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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §19 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Mag. Wolfgang Auner, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Parkstraße 1/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 4. Oktober 2006, Zl. Senat-FR-06-1075, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 16. Oktober 1990 in das Bundesgebiet eingereist. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 15. März 2004 erließ die Sicherheitsdirektion des Bundeslandes Wien gegen ihn gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 19. Mai 2004, Zl. 2004/18/0111, dem die Einzelheiten des Verfahrens entnommen werden können, als unbegründet abgewiesen.
Am 23. Juli 2004 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Asyl. Hierüber wurde - nachdem der Beschwerdeführer gegen die erstinstanzliche Abweisung des Antrages Berufung erhoben hatte - nach der Aktenlage bislang noch nicht rechtskräftig entschieden.
Mit Bescheid vom 15. September 2006 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Baden gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z. 3 Fremdenpolizeigesetz - FPG die Schubhaft an, um das Verfahren zur Erlassung seiner Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und um seine Abschiebung zu sichern. In ihrer Begründung stützte sie sich auf das erwähnte, vom Verwaltungsgerichtshof gebilligte Aufenthaltsverbot.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. Oktober 2006 gab die belangte Behörde einer dagegen erhobenen Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 FPG keine Folge und stellte gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
In ihrer Begründung teilte sie die Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Baden über die Verwirklichung des Tatbestandes des § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG. Auch der Umstand, dass der Vater und die Brüder des Beschwerdeführers ebenso in Österreich aufhältig seien wie seine Ehefrau und der am 12. September 2006 geborene gemeinsame Sohn, die beiden Letztgenannten österreichische Staatsangehörige, erlaube es nicht, von der Verhängung der Schubhaft abzusehen: Der Beschwerdeführer habe sich nämlich zuletzt (bis zum 15. September 2006) rund fünf Jahre lang in Strafhaft befunden, sodass nicht von "intensiven Beziehungen in familiärer Hinsicht" gesprochen werden könne. Auch komme der vorgelegten Bestätigung über die Möglichkeit der Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung "nicht die rechtliche Qualifikation einer Verpflichtungserklärung zu", sodass auch diese nicht geeignet sei, die Anwendung eines gelinderen Mittel in Erwägung zu ziehen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen (Asyl-)Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen. Das AslyG sah idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, die Zulässigkeit einer Schubhaft unter den Voraussetzungen seines § 34b vor. Hingegen fanden gemäß § 21 Abs. 1 AsylG auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz iSd § 19 Abs. 1 leg. cit. genießen oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, u.a. die Bestimmungen des FrG über die Schubhaft keine Anwendung. In diesen asylrechtlichen "Altfällen" kommt die Verweisungsnorm des § 124 Abs. 2 FPG zum Tragen, der zufolge an die Stelle der von der Anwendung auf Asylwerber ausgenommenen Bestimmungen des FrG diejenigen des FPG treten. Somit sind die Bestimmungen des FPG über die Schubhaft auf Asylwerber, deren Verfahren nach dem AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 zu Ende zu führen sind, grundsätzlich nicht anwendbar.
Mit diesem Ergebnis im Einklang stehen die im § 76 Abs. 2 FPG normierten Voraussetzungen für die Verhängung von Schubhaft gegen Asylwerber, die inhaltlich mehrfach ausdrücklich auf das AsylG 2005 verweisen und schon vom Begriff "Asylwerber" her (§ 1 Abs. 2 FPG) nur solche nach dem AsylG 2005 ansprechen. Während somit gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 die Bestimmung des § 34b AsylG auf "Altfälle" nach der AsylG-Novelle 2003 weiter anwendbar ist, enthält das FPG keine Norm, die seine Bestimmung über die Schubhaft (§ 76) auch auf Asylwerber, deren Verfahren nach dem AsylG zu Ende zu führen sind, für anwendbar erklärt (vgl. zum Ganzen zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2006/21/0078, mwN).
Nach dem Gesagten - das Verfahren über den vom Beschwerdeführer am 23. Juli 2004 gestellten Asylantrag war am 31. Dezember 2005 und auch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (damals im Berufungsstadium) anhängig - war der angefochtene Bescheid, der eine nicht anwendbare Norm zur Prüfung herangezogen hat, schon deshalb, weil er die Schubhaft zu Unrecht auf § 76 Abs. 2 FPG gestützt hat, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 22. November 2007
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210328.X00Im RIS seit
07.02.2008Zuletzt aktualisiert am
21.04.2010