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L40017 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
GeschlKrG §12 Abs2 idF 2001/I/098;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der AI in I, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid des Unabhängige Verwaltungssenates in Tirol vom 12. Oktober 2005, Zl. uvs- 2005/29/2476-1, betreffend Bestrafung nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 in Verbindung mit §§ 24 und 51 VStG ergangenen nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe
1) Beziehungen zur Ausübung der Prostitution außerhalb
behördlich bewilligter Bordelle angebahnt, indem sie am 26. März 2005 zwischen 00.15 Uhr und 00.30 Uhr im Internet auf den Seiten "www.tirolcom.at" unter der Rubrik "Callgirls Tirol", welche auch in Innsbruck verbreitet werden, das Inserat "A, wieder in Innsbruck, Full Service! Zeigefreudige Dicke liebt alles Extreme, ich bin naturgeil, für Vieles offen und habe wirklich Spaß dabei!!! Tel.: " geschaltet habe und anlässlich der telefonischen Kontaktaufnahme unter der im Internet angeführten Mobiltelefonnummer angegeben habe, der Anrufer könne um 00.30 Uhr in eine näher bezeichnete Wohnung in Innsbruck kommen, wo sie in weiterer Folge auch angetroffen worden sei, und
2) am 26. März 2005 um 00.30 Uhr in Innsbruck anlässlich der Kontrolle kein Attest über erfolgte Untersuchungen habe vorweisen können, und es somit als Person, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulde oder solche Handlungen an anderen vornehme, unterlassen, sich vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen.
Sie habe dadurch zu Spruchpunkt 1 eine Verwaltungsübertretung gemäß § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 lit. c (richtig: lit. b) des Tiroler Landes-Polizeigesetzes und zu Spruchpunkt 2 eine solche nach § 12 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz in Verbindung mit § 1 und § 7 der Verordnung des BMGU, BGBl. 314/1974, begangen und sei zu Spruchpunkt 1 nach § 19 Abs. 1 TLPG mit einer Geldstrafe in Höhe von EUR 300,-- und zu Spruchpunkt 2 gemäß § 12 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz mit einer Geldstrafe in Höhe von EUR 50,-- zu bestrafen gewesen. Die belangte Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
"Die Beschuldigte hat am 26.03.2005 im Internet auf den Seiten www.tirolcom.at unter der Rubrik 'Callgirls Tirol', das Inserat 'A, wieder in Innsbruck, Full Service! Zeigefreudige Dicke liebt alles Extreme, ich bin naturgeil, für Vieles offen und habe wirklich Spaß dabei!!! Tel.: ' geschalten. Diese Internetseite wurde auch in Innsbruck verbreitet und konnte um 00.15 Uhr von den Beamten RI GS und AI S abgerufen werden. Mit diesem Inserat im Internet hat die Beschuldigte die Ausübung zur Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle angebahnt. Die Beschuldigte konnte sodann nach einem Telefonat unter der oben angeführten Telefonnummer um 00.30 Uhr in Innsbruck in der B-W-G 19 im Parterre, Top 19 angetroffen werden. Die Beschuldigte bestreitet ihren Lebensunterhalt aus den Einkünften der Prostitution. Am 26.03.2005 um 00.30 Uhr konnte die Beschuldigte sodann trotz Aufforderung durch einschreitenden Beamten in der B-W-G 19, Parterre, Top 3 kein Attest über die erfolgte Untersuchung nach dem Geschlechtskrankheitengesetz vorweisen."
Nach Darlegung ihrer beweiswürdigenden Überlegungen und Zitierung der von ihr in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen kam die belangte Behörde auf Grund des von ihr festgestellten Sachverhaltes zum rechtlichen Schluss, unter "Anbahnung" von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution sei jedes erkennbare Sich-Anbieten zur Ausführung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in der Absicht zu verstehen, sich hiedurch eine Einnahmequelle zu verschaffen. Sie umfasse auch die Kontaktaufnahme oder das Treffen von Preisabsprachen für den Vollzug des Geschlechtsverkehrs. Die Subsumtion eines konkreten Verhaltens unter den Begriff der "Anbahnung" setze voraus, dass das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringe. Es müsse allgemein und nicht nur einem eingeweihten Personenkreis gegenüber als Anbieten zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verstanden werden können. Allerdings bedeute diese allgemeine Erkennbarkeit nicht, dass dieses Verhalten auch im konkreten Fall von der Öffentlichkeit wahrgenommen habe werden können. Vielmehr komme es darauf an, ob ein bestimmtes Verhalten im Falle seiner Wahrnehmung nicht nur von einem einweihten Personenkreis der gewerbsmäßigen Unzucht zugeordnet worden wäre. Im gegenständlichen Fall habe es sich bei der in Rede stehenden Internetseite zweifellos um ein Prostitutionsangebot gehandelt. Zum einen habe die Beschwerdeführerin unter der Rubrik "Callgirls Tirol" inseriert, wobei der Begriff Callgirl aus dem Englischen komme und Synonym für den Begriff einer Prostituierten sei, die auf telefonischen Anruf hin komme oder jemanden empfange. Wesentliches Merkmal der Prostitution sei die Gewerbsmäßigkeit. Diese liege vor, wenn die Absicht der Täterin darauf gerichtet sei, sich durch öftere Wiederholung der strafbaren Handlung eine, wenn auch nicht dauernde oder regelmäßige, Einkommensquelle zu verschaffen. Das Erscheinenlassen einschlägiger Zeitungsannoncen sei im Sinne des § 14 lit. b TLPG als Anbahnungshandlung zu werten. Dasselbe müsse auch für die in Rede stehende Internetseite gelten. Die Internetanzeige stelle jedenfalls ein an einen größeren Kreis von Personen gerichtetes Angebot dar. Auf Grund der vorliegenden Internetannonce und der Angaben der Beschwerdeführerin, keiner anderen Beschäftigung, außer der Prostitution, nachzugehen und daraus ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, stehe fest, dass die Beschwerdeführerin die Absicht habe, die Prostitution in Innsbruck auszuüben und mit der "Schaltung des Inserates" eine Anbahnungshandlung erfolgt sei. Dass die Beschwerdeführerin gewerbsmäßig der Prostitution nachgehe, ergebe sich aus ihrer eigenen Verantwortung. Dem Vorbringen, im Internetinserat sei darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerdeführerin kein finanzielles Interesse habe und daher auch Gewerbsmäßigkeit fehle, sei zu entgegnen, dass die Internetseite einen solchen Verweis nicht enthalte. Darüber hinaus widerspräche dies den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin; es sei auch zudem völlig lebensfremd, dass jemand der Prostitution nachgehe und hiefür kein Entgelt verlange. Kein Zweifel bestehe daran, dass die in der Anzeige angeführte Einschaltung bei verständiger Würdigung den Zweck gehabt habe, Beziehungen zur Ausübung der Prostitution in Innsbruck anzubahnen. Dass dabei die Hingabe des Körpers gewerbsmäßig bzw. gegen Entgelt erfolgen solle, sei nach den Erfahrungen des täglichen Lebens offenkundig, die Annahme des Gegenteiles in jeder Weise lebensfremd. Unerheblich sei, wo der Server stehe, über welchen die Internetseite verbreitet oder eingestellt worden sei. Es komme vielmehr darauf an, wo die Beschwerdeführerin die Prostitution habe ausüben wollen und von wo aus man Zugriff auf die Internetseite gehabt habe, sohin wo die Anzeige verbreitet worden sei. Dass die Beschwerdeführerin die Prostitution in Innsbruck habe ausüben wollen, ergebe sich bereits aus der Anzeige. Die Internetseite sei auch in Tirol/Innsbruck abrufbar gewesen, sodass auch das Tiroler Landespolizeigesetz Anwendung zu finden gehabt habe.
Zum Spruchpunkt 2 führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, vor Beginn der gewerbsmäßigen Prostitutionstätigkeit die entsprechenden Untersuchungen durchzuführen. In objektiver Hinsicht habe sie damit den ihr unter Spruchpunkt 2 vorgeworfenen Sachverhalt verwirklicht. Dass die Beschwerdeführerin an der Übertretung kein Verschulden getroffen habe, habe sie im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht glaubhaft machen können.
Im Übrigen legte die belangte Behörde ihre Strafbemessungserwägungen dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie auch die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der § 14 des Tiroler Landes-Polizeigesetzes (in der Folge: TLPG), LGBl. Nr. 60/1976, in der im Beschwerdefall (ausgehend vom Tatzeitpunkt 26. März 2005) anzuwendenden Fassung der Kundmachung vom 11. April 1978, LGBl. Nr. 24/1978 (das heißt noch vor der Novelle LGBl. Nr. 10/2006), lautet:
"Verbot
Verboten ist:
a) die gewerbsmäßige Hingabe des eigenen Körpers an
Personen des anderen Geschlechtes zu deren sexueller Befriedigung
(Prostitution) außerhalb behördlich bewilligter Bordelle (§ 15);
b) die außerhalb behördlich bewilligter Bordelle
erfolgende Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution;
c) die Gewährung oder Beschaffung der Gelegenheit,
insbesondere durch Überlassung von Räumen, zur Ausübung der Prostitution oder zur Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle."
Der § 19 Abs. 1 TLPG lautet:
"Wer einem Verbot nach § 14 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.630,- Euro oder, bei Vorliegen von besonderen Erschwerungsgründen, mit Arrest bis zu vier Wochen zu bestrafen."
Gemäß § 11 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 345/1993, kann der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres Vorschriften über gesundheitliche Vorkehrungen und zur Überwachung jener Personen erlassen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen.
Gemäß § 1 der auf Grund dieser gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Verordnung über die gesundheitliche Überwachung von Prostituierten, BGBl. Nr. 314/1974, in der Fassung BGBl. Nr. 591/1993, haben sich Personen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen, vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen.
Gemäß § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2001 werden u.a. Übertretungen der auf Grund dieses Gesetzes ergehenden Verordnungen, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine strengere Bestrafung stattfindet, als Verwaltungsübertretung von der Bezirksverwaltungsbehörde (in Orten, wo eine staatliche Polizeibehörde besteht, von dieser) mit Geld bis zu 70 Euro oder mit Arrest bis zu zwei Monaten bestraft. Bei erschwerenden Umständen können Arrest und Geldstrafen nebeneinander verhängt werden.
Gemäß § 2 Abs. 1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur die im Inland begangenen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach Abs. 2 leg. cit. ist eine Übertretung im Inland begangen (im Sinne des Abs. 1), wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist.
Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist jene Behörde zur Verfolgung einer Verwaltungsübertretung örtlich zuständig, in deren Sprengel diese begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde habe ihre Pflicht zur materiellen Wahrheitsfindung verletzt, weil sie zum Vorwurf 1. keine Feststellungen dazu getroffen habe, wo das Inserat geschaltet worden sei. Hätte sie dies getan, wäre festgestellt worden, dass der Server "www.tirolcom.at", auf dem die Internetseite geschaltet worden sei, außerhalb des Anwendungsbereiches des Tiroler Landespolizeigesetzes gestanden sei, und den Landesbehörden daher die verwaltungsstrafrechtliche Verfolgungskompetenz fehle.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht die Beschwerdeführerin geltend, aus dem Inserat lasse sich nicht erkennen, dass sich dieses an eine Person "des anderen Geschlechtes" gerichtet habe; eine Anbahnung der Prostitution bzw. die Durchführung derselben könne jedoch nach dem Text des Tiroler Landespolizeigesetzes nur an eine Person des anderen Geschlechtes, also heterosexuell, erfolgen. Auch sei nicht festgestellt worden, dass die Anzeige keinen Hinweis auf Entgeltlichkeit oder Gewerbsmäßigkeit enthalte. Aus dem festgestellten Sachverhalt gehe ferner nicht hervor, dass eine Anbahnung im Sinne der Legaldefinition des Tiroler Landespolizeigesetzes außerhalb eines behördlich bewilligten Bordells stattgefunden hätte. Dazu hätte es nämlich der Feststellung bedurft, wo der Server gestanden sei (in oder außerhalb eines behördlich bewilligten Bordells), bzw. wo sich die Beschwerdeführerin zu dem Zeitpunkt befunden habe, als das Telefonat zwischen ihr und dem Meldungsleger stattgefunden habe. Dem festgestellten Sachverhalt könne auch nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin unmittelbar davor gestanden wäre, sexuelle Handlungen an ihrem Körper gewerbsmäßig zu dulden oder an anderen vorzunehmen, weshalb auch die Voraussetzungen für eine Bestrafung nach § 12 Geschlechtskrankheitengesetz nicht vorgelegen seien.
1. Zu Anschuldigungspunkt 1:
Die Verwaltungsbehörden legen der Beschwerdeführerin zunächst zur Last, Beziehungen zur Ausübung der Prostitution außerhalb behördlich bewilligter Bordelle dadurch angebahnt zu haben, dass sie auf der Internetseite mit der Adresse "www.tirolcom.at" ein entsprechendes "Inserat" geschaltet habe. Als Tatortangabe findet sich im Spruch des durch den angefochtenen Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses neben dem Hinweis auf die genannte Internetseite der Beisatz "welche auch in Innsbruck verbreitet" werde, und in der Begründung des angefochtenen Bescheides dazu die rechtliche Erwägung, dass die genannte Internetseite in Tirol abrufbar sei. Die Beschwerdeführerin - welche die Feststellungen über den Inhalt des "Inserates" nicht bekämpft - ist hingegen der Auffassung, außerhalb des Geltungsbereiches des Tiroler Landespolizeigesetzes gehandelt zu haben, weil sich die Internetseite auf einem Server befinde, der nicht in Tirol stationiert sei und weil auch der Provider seinen Sitz nicht in Tirol habe. Beide Fragen hat die belangte Behörde als nach ihrer Rechtsauffassung rechtlich unerheblich ungeprüft gelassen.
Es ist keiner der geschilderten Rechtsauffassungen zu folgen; die Beschwerde ist aber im Ergebnis berechtigt:
Die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat ist - wie beide Parteien des Verfahrens zutreffend erkennen - nur dann nach dem Tiroler Landespolizeigesetz strafbar, wenn der Tatort in Tirol liegt. Für diese Frage - wie auch für die damit zusammenhängende Frage nach der gemäß § 27 Abs. 1 VStG örtlich zuständigen Behörde -
ist - in Ermangelung einer für diese Fälle vorgesehenen besonderen Regelung des Tatorts im Tiroler LPG - § 2 Abs. 2 VStG maßgebend. Diese Bestimmung ist ungeachtet des Umstandes, dass sie ausdrücklich nur die Frage regelt, wann eine Tat als im Inland begangen anzusehen ist, bei Fehlen einer abweichenden Regelung in den materiellen Verwaltungsvorschriften ganz allgemein für die Ermittlung des "Ortes der Begehung" einer Straftat heranzuziehen (vgl. dazu zB Walter/Thienel, § 27 VStG, E 1).
Der zweite (Tatort für Unterlassungsdelikte) und der dritte Anwendungsfall des § 2 Abs. 2 VStG (Tatort für Erfolgsdelikte) kommen hier nicht in Betracht. Für den erstgenannten Fall ist dies evident, zum zweitgenannten Fall ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem hier maßgebenden Tatbild des § 14 lit. b des TLPG auf den Eintritt eines Erfolges nicht ankommt. Nach dem ersten Anwendungsfall des § 2 Abs. 2 iVm § 27 Abs. 1 VSTG kommt es aber für die Strafbarkeit der Tathandlung nach dem TLPG (bzw. für die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz) darauf an, ob die Beschwerdeführerin in Tirol (bzw. in Innsbruck) körperlich "gehandelt hat" d.h. zumindest eine zum Tatbild der Anbahnung der Prostitution im Sinne des § 14 lit. b des TLPG gehörende Handlung gesetzt hat.
Unter "Anbahnung" der Prostitution im Sinne dieser Bestimmung (die Zitierung des § 14 lit. c auf Seite 2 des angefochtenen Bescheides ist offenkundig ein Schreibfehler) ist jedes erkennbare Sichanbieten zur Ausführung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in der Absicht, sich hierdurch fortlaufend eine Einnahmequelle zu verschaffen, zu verstehen (siehe dazu auch die Erläuternden Bemerkungen zum Entwurf des Landes-Polizeigesetzes, LGBl. Nr. 60/1976). In den erwähnten Erläuterungen stellte der Landesgesetzgeber auch fest, dass sich das Verbot der Prostitution auch auf die Tathandlung der Anbahnung erstrecken solle, um auch bloße, noch nicht als Versuch zu qualifizierende Vorbereitungshandlungen zu erfassen. Damit sollte die Bestimmung des § 14 Abs. 1 TLPG nicht nur sämtliche Versuchshandlungen im Sinne des § 8 VStG mit einschließen, sondern darüber hinaus auch das Anwerben von Kunden durch Ansprechen sowie durch konkludente Handlungen erfassen. Die Subsumtion eines konkreten Verhaltens unter den Begriff der "Anbahnung" setzt aber jedenfalls voraus, dass das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringt.
Dass Text und Aufmachung des in Rede stehenden Inserates geeignet war, auch Uneingeweihten und damit einer Öffentlichkeit verständlich zu machen, dass unter der bekannt gegebenen Telefonnummer Prostitutionshandlungen angeboten würden, steht im konkreten Fall außer Zweifel. Durch das bloße Verfassen eines solchen Inserates zwecks Anbahnung der Prostitution, welches in der Folge keine Verbreitung erfährt, kann aber der strafbare Tatbestand noch nicht hergestellt werden. Es ist vielmehr zur Strafbarkeit zusätzlich erforderlich, dass dieses einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Zum Tatbild der Anbahnung gehört nach dem Gesagten somit jede Tathandlung der Beschwerdeführerin, welche auf die Veröffentlichung des inkriminierten Textes im Internet abzielt. Der Tatort des Deliktes ist daher dann in Tirol gelegen, wenn in der Reihe der von der Beschwerdeführerin gesetzten tatbildlichen körperlichen Handlungen auch nur eine in Tirol gesetzt worden ist.
Daher wäre im vorliegenden Fall zu untersuchen gewesen, welche konkreten tatbildlichen Handlungen die Beschwerdeführerin wo gesetzt hat, um das Internet-Inserat erscheinen zu lassen, wo also z.B. die Initialhandlung, das heißt jene Handlung der Beschwerdeführerin, die der Freischaltung ihres Textes voranging, erfolgte, und ob dies im örtlichen Geltungsbereich der Behörde erster Instanz der Fall war.
Dazu hat die belangte Behörde aber keine Feststellungen getroffen, weil sie der unrichtigen Rechtsansicht war, es komme bei strafbaren Handlungen auf Internet-Seiten lediglich auf deren Abrufbarkeit (Verbreitung) in Tirol an. Darauf kommt es nach § 2 Abs. 2 VStG aber ebenso wenig an, wie - bei Fehlen einer Vorschrift, welche dies vorsähe - auf den Sitz des Providers oder auf den Standort des Servers.
Da die belangte Behörde infolge einer vom Verwaltungsgerichtshof sohin nicht geteilten Rechtsansicht entscheidungswesentliche Feststellungen nicht getroffen hat, musste der angefochtene Bescheid in diesem Punkte gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
2. Zum Anschuldigungspunkt 2:
Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde, die Anzeige habe keinen Hinweis auf Entgeltlichkeit oder Gewerbsmäßigkeit enthalten. Dem festgestellten Sachverhalt könne auch nicht entnommen werden, dass sie eine Person sei, die sexuelle Handlungen an ihrem Körper gewerbsmäßig dulde oder an anderen vornehme, weshalb auch die Voraussetzungen für eine Bestrafung nach § 12 Geschlechtskrankheitengesetz nicht vorgelegen seien.
Auch mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Nach den von der belangten Behörde zur Bestrafung der Beschwerdeführerin unter Spruchpunkt 2 herangezogenen Bundesvorschriften des § 12 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz in Verbindung mit § 1 und § 7 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz, BGBl. Nr. 314/1974, ist verpönt, dass Personen, die "gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen", die in den von der belangten Behörde herangezogenen Normen vorgesehenen Gesundheitsuntersuchungen unterlassen. In dieser sprachlich verallgemeinerten Form kommt es nicht darauf an, ob konkret sexuelle Handlungen vollzogen wurden, sondern darauf, ob diese Personen in der Absicht, sich durch eine wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, derartige Handlungen dulden oder vornehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses gemäß § 44a Z. 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dabei genügt es nicht, sich bei der Umschreibung der Tat (abgesehen von der Angabe der Tatzeit und des Tatortes - siehe oben) auf den reinen Gesetzeswortlaut zu beschränken, weil dieses essenzielle Erfordernis durch eine entsprechende Bescheidbegründung nicht ersetzt werden kann (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, § 44a, zu E 9 und 10 referierte hg. Rechtsprechung). Da zur Tatbestandsmäßigkeit der der Beschwerdeführerin im Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides vorgeworfenen Tat die Gewerbsmäßigkeit der Prostitution gehört, hätte es der Angabe konkreter Umstände (der als erwiesen angenommenen Tat) im Spruch des angefochtenen Bescheides bedurft, aus denen die Annahme der "Gewerbsmäßigkeit" hätte abgeleitet werden können. Die bloße Zitierung des Wortes "gewerbsmäßig" im Spruch eines Straferkenntnisses enthebt die Behörde nicht von der konkreten Darstellung der als Gewerbsmäßigkeit qualifizierten Tatumstände im Sinne des § 44a VStG. Auch dies hat die belangte Behörde verkannt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2005/09/0177).
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen auch in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. November 2007
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Mängel im SpruchAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005090181.X00Im RIS seit
27.12.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011