TE Vwgh Beschluss 2007/11/28 2005/14/0013

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Veröffentlicht am 28.11.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Betreff

Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführers Mag. Pfau, 1) über die Beschwerde des G S in S, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Vormarktstraße 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates , Außenstelle Linz, vom 29. Dezember 2004, Zl. RV/0720-L/03, betreffend Einkommensteuer 2002, und 2) über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung dieser Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der am 15. Februar 2005 zur Post gegebenen Beschwerde gegen die oben angeführte Berufungsentscheidung wurde als Zustelldatum des angefochtenen Bescheides der 4. Jänner 2005 angegeben. Die Beschwerde schien daher innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist und damit rechtzeitig erhoben, sodass der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren gemäß § 36 VwGG einleitete.

Die belangte Behörde legte gleichzeitig mit der Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor. Nach dem darin aufliegenden Zustellnachweis wurde der angefochtene Bescheid jedoch bereits am 31. Dezember 2004 vom Beschwerdeführer persönlich übernommen.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juni 2005 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass sich daraus die verspätete Einbringung der Beschwerde ergebe.

Nach Übermittlung einer Kopie des entsprechenden Zustellnachweises erklärte der Beschwerdeführer, er habe seinem Steuerberater Josef H "Vollmacht und im Rahmen dieser auch den Auftrag erteilt" gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2001 und 2002 Berufung zu erheben. Dies habe Josef H auch getan. Die der "belangten Behörde mitgeteilte Bevollmächtigung enthielt keinerlei Beschränkung", sodass der Verfasser der Berufung "logischerweise" damit rechnen habe können, dass die Entscheidung darüber auch ihm zugestellt werden würde. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Die "Steuerberatungskanzlei" H habe von 27. bis 31. Dezember 2004 Betriebsurlaub gehabt und sei ab 3. Jänner 2005 wieder erreichbar gewesen. Mit Telefax vom 4. Jänner 2005 habe der Beschwerdeführer die mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtene Entscheidung an seinen Steuerberater "ohne zusätzlichen Kommentar oder Hinweis auf die bereits am 31. 12. 2004 erfolgte Zustellung" übermittelt.

Auf Grund des Ausstellungsdatums der angefochtenen Berufungsentscheidung (29. Dezember 2004) sei der Steuerberater Josef H "logischerweise" davon ausgegangen, das der Beschwerdeführer die Berufungsentscheidung am 4. Jänner 2005 zugestellt erhalten und sie noch am gleichen Tag an ihn weitergeleitet habe. Da "erfahrungsgemäß in der Regel" 8 bis 14 Tage zwischen der Ausfertigung einer Entscheidung und deren Zustellung vergingen, sei diese Annahme lebensnah gewesen.

Da bereits vor der Zustellung der Berufungsentscheidung zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Steuerberater "vereinbart" gewesen sei, dass bei einer allfälligen negativen Berufungsentscheidung der Gang zum Verwaltungsgerichtshof erfolgen werde, habe der Steuerberater mit dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers Kontakt aufgenommen, um die Ausformulierung der Beschwerde zu besprechen. Dieser habe "innerhalb offener Frist, gerechnet ab 4.1.2005, die Beschwerde rechtzeitig" zur Post gegeben.

Sollte der Verwaltungsgerichtshof davon ausgehen, dass die angefochtene Berufungsentscheidung objektiv rechtswirksam am 31.12.2004 - wiewohl nicht dem "Vertreter" sondern dem Beschwerdeführer persönlich - zugestellt worden sei, so läge tatsächlich eine verspätete Beschwerdeerhebung vor. Diese stelle jedoch für den Beschwerdeführer ein unvorhersehbares, unabwendbares Ereignis und somit einen Wiedereinsetzungsgrund dar.

Es werde diesfalls der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Als Nichtjurist "konnte und musste" der Beschwerdeführer nicht wissen, das "im gegenständlichen Fall trotz ausgewiesenem Vertreter diesem keine Berufungsentscheidung zugestellt werden würde". Die Nichtmitteilung des tatsächlichen Zustelldatums an seinen Vertreter sei sicherlich nur als ein Versehen minderen Grades zu sehen, das die Wiedereinsetzung nicht hindere.

Der Vertreter des Beschwerdeführers hätte auf Grund des Ausfertigungsdatums der Berufungsentscheidung "erfahrungsgemäß davon ausgehen" können, dass diese dem Beschwerdeführer tatsächlich erst am 4. Jänner 2005 zugestellt und am gleichen Tag an ihn weitergeleitet worden sei. Da "auch kein zusätzlicher Hinweis auf eine frühere Zustellung vorhanden" gewesen sei, habe der Vertreter des Beschwerdeführers "nach allgemeiner Lebenserfahrung" davon ausgehen können, dass das "Übermittlungsdatum der Berufungsentscheidung auch das Erhaltdatum" sei.

Die belangte Behörde wies zum Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend Zustellvollmacht auf eine Rückfrage beim Finanzamt hin, wonach die in Papierform vorliegende Vollmacht an Josef H vom 25. März 1999 dessen Berechtigung ausweise, den Beschwerdeführer in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber Behörden zu vertreten, für ihn Eingaben, Steuererklärungen etc. zu unterfertigen, Akteneinsicht zu nehmen, Rechtsmittel einzubringen und Erklärungen abzugeben, den Beschwerdeführer in Steuerstrafsachen zu verteidigen, alle Kassenangelegenheiten mit dem Finanzamt abzuwickeln und Unterbevollmächtigte zu bestellen. Weiters sei er zum "Quotenvertreter" bestellt worden. Eine Zustellungsvollmacht sei jedoch nicht erteilt worden. Das Finanzamt habe daher bisher sämtliche Schriftstücke dem Beschwerdeführer selbst zugestellt. Dieser Vorgangsweise sei auch nie widersprochen worden. Das für die Erteilung der Vollmacht verwendete Formular zeige klar, dass dem steuerlichen Vertreter keine allgemeine, unbeschränkte Vollmacht erteilt worden sei, sondern gezielte Vollmachtsinhalte übertragen worden seien. Seit "BGBl I 2004/10 (Neufassung des § 9 ZustellG)" müsse eine Zustellvollmacht überdies ausdrücklich erteilt sein. Die Rechtsprechung, wonach eine allgemeine Vollmacht auch die Empfangnahme von Schriftstücken umfasse, sei daher nicht mehr anwendbar.

Im Übrigen sei die Berufungsentscheidung insofern nach einem Steuerberaterwechsel zugestellt worden, als sich die STB G & H GmbH mittels "Finanz Online" bereits ab 27. Dezember 2004 als neue steuerliche Vertreterin eingetragen habe. Aus der Eingabemaske im "Finanz Online" sei eindeutig ersichtlich, dass zwar die Vollmachtskomponenten "Akteneinsicht gem. § 90 BAO, Steuer, Geld und Quote" erteilt worden seien, bei der Option "Zustellung" jedoch "Nein" gewählt worden sei.

Da somit eine Zustellvollmacht nicht erteilt worden sei, sei die Zustellung rechtswirksam an den Beschwerdeführer vorgenommen worden. Die belangte Behörde vertrat auch die Ansicht, dass die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages nicht geeignet sei, ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darzutun, das den Beschwerdeführer gehindert hätte, die Beschwerdefrist einzuhalten.

Der Beschwerdeführer äußerte sich zu den Ausführungen der ihm nachweislich zugestellten Stellungnahme der belangten Behörde nicht.

Gemäß § 9 ZustellG in der ab 1. März 2004 geltenden Fassung BGBl I 10/2004 können, soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften gegenüber der Behörde ausdrücklich zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

Ist ein Zustellungbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen gemäß § 9 Abs. 3 ZustellG als Empfänger zu bezeichnen.

Im Beschwerdefall behauptet der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, seine dem Josef H erteilte Vollmacht habe keinerlei Beschränkung enthalten, nicht, seinem steuerlichen Vertreter eine ausdrückliche Zustellungsvollmacht erteilt zu haben. Auch dem in der Stellungnahme der belangten Behörde enthaltenen Vorbringen, im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides sei bereits ein anderer steuerlicher Vertreter bestellt gewesen, ist der Beschwerdeführer weder hinsichtlich des Umstandes der neuen steuerlichen Vertretung als solcher noch hinsichtlich des Umstandes, dass dieser neuen Vertretung eine Zustellungsvollmacht ebenfalls nicht erteilt worden war, entgegengetreten.

Es ist daher von einer rechtswirksamen Zustellung des angefochtenen Bescheides gegenüber dem Beschwerdeführer am 31. Dezember 2004 auszugehen. Damit erweist sich aber die am 15. Februar 2005 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet.

Hinsichtlich des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Antragsvorbringen, der Beschwerdeführer hätte als "Nichtjurist" weder wissen können noch müssen, dass "trotz ausgewiesenem Vertreter" diesem keine Berufungsentscheidung zugestellt werden würde, schon insoweit entgegenzutreten, als gegenständlich in Bezug auf die Zustellung eben kein Vertreter ausgewiesen war. Der Beschwerdeführer übersieht aber auch, dass eine Unkenntnis des Gesetzes, mit der sich übrigens gemäß § 2 ABGB niemand entschuldigen kann, für sich allein nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten ist, das die Voraussetzung des § 46 Abs. 1 VwGG für eine Wiedereinsetzung bilden könnte (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 648, wiedergegebene hg. Judikatur). Im Übrigen ist aber jedem "Nichtjuristen" zuzumuten, dass er den von ihm mit der Einbringung eines Rechtsbehelfes betrauten Vertreter über die tatsächlichen Vorgänge anlässlich der Zustellung (insbesondere bezüglich des entsprechenden Zeitpunktes) der zu bekämpfenden Erledigung informiert. Als ein "Versehen minderen Grades", das die Wiedereinsetzung nicht hindere, kann die fehlende Erteilung dieser selbstverständlichen Information nicht gesehen werden.

Aber auch der Vertreter hat von sich aus entsprechende Informationen einzuholen und kann sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht auf allfällige Erfahrungen über die Dauer zwischen Ausfertigung eines Dokuments und dessen Zustellung beschränken. Eine "allgemeine Lebenserfahrung", wonach das Übermittlungsdatum eines Bescheides an den Vertreter dem "Erhaltdatum" (dem Zustelldatum) entspreche, existiert entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht. Gegenteiliges hat der Verwaltungsgerichtshof auch in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 99/13/0265, nicht zum Ausdruck gebracht.

Im Beschwerdefall kann daher keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat.

Damit lagen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 46 Abs. 1 VwGG nicht vor. Der darauf gerichtete Antrag war daher abzuweisen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. November 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005140013.X00

Im RIS seit

03.04.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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