TE OGH 2008/7/24 10ObS70/08d

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Veröffentlicht am 24.07.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Michaela Haydter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ute G*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Hans Peter Bauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, Engelbert-Weiß-Weg 10, 5021 Salzburg, vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Kostenübernahme, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2008, GZ 12 Rs 3/08k-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. August 2007, GZ 18 Cgs 88/07k, 18 Cgs 25/06v-29, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Revision der Klägerin sind weitere Verfahrenskosten. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 30. 11. 2005 verordnete Dr. Peter O*****, Arzt für Allgemeinmedizin in Salzburg, dem bei der Klägerin Ute G***** mitversicherten Kind Michael G*****, geboren am 8. 3. 1993, zur Behandlung der respiratorischen Allergie das Arzneimittel Ferrum Phosphor D 12 Trit. und - ohne Diagnose - die weiteren Arzneimittel Aesculus/Lavendula AT und Citrus/Cydonia AT; die beiden letztgenannten Heilmittel dienten nach dem Kostenübernahmeantrag der Behandlung der bei Michael G***** bestehenden allergischen Conjunctivitis und Rhinitis.

Mit Bescheiden vom 20. 1. 2006 hat die beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme dieser Arzneispezialitäten abgelehnt. Die verordneten Heilmittel gehörten zu den Homöopathika bzw Anthroposophika, die in der Liste nicht erstattungsfähiger Arzneimittelkategorien gemäß § 351c Abs 2 ASVG dem Bereich der Arzneimittel mit offensichtlich nicht ausreichendem Nachweis einer therapeutischen Wirkung zugeordnet seien. Zur Behandlung des mitversicherten Sohnes der Klägerin stünden in zweckmäßiger und wissenschaftlich akzeptierter Form andere in ihrer Wirksamkeit dokumentierte, kassenfreie bzw erstattungsfähige Arzneimittel zur Verfügung. Eine zwingende therapeutische Behandlungsnotwendigkeit mit den angeführten Arzneispezialitäten bestehe demnach nicht.Mit Bescheiden vom 20. 1. 2006 hat die beklagte Gebietskrankenkasse den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme dieser Arzneispezialitäten abgelehnt. Die verordneten Heilmittel gehörten zu den Homöopathika bzw Anthroposophika, die in der Liste nicht erstattungsfähiger Arzneimittelkategorien gemäß Paragraph 351 c, Absatz 2, ASVG dem Bereich der Arzneimittel mit offensichtlich nicht ausreichendem Nachweis einer therapeutischen Wirkung zugeordnet seien. Zur Behandlung des mitversicherten Sohnes der Klägerin stünden in zweckmäßiger und wissenschaftlich akzeptierter Form andere in ihrer Wirksamkeit dokumentierte, kassenfreie bzw erstattungsfähige Arzneimittel zur Verfügung. Eine zwingende therapeutische Behandlungsnotwendigkeit mit den angeführten Arzneispezialitäten bestehe demnach nicht.

Das Erstgericht wies das auf Kostenübernahme gerichtete Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass für die Wirksamkeit der klagsgegenständlichen Arzneimittel kein ausreichender medizinischer bzw wissenschaftlicher Beleg vorliege. Vielmehr sei davon auszugehen, dass allfällige Wirkstoffeffekte bei Michael G***** auf einen Placeboeffekt und somit auf Suggestion und/oder Autosuggestion und/oder auf nicht wirkstoffgebundene Behandlungsschritte zurückzuführen seien.

In seiner rechtlichen Beurteilung gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin - nicht zuletzt aufgrund des festgestellten Placeboeffekts und des Fehlens eines ausreichend wissenschaftlich fundierten Wirksamkeitsnachweises - nicht gelungen sei, einen objektiv ausreichenden Nachweis für die Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel zu erbringen. Im Hinblick auf die Anforderungen für die Kostentragung von Medikamenten durch den Sozialversicherungsträger müsse davon ausgegangen werden, dass die Wirksamkeit eines Arzneimittels aufgrund eines Placeboeffekts nicht ausreichend und zweckmäßig im Sinn des § 133 Abs 2 AVSG sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Bezug auf die Notwendigkeit einer Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der homöopathischen und anthroposophischen Medizin und hielt die vom Erstgericht über den fehlenden - allgemeinen - Wirkungsnachweis der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel getroffenen Feststellungen für unbedenklich. In seinen Rechtsausführungen verwies das Berufungsgericht auf die Begründung des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 10 ObS 409/02y (= SSV-NF 17/54), wonach ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden könne, wenn diese Behandlung einer zweckentsprechenden Krankenbehandlung entspreche und das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Dies setze voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich gewesen sei oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg habe erwartet werden können, sie sich also als erfolgversprechend dargestellt habe. Es bestehe daher kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten bzw angewandt hätten werden können. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führten und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden könne, komme auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht. Einer Kostenübernahme der homöopathischen/anthroposophischen Arzneimittel stehe im vorliegenden Fall schon entgegen, dass gar nicht feststehe und im erstinstanzlichen Verfahren auch nie behauptet worden sei, dass dem Sohn der Klägerin keine zumutbare erfolgversprechende Methode nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Behandlung zur Verfügung gestanden sei oder eine solche erfolglos geblieben wäre. Vielmehr habe die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren die grundsätzliche Ansicht vertreten, dass im Rahmen einer freien Therapiewahl auch die Kosten der von ihren Söhnen verwendeten homöopathischen/anthroposophischen Arzneimittel von der beklagten Partei zu ersetzen seien. Nur weil ein Patient die Behandlung mit im Erstattungskodex angeführten Medikamenten wegen im Einzelfall möglicher Nebenwirkungen ablehne und die Behandlung mit alternativen Arzneimitteln für ausreichend und geeignet erachte, begründe dies noch keinen Anspruch auf Kostenübernahme für diese Arzneimittel. Im Übrigen fehle für die konkrete Verordnung am 30. 11. 2005 nicht nur eine Diagnose des damals behandelnden Arztes, sondern es habe die Therapie nach der Begründung im Kostenübernahmeantrag - in Kombination mit Eigenbluttherapie - dazu gedient, dass es dem Sohn der Klägerin möglich gewesen sei, Urlaub am Bauernhof zu machen und Stall und Scheune (im Gegensatz zu früher) zu betreten, woraus abgeleitet werde, dass die Therapie erfolgreich gewesen sei. Ein Vorbringen dahingehend, dass die Behandlung mit den klagsgegenständlichen Präparaten zum Zeitpunkt ihrer Verordnung im November 2005 wegen eines akuten Infekts im Hinblick auf konkrete Nebenwirkungen anderer Medikamente notwendig gewesen sei, fehle aber ebenso wie jeder Hinweis darauf, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst im Einzelfall nicht zur Verfügung gestanden oder erfolglos geblieben wäre. Der bloße Hinweis auf Studien bezüglich angeblicher Nebenwirkungen klassischer Heilmittel rechtfertige keine Kostenübernahmepflicht des gesetzlichen Krankenversicherungsträgers für alternative Heilmittel.In seiner rechtlichen Beurteilung gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin - nicht zuletzt aufgrund des festgestellten Placeboeffekts und des Fehlens eines ausreichend wissenschaftlich fundierten Wirksamkeitsnachweises - nicht gelungen sei, einen objektiv ausreichenden Nachweis für die Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel zu erbringen. Im Hinblick auf die Anforderungen für die Kostentragung von Medikamenten durch den Sozialversicherungsträger müsse davon ausgegangen werden, dass die Wirksamkeit eines Arzneimittels aufgrund eines Placeboeffekts nicht ausreichend und zweckmäßig im Sinn des Paragraph 133, Absatz 2, AVSG sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Bezug auf die Notwendigkeit einer Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der homöopathischen und anthroposophischen Medizin und hielt die vom Erstgericht über den fehlenden - allgemeinen - Wirkungsnachweis der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel getroffenen Feststellungen für unbedenklich. In seinen Rechtsausführungen verwies das Berufungsgericht auf die Begründung des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 10 ObS 409/02y (= SSV-NF 17/54), wonach ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden könne, wenn diese Behandlung einer zweckentsprechenden Krankenbehandlung entspreche und das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Dies setze voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich gewesen sei oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg habe erwartet werden können, sie sich also als erfolgversprechend dargestellt habe. Es bestehe daher kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten bzw angewandt hätten werden können. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führten und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden könne, komme auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht. Einer Kostenübernahme der homöopathischen/anthroposophischen Arzneimittel stehe im vorliegenden Fall schon entgegen, dass gar nicht feststehe und im erstinstanzlichen Verfahren auch nie behauptet worden sei, dass dem Sohn der Klägerin keine zumutbare erfolgversprechende Methode nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Behandlung zur Verfügung gestanden sei oder eine solche erfolglos geblieben wäre. Vielmehr habe die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren die grundsätzliche Ansicht vertreten, dass im Rahmen einer freien Therapiewahl auch die Kosten der von ihren Söhnen verwendeten homöopathischen/anthroposophischen Arzneimittel von der beklagten Partei zu ersetzen seien. Nur weil ein Patient die Behandlung mit im Erstattungskodex angeführten Medikamenten wegen im Einzelfall möglicher Nebenwirkungen ablehne und die Behandlung mit alternativen Arzneimitteln für ausreichend und geeignet erachte, begründe dies noch keinen Anspruch auf Kostenübernahme für diese Arzneimittel. Im Übrigen fehle für die konkrete Verordnung am 30. 11. 2005 nicht nur eine Diagnose des damals behandelnden Arztes, sondern es habe die Therapie nach der Begründung im Kostenübernahmeantrag - in Kombination mit Eigenbluttherapie - dazu gedient, dass es dem Sohn der Klägerin möglich gewesen sei, Urlaub am Bauernhof zu machen und Stall und Scheune (im Gegensatz zu früher) zu betreten, woraus abgeleitet werde, dass die Therapie erfolgreich gewesen sei. Ein Vorbringen dahingehend, dass die Behandlung mit den klagsgegenständlichen Präparaten zum Zeitpunkt ihrer Verordnung im November 2005 wegen eines akuten Infekts im Hinblick auf konkrete Nebenwirkungen anderer Medikamente notwendig gewesen sei, fehle aber ebenso wie jeder Hinweis darauf, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst im Einzelfall nicht zur Verfügung gestanden oder erfolglos geblieben wäre. Der bloße Hinweis auf Studien bezüglich angeblicher Nebenwirkungen klassischer Heilmittel rechtfertige keine Kostenübernahmepflicht des gesetzlichen Krankenversicherungsträgers für alternative Heilmittel.

Die Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung das Prozessvorbringen der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt hat; sie ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.

Die Klägerin zieht die Richtigkeit der bereits vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Behandlung mit Außenseitermethoden nicht in Frage. Danach kann ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden, wenn diese Behandlung einer zweckmäßigen Krankenbehandlung entspricht und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Dies setzt voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung stand oder eine solche erfolglos blieb, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich war oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte, sie sich also als erfolgversprechend darstellte. Der Oberste Gerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung auch den Grundsatz, dass dann, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten (bzw angewandt hätten werden können), kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger besteht. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führen und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden kann, kommt im Sinne einer „zweckmäßigen" Krankenbehandlung (vgl § 133 Abs 2 ASVG) auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht, wobei die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden darf, sondern auch das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden muss (10 ObS 409/02y = SSV-NF 17/54 mwN ua).Die Klägerin zieht die Richtigkeit der bereits vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Behandlung mit Außenseitermethoden nicht in Frage. Danach kann ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden, wenn diese Behandlung einer zweckmäßigen Krankenbehandlung entspricht und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Dies setzt voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung stand oder eine solche erfolglos blieb, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich war oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte, sie sich also als erfolgversprechend darstellte. Der Oberste Gerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung auch den Grundsatz, dass dann, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten (bzw angewandt hätten werden können), kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger besteht. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führen und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden kann, kommt im Sinne einer „zweckmäßigen" Krankenbehandlung vergleiche Paragraph 133, Absatz 2, ASVG) auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht, wobei die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden darf, sondern auch das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden muss (10 ObS 409/02y = SSV-NF 17/54 mwN ua).

Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren in erster Linie deshalb abgewiesen, weil die Klägerin im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet habe, dass ihrem Sohn eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei. Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist bzw wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RIS-Justiz RS0042828 [T8]). Hier ist aber zu berücksichtigen, dass das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 87 Abs 1 ASGG die Pflicht hat, selbst alle Tatsachen von Amts wegen zu erwägen und zu erheben, die für die begehrte Entscheidung erforderlich sind und die zum Beweis dieser Tatsachen notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen (RIS-Justiz RS0042477). Wenn sich daher aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Aktes Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seiner Überprüfung einzubeziehen (RIS-Justiz RS0086455). Auch wenn man berücksichtigt, dass sich gegenüber qualifiziert vertretenen Parteien die amtswegige Beweisaufnahme gemäß § 87 Abs 1 ASGG innerhalb der - allerdings weit zu steckenden - Grenzen des Parteivorbringens zu bewegen hat (10 ObS 173/98h = SSV-NF 12/78 mwN; RIS-Justiz RS0109126), muss im vorliegenden Fall doch beachtet werden, dass die beklagte Partei bereits in ihrer Klagebeantwortung eingewendet hat, dass eine Behandlung der beim Sohn der Klägerin vorliegenden Leidenszustände mit Medikamenten aus dem Erstattungskodex möglich und zumutbar gewesen wäre. Die Klägerin hat dagegen in ihrem Prozessvorbringen ausreichend deutlich geltend gemacht, dass ihrem Sohn eine schulmedizinische Behandlung mit Arzneimitteln aufgrund der damit für ihn verbundenen Nebenwirkungen nicht zumutbar gewesen sei. So liege bei ihrem Sohn Michael eine Allergie in der dritten Generation vor; die Gabe klassischer Antipyretika bei banalen Infekten erhöhte die Bereitschaft zur Entwicklung allergischer Symptome (ON 18). Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts hat damit die Klägerin bereits im Verfahren erster Instanz ausreichend deutlich geltend gemacht, dass ihrem Sohn keine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Verfügung gestanden sei. Da die Richtigkeit dieser Prozessbehauptung der Klägerin bisher jedoch nicht überprüft und dazu vom Erstgericht auch keine Feststellungen getroffen wurden, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens aufgrund der insoweit vorliegenden sekundären Feststellungsmängel jedenfalls derzeit als nicht berechtigt. Die Rechtssache ist zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren in erster Linie deshalb abgewiesen, weil die Klägerin im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet habe, dass ihrem Sohn eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei. Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist bzw wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO dar, sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RIS-Justiz RS0042828 [T8]). Hier ist aber zu berücksichtigen, dass das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß Paragraph 87, Absatz eins, ASGG die Pflicht hat, selbst alle Tatsachen von Amts wegen zu erwägen und zu erheben, die für die begehrte Entscheidung erforderlich sind und die zum Beweis dieser Tatsachen notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen (RIS-Justiz RS0042477). Wenn sich daher aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Aktes Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seiner Überprüfung einzubeziehen (RIS-Justiz RS0086455). Auch wenn man berücksichtigt, dass sich gegenüber qualifiziert vertretenen Parteien die amtswegige Beweisaufnahme gemäß Paragraph 87, Absatz eins, ASGG innerhalb der - allerdings weit zu steckenden - Grenzen des Parteivorbringens zu bewegen hat (10 ObS 173/98h = SSV-NF 12/78 mwN; RIS-Justiz RS0109126), muss im vorliegenden Fall doch beachtet werden, dass die beklagte Partei bereits in ihrer Klagebeantwortung eingewendet hat, dass eine Behandlung der beim Sohn der Klägerin vorliegenden Leidenszustände mit Medikamenten aus dem Erstattungskodex möglich und zumutbar gewesen wäre. Die Klägerin hat dagegen in ihrem Prozessvorbringen ausreichend deutlich geltend gemacht, dass ihrem Sohn eine schulmedizinische Behandlung mit Arzneimitteln aufgrund der damit für ihn verbundenen Nebenwirkungen nicht zumutbar gewesen sei. So liege bei ihrem Sohn Michael eine Allergie in der dritten Generation vor; die Gabe klassischer Antipyretika bei banalen Infekten erhöhte die Bereitschaft zur Entwicklung allergischer Symptome (ON 18). Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts hat damit die Klägerin bereits im Verfahren erster Instanz ausreichend deutlich geltend gemacht, dass ihrem Sohn keine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Verfügung gestanden sei. Da die Richtigkeit dieser Prozessbehauptung der Klägerin bisher jedoch nicht überprüft und dazu vom Erstgericht auch keine Feststellungen getroffen wurden, erweist sich die Abweisung des Klagebegehrens aufgrund der insoweit vorliegenden sekundären Feststellungsmängel jedenfalls derzeit als nicht berechtigt. Die Rechtssache ist zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Sollte das Berufungsgericht im weiteren Verfahren zu einem Zuspruch an die Klägerin gelangen, wird auch die Fassung des Klagebegehrens zu prüfen sein (10 ObS 52/96 = SSV-NF 10/30; 10 ObS 346/01g = SSV-NF 16/40).

Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen.Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung gemäß Paragraph 77, Absatz eins, Ziffer eins, ASGG unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen.

Anmerkung

E8833510ObS70.08d

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inARD 5908/12/2008 = ZAS-Judikatur 2008/195XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:010OBS00070.08D.0724.000

Zuletzt aktualisiert am

08.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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