H.0611.000Im RIS seit
11.07.2008Zuletzt aktualisiert am
17.06.2011