Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Sabine D*****, wider den Gegner der gefährdeten Partei Christof W*****, vertreten durch Dr. Robert Langer-Hansel, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiliger Verfügung gemäß § 382g EO, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Februar 2008, GZ 43 R 82/08i-10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 17. Dezember 2007, GZ 4 C 1910/07f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung denDer Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Sabine D*****, wider den Gegner der gefährdeten Partei Christof W*****, vertreten durch Dr. Robert Langer-Hansel, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiliger Verfügung gemäß Paragraph 382 g, EO, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Februar 2008, GZ 43 R 82/08i-10, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 17. Dezember 2007, GZ 4 C 1910/07f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die gefährdete Partei (Antragstellerin) und der Gegner der gefährdeten Partei (Antragsgegner) hatten „miteinander eine Beziehung". Nach deren Auflösung durch die Antragstellerin wurde diese vom Antragsgegner - der dies zunächst nicht zur Kenntnis nehmen wollte - durch eine körperliche Attacke sowie in der Folge durch Anrufe und SMS behelligt. Die Streitteile wohnen in derselben Straße und begegnen einander deshalb zwangsläufig gelegentlich. Bei einem zufälligen Zusammentreffen im in der Nähe ihrer Wohnsitze gelegenen Schwimmbad schrie der Antragsgegner die Antragstellerin vor allen Leuten an und bedrohte sie und andere mit dem Umbringen. Rund zwei Monate danach schrie der Antragsgegner die Antragstellerin, als diese das nächstgelegene Lebensmittelgeschäft verließ, neuerlich an und machte ihr Vorhaltungen.
Die Antragstellerin begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382g EO.Die Antragstellerin begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß Paragraph 382 g, EO.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei, wobei dem Antragsgegner die persönliche Kontaktaufnahme und die Verfolgung der Antragstellerin verboten wurde. Die Sicherheitsbehörden wurden mit dem Folgevollzug - jeweils auf Ersuchen durch die Antragstellerin - beauftragt.
Das Erstgericht wies den Widerspruch des Antragsgegners gegen diese einstweilige Verfügung ab. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs - unter Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses - nicht Folge. § 382g EO diene dem Schutz der Privatsphäre. Diese werde auch dann verletzt, wenn zwar das Zusammentreffen ursprünglich zufällig erfolgt, vom Antragsgegner aber - wie hier - jedes Mal ein unzumutbares Verhalten an den Tag gelegt worden sei. Es mache nämlich für das Opfer von Stalking in der Praxis keinen Unterschied, ob es damit rechnen müsse, dass ihm der Täter auflauere, oder ob es jederzeit bei einer zufälligen Begegnung Folgen wie die zuvor beschriebenen erwarten müsse.Das Erstgericht wies den Widerspruch des Antragsgegners gegen diese einstweilige Verfügung ab. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs - unter Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses - nicht Folge. Paragraph 382 g, EO diene dem Schutz der Privatsphäre. Diese werde auch dann verletzt, wenn zwar das Zusammentreffen ursprünglich zufällig erfolgt, vom Antragsgegner aber - wie hier - jedes Mal ein unzumutbares Verhalten an den Tag gelegt worden sei. Es mache nämlich für das Opfer von Stalking in der Praxis keinen Unterschied, ob es damit rechnen müsse, dass ihm der Täter auflauere, oder ob es jederzeit bei einer zufälligen Begegnung Folgen wie die zuvor beschriebenen erwarten müsse.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Antragsgegner dagegen erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006 wurde nicht nur der neue Straftatbestand der „Beharrlichen Verfolgung" (§ 107a StGB) geschaffen, sondern auch die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten für Stalking-Opfer verbessert. § 382g EO, dessen Anknüpfungspunkt der Schutz der Privatsphäre ist, ergänzt die Regelungen der §§ 382b ff EO über einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt in der Familie (Wolfrum/Dimmel, Das „Anti-Stalking-Gesetz", in ÖJZ 2006, 475 [481]). Grundlage des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre sind und waren schon vor dieser neuen Bestimmung die §§ 16 und 1328a ABGB. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist eine drohende Gefährdung der Privatsphäre des Opfers, nicht aber ein Verschulden des Gegners oder dass sein Verhalten gemäß § 107a StGB strafbar ist (Kodek in Angst2 § 382g EO Rz 2 f mwN).Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006 wurde nicht nur der neue Straftatbestand der „Beharrlichen Verfolgung" (Paragraph 107 a, StGB) geschaffen, sondern auch die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten für Stalking-Opfer verbessert. Paragraph 382 g, EO, dessen Anknüpfungspunkt der Schutz der Privatsphäre ist, ergänzt die Regelungen der Paragraphen 382 b, ff EO über einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt in der Familie (Wolfrum/Dimmel, Das „Anti-Stalking-Gesetz", in ÖJZ 2006, 475 [481]). Grundlage des zivilrechtlichen Schutzes vor Eingriffen in die Privatsphäre sind und waren schon vor dieser neuen Bestimmung die Paragraphen 16 und 1328a ABGB. Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist eine drohende Gefährdung der Privatsphäre des Opfers, nicht aber ein Verschulden des Gegners oder dass sein Verhalten gemäß Paragraph 107 a, StGB strafbar ist (Kodek in Angst2 Paragraph 382 g, EO Rz 2 f mwN).
Der Revisionswerber macht in seinem Rechtsmittel geltend, dass die festgestellten Handlungsweisen („Schreiereien und Drohungen") nicht das Tatbild des § 107a StGB erfüllten. Dies ist aber - wie oben ausgeführt - nicht erforderlich. Ein zivilrechtlich relevanter Eingriff ist auch in jenen Fällen möglich, in denen die Schwelle des § 107a StGB noch nicht überschritten ist (8 Ob 155/06m mwN; Kodek aaO; Caroline Hager-Rosenkranz, in EF-Z 2006, 115 [118]).Der Revisionswerber macht in seinem Rechtsmittel geltend, dass die festgestellten Handlungsweisen („Schreiereien und Drohungen") nicht das Tatbild des Paragraph 107 a, StGB erfüllten. Dies ist aber - wie oben ausgeführt - nicht erforderlich. Ein zivilrechtlich relevanter Eingriff ist auch in jenen Fällen möglich, in denen die Schwelle des Paragraph 107 a, StGB noch nicht überschritten ist (8 Ob 155/06m mwN; Kodek aaO; Caroline HagerRosenkranz, in EF-Z 2006, 115 [118]).
Der Umstand, dass der Antragsgegner die Antragstellerin jeweils „zufällig" traf, ändert nichts daran, dass die in unmittelbarem Anschluss erfolgten Handlungsweisen als „Verfolgung" iSd § 382g Abs 1 Z 1 EO zu qualifizieren sind. Der Antragsgegner hat zwar nicht dem Verbot der persönlichen Kontaktaufnahme zuwidergehandelt, den zufälligen Kontakt aber jeweils dazu benutzt, die Antragstellerin anzuschreien, zu beschimpfen und zu drohen. Derartige Eingriffe in die Privatsphäre stellen Verfolgungshandlungen iSd § 382g Abs 1 Z 1 EO dar, die einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, wobei dessen Sicherung mittels einstweiliger Verfügung geboten ist.Der Umstand, dass der Antragsgegner die Antragstellerin jeweils „zufällig" traf, ändert nichts daran, dass die in unmittelbarem Anschluss erfolgten Handlungsweisen als „Verfolgung" iSd Paragraph 382 g, Absatz eins, Ziffer eins, EO zu qualifizieren sind. Der Antragsgegner hat zwar nicht dem Verbot der persönlichen Kontaktaufnahme zuwidergehandelt, den zufälligen Kontakt aber jeweils dazu benutzt, die Antragstellerin anzuschreien, zu beschimpfen und zu drohen. Derartige Eingriffe in die Privatsphäre stellen Verfolgungshandlungen iSd Paragraph 382 g, Absatz eins, Ziffer eins, EO dar, die einen Unterlassungsanspruch rechtfertigen, wobei dessen Sicherung mittels einstweiliger Verfügung geboten ist.
Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 2 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 393, Absatz 2, EO in Verbindung mit Paragraphen 40,, 50 ZPO.
Textnummer
E88241European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00061.08I.0811.000Im RIS seit
10.10.2008Zuletzt aktualisiert am
31.05.2011