TE Vwgh Erkenntnis 2007/11/27 2006/06/0313

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Veröffentlicht am 27.11.2007
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L81708 Baulärm Umgebungslärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 liti;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litl;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litq;
BauG Vlbg 2001 §24 Abs3 lita;
BauG Vlbg 2001 §24 Abs3 litb;
BauG Vlbg 2001 §24;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §6 Abs2;
BauG Vlbg 2001 §7 Abs1 lite;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde der MH in B, vertreten durch Dr. Hans Widerin und Mag. Bernd Widerin, Rechtsanwälte in 6700 Bludenz, Rathausgasse 6, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 25. Oktober 2006, Zl. BHBL-I-4102.03-2003/0013, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. ES und 2. AS, beide in B, beide vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, 3. Stadtgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 sowie der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der erst- und der zweitmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Die erst- und die zweitmitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerber) sind nach der Aktenlage nebst einer weiteren Person Miteigentümer eines Grundstückes im Gebiet der mitbeteiligten Stadtgemeinde (kurz: Gemeinde), auf welcher sich ein freistehendes Wohngebäude befindet. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines seitlich angrenzenden Grundstückes. Entlang der gemeinsamen Grenze verläuft, soweit hier erheblich, eine Mauer, wobei das Niveau des Grundstückes der Beschwerdeführerin im Grenzbereich weitgehend höher liegt als das angrenzende Gelände auf dem Grundstück der Bauwerber, das in diesem Bereich (gemäß den in den Akten befindlichen Lichtbildern) eben und befestigt ist. Aus Lichtbildern in den Akten ist ersichtlich, dass dieser Bereich auch zum Abstellen von Autos verwendet wird (nach der Aktenlage rechtmäßig, was auch unstrittig ist).

Mit dem bei der Gemeinde am 17. November 2003 eingelangten Baugesuch vom 14. November 2003 kamen die Bauwerber um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für (so die Einreichunterlagen) einen überdachten Autoabstellplatz, einen integrierten Abstellraum sowie einer Eingangsüberdachung ein (wie sich aus den Akten ergibt, hatten die Bauwerber schon zuvor mit Eingabe vom 30. Jänner 2002 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines überdachten Abstellplatzes samt Abstellraum beantragt, wobei sie nach verschiedenen Verfahrensschritten mit Schreiben vom 18. Mai 2005 jenes Baugesuch zurückzogen und ersuchten, dass nur mehr das Baugesuch vom 14. November 2003 behandelt werden solle; es heißt weiter, dass die Bauwerber am 12. September 2005 schriftlich wiederum die Fortsetzung des ursprünglichen Bauverfahrens beantragt hatten - darauf wird noch zurückzukommen sein; festzuhalten ist, dass beschwerdegegenständlich das mit dem Baugesuch vom 14. November 2003 eingeleitete Bauverfahren ist). Diese nun projektgegenständliche, nach den Planunterlagen winkelförmige bauliche Anlage soll entlang der gemeinsamen Grundgrenze errichtet werden und erstreckt sich über eine Länge von 7,55 m entlang der Seitenfront des Wohnhauses der Bauwerber (so, dass der leicht trapezförmige, etwa 3,90 m bis rund 3,50 m breite Zwischenraum zwischen dem Wohnhaus und der Grenzmauer weitestgehend verbaut wird) und sodann winkelförmig auch vor einem Teil der vorderen Front des Wohnhauses. Der entlang der Front des Wohnhauses einschließlich der Außenwände rund 3,90 m tiefe Abstellraum befindet sich im rückwärtigen Bereich, davor liegt die "Eingangsüberdachung" mit dem "Carport".

In der Bauverhandlung vom 15. Juli 2004 wurde das Vorhaben dahingehend präzisiert, dass das Bauwerk als selbsttragende Holz-Riegelkonstruktion vorgesehen sei. Diese werde im Bereich der angrenzenden Mauer an der Nordostseite des Baugrundstückes (gemeint: entlang der Grenzmauer) mit Fassadenplatten bzw. an der Südostseite (das ist im rückwärtigen Bereich) mit einem Holzschirm verkleidet. Außerdem sei vorgesehen, sowohl in der nordostseitigen als auch in der südostseitigen Außenwand ein Fensterband einzubauen, welches mit Einscheibensicherungsglas (nicht öffenbar) ausgeführt werden solle. Das geplante Bauwerk solle einen Abstand von ca. 1 cm zum bestehenden Wohngebäude (der Bauwerber) aufweisen, wobei keine konstruktive Verbindung geplant sei. Es sei lediglich vorgesehen, eine Verblechung anzubringen, um den Eintritt von Wasser zwischen dem bestehenden Gebäude (der Bauwerber) und dem geplanten Bauwerk zu verhindern.

Festgestellt wurde in der Bauverhandlung, dass das Vorhaben die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände und Abstandsflächen nicht einhalte, der vorgesehene Abstand gegenüber dem Grundstück der Beschwerdeführerin belaufe sich auf 0,00 m. Die Bauwerber beantragten, "die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 1 lit. e des Baugesetzes anzuwenden".

Die Beschwerdeführerin sprach sich gegen das Vorhaben aus, insbesondere gegen die begehrte Abstandsnachsicht. Das geplante Bauwerk könne nicht als Nebengebäude qualifiziert werden. Vielmehr sei ein Mindestabstand von 3 m einzuhalten. Die Bauwerber erwiderten, dass eine konstruktive Verbindung zu ihrem Haus nicht erfolgen solle, vielmehr werde eine selbständige Konstruktion errichtet.

In der Folge holte die Baubehörde ein schalltechnisches Gutachten ein, wobei die zu erwartenden Lärmauswirkungen des geplanten Bauvorhabens mit jenen eines Autoabstellplatzes und einer Mauer zum Nachbargrundstück mit einer Höhe von 1,8 m über dem Nachbargelände zu vergleichen seien, und ferner zu untersuchen sei, welche Auswirkungen ein Autoabstellplatz ohne zusätzliche Baumaßnahmen habe. Der Amtssachverständige kam in seinem Gutachten vom 22. Oktober 2004 zusammengefasst zum Ergebnis, dass die Errichtung eines Carports (gemeint: des geplanten Bauwerkes) etwas geringere Schallimmissionen auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin zur Folge habe, als dies bei Errichtung einer Mauer der Fall wäre. Der Verzicht auf jegliche schallabschirmende Konstruktion hätte deutlich höhere Immissionspegel zur Folge.

Der Bürgermeister erteilte sodann mit Bescheid vom 11. Jänner 2005, soweit im Beschwerdefall erheblich, die angestrebte Baubewilligung und die angestrebte Abstandsnachsicht zum Grundstück der Beschwerdeführerin mit einer Reihe von Vorschreibungen. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Die Berufungsbehörde ergänzte das Ermittlungsverfahren, die Bauwerber ergänzten hierauf mit Eingabe vom 19. Mai 2005 die Projektunterlagen. Die Beschwerdeführerin äußerte sich weiterhin ablehnend und verwies unter anderem auch darauf, dass die Bauwerber mittlerweile vier Autos hätten, zurzeit hätten "diese ja noch alle auf der dafür vorgesehenen Abstellfläche Platz". Sollte das Bauvorhaben aber bewilligt und in dieser Form ausgeführt werden, hätten nur mehr drei Autos Platz. Das vierte und natürlich alle Autos der Besucher stünden dann auf der Straße (weiterer Hinweis auf die beengten Verhältnisse auf der Straße).

Mit Bescheid der Berufungskommission der Gemeinde vom 22. September 2005 wurde der Berufung stattgegeben und dem Vorhaben die Bewilligung versagt (mit der wesentlichen Begründung, dass es sich beim Projekt um einen Zubau und nicht um ein Nebengebäude handle, auch überschreite das Projekt das rechtserhebliche Ausmaß an zulässiger Höhe von 1,80 m über dem Niveau des Nachbargrundstücke).

Über Vorstellung der Bauwerber behob die belangte Behörde diese Berufungsentscheidung mit Bescheid vom 10. November 2005. Sie ging dabei davon aus, dass das Vorhaben als Nebengebäude (und nicht als Zubau) zu qualifizieren sei, allerdings könne auf Grund der Mangelhaftigkeit der Projektunterlagen nicht abschließend beurteilt werden, ob die höchstzulässige Höhe von 1,80 m über dem angrenzenden Gelände des Nachbargrundstückes (dieses Niveau sei maßgeblich) eingehalten werde. Es bedürfe diesbezüglich einer Verfahrensergänzung. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

Die Bauwerber legten sodann im fortgesetzten Berufungsverfahren mit Eingabe vom 17. Jänner 2006 (eingelangt am 19. Jänner 2006) ergänzende (modifizierte) Projektunterlagen (mit einer entsprechenden Erläuterung) vor; die Berufungsbehörde holte auch eine ärztliche Stellungnahme sowie eine brandschutztechnische Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin äußerte sich weiterhin ablehnend.

Die Berufungskommission der mitbeteiligten Gemeinde wies sodann mit Berufungsbescheid vom 1. Juni 2006 die Berufung teils als unzulässig zurück und teils als unbegründet ab, änderte aber aus diesem Anlass die erteilte Baubewilligung dahingehend ab, dass sie auch auf Grundlage der vorgelegten Detailpläne vom 17. Jänner 2006 erteilt werde, und ergänzte zwei brandschutztechnische Vorschreibungen. Zur Begründung heißt es zusammenfassend, das fragliche Bauwerk sei kein Zubau, sondern ein Nebengebäude: Das Anbringen einer Verblechung, um das Eindringen von Wasser zwischen das bestehende Wohnhaus und das geplante Bauwerk zu verhindern, mache Letzteres nicht zu einem Zubau. Im Beschwerdefall werde nicht das bestehende Hauptgebäude vergrößert, sondern es werde neben diesem ein für sich selbst standfähiges Gebäude aufgestellt. Auf Grund der ergänzend vorgelegten Planunterlagen ergebe sich, dass die maßgebliche, zulässige Höhe von 1,80 m über dem Niveau des Nachbargrundstückes nicht überschritten werde. Die Eingangsüberdachung sei als zulässiger Dachvorsprung zu qualifzieren. Aus dem eingeholten schalltechnischen Gutachten ergebe sich, dass durch das Bauvorhaben keine stärkere Lärmbelästigung auftrete, als bei der Errichtung einer Einfriedung oder einer sonstigen Wand. Zur Anzahl der Abstellplätze sei der Beschwerdeführerin als Nachbarin kein Mitspracherecht eingeräumt. Anzumerken sei (aber), dass die Errichtung eines vierten Abstellplatzes bereits Gegenstand eines anderen, anhängigen Bauverfahrens sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, heißt es begründend zusammengefasst, in der Vorstellungsentscheidung vom 10. November 2005 sei dargelegt worden, dass zwischen dem Carport mit dem Abstellraum und dem Wohnhaus keine konstruktive Verbindung bestehe, weil die Anbringung einer Verblechung zur Verhinderung des Eindringens von Wasser keine solche Verbindung darstelle. Das geplante Gebäude trage sich selbst. Deshalb und auf Grund der funktionellen und größenmäßigen Unterordnung des Abstellplatzes mit Abstellraum sowie des Einhaltens eines wenn auch kleinen Abstandes zum Wohnhaus sei dieses Vorhaben als Nebengebäude qualifiziert worden. Die Beschwerdeführerin bringe keine Argumente vor, die die Aufsichtsbehörde zu einem Abgehen von dieser Meinung veranlassen könnten. Auch die höchstzulässige Höhe von 1,80 m über dem Niveau des Nachbargrundstückes werde eingehalten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligten Bauwerber haben (beide vertreten durch denselben Rechtsanwalt) ebenfalls (inhaltsgleiche) Gegenschriften mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 (BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 27/2005 anzuwenden.

Gemäß § 26 Abs. 1 BauG hat der Nachbar im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:

a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist (das betrifft bestimmte Eigenschaften des Baugrundstückes);

b) §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen (das betrifft Abstandsvorschriften);

c) § 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist (das betrifft den Immissionsschutz).

Im Beschwerdefall sind insbesondere folgende weitere

Bestimmungen von Bedeutung:

"§ 2

Begriffe

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

...

c) Baugrundstück: die Grundfläche, auf der das Bauvorhaben ausgeführt werden soll und die im Grenzkataster oder im Grundsteuerkataster mit einer eigenen Nummer bezeichnet ist (Grundparzelle); soll das Bauvorhaben auf mehreren Grundparzellen ausgeführt werden, bilden diese in ihrer Gesamtheit das Baugrundstück;

...

f) Bauwerk: eine Anlage, zu deren fachgerechter Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind und die mit dem Boden in Verbindung steht;

...

i) Gebäude: ein überdachtes Bauwerk, das von Menschen betreten werden kann und mindestens einen Raum allseits oder überwiegend umschließt;

...

l) Nebengebäude: ein Gebäude, das aufgrund seiner Art und Größe und seines Verwendungszweckes einem auf demselben Baugrundstück befindlichen Gebäude untergeordnet und nicht für Wohnzwecke bestimmt ist, wie Garagen, Geräteschuppen, Gartenhäuschen u.dgl.;

...

q) Zubau: die Vergrößerung eines schon bestehenden Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung durch Herstellung neuer oder Erweiterung bestehender Räume."

"§ 5

Abstandsflächen

(1) Oberirdische Gebäude sind so anzuordnen, dass vor jeder Außenwand eine Abstandsfläche liegt, nicht jedoch vor den Ecken. Dasselbe gilt für sonstige oberirdische Bauwerke, soferne sie Wände mit einer Höhe von mehr als 3,5 m über dem Gelände haben oder Flugdächer u.dgl. mit einer solchen Höhe sind. Die Abstandsfläche muss so tief sein, wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt. Sie muss auf dem Baugrundstück selbst liegen, bis zur Mitte einer angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche darf sie sich jedoch erstrecken.

...

(5) Innerhalb der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück dürfen andere Bauwerke sowie Teile von solchen weder bestehen noch errichtet werden. Ausgenommen sind

a) Bauwerke, die an keiner Stelle eine Höhe von mehr als 3,5 m über dem Gelände haben und selbst nicht dem länger dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, sofern durch sie eine ausreichende Belichtung von Räumen, die zum länger dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, nicht vereitelt wird;

b) Sockel, Gesimse, Tür- und Fensterumrahmungen, Rollladenkästen, u.dgl. bis zu 0,20 m Ausladung;

c) Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Windfänge, offene Balkone, Erker, Kamine, Freitreppen, Werbeanlagen u.dgl., sofern es sich bei ihnen um untergeordnete Bauteile handelt, bis zu 1,30 m Ausladung. "

"§ 6

Mindestabstände

(1) Oberirdische Gebäude, ausgenommen kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c, müssen von der Nachbargrenze mindestens 3 m entfernt sein. Abweichend davon dürfen Bauteile nach § 5 Abs. 5 lit. b und c bis zu 2 m an die Nachbargrenze heranreichen.

(2) Oberirdische Bauwerke, die keine Gebäude sind, sowie oberirdische kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c müssen mindestens 2 m von der Nachbargrenze entfernt sein.

§ 7

Abstandsnachsicht

(1) Die Behörde kann Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 zulassen (Abstandsnachsicht), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies

...

e) bei der Errichtung oder Änderung von Nebengebäuden oder Nebenanlagen bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück die Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies bei Errichtung einer Einfriedung oder einer sonstigen Wand bis zur selben Höhe der Fall wäre; oder

f) ..."

"§ 19

Anzeigepflichtige Bauvorhaben

Wenn die Abstandsflächen und Mindestabstände eingehalten werden, sind folgende Bauvorhaben anzeigepflichtig:

a) die Errichtung oder wesentliche Änderung von Nebengebäuden zu Wohngebäuden, wenn das Nebengebäude eine überbaute Fläche von höchstens 25 m2 und eine Höhe von höchstens 3,5 m über dem Gelände hat und in einer Baufläche liegt; "

"§ 24

Bauantrag

(1) Die Erteilung der Baubewilligung ist bei der Behörde schriftlich zu beantragen.

(2) ...

(3) Dem Bauantrag sind anzuschließen

a) der Nachweis des Eigentums oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, der Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten;

b) die zur Beurteilung des Bauvorhabens erforderlichen Pläne, Berechnungen und Beschreibungen;

c) ..."

Die Beschwerdeführerin rügt, die Bauwerber hätten entgegen § 24 Abs. 3 lit. a BauG nicht die Zustimmung des dritten Miteigentümers zum Bauantrag beigebracht, weshalb das Gesuch abzuweisen gewesen wäre. Dem ist zu entgegnen, dass dem Nachbarn nach den Bestimmungen des BauG kein subjektiv-öffentliches Recht darauf zukommt, dass die - hier - fehlende Zustimmung eines Miteigentümers zum Bauantrag beigebracht wird (ergänzend ist hier anzumerken, dass sich in den Akten der belangten Behörde eine Eingabe dieses Miteigentümers vom 4. Jänner 2007 des Inhaltes befindet, er sei über das Bauvorhaben von Anfang an hinlänglich informiert gewesen und habe dagegen keinerlei Einwände).

Im Beschwerdeverfahren geht es um das auf Grundlage des Baugesuches vom 14. November 2003 abgeführte Bauverfahren. Der Umstand, dass die Baubehörde hinsichtlich eines Antrages der Bauwerber aus dem September 2005, die Fortsetzung des früheren Bauverfahrens (Bauantrag vom 30. Jänner 2002) zu begehren, nichts veranlasst habe, wie die Beschwerdeführerin vorträgt, ist für die Frage, ob die Beschwerdeführerin durch die Baubewilligung samt Abstandsnachsicht in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt wurde, ohne Belang.

Die Beschwerdeführerin besitzt als Nachbarin keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Projektunterlagen in jeder Hinsicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, sofern sie eine zur Verfolgung ihrer Rechte ausreichende Information vermitteln (siehe dazu Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, 66, m. w.N.). In diesem Zusammenhang ist ihr weiters zu entgegen, dass das Projekt auch verbal (mündlich in der Bauverhandlung sowie schriftlich in den Eingaben) präzisiert und damit determiniert wurde.

Die Beschwerdeführerin verkennt auch, dass die zu bebauende Liegenschaft nach Grundstücksvereinigung nur mehr aus einem Grundstück besteht, wie sich dies aus dem Akteninhalt ergibt. Davon abgesehen, kann ein "Baugrundstück" gemäß § 2 Abs. 1 lit. c BauG auch aus mehreren Grundstücken bestehen: auch dann, wenn das Wohnhaus und das sogenannte Nebengebäude auf verschiedenen Grundstücken zu liegen kämen, befänden sie sich dennoch auf dem selben Baugrundstück.

Dass die Gemeindebehörden auf die Bauwerber eingewirkt hätten, durch Projektmodifikationen das Vorhaben genehmigungsfähig zu machen, vermag das Bauverfahren nicht mit Rechtswidrigkeit zu belasten: vielmehr sind die Baubehörden verhalten, dem Projektwerber zu einer entsprechenden Modifikation seines Vorhabens zu verhalten, wenn es dadurch einer Bewilligung zugeführt werden kann (siehe auch hier Hauer, aaO, 112, 126f, m. w.N.).

In der Sache selbst ist daran zu erinnern, dass den tragenden Aufhebungsgründen einer Vorstellungsentscheidung Bindungswirkung für das weitere Verfahren zukommt (auch dazu siehe Hauer, a.a.O., 161ff, m.w.N.; und beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2004/05/0309). Hier hatte die Berufungsbehörde zunächst das Vorhaben abgewiesen, weil es sich um einen Zubau und nicht um ein Nebengebäude handle, aber auch, weil die höchstzulässige Höhe von 1,80 m überschritten werde. Die belangte Behörde hat in ihrem aufhebenden Bescheid vom 11. November 2005 die Auffassung der Berufungsbehörde, es handle sich um einen Zubau, verneint, wie auch die Auffassung, dass die höchstzulässige Höhe von 1,80 m (jedenfalls) überschritten sei, weil es diesbezüglich einer Verfahrensergänzung bedürfe. Hätte sie einen dieser beiden Abweisungsgründe der Berufungsbehörde als zutreffend erachtet, wäre die Vorstellung als unbegründet abzuweisen gewesen. Damit handelt es sich bei der Rechtsauffassung der belangten Behörde, das Bauwerk stelle keinen Zubau dar sondern ein Nebengebäude, um eine Auffassung, der im fortgesetzten Verfahren Bindungswirkung zukam (eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage, die bewirken könnte, dass diese Bindungswirkung nicht mehr zum Tragen käme, liegt nicht vor). Daher ist die Frage, ob es sich bei diesem Bauwerk (ein sogenanntes Carport mit Abstellraum) um einen Zubau oder um ein Nebengebäude handelt, für das Beschwerdeverfahren bereits bindend entschieden. Im Übrigen trifft es zu, dass dieses Bauwerk nicht als Zubau zu qualifzieren ist (zwar könnte die Gebäudeeigenschaft fraglich sein, weil der Abstellraum einen überwiegend umschlossenen Raum darstellt, dies aber bei dem Teil des Bauwerkes, der als Carport bezeichnet wird, zweifelhaft ist; dem käme aber insoweit keine Bedeutung zu, weil auch oberirdische Bauwerke, die keine Gebäude sind, nach § 6 Abs. 2 BauG Mindestabstände einzuhalten haben und eine Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 lit. e BauG nicht nur bei Nebengebäuden, sondern auch bei "Nebenanlagen" erteilt werden kann). Für die Unterscheidung zwischen Zubau und Nebengebäude ist wesentlich, wie die Behörden des Verwaltungsverfahrens zutreffend ausgeführt haben, ob eine "konstruktive Verbindung" ("konstruktive Einheit") besteht (siehe dazu den in German/Hämmerle, das Vorarlberger Baugesetz zu § 2 Abs. 1 lit. l und lit. q wiedergegebenen Motivenbericht), das heißt, das Nebengebäude muss ein vom Hauptgebäude verschiedenes Gebäude sein, das für sich allein bestehen kann. Da das Gesetz nicht fordert, dass ein Nebengebäude allseits freistehend sein müsste, könnte es auch an das Hauptgebäude angebaut werden, sofern es, wie gesagt, ein selbständiges Gebäude ist (vergleichbar mit einer gekuppelten Bebauung). Nach dem maßgeblichen Projektinhalt ist das fragliche Bauwerk derart projektiert, dass keine konstruktive Verbindung zum Wohnhaus der Bauwerber besteht und es für sich allein standfest ist. Die Verblechung, um ein Eindringen von Regenwasser in die Trennfuge zu verhindern, bewirkt keine solche konstruktive Verbindung (so, wie es auch bei gekuppelten Gebäuden angebracht sein kann, durch eine Verblechung ein Eindringen von Regenwasser in die Trennfuge zwischen den beiden Feuermauern der selbständigen Gebäude hintanzuhalten).

Die Beschwerdeführerin bezweifelt weiters, dass die gemäß § 7 Abs. 1 lit. e BauG zulässige Höhe von 1,80 m "über dem Nachbargrundstück" auf den derzeitigen Geländeverlauf zu beziehen sei und vertritt die Auffassung, der ursprüngliche Geländeverlauf sei maßgeblich. Auch diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde in ihrer aufhebenden Vorstellungsentscheidung vom 10. November 2005 auf das gegenwärtige Gelände abgestellt hat (eine andere Deutung kann diesen Ausführungen nicht unterlegt werden) und dies für das fortgesetzte Verfahren bindend ist. Davon abgesehen, ist dies auch zutreffend, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, dass ein früheres Geländeniveau (wie auch immer das zu ermitteln und welcher Zeitpunkt diesbezüglich maßgeblich wäre) maßgeblich wäre.

Schließlich bringt die Beschwerdeführerin vor, die Voraussetzungen für eine Abstandsnachsicht nach § 7 Abs. 1 lit. e BauG lägen (auch) deshalb nicht vor, weil nicht bloß auf die Höhe von 1,80 m, sondern auch auf die projektbedingten Beeinträchtigungen abzustellen sei. Es liege auf der Hand, dass sie durch ein Carport (mit Fensterband) unmittelbar an der Grundgrenze stärker beeinträchtigt werde als durch eine bloße Einfriedung oder "sonstige Wand", weil von einer solchen jedenfalls keine Immissionen ausgehen könnten. Dem ist zu entgegnen, dass auch das Carport für sich allein keine Immissionen verursacht. Die Beschwerdeführerin verkennt bei ihrer Argumentation, dass diese befestigte, freie Fläche zwischen dem Wohnhaus der Bauwerber und der Grenze ohnedies bereits (rechtmäßig) zum Abstellen von Kraftfahrzeugen verwendet wurde, und sie hat selbst ins Treffen geführt, dass bei Realisierung des Vorhabens ein Abstellplatz verloren ginge. Maßgeblich ist daher der Vergleich der Beeinträchtigung bei Benützung dieser Fläche als Abstellplatz bei Umsetzung des Vorhabens einerseits und bei Errichtung einer Einfriedung oder "sonstigen Wand" im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung andererseits. Das Ermittlungsverfahren (insbesondere das schalltechnische Gutachten) hat unbedenklich ergeben, dass durch das Vorhaben keine größere Beeinträchtigung als bei Errichtung einer Einfriedung oder "sonstigen Wand" zu erwarten ist (wie auch eine Verbesserung der Lärmimmissionen gegenüber dem gegebenen Zustand).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Beide mitbeteiligten Bauwerber sprechen in ihren gesonderten Gegenschriften den vollen Schriftsatzaufwand an, der ihnen aber gemäß § 49 Abs. 6 VwGG nur einmal zusteht. Das Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Wien, am 27. November 2007

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im BerufungsverfahrenNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006060313.X00

Im RIS seit

07.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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