Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wels zu FN ***** eingetragenen W*****, Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Liquidation mit dem Sitz in B***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Mag. Bernhard Stimitzer, Rechtsanwalt in Bad Goisern, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 31. März 2008, GZ 6 R 6/08g-10, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 19. Dezember 2007, GZ 29 Fr 2956/07z-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
Der Antrag der Gesellschaft auf Bestimmung von Kosten für ihren Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Gesellschaft ist ihrerseits unbeschränkt haftende Gesellschafterin der im Firmenbuch des Erstgerichts zu FN ***** eingetragenen Wilhelm P***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. Kommanditgesellschaft. Über das Vermögen beider Gesellschaften eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom 17. 7. 1985 zu S 45, 46/85 Konkursverfahren. Mit Beschlüssen vom 26. 4. 2007 hob das Handelsgericht Wien diese Konkursverfahren zu 6 S 224/95y und 6 S 225/95w mangels Kostendeckung hinsichtlich der Gesellschaft und nach Schlussverteilung hinsichtlich der Kommanditgesellschaft wieder auf.
Zu 17 Cg 211/03a des Landesgerichts Innsbruck ist ein Amtshaftungsverfahren zwischen der Kommanditgesellschaft und der Republik Österreich mit einem Streitwert in Höhe von 15,447.857,22 EUR sA anhängig, das seit 22. 8. 2005 gemäß § 160 Abs 1 ZPO so lange unterbrochen ist, bis die Kommanditgesellschaft einen neuen Rechtsanwalt bestellt.Zu 17 Cg 211/03a des Landesgerichts Innsbruck ist ein Amtshaftungsverfahren zwischen der Kommanditgesellschaft und der Republik Österreich mit einem Streitwert in Höhe von 15,447.857,22 EUR sA anhängig, das seit 22. 8. 2005 gemäß Paragraph 160, Absatz eins, ZPO so lange unterbrochen ist, bis die Kommanditgesellschaft einen neuen Rechtsanwalt bestellt.
Das Erstgericht ordnete gemäß § 40 FBG die amtswegige Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch an. Diese verfüge vermutlich über kein Vermögen mehr; die Widerlegung dieser Vermutung sei ihr nicht gelungen. Die Gesellschaft behaupte zwar das Vorhandensein eines Vermögens aufgrund eines mit der Republik Österreich abgeschlossenen Vergleichs, weigere sich jedoch, diese Behauptung auch zu bescheinigen.Das Erstgericht ordnete gemäß Paragraph 40, FBG die amtswegige Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch an. Diese verfüge vermutlich über kein Vermögen mehr; die Widerlegung dieser Vermutung sei ihr nicht gelungen. Die Gesellschaft behaupte zwar das Vorhandensein eines Vermögens aufgrund eines mit der Republik Österreich abgeschlossenen Vergleichs, weigere sich jedoch, diese Behauptung auch zu bescheinigen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob eine Kapitalgesellschaft von Amts wegen gelöscht werden kann, solange sie noch als persönlich haftende Gesellschafterin einer Personengesellschaft im Firmenbuch eingetragen ist. Ein Vergleich, in dem sich die Republik Österreich zur Bezahlung eines Geldbetrags an die Gesellschaft oder die Kommanditgesellschaft verpflichtet hätte, existiere nicht; die Gesellschaft sei daher vermögenslos. Da die Kommanditgesellschaft ihren Amtshaftungsanspruch vor dem Landesgericht Innsbruck nicht weiter betreibe, habe die Gesellschaft auch kein Vermögen in Form ihrer Beteiligung an der Kommanditgesellschaft. Es bestehe somit nur mehr ein nicht vermögensrechtlicher Abwicklungsbedarf, der jedoch die Vollbeendigung der Gesellschaft und damit ihre Löschung im Firmenbuch nicht verhindere.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 FBG kann eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, auch von Amts wegen gelöscht werden. Die Beweislast für das Fehlen jeglichen Vermögens trifft dabei nicht die Gesellschaft, sondern denjenigen, der die Löschungsrechte geltend macht. Der Beweis ist ein Negativbeweis, der nur durch Indizien erbracht werden kann (vgl die Nachweise bei G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 40 Rz 11).1. Nach Paragraph 40, Absatz eins, Satz 1 FBG kann eine Kapitalgesellschaft, die kein Vermögen besitzt, auch von Amts wegen gelöscht werden. Die Beweislast für das Fehlen jeglichen Vermögens trifft dabei nicht die Gesellschaft, sondern denjenigen, der die Löschungsrechte geltend macht. Der Beweis ist ein Negativbeweis, der nur durch Indizien erbracht werden kann vergleiche die Nachweise bei G. Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] Paragraph 40, Rz 11).
2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine derartige Vollbeendigung einer Komplementärgesellschaft so lange nicht eintreten kann, als die Kommanditgesellschaft noch besteht; sie ist ja auch im Abwicklungsstadium kraft Gesetzes weiterhin zur Geschäftsführung und Vertretung der Kommanditgesellschaft verpflichtet und daher erst vollbeendet, wenn sie keine Rechte und Pflichten mehr gegenüber der Kommanditgesellschaft hat (6 Ob 8/76 = SZ 49/90; 6 Ob 582/95 = SZ 68/225; in diesem Sinn wohl auch 4 Ob 51/07i).
Diese Auffassung wird auch von namhaften Vertretern der Lehre geteilt (siehe etwa Frotz, Rechtsprobleme um die Auflösung einer GmbH & Co KG, GesRZ 1976, 106 [Anmerkung zur Entscheidung 6 Ob 8/76]; Jabornegg in Jabornegg, HGB [1997] § 131 Rz 41; Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation [2001] 390 unter ausdrücklichem Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 582/95 [in FN 11 zitiert mit ecolex 1996, 371]; Koppensteiner in Straube, HGB³ [2003] § 131 Rz 15; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] § 84 Rz 28).Diese Auffassung wird auch von namhaften Vertretern der Lehre geteilt (siehe etwa Frotz, Rechtsprobleme um die Auflösung einer GmbH & Co KG, GesRZ 1976, 106 [Anmerkung zur Entscheidung 6 Ob 8/76]; Jabornegg in Jabornegg, HGB [1997] Paragraph 131, Rz 41; Dellinger, Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation [2001] 390 unter ausdrücklichem Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 582/95 [in FN 11 zitiert mit ecolex 1996, 371]; Koppensteiner in Straube, HGB³ [2003] Paragraph 131, Rz 15; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ [2007] Paragraph 84, Rz 28).
3. In jüngerer Zeit haben Dellinger (aaO 395) und U. Torggler (in Straube, HGB3 [2003] § 157 Rz 5, 9 unter Hinweis auf H. Schmidt, Zur Vollbeendigung juristischer Personen [1989] 138 und Jabornegg, Die Aktiengesellschaft als juristische Person, GesRZ 1989, 13) gemeint, habe die Gesellschaft nur mehr „nichtvermögensrechtlichen Abwicklungsbedarf", hindere dies ihre Vollbeendigung und Löschung im Firmenbuch nicht. Es würde über das Ziel hinausschießen, ein vollrechtsfähiges Fortbestehen der Gesellschaft etwa nur deshalb anzunehmen, weil frühere Arbeitnehmer noch keine Dienstzeugnisse erhalten haben; es wäre nämlich nicht sachgerecht, in einem solchen Fall einem Gläubiger die Klagsführung gegen die aufgelöste, vermögenslose und allenfalls sogar gelöschte Gesellschaft zu ermöglichen.3. In jüngerer Zeit haben Dellinger (aaO 395) und U. Torggler (in Straube, HGB3 [2003] Paragraph 157, Rz 5, 9 unter Hinweis auf H. Schmidt, Zur Vollbeendigung juristischer Personen [1989] 138 und Jabornegg, Die Aktiengesellschaft als juristische Person, GesRZ 1989, 13) gemeint, habe die Gesellschaft nur mehr „nichtvermögensrechtlichen Abwicklungsbedarf", hindere dies ihre Vollbeendigung und Löschung im Firmenbuch nicht. Es würde über das Ziel hinausschießen, ein vollrechtsfähiges Fortbestehen der Gesellschaft etwa nur deshalb anzunehmen, weil frühere Arbeitnehmer noch keine Dienstzeugnisse erhalten haben; es wäre nämlich nicht sachgerecht, in einem solchen Fall einem Gläubiger die Klagsführung gegen die aufgelöste, vermögenslose und allenfalls sogar gelöschte Gesellschaft zu ermöglichen.
Das Rekursgericht, das sich dieser „jüngeren Lehre" angeschlossen hat, hat dabei allerdings übersehen, dass die insbesondere von Dellinger genannten Anwendungsfälle eines „nichtvermögensrechtlichen Abwicklungsbedarfs" nicht mit der Stellung einer Komplementärgesellschaft einer Kommanditgesellschaft im Sinne der Entscheidungen 6 Ob 8/76 und 6 Ob 582/95 zu vergleichen sind. Als Anwendungsfälle werden nämlich neben der Ausstellung eines Dienstzeugnisses etwa die Abgabe von Erklärungen, die Ausstellung einer Löschungsquittung oder die Zustimmung zur Ausfolgung eines Gerichtserlags angeführt. Die Ausübung der Geschäftsführung und Vertretung der Kommanditgesellschaft kann darunter jedoch nicht subsumiert werden; solange die Kapitalgesellschaft noch Gesellschafterin einer Personengesellschaft ist, kommt ihre Vollbeendigung nicht in Betracht (6 Ob 582/95, auf welche Entscheidung Dellinger selbst zustimmend verweist).
4. Damit liegen aber die Voraussetzungen einer amtswegigen Löschung der Gesellschaft nach § 40 Abs 1 Satz 1 FBG derzeit nicht vor, sodass die Frage, ob es nun zu einem Vergleich zwischen der Kommanditgesellschaft und der Republik Österreich gekommen ist oder nicht, nicht mehr entscheidungswesentlich ist.4. Damit liegen aber die Voraussetzungen einer amtswegigen Löschung der Gesellschaft nach Paragraph 40, Absatz eins, Satz 1 FBG derzeit nicht vor, sodass die Frage, ob es nun zu einem Vergleich zwischen der Kommanditgesellschaft und der Republik Österreich gekommen ist oder nicht, nicht mehr entscheidungswesentlich ist.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren ersatzlos aufzuheben.
5. Die Gesellschaft hat in ihrem Revisionsrekurs Kosten - wohl unter Bedachtnahme auf § 78 Abs 2 AußStrG in Verbindung mit § 15 FBG - verzeichnet. Da diese Bestimmungen das Vorliegen widerstreitender Interessen zwischen Verfahrensbeteiligten vorsehen, das Erstgericht jedoch von Amts wegen vorgegangen ist, kommt im vorliegenden Verfahren ein Kostenersatz nicht in Betracht (vgl dazu G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 15 Rz 162 f).5. Die Gesellschaft hat in ihrem Revisionsrekurs Kosten - wohl unter Bedachtnahme auf Paragraph 78, Absatz 2, AußStrG in Verbindung mit Paragraph 15, FBG - verzeichnet. Da diese Bestimmungen das Vorliegen widerstreitender Interessen zwischen Verfahrensbeteiligten vorsehen, das Erstgericht jedoch von Amts wegen vorgegangen ist, kommt im vorliegenden Verfahren ein Kostenersatz nicht in Betracht vergleiche dazu G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] Paragraph 15, Rz 162 f).
Textnummer
E88279European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00138.08Z.0807.000Im RIS seit
06.09.2008Zuletzt aktualisiert am
21.05.2012