TE OGH 2008/6/16 8ObA19/08i

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Veröffentlicht am 16.06.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Spenling und die Hofrätin Dr. Lovrek und die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Dr. Thomas Keppert und Mag. Canan Aytekin-Yildirim als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Patrick R*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 20.438,82 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 20.420,09 EUR brutto sA), über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Jänner 2008, GZ 12 Ra 102/07t-17, womit über Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Oktober 2007, GZ 11 Cga 80/07k-11, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1. Der Revision wird hinsichtlich der Stattgebung eines Begehrens von 10.852,63 EUR brutto sA Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichts, das im Umfang der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens als unbekämpft unberührt bleibt, wird dahin abgeändert, dass der klageabweisliche Teil des Ersturteils, das im Umfang der Abweisung eines Begehrens von 18,73 EUR brutto sA als unbekämpft unberührt bleibt, als Teilurteil wiederhergestellt wird (Punkt 2 des erstgerichtlichen Urteilsspruchs).

Die darauf entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens werden der Endentscheidung vorbehalten.

2. Im Übrigen - somit hinsichtlich der Stattgebung eines Begehrens von 9.567,46 EUR brutto samt 10,67 % Zinsen aus 678,29 EUR vom 1. 11. bis 30. 11. 2006, aus 2.076,34 EUR vom 1. 12. bis 31. 12. 2006, aus 2.750,10 EUR vom 1. 1. bis 31. 1. 2007, aus 3.444,55 EUR vom 1. 2. bis 28. 2. 2007, aus 4.125,39 EUR vom 1. 3. bis 31. 3. 2007, sowie samt 11,19 % Zinsen aus 678,05 EUR vom 1. 4. bis 30. 4. 2007, aus 1.358,77 EUR vom 1. 1. bis 31. 5. 2007, aus 2.711,58 EUR vom 1. 6. bis 30. 6. 2007, aus 3.400,99 EUR vom 1. 7. bis 31. 7. 2007, aus 4.076,99 EUR vom 1. 8. bis 31. 8. 2007, aus 4.766,07 EUR vom 1. 9. bis 30. 9. 2007 und aus 5.442,07 EUR ab 1. 10. 2007 - wird der Revision Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in diesem Umfang und im Umfang der Kostenentscheidungen aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die darauf entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 2. Mai 2005 bei der Beklagten im Vertrieb in der Abteilung Tiscover/Marketing beschäftigt.

Davor war er im Zeitraum vom 1. Juni 1998 bis 30. Oktober 2004 bei der R***** GmbH (in der Folge: Werbeagentur) tätig und ua für die selbständige Betreuung einiger Kunden in Spezialgebieten verantwortlich. Er war mit folgenden Hauptaufgaben betraut: Web- und Werbegrafikdesign, Umsetzung von Websites im Hinblick auf Grafik sowie html- und Flash-Programmierung sowohl eigenverantwortlich als auch im Team, Projektmanagement und Ausführung von Multimediaprojekten - und zwar Filmschnitte und Kreationen von TV-Spots, Erstellung von Musikloops, Animationen, 3D-Animationen mit Poser -, Abhaltung von Schulungen zu den Themen pdf-Workflow, Powerpoint, Konvertieren von Datenformaten, druckspezifische Techniken und Druckveredelung, Erstellung von Unternehmens- und Produktpräsentationen im Zusammenhang mit Marketingleitern der Kunden, Verantwortlichkeit für den Ablauf gewisser Bereiche - insbesondere von Multimediapräsentationen - bei Großevents für Kunden, Umsetzung von VR im Internet, Contentpflege von Websites mit einem Content Management System, DVD-Authoring sowie Kundensupport für Spezialaufgaben - wie insbesondere Dateikonvertierung und Präsentationen.

Der Kläger wurde von Anfang an in der kollektivvertraglichen Einstiegsstufe der Tätigkeitsfamilie „Spezielle Tätigkeiten (ST1)" - in der Folge kurz: „ST1" - entlohnt; bei einer Anrechnung der Dienstzeit bei der Werbeagentur hätte der Kläger von Beginn des Dienstverhältnisses an Anspruch auf Entlohnung in der Regelstufe und ab 1. Dezember 2005 auf Entlohnung in der Erfahrungsstufe der ST1. Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 3. März 2005 - dem zwar ein Lebenslauf, nicht aber das Dienstzeugnis der Werbeagentur angeschlossen war - bei der Beklagten.

Im Lebenslauf wies der Kläger auf folgende bei der Werbeagentur ausgeübte Tätigkeiten hin:

  • -Strichaufzählung
    Projekt- und Kundenbetreuung einzelner Projekte als Projektverantwortlicher
  • -Strichaufzählung
    Abhalten interner und externer Schulungen [...] im IT- und Printbereich
  • -Strichaufzählung
    Web- und Präsentationsentwicklungen für Marketingabteilungen [...]
  • -Strichaufzählung
    Filmschnitte und Offline Präsentationen
  • -Strichaufzählung
    Eventbetreuung.
Darüber hinaus wurde in zwei Vorstellungsgesprächen über die bisherige Tätigkeit des Klägers gesprochen.
Vom Geschäftsführer der Beklagten wurde der Kläger zwar aufgefordert, „alle Unterlagen abzugeben", in diesem Zusammenhang aber nicht darauf hingewiesen, dass das Unterlassen der Vorlage Auswirkungen auf die Einstufung und sein Entgelt haben würde.
Gemäß Punkt 11. des zwischen den Parteien am 7. April 2005 abgeschlossenen Dienstvertrags verfallen „alle Ansprüche auf Entgelt und Auslagenersatz [...], wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden".
Der Kläger hat erstmals mit Schreiben seiner Rechtsvertretung vom 8. Jänner 2007 eine falsche Einstufung im kollektivvertraglichen Entlohnungsschema geltend gemacht.
Das von der Werbeagentur ausgestellte Dienstzeugnis ist der Beklagten erstmals in diesem Verfahren bekannt geworden.
Der Kläger begehrt mit der am 3. 7. 2007 eingebrachten Klage nach einer Ausdehnung des Klagebegehrens die aus der behaupteten unrichtigen Einstufung resultierenden Entgeltdifferenzen (Gehaltsdifferenzen; Sonderzahlungsdifferenzen; Überstunden) in Höhe von 20.438,82 EUR brutto sA für den Zeitraum vom 2. 5. 2005 bis 30. 9. 2007. Die bei der Werbeagentur zurückgelegte Dienstzeit hätte als einschlägige Vordienstzeit laut dem anzuwendenden Kollektivvertrag für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik (in der Folge: IT-KV) angerechnet und der Kläger zur Vorlage entsprechender Zeugnisse aufgefordert werden müssen.
Die Beklagte wendet ein, der Kläger habe kein Dienstzeugnis vorgelegt, weshalb der Anspruch auf die Anrechnung von Vordienstzeiten verfallen sei. Davon abgesehen seien die Entgeltansprüche bis einschließlich September 2006 jedenfalls im Hinblick auf die einzelvertraglich vereinbarte (zulässige) Präklusivfrist verfallen. Im Übrigen entsprächen die vom Kläger bei der Werbeagentur ausgeübten Tätigkeiten nicht der Tätigkeitsfamilie ST1 des IT-KV.
Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 9.567,46 EUR brutto sA und wies ein Mehrbegehren von 10.871,36 EUR brutto sA ab.
Es vertrat die Auffassung, dass die Beklagte aufgrund der sie treffenden Aufklärungs- bzw arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht verpflichtet gewesen wäre, den Kläger zur Vorlage eines Nachweises seiner Vordienstzeiten aufzufordern, weil der Beklagten die Vortätigkeit des Klägers bekannt gewesen sei. Da sie dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, könne sie sich nicht auf den Verfall der Anrechnungsverpflichtung berufen. Die vom Kläger bei der Werbeagentur ausgeübten Tätigkeiten würden unter die Tätigkeitsfamilie „Spezielle Tätigkeiten ST1" iSd IT-KV fallen und seien damit grundsätzlich anzurechnen. Eine unzulässige Verkürzung der Verfallsfrist sei durch den Dienstvertrag nicht erfolgt, weil der Kollektivvertrag die grundsätzliche Möglichkeit zur Geltendmachung von Vordienstzeiten beschränke, während die im Dienstvertrag vereinbarte Verfallsfrist die Geltendmachung bereits entstandener Entgeltansprüche betreffe. Aufgrund der einzelvertraglich wirksam vereinbarten Verfallsfrist von drei Monaten ab Fälligkeit seien die - der Höhe nach außer Streit gestellten - Ansprüche des Klägers bis einschließlich Oktober 2006 (gemeint richtig: September 2006) verfallen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge, der Berufung des Klägers hingegen teilweise Folge (im Umfang der Abweisung eines Teilbegehrens von 18,73 EUR brutto sA erwuchs das erstgerichtliche Urteil unangefochten in Rechtskraft) und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 20.420,09 EUR brutto sA. Ein den abändernden Teil der Berufungsentscheidung betreffendes Zinsenmehrbegehren wies das Berufungsgericht ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die zweimonatige Verfallsfrist des IT-KV in Bezug auf die Einstufung des Klägers deshalb nicht abgelaufen sei, weil die Beklagte im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verpflichtet gewesen wäre, den Kläger genauer zu diesen Tätigkeiten zu befragen bzw ihn zur Vorlage von Nachweisen aufzufordern. Das Berufungsgericht teilte auch die Rechtsauffassung des Erstgerichts zur Einstufung des Klägers und zur gebotenen Anrechnung der Vordienstzeiten bei der Werbeagentur.
Allerdings verneinte es den Eintritt des Verfalls aufgrund der einzelvertraglich vereinbarten Verfallsklausel: Das Berufungsgericht meinte dazu, dass die Fälligkeit der mit der höherwertigen Einstufung infolge Vordienstzeitenanrechnung verbundenen Entgeltdifferenz erst mit der substantiierten Geltendmachung dieses Anspruchs durch den Arbeitnehmer eintrete, hier also mit der Vorlage entsprechender Zeugnisse oder sonstiger Arbeitspapiere. Der konkrete Nachweis gegenüber der Beklagten sei erstmals mit Vorlage des Dienstzeugnisses in der mündlichen Streitverhandlung am 28. 8. 2007 erfolgt. Da sich die im Dienstvertrag vereinbarte Verfallsklausel ausdrücklich auf bereits fällige Entgeltansprüche beziehe, könne ein Verfall der geltend gemachten Differenzbeträge nicht eingetreten sein. Ein Vorbringen dahin, dass der Kläger in Kenntnis seiner Nachweispflicht durch die (bewusst) verspätete Vorlage des Dienstzeugnisses gegen Treu und Glauben verstoßen habe, sei von der Beklagten im gesamten Verfahren nie erstattet worden.
Gegen den klagestattgebenden Teil der Berufungsentscheidung (neben dem bereits in erster Instanz rechtskräftig abgewiesenen Mehrbegehren von 18,73 EUR brutto blieb auch die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens durch das Berufungsgericht unbekämpft) richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung des klagestattgebenden Teils des Berufungsurteils im Sinne einer Abweisung dieses Begehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger die Zurückweisung der Revision der Beklagten; in eventu, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, erst mit Geltendmachung der unrichtigen Einstufung durch den Kläger sei Fälligkeit der begehrten Entgeltdifferenzen eingetreten, korrekturbedürftig ist. Die Revision ist teilweise berechtigt.

§ 15 des hier unstrittig anzuwendenden IT-KV behandelt unter der Überschrift „Tätigkeitsfamilien, Vorrückungsstufen und Mindestgrundgehälter" Einstufungsfragen im Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten.Paragraph 15, des hier unstrittig anzuwendenden IT-KV behandelt unter der Überschrift „Tätigkeitsfamilien, Vorrückungsstufen und Mindestgrundgehälter" Einstufungsfragen im Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten.

§ 15 Abs 10 lautet wörtlich wie folgt:Paragraph 15, Absatz 10, lautet wörtlich wie folgt:

„Für die Anrechnung derartiger Vordienstzeiten ist es ohne Belang, ob diese bei einem oder verschiedenen Dienstgebern erbracht wurden. Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass der Dienstnehmer diese Zeiten dem Dienstgeber beim Eintritt, jedoch spätestens zwei Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses durch entsprechende Zeugnisse oder sonstige Arbeitspapiere nachweist. Die Vorlage der Zeugnisse oder sonstigen Arbeitspapiere ist dem Dienstnehmer auf dem Dienstzettel zu bescheinigen. Wird ein solcher nicht ausgestellt, so tritt die Verfallsfrist nicht ein."

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 9 ObA 11/93 (DRdA 1993, 390) zur im Wesentlichen vergleichbaren Bestimmung des § 15 Abs 2 des Rahmenkollektivvertrags der Angestellten der Industrie Stellung bezogen und ausgesprochen, dass der Zweck der Bekanntgabepflicht darin besteht, dass der Arbeitgeber schon anlässlich der Begründung des Arbeitsverhältnisses in der Lage sein muss, die Fähigkeit des Arbeitnehmers und das Ausmaß der Gehaltsbezüge zu überblicken. Er soll sich Kenntnis über die Berufserfahrung des einzustellenden Arbeitnehmers und die dadurch auftretenden Lohnkosten verschaffen können. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Bekanntgabe (allenfalls) anrechenbarer Vordienstzeiten ist damit ihrem Wesen nach eine im Kollektivvertrag positivierte vorvertragliche Aufklärungspflicht, die aus der Rücksichtnahme auf die Interessen des potentiellen Vertragspartners entspringt. Hat der Arbeitnehmer seiner Bekanntgabepflicht (voll) entsprochen, und schließt der Arbeitgeber daraufhin mit ihm sofort den Arbeitsvertrag ab, so gibt er damit mangels eines entsprechenden Vorbehalts in der Regel zu erkennen, dass er zur Anrechnung der bekanntgegebenen Vordienstzeiten in dem im Kollektivvertrag vorgesehenen Ausmaß bereit ist, da er damit rechnen muss, dass es dem Arbeitnehmer idR gelingen wird, die bekannt gegebenen Vordienstzeiten durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen. Der Arbeitnehmer darf in dieser Situation im Zweifel davon ausgehen, dass seine Vordienstzeiten in der konkreten Gehaltsvereinbarung bereits berücksichtigt wurden bzw, falls die Parteien zur Frage der Gehaltshöhe auf den Kollektivvertrag Bezug genommen haben, bei der danach vorzunehmenden Einstufung berücksichtigt werden. In dieser Situation trifft allerdings auch den Arbeitgeber eine korrespondierende Aufklärungspflicht bzw (nach Vertragsabschluss) eine entsprechende Fürsorgepflicht. Er muss den Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass die Anrechnung der im Bewerbungsschreiben erwähnten Vordienstzeiten noch eines zusätzlichen Nachweises durch entsprechende Zeugnisse oder Arbeitspapiere bedürfe, falls er darauf noch einen Wert legt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach Vertragsabschluss die Einreihung in die Verwendungsgruppe, die Anzahl der angerechneten Verwendungsgruppen, Jahre und die Höhe des Gehalts nicht mittels Dienstzettels bekannt gegeben hat.Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 9 ObA 11/93 (DRdA 1993, 390) zur im Wesentlichen vergleichbaren Bestimmung des Paragraph 15, Absatz 2, des Rahmenkollektivvertrags der Angestellten der Industrie Stellung bezogen und ausgesprochen, dass der Zweck der Bekanntgabepflicht darin besteht, dass der Arbeitgeber schon anlässlich der Begründung des Arbeitsverhältnisses in der Lage sein muss, die Fähigkeit des Arbeitnehmers und das Ausmaß der Gehaltsbezüge zu überblicken. Er soll sich Kenntnis über die Berufserfahrung des einzustellenden Arbeitnehmers und die dadurch auftretenden Lohnkosten verschaffen können. Die Pflicht des Arbeitnehmers zur Bekanntgabe (allenfalls) anrechenbarer Vordienstzeiten ist damit ihrem Wesen nach eine im Kollektivvertrag positivierte vorvertragliche Aufklärungspflicht, die aus der Rücksichtnahme auf die Interessen des potentiellen Vertragspartners entspringt. Hat der Arbeitnehmer seiner Bekanntgabepflicht (voll) entsprochen, und schließt der Arbeitgeber daraufhin mit ihm sofort den Arbeitsvertrag ab, so gibt er damit mangels eines entsprechenden Vorbehalts in der Regel zu erkennen, dass er zur Anrechnung der bekanntgegebenen Vordienstzeiten in dem im Kollektivvertrag vorgesehenen Ausmaß bereit ist, da er damit rechnen muss, dass es dem Arbeitnehmer idR gelingen wird, die bekannt gegebenen Vordienstzeiten durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen. Der Arbeitnehmer darf in dieser Situation im Zweifel davon ausgehen, dass seine Vordienstzeiten in der konkreten Gehaltsvereinbarung bereits berücksichtigt wurden bzw, falls die Parteien zur Frage der Gehaltshöhe auf den Kollektivvertrag Bezug genommen haben, bei der danach vorzunehmenden Einstufung berücksichtigt werden. In dieser Situation trifft allerdings auch den Arbeitgeber eine korrespondierende Aufklärungspflicht bzw (nach Vertragsabschluss) eine entsprechende Fürsorgepflicht. Er muss den Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass die Anrechnung der im Bewerbungsschreiben erwähnten Vordienstzeiten noch eines zusätzlichen Nachweises durch entsprechende Zeugnisse oder Arbeitspapiere bedürfe, falls er darauf noch einen Wert legt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach Vertragsabschluss die Einreihung in die Verwendungsgruppe, die Anzahl der angerechneten Verwendungsgruppen, Jahre und die Höhe des Gehalts nicht mittels Dienstzettels bekannt gegeben hat.

Diese in 9 ObA 11/93 dargelegten Grundsätze, die in der Entscheidung 8 ObA 190/97t (ASoK 1998, 190) fortgeschrieben wurden, sind entgegen der Auffassung der Beklagten auf den vorliegenden Fall zu übertragen:

Auch hier steht fest, dass der Kläger zwar ein Dienstzeugnis der Werbeagentur im Zuge der Bewerbungsgespräche nicht vorlegte, dass er aber in seinem der Bewerbung angeschlossenen Lebenslauf auf seine Tätigkeit bei der Werbeagentur hinwies, wobei die Beschreibung dieser Tätigkeiten im Hinblick auf die im IT-KV beschriebene Tätigkeitsfamilie der „Speziellen Tätigkeiten - ST1" die Möglichkeit einer Anrechnung der Vordienstzeiten nahelegte. Berücksichtigt man nun, dass im vorliegenden Fall - ebenfalls vergleichbar der Vorentscheidung 9 ObA 11/93 - der Kläger auch in zwei Vorstellungsgesprächen über seine bisherige Tätigkeit sprach, so ist die in 9 ObA 11/93 angesprochene Verpflichtung des Arbeitgebers, den Kläger zur Vorlage eines Nachweises seiner Vordienstzeiten durch entsprechende Zeugnisse oder Arbeitspapiere aufzufordern, zu bejahen. Das Argument der Beklagten, dass in dem mit dem Kläger geschlossenen Dienstvertrag ohnedies ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass keine Vordienstzeitenanrechnung erfolgt sei, was sich daraus ergebe, dass seine Einstufung in der „Einstiegsstufe" erwähnt wurde, lässt außer Acht, dass hier schon die Verletzung der erwähnten Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zur Vorlage von Zeugnissen oder sonstigen Arbeitspapieren aufzufordern, zum Nichteintritt der Verfallsfrist führt. Ob - wäre der Kläger von der Beklagten vergeblich aufgefordert worden, entsprechende Zeugnisse oder sonstige Arbeitspapiere vorzulegen - bereits der bloße Umstand der Nichtausstellung eines Dienstzettels dazu geführt hätte, dass die Verfallsfrist nicht eintritt, oder ob in diesem Fall davon ausgegangen werden könnte, dass der schriftliche Dienstvertrag die Angaben im Dienstzettel „ersetzt", bedarf daher keiner Prüfung. Den Vorinstanzen ist somit daher darin beizupflichten, dass die Verfallsfrist des § 15 Abs 10 IT-KV nicht ausgelöst wurde. Berechtigt wendet sich allerdings die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der einzelvertraglich vereinbarte Verfall sei nicht eingetreten: Zutreffend verweist die Revision zunächst darauf, dass die Entscheidung 8 ObA 190/97t für den Standpunkt des Berufungsgerichts deshalb nicht einschlägig ist, weil dort entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ausdrücklich auch auf die Fälligkeit im Sinne des § 15 AngG abgestellt wurde. Der Anspruch auf Einreihung in eine bestimmte (höhere) Vorrückungsstufe laut IT-KV entsteht nicht erst durch ein vom Dienstnehmer auszuübendes Gestaltungsrecht. Vielmehr sind die Einstufungskriterien im Kollektivvertrag - auch im Zusammenhang mit gebotenen Vordienstzeitenanrechnungen - verbindlich. Ausgehend von den verbindlichen Einstufungskriterien des Kollektivvertrags wären daher die vom Kläger begehrten Entgeltdifferenzen - so eine Vordienstzeitenanrechnung zu erfolgen hätte - jeweils zum Ende des Kalendermonats fällig geworden (§ 15 AngG iVm der unstrittigen Fälligkeitsvereinbarung in Punkt 9 des Dienstvertrags). Der OGH geht trotz der Kritik eines Teils der Lehre in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sowohl kollektivvertraglich wie auch einzelvertraglich kürzere Verfallsfristen festgesetzt werden können (vgl die Literatur- und Rechtsprechungsnachweise bei Preiss in ZellKomm § 1486 ABGB Rz 64 f). Die einzelvertraglich vereinbarte Verfallsfrist von drei Monaten für Entgeltansprüche ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0016688 [T10]; 9 ObA 63/05p; 8 ObS 14/06a). Ob von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu machen wäre, wenn dem beklagten Arbeitgeber vorgeworfen werden könnte, den Arbeitnehmer wider Treu und Glauben davon abgehalten zu haben, die Gehaltsdifferenzen früher geltend zu machen, kann dahin stehen, weil jegliche Anhaltspunkte für ein derartiges treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers fehlen. Der bloße Umstand, dass die Beklagte den Kläger trotz der erteilten Informationen über seine Tätigkeit bei der Werbeagentur nicht zur Vorlage von Arbeitspapieren oder Dienstzeugnissen aufforderte, indiziert nicht, dass die Beklagte den Kläger vorsätzlich von der Geltendmachung der höheren Einstufung abhalten wollte.Auch hier steht fest, dass der Kläger zwar ein Dienstzeugnis der Werbeagentur im Zuge der Bewerbungsgespräche nicht vorlegte, dass er aber in seinem der Bewerbung angeschlossenen Lebenslauf auf seine Tätigkeit bei der Werbeagentur hinwies, wobei die Beschreibung dieser Tätigkeiten im Hinblick auf die im IT-KV beschriebene Tätigkeitsfamilie der „Speziellen Tätigkeiten - ST1" die Möglichkeit einer Anrechnung der Vordienstzeiten nahelegte. Berücksichtigt man nun, dass im vorliegenden Fall - ebenfalls vergleichbar der Vorentscheidung 9 ObA 11/93 - der Kläger auch in zwei Vorstellungsgesprächen über seine bisherige Tätigkeit sprach, so ist die in 9 ObA 11/93 angesprochene Verpflichtung des Arbeitgebers, den Kläger zur Vorlage eines Nachweises seiner Vordienstzeiten durch entsprechende Zeugnisse oder Arbeitspapiere aufzufordern, zu bejahen. Das Argument der Beklagten, dass in dem mit dem Kläger geschlossenen Dienstvertrag ohnedies ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass keine Vordienstzeitenanrechnung erfolgt sei, was sich daraus ergebe, dass seine Einstufung in der „Einstiegsstufe" erwähnt wurde, lässt außer Acht, dass hier schon die Verletzung der erwähnten Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zur Vorlage von Zeugnissen oder sonstigen Arbeitspapieren aufzufordern, zum Nichteintritt der Verfallsfrist führt. Ob - wäre der Kläger von der Beklagten vergeblich aufgefordert worden, entsprechende Zeugnisse oder sonstige Arbeitspapiere vorzulegen - bereits der bloße Umstand der Nichtausstellung eines Dienstzettels dazu geführt hätte, dass die Verfallsfrist nicht eintritt, oder ob in diesem Fall davon ausgegangen werden könnte, dass der schriftliche Dienstvertrag die Angaben im Dienstzettel „ersetzt", bedarf daher keiner Prüfung. Den Vorinstanzen ist somit daher darin beizupflichten, dass die Verfallsfrist des Paragraph 15, Absatz 10, IT-KV nicht ausgelöst wurde. Berechtigt wendet sich allerdings die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, der einzelvertraglich vereinbarte Verfall sei nicht eingetreten: Zutreffend verweist die Revision zunächst darauf, dass die Entscheidung 8 ObA 190/97t für den Standpunkt des Berufungsgerichts deshalb nicht einschlägig ist, weil dort entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ausdrücklich auch auf die Fälligkeit im Sinne des Paragraph 15, AngG abgestellt wurde. Der Anspruch auf Einreihung in eine bestimmte (höhere) Vorrückungsstufe laut IT-KV entsteht nicht erst durch ein vom Dienstnehmer auszuübendes Gestaltungsrecht. Vielmehr sind die Einstufungskriterien im Kollektivvertrag - auch im Zusammenhang mit gebotenen Vordienstzeitenanrechnungen - verbindlich. Ausgehend von den verbindlichen Einstufungskriterien des Kollektivvertrags wären daher die vom Kläger begehrten Entgeltdifferenzen - so eine Vordienstzeitenanrechnung zu erfolgen hätte - jeweils zum Ende des Kalendermonats fällig geworden (Paragraph 15, AngG in Verbindung mit der unstrittigen Fälligkeitsvereinbarung in Punkt 9 des Dienstvertrags). Der OGH geht trotz der Kritik eines Teils der Lehre in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sowohl kollektivvertraglich wie auch einzelvertraglich kürzere Verfallsfristen festgesetzt werden können vergleiche die Literatur- und Rechtsprechungsnachweise bei Preiss in ZellKomm Paragraph 1486, ABGB Rz 64 f). Die einzelvertraglich vereinbarte Verfallsfrist von drei Monaten für Entgeltansprüche ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0016688 [T10]; 9 ObA 63/05p; 8 ObS 14/06a). Ob von diesem Grundsatz dann eine Ausnahme zu machen wäre, wenn dem beklagten Arbeitgeber vorgeworfen werden könnte, den Arbeitnehmer wider Treu und Glauben davon abgehalten zu haben, die Gehaltsdifferenzen früher geltend zu machen, kann dahin stehen, weil jegliche Anhaltspunkte für ein derartiges treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers fehlen. Der bloße Umstand, dass die Beklagte den Kläger trotz der erteilten Informationen über seine Tätigkeit bei der Werbeagentur nicht zur Vorlage von Arbeitspapieren oder Dienstzeugnissen aufforderte, indiziert nicht, dass die Beklagte den Kläger vorsätzlich von der Geltendmachung der höheren Einstufung abhalten wollte.

Allerdings ist die Rechtssache deshalb noch nicht zur Gänze spruchreif, weil der Auffassung der Beklagten darin zu folgen ist, dass die erstgerichtlichen Feststellungen nicht für die Beurteilung ausreichen, ob die Vordienstzeiten des Klägers bei der Werbeagentur überhaupt anzurechnen sind. In welche Verwendungsgruppe eines Kollektivvertrags ein Beschäftigter einzustufen ist, stellt eine Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0043547). Das gilt auch für die Beurteilung, ob bestimmte Tätigkeiten bei einem früheren Dienstgeber iS einer in einem Kollektivvertrag vorgesehenen Vordienstzeitenanrechnung zu berücksichtigen sind. Allerdings bedarf es für die Beantwortung dieser Rechtsfrage konkreter Tatsachenfeststellungen, welche die Beurteilung zulassen, ob die konkret ausgeübten Tätigkeiten eine Anrechnungsverpflichtung auslösen. Daran fehlt es hier: Das Erstgericht stellte zwar fest, mit welchen Hauptaufgaben der Kläger bei der Werbeagentur beauftragt war. Nicht alle diese „Hauptaufgaben" gebieten allerdings eine Anrechnung von Vordienstzeiten im Sinne der im IT-KV geregelten Tätigkeitsfamilie „Spezielle Tätigkeiten ST1". Unter den im IT-KV aufgezählten Tätigkeitsfeld, das unter „Spezielle Tätigkeiten" fällt, sind eine Reihe von Aufgaben genannt, die der Kläger auch nach den erstgerichtlichen Feststellungen bei seiner früheren Arbeitgeberin nicht ausübte. Es bedarf daher näherer Feststellungen dazu, welche konkreten Aufgaben in welchem zeitlichen Umfang der Kläger bei der Werbeagentur ausübte, die als „Spezielle Tätigkeiten" im Sinne des IT-KV verstanden werden können. Die vom Kläger bei der Werbeagentur ausgeübten Tätigkeiten werden eine Anrechnung nur dann rechtfertigen, wenn der Kläger im zeitlich überwiegenden Ausmaß Tätigkeiten erbrachte, die unter die im IT-KV aufgezählten „Speziellen Tätigkeiten" fallen.

Daraus folgt als Ergebnis, dass in Stattgebung der Revision der Beklagten das erstgerichtliche Urteil - das im Umfang der Abweisung eines Teilbegehrens von 18,73 EUR sA als unbekämpft unberührt bleibt - im Umfang des abweisenden Teils wiederherzustellen ist, weil sich diese Abweisung inhaltlich auf jene vom Kläger geltend gemachten Entgeltdifferenzen bezieht, die aufgrund der einzelvertraglich vereinbarten Verfallsklausel präkludiert sind.

Im Umfang der vom Berufungsgericht bestätigten erstgerichtlichen Klagestattgebung hingegen waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren nach Erörterung mit den Parteien und einer allenfalls erforderlichen Ergänzung des Beweisverfahrens jene Feststellungen nachzutragen haben, aufgrund derer sich beurteilen lassen wird, ob die vom Kläger bei der Werbeagentur ausgeübten Tätigkeiten als Vordienstzeiten iSd IT-KV anzurechnen sind.

Der Kostenvorbehalt gründet sich sowohl hinsichtlich des Teilurteils als auch hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich sowohl hinsichtlich des Teilurteils als auch hinsichtlich des Aufhebungsbeschlusses auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E880468ObA19.08i

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inARD 5899/2/2008 = RdW 2008/613 S 664 - RdW 2008,664 = ZAS-Judikatur2008/176 = Jus-Extra OGH-Z 4590 = infas 2008,209/A91 - infas 2008 A91= DRdA 2009,49 = ZAS 2009/22 S 127 (Schrank, tabellarischeAufzählung) - ZAS 2009,127 (Schrank, tabellarische Aufzählung) = Arb12.752XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:008OBA00019.08I.0616.000

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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