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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kühnberg, über die Beschwerde der I H in G, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Heinz Kupferschmid, Mag. Michael Medwed und Dr. Ingrid Nöstlthaller-Resch, Rechtsanwälte in 8010 Graz, A. Kolpinggasse 2, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 18. Oktober 2006, Zl. 045613/2004-26, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. A L und 2. M L, beide in G, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und den mitbeteiligten Parteien zusammen Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligten Parteien (kurz: Bauwerber) sind Eigentümer einer bebauten Liegenschaft in Graz, welche westlich an die Liegenschaft der Beschwerdeführerin grenzt.
Das Gebäude der Bauwerber besteht aus einem "Altbau", der auf Grund einer früheren, hier nicht gegenständlichen Baubewilligung um einen Zubau erweitert wurde. Dieser "Altbau" hat gemäß den Plänen einen rechteckigen, fast quadratischen Grundriss mit Abmessungen von 9,0 m (zur Grenze des Grundstückes der Beschwerdeführerin) x 9,50 m und ist mit einem Vollwalmdach gedeckt, das jeweils über die Gebäudefronten hinausragt (aus den Plänen gemessen ca. 9,90 m x 10,40 m). Dieser "Altbau" weist ein Kellergeschoß auf (das zum Teil, aber nicht überwiegend über das angrenzende Gelände ragt), ein Erdgeschoß und ein erstes Oberschoß, darüber befindet sich der Dachraum (ein Kniestock ist entweder überhaupt nicht vorhanden oder nur in ganz geringem Ausmaß von weniger als 20 cm, genau ist dies den Plänen nicht zu entnehmen). An diesen "Altbestand" wurde - im Prinzip in Verlängerung der westseitigen Gebäudefront des Altbestandes - ein Zubau angebaut, mit Kellergeschoß, Erdgeschoß und erstem Obergeschoß, entsprechend den Geschoßen des "Altbestandes", und zwar im Ausmaß von 6,00 m (zur Westgrenze) und 5,00 m (entlang der Südfront). Die Westfront des Gebäudes samt Zubau verläuft ungefähr parallel zur Westgrenze (zum Grundstück der Beschwerdeführerin), der Grenzabstand ist in den Plänen mit 4,70 m ("Altbestand") und 4,90 m (Zubau) kotiert.
Mit dem nun gegenständlichen Baugesuch vom 1. Februar 2005 (beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz eingelangt am Tag darauf) kamen die Bauwerber um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Terrasse, einer Gaupe und einer Aufzugsanlage ein. Beantragt wurde weiters die Nutzungsänderung von Dachboden auf Wohnnutzung. Diese Aufzugsanlage soll an der östlichen Seite des "Altbaues" angebaut werden. Das Flachdach des Zubaues soll zu einer Terrasse ausgebaut werden. Ungefähr in der Mitte des südlichen Teiles des Daches des Altbaues soll eine Schleppgaupe mit einer Breite von 4,55 m errichtet werden, deren Vorderfront in der senkrechten Flucht der südlichen Front des Altbaues liegt. In dieser somit nach Süden gerichteten Front sind ein Fenster und eine Türe vorgesehen, Letztere soll auf die projektierte Terrasse führen. Die Höhe dieser Vorderfront der Gaupe ist in den Plänen innen mit 2,60 m kotiert (darüber liegt ein dünnes flaches Dach mit einer Neigung von 5 Grad . Von Westen (vom Grundstück der Beschwerdeführerin) aus gesehen, tritt somit die seitliche Fläche dieser Gaupe in Erscheinung; Die Maße der Seitenfläche sind in den Plänen nicht kotiert, aus den Plänen gemessen ergibt sich eine Höhe an der südlichen Front von rund 2,3 m einschließlich des Daches, eine Länge entlang der Dachschräge (des Gebäudes) von insgesamt (einschließlich des Flachdaches) rund 4,5 m, und eine Länge entlang des Flachdaches der Gaupe von rund 3,5 m bis zur Vorderkante der südlichen Front (das Dach der Gaupe ragt noch um weitere ca. 40 cm über diese Gaupenfront hinaus).
Der Bauplatz liegt gemäß dem 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 der Landeshauptstadt Graz im "reinen Wohngebiet" mit einem Bebauungsdichtewert von 0,2 bis 0,4. (Ein Bebauungsplan besteht nicht, gemäß einer Baulandzonierung ist ein städtebauliches Gutachten für die Erteilung einer Baubewilligung erforderlich.) In einer städtebaulich-gestalterischen gutachterlichen Beurteilung eines Amtssachverständigen (der "Stadtplanung") vom 15. November 2005 wurde das Vorhaben positiv beurteilt.
Die Beschwerdeführerin erhob keine Einwendungen gegen die geplante Liftanlage (eine entsprechende Baubewilligung wurde sodann mit Bescheid vom 28. Dezember 2005 erteilt), wohl aber gegen die weiteren projektierten Maßnahmen, insbesondere dahin, dass der geplante Dachausbau abstandsrelevant sei und damit die Abstandsvorschriften verletze, und die höchstzulässige Bebauungsdichte überschritten werde. Der geplante somit dreigeschossige Bau widerspreche den "Bebauungsgrundlagen", weil es "im Gebietsbereich" keine dreigeschossigen Baukörper gebe.
Nach verschiedenen Verfahrensschritten erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 23. März 2006 die angestrebte Bewilligung mit einer Reihe von Vorschreibungen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, der mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben wurde. Soweit für das Beschwerdeverfahren relevant, führte die belangte Behörde aus, der "Ansicht West" im Bauplan sei eindeutig zu entnehmen, dass das Dach in der bestehenden Form erhalten bleibe und keine Änderung durchgeführt werde. Wenn nun die Beschwerdeführerin die Südseite des Objektes anspreche, sei dem zu entgegnen, dass ihr als Nachbarin kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung des Abstandes bezüglich einer ihrem Gebäude abgewandten Seite zukomme. Davon abgesehen werde nur eine Dachgaupe in einer Länge von 4,55 m errichtet, die im Sinne des § 13 Stmk. BauG kein Vollgeschoß darstelle. Hinsichtlich der Frage, ob die höchstzulässige Dichte überschritten werde, komme der Beschwerdeführerin kein Mitsprachrecht zu (abgesehen davon, sei der Einwand inhaltlich überprüft worden, und es habe sich ergeben, dass die Dichte zwar geringfügig überschritten werde, diese geringfügige Überschreitung aber zulässig sei - dies wurde näher ausgeführt. Auch zur behaupteten Störung des Ortsbildes komme ihr kein Mitspracherecht zu (auch dieser Einwand sei unberechtigt, wie die Ermittlungen ergeben hätten - das wurde ebenfalls näher ausgeführt).
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie die Bauwerber, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 27 Stmk. BauG die Parteistellung behalten hat.
Gemäß § 26 Abs. 1 Stmk. BauG kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind Bestimmungen über
"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;
2.
die Abstände (§ 13);
3.
den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);
4.
die Brandwände an der Grundgrenze (§ 51 Abs. 1);
5.
die Vermeidung einer Brandgefahr, einer sonstigen Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung (§ 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 und § 65 Abs. 1);
6. die Baueinstellung und die Beseitigung (§ 41 Abs. 6)."
§ 13 Stmk. BauG lautet auszugsweise:
"§ 13
Abstände
(1) Gebäude sind entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).
(2) Jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, muss von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).
(3) ...
(4) ...
(5) Nicht als Geschosse anzurechnen sind an der
-
Traufenseite: Dachgeschosse bzw. für Aufenthaltsräume ausbaufähige Dachböden, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt;
-
Giebelseite: das unterste Dachgeschoß bzw. der unterste für Aufenthaltsräume ausbaufähige Dachboden, sofern die Höhe eines allfälligen Kniestockes 1,25 m nicht übersteigt und die Dachneigung nicht mehr als 70 Grad beträgt.
(6) ...
Die Beschwerdeführerin führt zutreffend aus, dass ihr nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG im Beschwerdefall kein Mitsprachrecht hinsichtlich der Bebauungsdichte zukommt, sodass auf das diesbezügliche (dennoch erstattete) Vorbringen nicht weiter eingegangen werden kann.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, durch das Vorhaben solle ein drittes Geschoß verwirklicht werden. Eine dreigeschossige Bebauung finde sich im "Gebietsbereich" nicht und werde städtebaulich auch nicht angestrebt, weil der "Gebietsbereich" überwiegend von eineinhalbgeschossigen Kleinhäusern geprägt werde und nur im geringen Ausmaß zweigeschossige Baukörper vorhanden seien. Deshalb würde die Dominanz eines dreigeschossigen Baukörpers zu einer massiven Störung und Irritation in dem ansonsten homogenen Orts- und Straßenbild führen. Dass im gegenständlichen Gebiet lediglich eineinhalbgeschossige und zweigeschossige Bauwerke vorhanden seien und "eine Bebauungsgrundlage dahingehend" vorliege, habe seine Gründe im Immissionsschutz. Durch den dreigeschossigen Ausbau werde eine weitere Wohneinheit geschaffen, was zur Folge habe, dass das gesamte Gebäude über drei Wohneinheiten verfüge und somit Platz für drei Familien biete. Dies bedinge naturgemäß ein wesentlich größeres Lärmaufkommen, wobei beispielhaft erwähnt sei, dass durch eine höhere Anzahl an Bewohnern auch das Verkehrsaufkommen erhöht werde (Hinweis auf § 26 Abs. 1 Z 1 Stmk. BauG).
Mit diesem Vorbringen macht die Beschwerdeführerin kein Nachbarrecht im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 Stmk. BauG (noch sonst ein solches nach dem Katalog dieses Absatzes) geltend. So, wie es sich bei der Bebauungsdichte nicht um eine Bestimmung in einer Verordnung im Sinne dieser Ziffer handelt, mit welcher ein Immissionsschutz verbunden ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 25. April 2006, Zl. 2004/06/0197, mwN), sind auch die von der Beschwerdeführerin thematisierten Aspekte des Beibehaltes des Gebietscharakters keine solchen, die der genannten Ziffer zu subsumieren wären, mag auch eine Vergrößerung des Gebäudes dazu führen, dass darin mehr Personen wohnen können. Dahingehend kommt ihr kein Mitspracherecht zu (der behauptete Anspruch auf Beibehalt des Gebietscharakters ist etwas anderes als ein an den Gebietscharakter geknüpfter Immissionsschutz zB im Kerngebiet gemäß § 23 Abs. 5 lit c ROG). Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der Bauplatz als reines Wohngebiet gewidmet ist, damit Wohnbauten zulässig sind und es diesbezüglich auf die Zahl der Bewohner nicht ankommt (vgl. auch die zur Steiermärkischen Bauordnung 1968 ergangenen hg. Erkenntnisse vom 20. September 2001, Zlen. 99/06/0032 ua., und vom 27. Juni 1996, Zl. 96/06/0034, im Zusammenhang mit dem Planungsermessen der Behörde bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen, wonach dem Nachbarn kein subjektives Recht auf Wahrung des Gebietscharakters zukommt, nämlich in dem von der Beschwerdeführerin angesprochenen Sinn).
Die Beschwerdeführerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass durch die Errichtung der Gaupe ein abstandsrelevantes Geschoß entstehe; die belangte Behörde verkenne dabei, dass die Westseite der Gaupe zu ihrem Grundstück gerichtet sei.
Letzteres ist wohl richtig, doch daraus ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen. Bezogen auf die dem Grundstück der Beschwerdeführerin zugewendete Seite des Gebäudes ist diese Seitenwand dieser Gaupe auf Grund ihrer Dimension als untergeordneter, nicht abstandsrelevanter Bauteil zu qualifizieren. Dadurch entsteht weder eine zurückgesetzte, abstandsrelevante Gebäudefront, noch vermag dieser Bauteil dem mit einer Traufenseite dem Grundstück der Beschwerdeführer zugewandten Dachgeschoß des "Altbaues" die Eigenschaft eines abstandrelevanten Geschosses im Sinne des § 13 Stmk. BauG zu verschaffen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. November 2007
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006060307.X00Im RIS seit
17.01.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008