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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §224 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kinsky, über die Beschwerde des K J in W, vertreten durch Dr. Hellmut Prankl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 12/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 25. Jänner 2007, RV/0296- K/05, betreffend Haftung für Abgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides lässt sich Folgendes entnehmen:
Der Beschwerdeführer war handelsrechtlicher Geschäftsführer der C-GmbH. Mit Beschluss des Landesgerichtes vom 17. November 2004 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der C-GmbH mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.
Mit Bescheid des Finanzamtes vom 3. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 Abs 1 BAO zur Haftung für in der Vergangenheit fällig gewordene Abgaben der C GmbH im Ausmaß von 73.088,76 EUR zur Haftung herangezogen. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, der Beschwerdeführer sei alleiniger Geschäftsführer der C-GmbH, habe aber nicht für die Entrichtung der Abgaben Sorge getragen. Bei der Primärschuldnerin seien die Abgaben nunmehr uneinbringlich.
In der Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, für die abgabenrechtlichen Belange, die betriebswirtschaftlichen Bereiche und den Kontakt mit der Steuerberatungskanzlei sei Frau M zuständig gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme seien eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Der Beschwerdeführer vertrete seit 13. September 2002 als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer die C-GmbH. Unbestritten sei daher, dass er im haftungsgegenständlichen Zeitraum als Alleingeschäftsführer Vertreter iSd § 80 BAO gewesen sei. Unbestritten sei weiters, dass Abgaben in Höhe von 73.088,76 EUR, für die der Beschwerdeführer haftbar gemacht worden sei, zufolge Abweisung des Antrages auf Konkurseröffnung mangels kostendeckenden Vermögens bei der GmbH nicht einbringlich seien.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weise nach, dass er die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.
Vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen sei die Lohnsteuer; aus § 78 Abs 3 EStG 1988 ergebe sich die Verpflichtung, die Lohnsteuer zur Gänze zu entrichten.
Im gegenständlichen Fall wäre eine Haftung des Beschwerdeführers für die offenen Abgabenschulden der Primärschuldnerin dann nicht zum Tragen gekommen, wenn der Primärschuldnerin überhaupt kein liquiden Mittel zur Tilgung der offenen Schulden zur Verfügung gestanden wären oder das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden beachtet worden wäre.
Der Beschwerdeführer habe im Verfahren vor den Abgabenbehörden dargelegt, welche Gründe für die Nichtentrichtung der Abgaben der Primärschuldnerin maßgebend gewesen seien. Er habe hiezu vorgebracht, dass nicht er für die buchhalterischen und abgabenrechtlichen Belange zuständig gewesen sei, sondern Frau M.
Mit seinem Vorbringen räume der Beschwerdeführer ein, intern nicht für die betriebswirtschaftlichen und abgabenrechtlichen Belange zuständig gewesen zu sein und sich um diese auch nicht gekümmert zu haben. Er habe sich seiner Funktion als alleiniger selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer entledigt, indem er diese Aufgaben durch eine Mitarbeiterin habe ausüben lassen.
Damit sei der Beschwerdeführer seiner abgabenrechtlichen Verpflichtung, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben aus den verwalteten Mitteln entrichtet würden, nicht nachgekommen. Im Haftungsverfahren sei entscheidend, dass der Beschwerdeführer zum Geschäftsführer bestellt gewesen sei. Für das Verschulden im Sinne des § 9 BAO sei nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt habe.
Dem Vorbringen, Frau M. habe die Geschäftsführung in abgabenrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen innegehabt, werde entgegnet, dass der Beschwerdeführer alleiniger verantwortlicher Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei. Mit seinem Vorbringen gestehe der Beschwerdeführer eine Pflichtverletzung ein, habe er sich doch um die abgabenrechtlichen Pflichten nicht entsprechend gekümmert. Wenn der alleinige Geschäftsführer einer GmbH die Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten einer Mitarbeiterin überlasse, so sei er dazu verhalten, diese in regelmäßigen Abständen so zu überwachen, dass ihm eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten nicht verborgen bleibe.
Angesichts der Höhe der Abgabenschuldigkeiten und des Schadens sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer die Nichtentrichtung der Abgaben auch nicht verborgen geblieben sei. Es erscheine nicht nachvollziehbar, dass dem Beschwerdeführer die Nichtentrichtung von Abgabenschuldigkeiten in der vorliegenden Höhe nicht aufgefallen wäre.
Im Unternehmen der GmbH habe im Jahr 2003 eine Betriebsprüfung stattgefunden. Der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer die Gesellschaft vertreten und an der Prüfung teilgenommen. Die Prüferin habe in Tz. 27 des Berichtes vom 19. Dezember 2003 festgestellt, dass Leistungen des Unternehmens zwar verrechnet, jedoch nicht versteuert worden seien. Dabei habe der Beschwerdeführer den Erhalt von ihm quittierter Beträge bestritten und eingewandt, es handle sich teilweise um Gefälligkeitsbestätigungen zum "Flüssigmachen von Fördergeldern". Ein befragter Rechnungsempfänger habe niederschriftlich angegeben, dass er sämtliche in Rechnung gestellten Beträge an den Beschwerdeführer bezahlt habe. Die Prüfer habe somit festgestellt, dass Ausgangsrechnungen nicht vollständig erfasst worden seien. Aus dem Betriebsprüfungsbericht ergebe sich, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß gewesen sei.
Somit sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in die Abrechnung von Aufträgen involviert gewesen sei. Er habe in die wirtschaftliche Gebarung der Gesellschaft Einblick gehabt. Ihm habe gar nicht verborgen sein können, dass Abgaben nicht entrichtet worden seien. Schließlich seien ab Dezember 2003 Selbstbemessungsabgaben nicht mehr entrichtet worden. Dass Umsatzsteuerzahllasten und Lohnabgaben regelmäßig zu entrichten seien, gehöre zum abgabenrechtlichen Allgemeinwissen eines Geschäftsführers. Dies hätte dem Beschwerdeführer bei regelmäßiger Überwachung seiner Mitarbeiterin auch nicht verborgen bleiben können.
Das Finanzamt habe somit annehmen können, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Missachtung der abgabenrechtlichen Pflichten seiner Abgabenzahlungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen sei. Daher hafte er für die betroffenen Abgabenschulden. Die Haftung für die Lohnsteuer ergebe sich im Übrigen bereits aus § 78 Abs. 3 EStG.
Die schuldhafte Pflichtverletzung spreche für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und für den Rechtswidrigkeitszusammenhang.
Die Geltendmachung der Haftung liege im Ermessen der Abgabenbehörde, die sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten habe. Innerhalb dieser Grenzen seien Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei. Vom Beschwerdeführer seien keine Gründe vorgebracht worden, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung hätten bewirken können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Wenn der verantwortliche Vertreter seine abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person überträgt, wird er dadurch nicht von seiner Verantwortung befreit. Es treffen ihn in einem solchen Fall Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung zu Haftungsfolgen nach § 9 BAO führen kann. Es gehört zu den Pflichten des zur Vertretung einer juristischen Person Berufenen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Der zur Vertretung einer juristischen Person Berufene hat die Tätigkeit der von ihm beauftragten Person in solchen Abständen zu überprüfen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten verborgen bleibt (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 122 f).
Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person Berufener an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten gehindert, hat er die Behinderung der Ausübung seiner Funktion sofort abzustellen und - wenn sich dies als erfolglos erweist - seine Funktion nieder zu legen. Tut er dies nicht, ist ihm ein gemäß § 9 BAO relevantes Verschulden anzulasten. Dies gilt auch dann, wenn sich der Vertreter schon bei der Übernahme der Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt und dabei in Kauf genommen hat, dass ihm die Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen unmöglich gemacht wird (siehe dazu Stoll, a.a.O., und das hg Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 98/14/0172).
Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt (vgl das hg Erkenntnis vom 30. März 2006, 2003/15/0080).
Im Hinblick auf diese Rechtslage ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, wenn - worauf sich der Großteil der Beschwerdeausführungen bezieht - die faktische Geschäftsführerin der C-GmbH Frau M gewesen sein sollte. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der C-GmbH gewesen ist. Solcherart wäre es, wenn er seine abgabenrechtlichen Pflichten auf Frau M übertragen hat, seine Aufgabe gewesen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Sollte das Beschwerdevorbringen aber dahingehend zu verstehen sein, dass ihm als den handelsrechtlichen Geschäftsführer tatsächlich die Befugnisse, auf Grund derer er die vom Gesetz auferlegten Pflichten hätte erfüllen können, faktisch nicht eingeräumt worden sind, hätte er die Übernahme der Geschäftsführung ablehnen müssen (vgl nochmals das hg Erkenntnis 98/14/0172). Bei dieser Rechtslage zeigt die Beschwerde mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe keine Feststellungen darüber getroffen, dass die "reale" Geschäftsführung bei Frau M gelegen sei, auch keinen wesentlichen Verfahrensfehler auf.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, welche Pflichtverletzung die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorwirft. Es handelt sich um die Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben für die Gesellschaft aus deren Mitteln.
Im Rahmen der Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer auch geltend, er sei von der belangten Behörde nicht vernommen worden. Welche für den Beschwerdefall maßgeblichen Umstände durch die Parteienvernehmung hervorgekommen wären, ist dem Beschwerdevorbringen allerdings nicht zu entnehmen.
Die Heranziehung zur Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthält die Begründung des angefochten Bescheides Ausführungen zur Ermessensübung. Dass aber die belangte Behörde ihr Ermessen nicht in dem vom Gesetz vorgegebenen Rahmen geübt hätte, wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. November 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007150164.X00Im RIS seit
28.12.2007Zuletzt aktualisiert am
20.08.2013