Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Walter Anzböck, Rechtsanwalt, Tulln, Stiegengasse 8, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der B***** GmbH (AZ 27 S 540/03b des Landesgerichts St. Pölten), wider die beklagte Partei Ing. Erwin S*****, vertreten durch Dr. Georg Thum, Rechtsanwalt in St. Pölten als Verfahrenshelfer, wegen 83.573,76 EUR sA, infolge „außerordentlicher" Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. März 2008, GZ 3 R 17/08d-44, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 31. Oktober 2007, GZ 4 Cg 204/04g-35, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird in Ansehung der angefochtenen Zahlungen von 50.000
S (= 3.633,64 EUR) vom 15. November 2001, von 290.000 S (= 21.075,12
EUR) und von 300.000 S (= 21.801,85 EUR), beide vom 2. Oktober 2001
zurückgewiesen.
In Ansehung der angefochtenen Zahlungen von 100.000 S (= 7.267,28
EUR) vom 11. September 2001, von 200.000 S (= 14.534,57 EUR) und von
210.000 S (= 15.261,30 EUR), beide vom 2. Oktober 2001 wird der Akt
an das Erstgericht zur Vorlage an das Berufungsgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, der Sohn des Beklagten, der ihm ein Darlehen über 1,5 Mio S gewährt hatte, veranlasste folgende Zahlungen vom Konto der damals bereits überschuldeten Gemeinschuldnerin an den Beklagten:
100.000 S (= 7.267,28 EUR) am 11. September 2001; 200.000 S (=
14.534,57 EUR), 210.000 S (= 15.261,30 EUR), 290.000 S (= 21.075,12
EUR) und 300.000 S (= 21.801,85 EUR) am 2. Oktober 2001 und 50.000 S
(= 3.633,64 EUR) am 15. November 2001.
Das Berufungsgericht bestätigte die Stattgebung der vom Masseverwalter erhobenen, gegen alle sechs Zahlungen der Gemeinschuldnerin an den Beklagten gerichteten Anfechtungsklage wegen Benachteiligungsabsicht nach § 28 Z 1 KO und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.Das Berufungsgericht bestätigte die Stattgebung der vom Masseverwalter erhobenen, gegen alle sechs Zahlungen der Gemeinschuldnerin an den Beklagten gerichteten Anfechtungsklage wegen Benachteiligungsabsicht nach Paragraph 28, Ziffer eins, KO und sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Die Benachteiligungsabsicht der Gemeinschuldnerin habe das Erstgericht - unbekämpft - festgestellt. Der Beklagte habe keine Forderung gegen die Gemeinschuldnerin gehabt, es liege daher schon deshalb eine inkongruente Deckung vor. Gläubigerbenachteiligung und Befriedigungstauglichkeit der Anfechtung stünden außer Zweifel. Dem Beklagten sei bewusst gewesen, dass er die Zahlung von der Gemeinschuldnerin erhalte, gegen die er keine Forderung habe, sein Sohn aber nicht in der Lage sei, seine Schuld zu erfüllen. Er habe auch gewusst, dass die angefochtenen Zahlungen die Rückzahlung von Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin erschweren und den Anspruch einer Privatstiftung auf die von der Gemeinschuldnerin zu erwirtschaftenden Überschüsse beeinträchtigen würden. All dies reiche für die Annahme der Kenntnis der Benachteiligungsabsicht auf Seiten des Beklagten aus.
Rechtliche Beurteilung
Die „außerordentliche" Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Anfechtungsklage anstrebt, ist in Ansehung der unter 4.000 EUR liegenden Zahlung jedenfalls und in Ansehung der über 20.000 EUR liegenden Zahlungen mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. In Ansehung der drei zwischen 4.000 EUR und 20.000 EUR liegenden Zahlungen fehlt (derzeit) die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs.Die „außerordentliche" Revision des Beklagten, mit der er die Abweisung der Anfechtungsklage anstrebt, ist in Ansehung der unter 4.000 EUR liegenden Zahlung jedenfalls und in Ansehung der über 20.000 EUR liegenden Zahlungen mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO unzulässig. In Ansehung der drei zwischen 4.000 EUR und 20.000 EUR liegenden Zahlungen fehlt (derzeit) die Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs.
Im Hinblick auf die Revisionszulässigkeit ist die Frage zu beantworten, ob die Zahlungen zusammenzurechnen sind oder nicht. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln. Diese Regelung ist gemäß Abs 5 leg cit auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei erhobene Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine ZusammenrechnungIm Hinblick auf die Revisionszulässigkeit ist die Frage zu beantworten, ob die Zahlungen zusammenzurechnen sind oder nicht. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des Paragraph 55, Absatz eins, JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln. Diese Regelung ist gemäß Absatz 5, leg cit auch für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Demnach sind für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei erhobene Ansprüche nur dann zusammenzurechnen, wenn sie im Sinn des Paragraph 55, Absatz eins, Ziffer eins, JN in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Mehrere Ansprüche stehen in einem tatsächlichen Zusammenhang, wenn sie allesamt aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (RIS-Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt dagegen vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0037648). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann; in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung
stattfindet (1 Ob 673/90 = SZ 63/188 = ÖBA 1991, 384; 1 Ob 15/92 = SZ
65/94 = JBl 1993, 399; 3 Ob 2084/96h, je mwN; RIS-Justiz RS0037899).
Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist von den Klageangaben auszugehen (3 Ob 2084/96h; 1 Ob 2295/96y; 1 Ob 202/97f; RIS-Justiz RS0106759). Dass für alle Rechtshandlungen der gleiche Anfechtungstatbestand behauptet wird, reicht nach ständiger Rechtsprechung zur Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs nicht aus (7 Ob 282/01y = Zik 2002, 64 mwN ua; König, Anfechtungsrecht3 Rz 17/92). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass Zahlungen allein deshalb, weil sie der Abdeckung ein und derselben Kreditforderung gegen die Gemeinschuldnerin dienten und nach denselben Bestimmungen der Konkursordnung angefochten werden, zwecks Beurteilung der Revisionszulässigkeit mangels eines rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs im Sinn des § 55 Abs 1 JN nicht zusammenzurechnen sind (3 Ob 597/89; 7 Ob 282/01y; vgl König aaO). Auch im vorliegenden Fall ist der Umstand, dass sich die angefochtenen Zahlungen auf ein und denselben Darlehensvertrag gründen, nicht maßgeblich. Wird doch nicht der Darlehensvertrag, sondern werden die einzelnen Zahlungen der Gemeinschuldnerin angefochten, wobei jede dieser Anfechtungen - im Hinblick etwa auf die Erfordernisse der im Sinn des § 30 Abs 1 KO fristgerechten Anspruchserhebung oder des Bekanntseins bzw Bekanntseinmüssens der Benachteiligungsabsicht gemäß § 28 Z 1 KO - ein verschiedenes Schicksal haben kann. Mangels der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN ist im vorliegenden Fall daher jede Zahlung betreffend die Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen (7 Ob 282/01y mwN). In Ansehung der 4.000 EUR nicht übersteigenden Zahlung von 50.000 S ist die Revision demnach gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Über die Zulässigkeit der in Ansehung der 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigenden Zahlungen von 100.000 S, 200.000 S und 210.000 S erhobenen Revision wird gemäß § 507b Abs 2 ZPO das Berufungsgericht zu entscheiden haben, weshalb die Akten zwecks Vorlage an das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht zurückzustellen sind (RIS-Justiz RS0109623).Bei der Prüfung der Frage, ob die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen, ist von den Klageangaben auszugehen (3 Ob 2084/96h; 1 Ob 2295/96y; 1 Ob 202/97f; RIS-Justiz RS0106759). Dass für alle Rechtshandlungen der gleiche Anfechtungstatbestand behauptet wird, reicht nach ständiger Rechtsprechung zur Annahme eines rechtlichen Zusammenhangs nicht aus (7 Ob 282/01y = Zik 2002, 64 mwN ua; König, Anfechtungsrecht3 Rz 17/92). Wiederholt hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass Zahlungen allein deshalb, weil sie der Abdeckung ein und derselben Kreditforderung gegen die Gemeinschuldnerin dienten und nach denselben Bestimmungen der Konkursordnung angefochten werden, zwecks Beurteilung der Revisionszulässigkeit mangels eines rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs im Sinn des Paragraph 55, Absatz eins, JN nicht zusammenzurechnen sind (3 Ob 597/89; 7 Ob 282/01y; vergleiche König aaO). Auch im vorliegenden Fall ist der Umstand, dass sich die angefochtenen Zahlungen auf ein und denselben Darlehensvertrag gründen, nicht maßgeblich. Wird doch nicht der Darlehensvertrag, sondern werden die einzelnen Zahlungen der Gemeinschuldnerin angefochten, wobei jede dieser Anfechtungen - im Hinblick etwa auf die Erfordernisse der im Sinn des Paragraph 30, Absatz eins, KO fristgerechten Anspruchserhebung oder des Bekanntseins bzw Bekanntseinmüssens der Benachteiligungsabsicht gemäß Paragraph 28, Ziffer eins, KO - ein verschiedenes Schicksal haben kann. Mangels der Voraussetzungen des Paragraph 55, Absatz eins, JN ist im vorliegenden Fall daher jede Zahlung betreffend die Zulässigkeit der Revision gesondert zu beurteilen (7 Ob 282/01y mwN). In Ansehung der 4.000 EUR nicht übersteigenden Zahlung von 50.000 S ist die Revision demnach gemäß Paragraph 502, Absatz 2, ZPO jedenfalls unzulässig. Über die Zulässigkeit der in Ansehung der 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigenden Zahlungen von 100.000 S, 200.000 S und 210.000 S erhobenen Revision wird gemäß Paragraph 507 b, Absatz 2, ZPO das Berufungsgericht zu entscheiden haben, weshalb die Akten zwecks Vorlage an das Gericht zweiter Instanz dem Erstgericht zurückzustellen sind (RIS-Justiz RS0109623).
In Ansehung der 20.000 EUR übersteigenden Zahlungen von 290.000 S und 300.000 S ist das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu prüfen. Solche vermag der Revisionswerber allerdings nicht aufzuzeigen.In Ansehung der 20.000 EUR übersteigenden Zahlungen von 290.000 S und 300.000 S ist das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zu prüfen. Solche vermag der Revisionswerber allerdings nicht aufzuzeigen.
Ob dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht des Schuldners hätte auffallen müssen, hängt im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0101976). Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt angesichts der vorinstanzlichen Feststellungen nicht vor. Beweislastfragen stellen sich im Hinblick auf die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht.Ob dem Anfechtungsgegner die Benachteiligungsabsicht des Schuldners hätte auffallen müssen, hängt im Allgemeinen von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher nicht erheblich im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO (RIS-Justiz RS0101976). Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt angesichts der vorinstanzlichen Feststellungen nicht vor. Beweislastfragen stellen sich im Hinblick auf die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht.
Anmerkung
E878863Ob110.08kSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZIK 2008/337 S 208 - ZIK 2008,208XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00110.08K.0611.000Zuletzt aktualisiert am
24.01.2009