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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde des Dipl. Ing. FS in W, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 4, gegen den Bescheid des Vorstandes der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten vom 12. Oktober 2005, GZ. 120-1/05 (die belangte Behörde ist im Verfahren vertreten durch Dr. Herbert Hochegger, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 4), betreffend Zurückweisung einer Berufung in Bezug auf einen Antrag auf Alterspension, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Das Kuratorium der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten wies mit Bescheid vom 18. Februar 2005 die Anträge des Beschwerdeführers auf Auszahlung der Alterspension ab 1. Juli 2004 "ohne Anwendung der Bewertung und auf Rückzahlung aller in der Vergangenheit auf Grund der Anwendung der Bewertung abgezogenen Beträge" ab. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach dem im Akt einliegenden Zustellnachweis am 9. März 2005 durch persönliche Übernahme durch den Beschwerdeführer zugestellt.
Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als verspätet zurück. Die Berufung, die am 12. April 2005 bei der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten eingegangen sei, sei nach der Begründung dieses Bescheides nur per Telefax übermittelt worden. Der Beschwerdeführer habe somit die zweiwöchige Frist für die Einbringung der Berufung nicht eingehalten.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der zunächst bei ihm dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 28. Februar 2006, B 3471/05-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde mit einem weiteren Beschluss vom 8. Mai 2006, B 3471/05-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall ist das Ziviltechnikerkammergesetz 1993 - ZTKG, BGBl. Nr. 157/1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 164/2005, anzuwenden.
Gemäß § 29 Abs. 1 ZTKG hat die Bundeskammer als gemeinsame Einrichtungen für Ziviltechniker, ehemalige Ziviltechniker und deren Hinterbliebene einen Pensionsfonds und einen Sterbekassenfonds zu errichten und zu betreiben. Diese Fonds besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit, sie bilden ein gemeinsames zweckgebundenes Sondervermögen der Bundeskammer.
Abs. 3 Z. 1 dieser Bestimmung enthält die Grundsätze für die Voraussetzungen der Alterpension.
Gemäß § 30 Abs. 1 ZTKG ist die Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen von jener des übrigen Vermögens der Bundeskammer getrennt zu führen und obliegt einem Kuratorium.
Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung steht den Betroffenen gegen Entscheidungen des Kuratoriums das Recht der Berufung an den Kammervorstand zu.
Gemäß § 31 Abs. 1 ZTKG sind nähere Bestimmungen über die Aufgaben des Pensionsfonds und des Sterbekassenfonds, die Aufbringung und Verwaltung der Mittel, die Gewährung von gänzlichen oder teilweisen Befreiungen und Ermäßigungen, die Rückzahlung von Beiträgen, die Geschäftsführung des Kuratoriums, die Beitragspflicht, die Art der Berechnung der Leistungen, die Gewährung und Höhe der Leistungen, die Art der Auszahlung und die Pflichten der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten unter Bedachtnahme auf die in den §§ 29, 29a und 30 festgelegten Grundsätze in einem Statut festzusetzen. Die Grundsätze der Versicherungsmathematik sowie der verwaltungsorganisatorischen Zweckmäßigkeit sind jeweils zu berücksichtigen.
Gemäß § 5 Abs. 2 des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen (WE 2004; Textausgabe Mai 2005; Kundmachungen im Amtlichen Teil der Zeitschrift Konstruktiv Nr. 243a im Juni 2004 betreffend die Stammfassung des Statutes und Nr. 246 im November/Dezember 2004 der genannten Zeitschrift betreffend Änderungen des Statutes) ist die Berufung schriftlich binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung beim Kuratorium einzubringen und zu begründen. Für das Berufungsverfahren gelten die Bestimmungen des AVG in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß. Über die Berufung ist binnen sechs Monaten zu entscheiden.
Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung des Statutes kann gegen Entscheidungen des Vorstandes in Angelegenheiten der Wohlfahrtseinrichtung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof und/oder Verfassungsgerichtshof erhoben werden.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe die Berufung vom 13. März 2005 auch an diesem Tag an die erstinstanzliche Behörde, die Wohlfahrtseinrichtung der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten zu der näher genannten Faxnummer gefaxt, sohin die Berufung innerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist erhoben. Es sei dem Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, dass sein Fax erst am 12. April 2005 bei der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten eingegangen sei. Das angeschlossene Faxprotokoll bestätige, dass die Berufung während der Berufungsfrist bei der angegebenen Faxnummer eingebracht worden sei.
Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Die Berufungsbehörde ist verpflichtet, dem Berufungswerber die offenkundige Verspätung eines Rechtsmittels vorzuhalten. Sie hat das Risiko einer Bescheidaufhebung dann zu tragen, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung dem Rechtsmittelwerber jedoch vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 95/21/0285). Auch wenn es in diesem Fall, wie auch in vielen anderen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Problematik um die Frage der ordnungsgemäßen Zustellung des bekämpften Bescheides gegangen ist, kommen die angeführten Grundsätze bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Berufung auch im vorliegenden Fall zur Anwendung, in dem es um die Frage des rechtzeitigen Einlangens der Berufung geht. Im vorliegenden Verfahren vor Organen einer gesetzlichen Interessenvertretung ist auf Grund ausdrücklicher Anordnung im Sinne des Art. II Abs. 3 EGVG auch das AVG anzuwenden.
Auch wenn in dem vorgelegten Akt eine Berufung einliegt, auf der auf der Fax-Kopfleiste als Datum der Übersendung an die angeführte Telefax-Nummer der 12. April 2005, 17.55 Uhr, aufscheint, ist damit - im Lichte des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Beschwerde - der Zeitpunkt des Einlangens der Berufung (die mit 13. März 2005 datiert ist) nicht ausreichend festgestellt. Auch wenn der Poststempel auf einem bei einer Behörde eingehenden Schriftstück eindeutig lesbar ist und das Datum der Zustellung eindeutig ist, ist die Verspätung der Berufung der Partei vorzuhalten (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Juli 2007, Zl. 2007/07/0068). Es fällt im vorliegenden Fall auch auf, dass die im vorgelegten Akt der ersten Instanz einliegende Berufung des Beschwerdeführers keinen Eingangsstempel aufweist. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist zwar die Berufung verbal an die belangte Behörde und nicht an die erstinstanzliche Behörde gerichtet. Die vom Beschwerdeführer in dieser Berufung angeführte Telefax-Nummer (505580746) ist allerdings die Telefax-Nummer der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, die in dem erstinstanzlichen Bescheid enthalten ist (aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich, dass die belangte Behörde unter einer anderen Telefax-Nr. erreichbar ist).
Angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers in der Beschwerde, dem in der vorliegenden Verfahrenskonstellation das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegensteht (vgl. u.a. das angeführte Erkenntnis vom 19. Juli 2007), wären zur Frage des Eintreffens der im vorliegenden Fall gefaxten Berufung weitere Ermittlungen (insbesondere in Bezug auf ein Einzelprotokoll über die nach den Behauptungen des Beschwerdeführers vorgenommene Übermittlung der Berufung am 13. März 2005, sofern sein Faxgerät derartige Einzelprotokolle über erfolgte Versendungen auswirft, bzw. das Protokoll betreffend die am 13. März 2005 zu der fraglichen Zeit (17.55) beim Empfangsgerät - mit der vom Beschwerdeführer angegebenen Telefax-Nummer - eingelangten Sendungen) sowie die Gewährung von Parteiengehör vorzunehmen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. November 2007
Schlagworte
Parteiengehör Rechtsmittelverfahren Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006060132.X00Im RIS seit
07.02.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008