Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Günter K*****, und 2. Christa K*****, beide vertreten durch Dr. Herbert Grass und Mag. Günther Kiegerl, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider die beklagten Parteien 1. Emma M*****, und 2. Berta P*****, beide vertreten durch Divitschek Sieder Sauer Rechtsanwälte GmbH in Deutschlandsberg, wegen Feststellung eines Grenzverlaufs, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 5. März 2008, GZ 17 R 18/08d-34, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 22. November 2007, GZ 11 C 144/05k-29, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren der Kläger auf Feststellung eines bestimmten Grenzverlaufs zwischen einem in ihrem Miteigentum stehenden und einem im Miteigentum der Beklagten stehenden Grundstück in derselben Katastralgemeinde statt.
Aus Anlass der Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil hob das Berufungsgericht, nachdem es die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung widerrufen hatte, dieses Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück.
Das Gericht zweiter Instanz stellte „nach Prüfung der Berufungsakten" ergänzend fest: „Wie sich aus der Grundstücksdatenbank ergibt, sind beide Grundstücke im Grenzkataster enthalten."
Zur Begründung führte es aus, dass die Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen sei. Zufolge § 8 Z 1 VermG sei der Grenzkataster zum verbindlichen Nachweis der Grenzen der Grundstücke bestimmt. Zufolge § 853a ABGB seien auch streitige Gerichtsverfahren über einen eigentlichen Grenzstreit wie im vorliegenden Fall unzulässig. Die Wiederherstellung der streitigen Grenze sei allein vom Vermessungsamt vorzunehmen. Da die betroffenen Grundstücke im Grenzkataster enthalten seien, sei der Rechtsweg unzulässig.Zur Begründung führte es aus, dass die Prozessvoraussetzung der Zulässigkeit des Rechtswegs in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen sei. Zufolge Paragraph 8, Ziffer eins, VermG sei der Grenzkataster zum verbindlichen Nachweis der Grenzen der Grundstücke bestimmt. Zufolge Paragraph 853 a, ABGB seien auch streitige Gerichtsverfahren über einen eigentlichen Grenzstreit wie im vorliegenden Fall unzulässig. Die Wiederherstellung der streitigen Grenze sei allein vom Vermessungsamt vorzunehmen. Da die betroffenen Grundstücke im Grenzkataster enthalten seien, sei der Rechtsweg unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der jedenfalls zulässige Rekurs der Kläger (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO) ist berechtigt.Der jedenfalls zulässige Rekurs der Kläger (Paragraph 519, Absatz eins, Ziffer eins, ZPO) ist berechtigt.
Darin machen sie - unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit - geltend, das Berufungsgericht habe überraschend und entgegen den Beweisergebnissen völlig zu Unrecht die zitierte Feststellung getroffen. Aus den im Akt (ua im Privatgutachten Beilage ./A) enthaltenen Auszügen aus der digitalen Katastralmappe sowie dem Ergebnis der Abfrage aus der Grundstücksdatenbank ergebe sich weder die Angabe des Buchstabens „G" (im Grundstücksverzeichnis) neben noch (in der Mappe) drei kurze Striche unter den Grundstücksnummern. Die Feststellung lasse sich demnach daraus nicht ableiten.
Dem ist zu folgen. Da eine (allenfalls) unrichtige Bezeichnung von Rechtsmittelgründen nach § 84 Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht schaden kann, kann eine Erörterung, ob hier auch eine Aktenwidrigkeit vorläge, unterbleiben. Jedenfalls machen die Kläger hinreichend deutlich geltend, die ergänzende Feststellung sei mit ihnen nicht erörtert worden.Dem ist zu folgen. Da eine (allenfalls) unrichtige Bezeichnung von Rechtsmittelgründen nach Paragraph 84, Absatz 2, zweiter Satz ZPO nicht schaden kann, kann eine Erörterung, ob hier auch eine Aktenwidrigkeit vorläge, unterbleiben. Jedenfalls machen die Kläger hinreichend deutlich geltend, die ergänzende Feststellung sei mit ihnen nicht erörtert worden.
Nach der mittlerweile einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Tatsachen, die aus öffentlichen Registern zu entnehmen sind, weder allgemein bekannt noch gerichtskundig (3 Ob 224/97f = JBl 1999, 333 ua; RIS-Justiz RS0111112). Da aber darüber hinaus auch die Allgemeinkundigkeit einer Tatsache bezweifelt werden kann und der Beweis der Unrichtigkeit offenkundiger Tatsachen zulässig ist, sind zur Wahrung des rechtlichen Gehörs auch offenkundige Tatsachen mit den Parteien zu erörtern (10 ObS 263/01a = SSV-NF 15/107 ua; RIS-Justiz RS0040219 [T6]; ähnlich Rechberger in Rechberger³ § 269 ZPO Rz 4 mwN; für die Fälle bezweifelbarer Offenkundigkeit 10 ObS 277/03p); umso mehr muss das für nicht offenkundige Tatsachen gelten.Nach der mittlerweile einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Tatsachen, die aus öffentlichen Registern zu entnehmen sind, weder allgemein bekannt noch gerichtskundig (3 Ob 224/97f = JBl 1999, 333 ua; RIS-Justiz RS0111112). Da aber darüber hinaus auch die Allgemeinkundigkeit einer Tatsache bezweifelt werden kann und der Beweis der Unrichtigkeit offenkundiger Tatsachen zulässig ist, sind zur Wahrung des rechtlichen Gehörs auch offenkundige Tatsachen mit den Parteien zu erörtern (10 ObS 263/01a = SSV-NF 15/107 ua; RIS-Justiz RS0040219 [T6]; ähnlich Rechberger in Rechberger³ Paragraph 269, ZPO Rz 4 mwN; für die Fälle bezweifelbarer Offenkundigkeit 10 ObS 277/03p); umso mehr muss das für nicht offenkundige Tatsachen gelten.
Im Sinn der letztgenannten Entscheidung ist die Offenkundigkeit des angeblichen Aufscheinens der betroffenen Grundstücke im Grenzkataster nach der Aktenlage, aber auch nach einer rezenten Abfrage des Grundstücksverzeichnisses keinesfalls evident. Das Kürzel „TNA" bei „Grenzkataster" im Kopf der Auszüge weist offenbar auf eine bloß teilweise Neuanlegung des Grenzkatasters für einzelne Grundstücke in der betreffenden Katastralgemeinde hin (s Twaroch, Grundstücksgrenzen und Kataster, NZ 1994, 54 ff FN 10). Während nach dem Zeichenschlüssel im Anhang der Vermessungsverordnung BGBl 1994/562 in den Vermessungsplänen die Grundstücksnummern von im Grenzkataster enthaltenen Grundstücken mit drei getrennten Strichen zu unterstreichen sind (Zeichen 83), was auf die betroffenen gerade nicht zutrifft, fehlt es für die Kennzeichnung im Grundstücksverzeichnis an einer Regelung mittels Gesetz oder Verordnung. Dass ein Grundstück im Grenzkataster enthalten ist, ergibt sich aus der Eintragung des Indikators „G" im Grundstücksverzeichnis (Kaluza/Burtscher, VermG³ § 20 Anm 2), was durch einen Erlass des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen vom 4. Juli 1980, AZ K-4360/80, angeordnet wurde (Punkt 7, abgedruckt bei Dittrich/Hrbek/Kaluza, VermG² 379 f). Demnach ist bei einem Antrag nach § 17 Z 1 VermG nach Rechtskraft des Bescheides nach § 20 Abs 2 VermG bei dem betroffenen Grundstück [Original nicht kursiv] der Buchstabe „G" ... einzutragen. Dieser Buchstabe findet sich bei den hier gegenständlichen Grundstücken zwar in der Zeile, in der die Überschriften der einzelnen Rubriken abgedruckt sind (wie GST-NR, FLÄCHE etc), demnach als Spaltenbezeichnung, nicht aber „bei" der jeweiligen Grundstücksnummer, neben der die Rubrik „G" jeweils leer bleibt. Daraus folgt, dass keine Rede davon sein kann, die Grundstücke der Parteien wären unzweifelhaft im Grenzkataster enthalten.Im Sinn der letztgenannten Entscheidung ist die Offenkundigkeit des angeblichen Aufscheinens der betroffenen Grundstücke im Grenzkataster nach der Aktenlage, aber auch nach einer rezenten Abfrage des Grundstücksverzeichnisses keinesfalls evident. Das Kürzel „TNA" bei „Grenzkataster" im Kopf der Auszüge weist offenbar auf eine bloß teilweise Neuanlegung des Grenzkatasters für einzelne Grundstücke in der betreffenden Katastralgemeinde hin (s Twaroch, Grundstücksgrenzen und Kataster, NZ 1994, 54 ff FN 10). Während nach dem Zeichenschlüssel im Anhang der Vermessungsverordnung BGBl 1994/562 in den Vermessungsplänen die Grundstücksnummern von im Grenzkataster enthaltenen Grundstücken mit drei getrennten Strichen zu unterstreichen sind (Zeichen 83), was auf die betroffenen gerade nicht zutrifft, fehlt es für die Kennzeichnung im Grundstücksverzeichnis an einer Regelung mittels Gesetz oder Verordnung. Dass ein Grundstück im Grenzkataster enthalten ist, ergibt sich aus der Eintragung des Indikators „G" im Grundstücksverzeichnis (Kaluza/Burtscher, VermG³ Paragraph 20, Anmerkung 2), was durch einen Erlass des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen vom 4. Juli 1980, AZ K-4360/80, angeordnet wurde (Punkt 7, abgedruckt bei Dittrich/Hrbek/Kaluza, VermG² 379 f). Demnach ist bei einem Antrag nach Paragraph 17, Ziffer eins, VermG nach Rechtskraft des Bescheides nach Paragraph 20, Absatz 2, VermG bei dem betroffenen Grundstück [Original nicht kursiv] der Buchstabe „G" ... einzutragen. Dieser Buchstabe findet sich bei den hier gegenständlichen Grundstücken zwar in der Zeile, in der die Überschriften der einzelnen Rubriken abgedruckt sind (wie GST-NR, FLÄCHE etc), demnach als Spaltenbezeichnung, nicht aber „bei" der jeweiligen Grundstücksnummer, neben der die Rubrik „G" jeweils leer bleibt. Daraus folgt, dass keine Rede davon sein kann, die Grundstücke der Parteien wären unzweifelhaft im Grenzkataster enthalten.
Die (wie dargelegt gerügte) Verletzung der Erörterungspflicht bildet zumindest einen Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO (Rechberger in Fasching/Konecny² § 269 ZPO Rz 13), hier iVm § 503 Z 2 und § 463 ZPO. Dieser führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht. Dieses wird unter Beachtung der dargelegten Verfahrensgrundsätze erneut über die Berufung der Kläger zu entscheiden haben.Die (wie dargelegt gerügte) Verletzung der Erörterungspflicht bildet zumindest einen Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens iSd Paragraph 496, Absatz eins, Ziffer 2, ZPO (Rechberger in Fasching/Konecny² Paragraph 269, ZPO Rz 13), hier in Verbindung mit Paragraph 503, Ziffer 2 und Paragraph 463, ZPO. Dieser führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht. Dieses wird unter Beachtung der dargelegten Verfahrensgrundsätze erneut über die Berufung der Kläger zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.
Textnummer
E87887European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00115.08W.0611.000Im RIS seit
11.07.2008Zuletzt aktualisiert am
07.03.2016