TE OGH 2008/7/24 10ObS69/08g

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Veröffentlicht am 24.07.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. KR Michaela Haydter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Ute G*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Hans Peter Bauer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, 5021 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10, vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Kostenübernahme, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2008, GZ 12 Rs 2/08p-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. August 2007, GZ 18 Cgs 87/07p, 18 Cgs 23/06z-29, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird auch insoweit zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Revision der Klägerin sind weitere Verfahrenskosten.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 30. 11. 2005 verordnete Dr. Peter O*****, Arzt für Allgemeinmedizin, zur Behandlung der bei der Klägerin diagnostizierten abdominellen Schmerzen bei retroperitonealem Neurinom das Arzneimittel Melissa Cupro Culta D2 Amp. OP II, zur Behandlung der diagnostizierten Schrumpfniere rechts das Arzneimittel Renes/Cuprum Amp. OP II und zur Behandlung der weiters bei der Klägerin diagnostizierten Hypermetroragien das Arzneimittel Glacies Mariae D6 Amp. OP II.

Für diese Arzneispezialitäten, die nicht im Erstattungskodex angeführt sind, liegt keine ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes des zuständigen Krankenversicherungsträgers vor.

Mit den beiden Bescheiden vom 20. 1. 2006 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für diese genannten Arzneimittel ab.

Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin zur AZ 18 Cgs 12/06g (nunmehr 18 Cgs 87/07p) und 18 Cgs 23/06z des Erstgerichts rechtzeitig Protokollarklage mit dem Begehren auf Kostenübernahme. Sie brachte im Wesentlichen vor, die gesetzliche Krankenversicherung sei leistungspflichtig, wenn es bei einer schweren Erkrankung keine Behandlungsalternative gebe und die begründete Aussicht bestehe, dass mit dem Arzneimittel ein Behandlungserfolg erzielt werden könne. Der gesamten Familie der Klägerin seien die von ihr benötigten homöopathischen und anthroposophischen Heilmittel bisher von den zuständigen Krankenversicherungsträgern als Fortsetzungstherapie bewilligt und erstattet worden. Diese Therapie sei bei richtiger Indikationsstellung sowohl wirksam als auch nebenwirkungsfrei. Umgekehrt sei eine Therapie mit chemisch hergestellten Arzneimitteln bei einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Patienten mit Nebenwirkungen und gefährlichen Interaktionen verbunden, in vielen Fällen sogar mit gravierenden Nebenwirkungen bis hin zu Todesfällen, die teilweise nicht oder nur eingeschränkt vorhersehbar seien. Die Klägerin lehne weder die Schulmedizin ab noch sehe sie nur die Komplementärmedizin als die einzig wirksame Methode an, sondern aus ihrer Sicht gehe es um die freie Therapieauswahl ohne Einschränkung der Therapiemöglichkeiten für kranke Menschen, was auch dem Recht auf möglichst nebenwirkungsfreie medizinische Maßnahmen (Art 2 EMRK) entspreche.

Zu ihrem Krankheitsverlauf brachte die Klägerin vor, dass sie seit Herbst 1998 in Kenntnis einer Tumorerkrankung im rechten hinteren oberen Bauchraum sei. Zu Beginn der Erkrankung sei sie mit einem so schlechtem Blutbild belastet gewesen, dass sie sich mangels gesicherter und nebenwirkungsarmer schulmedizinischer Therapiemöglichkeiten in Absprache mit den behandelnden Ärzten für eine komplementärmedizinische Therapie entschieden habe. Es handle sich um eine (gutartige) Tumorerkrankung des Nervengewebes mit der Komplikation gynäkologischer Blutungen, immer wiederkehrender Blutarmut, mehrerer Schmerzarten im Bauchbereich und einer Schrumpfung der rechten Niere. Nur die linke Niere sei noch voll funktionsfähig, sodass die Klägerin darauf angewiesen und die linke Niere daher besonders schutzbedürftig sei. Auf eine Operation habe die Klägerin wegen der hohen vorhersehbaren Komplikationsrate mit einem Ablebensrisiko von 30 % bisher verzichtet. Durch die Verwendung der klagsgegenständlichen Heilmittel habe das Tumorwachstum jahrelang erfolgreich kontrolliert und eine Infektion der hochgefährdeten rechten Niere vermieden werden können, sodass die Klägerin mit Hilfe ihrer Familie wieder den Alltag bewältige. Sie habe auch schon mehrere chemische Medikamente (zB Ferrogradumet) verwendet, wegen der Nebenwirkung (schwerwiegende Obstipation) aber wieder absetzen müssen. Dies verdeutliche die Multimorbidität der Klägerin und die Probleme einer nebenwirkungsarmen Therapie. Bezüglich der von der Beklagten angeführten NSAR-Behandlung gebe es in der Literatur Hinweise, dass eine Nierenschädigung möglich sei. Eine dauerhafte Einnahme von NSAR gegen Schmerzen würde auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu gastrointestinalen Blutungen und zu einer Verschlechterung des Reizdarm-Syndroms mit einer Gravierung der immer wieder auftretenden Anämie führen. Bei einer Einnahme des von der Beklagten weiters empfohlenen Medikaments Buscopan würde sie sich aufgrund fehlender Untersuchungen zur Nephrotoxizität bei geschädigten Nieren einem unnötigen Nebenwirkungsrisiko aussetzen. Aus diesen Gründen leitet die Klägerin einen Anspruch auf Fortsetzung der bisher jahrelang erfolgreichen und nebenwirkungsarmen Therapie ab, während sie bei Anwendung der von der beklagten Partei vorgeschlagenen Medikamente einem unnotwendigen Nebenwirkungsrisiko ausgesetzt wäre.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, die verfahrensgegenständlichen Arzneimittel (Homöopathika bzw Anthroposophika) seien in der „Liste nicht erstattungsfähiger Arzneikategorien gemäß § 351c Abs 2 ASVG" dem Bereich der Arzneimittel mit offensichtlich nicht ausreichendem Nachweis einer therapeutischen Wirkung zugeordnet. Für die Behandlung der bei der Klägerin vorliegenden Krankheitsbilder stünden in zweckmäßiger und wissenschaftlich akzeptierter Form andere in ihrer Wirksamkeit dokumentierte, kassenfreie bzw erstattungsfähige zugelassene Arzneimittel zur Verfügung. Eine zwingende therapeutische Notwendigkeit einer Behandlung mit den oben erwähnten Arzneispezialitäten bestehe daher nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen noch fest, dass für die Wirksamkeit der klagsgegenständlichen Arzneimittel kein ausreichender medizinischer/wissenschaftlicher Beleg vorliege. Es sei davon auszugehen, dass allfällige Wirkstoffeffekte bei der Klägerin auf einen Placeboeffekt und somit auf Suggestion und/oder Autosuggestion und/oder auf nicht wirkstoffgebundene Behandlungsschritte zurückzuführen seien.

In seiner rechtlichen Beurteilung gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin - nicht zuletzt aufgrund des festgestellten Placeboeffekts und des Fehlens eines ausreichend wissenschaftlich fundierten Wirksamkeitsnachweises - nicht gelungen sei, einen objektiv ausreichenden Nachweis für die Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel zu erbringen. Im Hinblick auf die Anforderungen für die Kostentragung von Medikamenten durch den Sozialversicherungsträger müsse davon ausgegangen werden, dass die Wirksamkeit eines Arzneimittels aufgrund eines Placeboeffekts nicht ausreichend und zweckmäßig im Sinn des § 133 Abs 2 AVSG sei. Das Klagebegehren sei daher nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Klägerin diese Entscheidung dahin ab, dass es mit Teilurteil die Abweisung der begehrten Kostenübernahme für das Heilmittel Glacies Mariae D6 Amp. OP II bestätigte. Im Übrigen, also betreffend die Heilmittel Melissa Cupro Culta D2 Amp. OP II und Renes/Cuprum Amp. OP II, hob es das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Bezug auf die Notwendigkeit einer Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der homöopathischen und anthroposophischen Medizin und hielt die vom Erstgericht über den fehlenden - allgemeinen - Wirkungsnachweis der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel getroffenen Feststellungen für unbedenklich. In seinen Rechtsausführungen verwies das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 10 ObS 409/02y (= SSV-NF 17/54), wonach ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden könne, wenn diese Behandlung einer zweckentsprechenden Krankenbehandlung entspreche und das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Dies setze voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich gewesen sei oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg habe erwartet werden können, sie sich also als erfolgversprechend dargestellt habe. Es bestehe daher kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten bzw angewandt hätten werden können. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führten und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden könne, komme auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht.Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung der Klägerin diese Entscheidung dahin ab, dass es mit Teilurteil die Abweisung der begehrten Kostenübernahme für das Heilmittel Glacies Mariae D6 Amp. OP II bestätigte. Im Übrigen, also betreffend die Heilmittel Melissa Cupro Culta D2 Amp. OP II und Renes/Cuprum Amp. OP römisch II, hob es das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Verfahrens in Bezug auf die Notwendigkeit einer Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der homöopathischen und anthroposophischen Medizin und hielt die vom Erstgericht über den fehlenden - allgemeinen - Wirkungsnachweis der verfahrensgegenständlichen Arzneimittel getroffenen Feststellungen für unbedenklich. In seinen Rechtsausführungen verwies das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der Entscheidung 10 ObS 409/02y (= SSV-NF 17/54), wonach ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden könne, wenn diese Behandlung einer zweckentsprechenden Krankenbehandlung entspreche und das Maß des Notwendigen nicht überschreite. Dies setze voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich gewesen sei oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg habe erwartet werden können, sie sich also als erfolgversprechend dargestellt habe. Es bestehe daher kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten bzw angewandt hätten werden können. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führten und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden könne, komme auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht.

Soweit die Klägerin ihrer Rechtsrüge in der Berufung zu Grunde lege, dass die von ihr verwendeten Arzneimittel erfolgversprechend gewesen seien und aufgrund ihrer Wirksamkeit ein günstiges Behandlungsergebnis hätten erwarten lassen, gehe die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Einer Kostenübernahme betreffend das Arzneimittel Glacies Mariae D6 Amp. OP II stehe schon entgegen, dass gar nicht feststehe und im erstinstanzlichen Verfahren von der Klägerin auch nicht behauptet worden sei, dass ihr keine zumutbare erfolgversprechende Methode nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Behandlung der sogenannten Hypermetroragien (= unregelmäßige gynäkologische Blutungen) zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben wäre. Insbesondere fehle diesbezüglich auch jegliches Vorbringen, wonach die im Erstattungskodex enthaltenen schulmedizinischen Methoden zur Behandlung dieser Blutungen zu unerwünschten Nebenwirkungen führten. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang gerügten sekundären Feststellungsmängel lägen daher mangels entsprechenden Prozessvorbringens im Verfahren erster Instanz nicht vor. Das Klagebegehren erweise sich daher hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Kostenübernahme für das Arzneimittel Glacies Mariae D6 schon aus diesem Grund als nicht berechtigt, sodass das Ersturteil in diesem Umfang mit Teilurteil zu bestätigen sei.Soweit die Klägerin ihrer Rechtsrüge in der Berufung zu Grunde lege, dass die von ihr verwendeten Arzneimittel erfolgversprechend gewesen seien und aufgrund ihrer Wirksamkeit ein günstiges Behandlungsergebnis hätten erwarten lassen, gehe die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Einer Kostenübernahme betreffend das Arzneimittel Glacies Mariae D6 Amp. OP römisch II stehe schon entgegen, dass gar nicht feststehe und im erstinstanzlichen Verfahren von der Klägerin auch nicht behauptet worden sei, dass ihr keine zumutbare erfolgversprechende Methode nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Behandlung der sogenannten Hypermetroragien (= unregelmäßige gynäkologische Blutungen) zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben wäre. Insbesondere fehle diesbezüglich auch jegliches Vorbringen, wonach die im Erstattungskodex enthaltenen schulmedizinischen Methoden zur Behandlung dieser Blutungen zu unerwünschten Nebenwirkungen führten. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang gerügten sekundären Feststellungsmängel lägen daher mangels entsprechenden Prozessvorbringens im Verfahren erster Instanz nicht vor. Das Klagebegehren erweise sich daher hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Kostenübernahme für das Arzneimittel Glacies Mariae D6 schon aus diesem Grund als nicht berechtigt, sodass das Ersturteil in diesem Umfang mit Teilurteil zu bestätigen sei.

Hingegen habe die Klägerin ein ausreichendes Tatsachenvorbringen dahin erstattet, dass es ihr nur durch die Verwendung der weiters klagsgegenständlichen Arzneimittel Melissa Cupro Culta D2 und Renes/Cuprum möglich gewesen sei, das Wachstum des Tumors jahrelang erfolgreich zu kontrollieren und eine Infektion der hochgefährdeten rechten Niere zu vermeiden, während die Verwendung chemischer Medikamente (zB Ferrogradumet) wegen schwerwiegender Nebenwirkungen wieder abgesetzt werden habe müssen. Die Klägerin habe auch ausführlich dargelegt, dass eine schulmedizinische NSAR-Behandlung gegen Schmerzen das Risiko einer (weiteren) Nierenschädigung mit sich bringen würde und diese Behandlung sowie das von der beklagten Partei empfohlene Medikament Buscopan bei der bestehenden Multimorbidität aufgrund des damit verbundenen unnötigen Nebenwirkungsrisikos unzumutbar seien. Insoweit liege also ein für die angestrebte Kostenübernahme dieser beiden genannten alternativen Heilmittel grundsätzlich ausreichendes Tatsachenvorbringen vor, mit dem sich das Erstgericht aber nicht näher auseinandergesetzt habe, weil es davon ausgegangen sei, dass schon aufgrund des pharmakologischen Gutachtens feststehe, dass die Wirksamkeit beider Mittel nicht nachgewiesen sei. Sollte jedoch im Sinne des Prozessvorbringens der Klägerin die vor Jahren begonnene Behandlung mit den beiden Heilmitteln Melissa Cupro Culta und Renes/Cuprum nicht nur konkret bei der Klägerin erfolgreich gewesen sein, sondern im Vergleich zu der schulmedizinischen Behandlung auch höhere Erfolgsaussichten bieten und erheblich geringere Nebenwirkungen mit sich bringen, käme grundsätzlich ein Ersatz der Kosten dieser Außenseitermethode in Betracht, weil in diesem Fall das Maß des Notwendigen nicht überschritten worden wäre. Zur Prüfung dieser Frage werde die Einvernahme des verordnenden Arztes sowie die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet für innere Medizin - allenfalls auch die Einholung einer homöopathisch-anthroposophischen Fachmeinung (als Hilfsgutachten) - erforderlich sein. Aus diesem Grund sei das Ersturteil bezüglich der Heilmittel Melissa Cupro Culta und Renes/Cuprum aufzuheben und die Sozialrechtssache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision gegen das Teilurteil mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung das Prozessvorbringen der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt hat, und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Die Klägerin zieht die Richtigkeit der bereits vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Behandlung mit Außenseitermethoden nicht in Frage. Danach kann ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden, wenn diese Behandlung einer zweckmäßigen Krankenbehandlung entspricht und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Dies setzt voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung stand oder eine solche erfolglos blieb, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich war oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte, sie sich also als erfolgversprechend darstellte. Der Oberste Gerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung auch den Grundsatz, dass dann, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten (bzw angewandt hätten werden können), kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger besteht. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führen und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden kann, kommt im Sinne einer „zweckmäßigen" Krankenbehandlung (vgl § 133 Abs 2 ASVG) auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht, wobei die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden darf, sondern auch das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden muss (vgl 10 ObS 409/02y = SSV-NF 17/54 mwN ua).Die Klägerin zieht die Richtigkeit der bereits vom Berufungsgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Behandlung mit Außenseitermethoden nicht in Frage. Danach kann ein Kostenersatz bei einer von der Wissenschaft noch nicht anerkannten Behandlungsmethode (Außenseitermethode) nur dann gewährt werden, wenn diese Behandlung einer zweckmäßigen Krankenbehandlung entspricht und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet. Dies setzt voraus, dass eine zumutbare erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst nicht zur Verfügung stand oder eine solche erfolglos blieb, während die Außenseitermethode beim Versicherten erfolgreich war oder von ihr nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte, sie sich also als erfolgversprechend darstellte. Der Oberste Gerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung auch den Grundsatz, dass dann, wenn herkömmliche Behandlungsmethoden erfolgreich und ohne Nebenwirkungen angewandt werden konnten (bzw angewandt hätten werden können), kein Anlass zur Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger besteht. Wenn jedoch schulmedizinische Behandlungsmethoden zu unerwünschten (erheblichen) Nebenwirkungen führen und durch alternative Heilmethoden der gleiche Behandlungserfolg (ohne solche Nebenwirkungen) erzielt werden kann, kommt im Sinne einer „zweckmäßigen" Krankenbehandlung vergleiche § 133 Abs 2 ASVG) auch eine Kostenübernahme für alternative Heilmethoden durch den gesetzlichen Krankenversicherungsträger in Betracht, wobei die Zweckmäßigkeit einer Krankenbehandlung nicht allein nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden darf, sondern auch das Ausmaß der Betroffenheit des Patienten im Einzelfall berücksichtigt werden muss vergleiche 10 ObS 409/02y = SSV-NF 17/54 mwN ua).

Das Berufungsgericht hat mit dem nunmehr angefochtenen Teilurteil das auf Kostenübernahme für das Arzneimittel Glacies Mariae D6 gerichtete Klagebegehren deshalb abgewiesen, weil die Klägerin im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet habe, dass ihr keine zumutbare erfolgversprechende Behandlung ihrer (unregelmäßigen) gynäkologischen Blutungen nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei. Insbesondere habe die Klägerin nicht behauptet, dass die im Erstattungskodex enthaltenen schulmedizinischen Methoden zur Behandlung dieser Blutungen zu unerwünschten Nebenwirkungen führten. Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist bzw wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RIS-Justiz RS0042828 [T8]). Hier ist aber zu berücksichtigen, dass das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 87 Abs 1 ASGG die Pflicht hat, selbst alle Tatsachen von Amts wegen zu erwägen und zu erheben, die für die begehrte Entscheidung erforderlich sind und die zum Beweis dieser Tatsachen notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen (RIS-Justiz RS0042477). Wenn sich daher aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Akts Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seine Überprüfung einzubeziehen (RIS-Justiz RS0086455). Auch wenn man berücksichtigt, dass sich gegenüber qualifiziert vertretenen Parteien die amtswegige Beweisaufnahme gemäß § 87 Abs 1 ASGG innerhalb der - allerdings weit zu steckenden - Grenzen des Parteivorbringens zu bewegen hat (vgl 10 ObS 173/98h = SSV-NF 12/78 mwN; RIS-Justiz RS0109126), muss im vorliegenden Fall doch beachtet werden, dass die beklagte Partei bereits in ihrer Klagebeantwortung eingewendet hat, dass auch zur Behandlung der bei der Klägerin diagnostizierten Hypermetroragien ausreichende schulmedizinische Behandlungskonzepte zur Verfügung stünden. Die Klägerin hat demgegenüber in ihrem bereits oben zitierten Prozessvorbringen ausreichend deutlich geltend gemacht, dass ihr insbesondere aufgrund ihrer Multimorbidität die von der beklagten Partei vorgeschlagene schulmedizinische Behandlung mit chemisch hergestellten Arzneimitteln aufgrund der damit für sie verbundenen Nebenwirkungen nicht zumutbar gewesen sei. Es ist dem Berufungsgericht zwar darin zu folgen, dass die Klägerin dieses Prozessvorbringen nur hinsichtlich der beiden Heilmittel Melissa Cupro Culta und Renes/Cuprum näher begründet hat, doch schließt ihr ausdrückliches Prozessvorbringen zur angeblichen Unzumutbarkeit einer schulmedizinischen Behandlung mit chemisch hergestellten Arzneimitteln aufgrund der im Hinblick auf ihre Multimorbidität damit für sie verbundenen Nebenwirkungen auch die Behauptung ein, dass entgegen dem Prozessstandpunkt der beklagten Partei zur Behandlung der bei ihr unregelmäßig auftretenden gynäkologischen Blutungen keine ausreichenden schulmedizinischen Behandlungskonzepte zur Verfügung stünden. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts hat damit die Klägerin aber auch hinsichtlich ihres Kostenübernahmebegehrens betreffend das Arzneimittel Glacies Mariae D6 im Verfahren erster Instanz ein ausreichendes Tatsachenvorbringen erstattet.Das Berufungsgericht hat mit dem nunmehr angefochtenen Teilurteil das auf Kostenübernahme für das Arzneimittel Glacies Mariae D6 gerichtete Klagebegehren deshalb abgewiesen, weil die Klägerin im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptet habe, dass ihr keine zumutbare erfolgversprechende Behandlung ihrer (unregelmäßigen) gynäkologischen Blutungen nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst zur Verfügung gestanden oder eine solche erfolglos geblieben sei. Insbesondere habe die Klägerin nicht behauptet, dass die im Erstattungskodex enthaltenen schulmedizinischen Methoden zur Behandlung dieser Blutungen zu unerwünschten Nebenwirkungen führten. Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist bzw wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar, sofern das Berufungsgericht zu einem vertretbaren Auslegungsergebnis gelangt ist (RIS-Justiz RS0042828 [T8]). Hier ist aber zu berücksichtigen, dass das Gericht im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 87 Abs 1 ASGG die Pflicht hat, selbst alle Tatsachen von Amts wegen zu erwägen und zu erheben, die für die begehrte Entscheidung erforderlich sind und die zum Beweis dieser Tatsachen notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen (RIS-Justiz RS0042477). Wenn sich daher aus dem Vorbringen der Parteien, aus Beweisergebnissen oder dem Inhalt des Akts Hinweise auf das Vorliegen bestimmter entscheidungswesentlicher Tatumstände ergeben, ist das Gericht verpflichtet, diese in seine Überprüfung einzubeziehen (RIS-Justiz RS0086455). Auch wenn man berücksichtigt, dass sich gegenüber qualifiziert vertretenen Parteien die amtswegige Beweisaufnahme gemäß § 87 Abs 1 ASGG innerhalb der - allerdings weit zu steckenden - Grenzen des Parteivorbringens zu bewegen hat vergleiche 10 ObS 173/98h = SSV-NF 12/78 mwN; RIS-Justiz RS0109126), muss im vorliegenden Fall doch beachtet werden, dass die beklagte Partei bereits in ihrer Klagebeantwortung eingewendet hat, dass auch zur Behandlung der bei der Klägerin diagnostizierten Hypermetroragien ausreichende schulmedizinische Behandlungskonzepte zur Verfügung stünden. Die Klägerin hat demgegenüber in ihrem bereits oben zitierten Prozessvorbringen ausreichend deutlich geltend gemacht, dass ihr insbesondere aufgrund ihrer Multimorbidität die von der beklagten Partei vorgeschlagene schulmedizinische Behandlung mit chemisch hergestellten Arzneimitteln aufgrund der damit für sie verbundenen Nebenwirkungen nicht zumutbar gewesen sei. Es ist dem Berufungsgericht zwar darin zu folgen, dass die Klägerin dieses Prozessvorbringen nur hinsichtlich der beiden Heilmittel Melissa Cupro Culta und Renes/Cuprum näher begründet hat, doch schließt ihr ausdrückliches Prozessvorbringen zur angeblichen Unzumutbarkeit einer schulmedizinischen Behandlung mit chemisch hergestellten Arzneimitteln aufgrund der im Hinblick auf ihre Multimorbidität damit für sie verbundenen Nebenwirkungen auch die Behauptung ein, dass entgegen dem Prozessstandpunkt der beklagten Partei zur Behandlung der bei ihr unregelmäßig auftretenden gynäkologischen Blutungen keine ausreichenden schulmedizinischen Behandlungskonzepte zur Verfügung stünden. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts hat damit die Klägerin aber auch hinsichtlich ihres Kostenübernahmebegehrens betreffend das Arzneimittel Glacies Mariae D6 im Verfahren erster Instanz ein ausreichendes Tatsachenvorbringen erstattet.

Damit müssen aber die Erwägungen des Berufungsgerichts, die zur Aufhebung des Ersturteils im Umfang des Kostenübernahmebegehrens der Klägerin bezüglich der beiden anderen Arzneimittel führten, auch hinsichtlich des den Gegenstand des Teilurteils bildenden Arzneimittels Glacies Mariae D6 gelten. Wenn nämlich das Berufungsgericht ausgehend von einer richtigen Rechtsansicht eine Ergänzung der Tatsachengrundlage für erforderlich erachtet, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179). Es sind daher das vom Berufungsgericht erlassene Teilurteil und der damit bestätigte Teil des Ersturteils aufzuheben. Die Rechtssache ist auch in diesem Umfang (somit also zur Gänze) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Sollte das Erstgericht im weiteren Verfahren zu einem Zuspruch an die Klägerin gelangen, wird auch die Fassung des Klagebegehrens zu prüfen sein (vgl SSV-NF 10/30; 10 ObS 346/01g).Sollte das Erstgericht im weiteren Verfahren zu einem Zuspruch an die Klägerin gelangen, wird auch die Fassung des Klagebegehrens zu prüfen sein vergleiche SSV-NF 10/30; 10 ObS 346/01g).

Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der Rechtsmittelkosten der Klägerin gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung gemäß § 77 Abs 1 Z 1 ASGG unabhängig vom Verfahrensausgang selbst zu tragen.

Textnummer

E88334

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:010OBS00069.08G.0724.000

Im RIS seit

23.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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