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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §30 Abs3 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des C P in W, vertreten durch Mag. Markus Adam, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börsegasse 9/3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 20. Juni 2002, Zlen. RV/042-15/14/1997 und RV/850-15/14/1999, betreffend u.a. Einkommensteuer 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Einkommensteuer 1994 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer für die Jahre 1992 bis 1994 beim Beschwerdeführer durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung traf der Prüfer in Tz. 21 seines Berichtes vom 16. September 1996 folgende Feststellungen:
Im Jahr 1989 habe der Beschwerdeführer ein näher genanntes Grundstück um einen Kaufpreis von S 1,560.000,-- von der P GmbH erworben. Im Jahr 1991 sei ein Teil dieses Grundstückes gegen eine Entschädigung gemäß § 17 Abs. 5 der Bauordnung für Wien an die Gemeinde Wien abgetreten worden. Mit Bescheid vom 11. Februar 1994 sei die Höhe der Entschädigung mit S 448.000,-- festgelegt worden. Die Weitergabe der Liegenschaft an die Gemeinde Wien liege innerhalb der Spekulationsfrist. Der Abgabepflichtige habe diesen Vorgang unter "§ 30 Abs. 3 Z 2" (offenbar EStG 1988; Vermeidung eines behördlichen Eingriffs) subsumiert und ihn nicht der Besteuerung unterzogen.
Bei der gegenständlichen Liegenschaft handle es sich um einen "Bauplatz der seine Abtretungsverpflichtung bereits erfüllt" habe. Der Beschwerdeführer habe, entsprechend § 9 der Wiener Bauordnung, einen Antrag auf Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen gestellt. Ein solcher Antrag sei jedoch freiwillig. Der Antrag sei vom Beschwerdeführer deshalb gestellt worden, weil er die Absicht gehabt habe, auf dem Grundstück ein Mietwohnhaus zu errichten. Diese Absicht sei allerdings für die Stellung des Antrages nicht notwendig gewesen, weil ein solcher Antrag auch völlig unabhängig von einem Bauvorhaben gestellt werden könne. Entsprechend § 10 der Wiener Bauordnung seien diese bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen auch einzuhalten. Die Abtretung dieser Grundfläche an die Gemeinde Wien habe daher gemäß § 17 Abs. 5 Wiener Bauordnung gegen Schadloshaltung zu erfolgen gehabt.
Da die Vermeidung eines behördlichen Eingriffs ein aktives Tun der Behörde voraussetze, in diesem Fall jedoch die Initiative von Seiten des Beschwerdeführers ausgegangen sei "(Antrag!)" könne nach Ansicht des Prüfers keinesfalls von einem behördlichen Eingriff gesprochen werden.
Den Feststellungen des Prüfers zufolge wäre eine Enteignung gar nicht möglich gewesen, da dafür ein Grundsatzbeschluss der Gemeinde (§ 39 Abs. 1 Wiener Bauordnung) notwendig gewesen wäre und ein solcher Grundsatzbeschluss nicht vorgelegen sei. Der Prüfer gelangte zur Auffassung, dass die freiwillige Entscheidung des Beschwerdeführers, auf seinem Grundstück ein Mietwohnhaus zu errichten und die dafür notwendigen behördlichen Bewilligungen einzuholen und sämtliche behördlichen Bestimmungen einzuhalten, in keinem Zusammenhang mit dem im § 30 EStG angeführten Begriff des behördlichen Eingriffes stehe. Es handle sich dabei lediglich um die Konsequenz aus dem Beschluss des Abgabepflichtigen, auf diesem Grundstück ein Mietwohnhaus zu errichten, die Behörde habe auf diese Entscheidung in keiner Weise Einfluss genommen. Der aus der Abtretung an die Gemeinde resultierende Überschuss sei daher im Jahr 1994 "(Geldfluss)" gemäß § 30 EStG 1988 der Einkommensteuer zu unterziehen.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994.
In seiner Berufung u.a. gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, gemäß § 9 Wiener Bauordnung sei die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen für jeden Neu-, Zu- oder Umbau zu beantragen. Ohne Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen werde keine Baubewilligung erteilt. Die Entscheidung, einen Neubau zu errichten, sei der einzige freiwillige Akt im gesamten Verfahren, das mit einem behördlichen Eingriff ende. Die (zwingend) beantragten Bebauungsbestimmungen würden durch Bescheid bekannt gegeben. Der Bescheid habe gemäß § 9 Abs. 4 Wiener Bauordnung die Kennzeichnung der ins öffentliche Gut abzutretenden Grundflächen enthalten.
Gemäß § 17 Wiener Bauordnung seien die nach Maßgabe der Baulinien zu den Verkehrsflächen entfallenden Grundflächen satz- und lastenfrei ins öffentliche Gut zu übertragen. Dabei handle es sich (wie in § 57 Wiener Bauordnung ausdrücklich normiert sei) um eine Enteignung. Es handle sich somit bei dem Abtretungsverfahren um ein Verfahren mit behördlicher Zwangsgewalt, das mit Bescheid ende und zu einer Enteignung führe. Die freiwillige Entscheidung des Beschwerdeführers, ein Haus errichten zu wollen, könne an der Rechtsnatur des behördlichen Eingriffes nichts ändern. Der Antrag auf Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen sei nicht freiwillig gestellt worden, er müsse gemäß § 9 Wiener Bauordnung gestellt werden. Es werde weder vom Gesetz verlangt noch entspreche es der laufenden Judikatur, dass die behördliche Maßnahme ohne Veranlassung des Steuerpflichtigen erfolge. Das Gesetz verlange lediglich einen behördlichen Eingriff, ein solcher liege vor. Die Veranlassung des behördlichen Eingriffes liege zwar beim Beschwerdeführer, jedoch werde letztlich nahezu jeder behördliche Eingriff (auch ein Einkommensteuerbescheid) durch eine (freiwillige) Aktion des Steuerpflichtigen verursacht und sei trotzdem ein Akt behördlicher Zwangsgewalt.
In einer Ergänzung zur Berufung gegen u.a. den Einkommensteuerbescheid 1994 führte der Beschwerdeführer aus, um die Baubewilligung für die gegenständliche Liegenschaft zu erhalten, sei es unbedingt notwendig gewesen, eine Teilfläche des Grundstückes für die Errichtung eines Gehsteiges an die Gemeinde Wien abzutreten. Es habe sich hierbei keinesfalls um einen "spekulativen Verkauf", sondern um eine Zwangsmaßnahme der Behörde gehandelt, ohne die eine Baubewilligung nicht hätte erteilt werden können. Es mache wirtschaftlich keinen Sinn, ein Grundstück zu kaufen, mit der Absicht Wohnungen zu errichten, um diese dann zu vermieten, aber mit der Bauausführung zehn Jahre zuzuwarten, bis die Spekulationsfrist vorüber sei. Wäre der behördlich angeordneten Abtretung durch den Beschwerdeführer nicht Folge geleistet worden, so hätte die Behörde die Nutzungsbewilligung verweigert und schlussendlich amtswegig enteignet. Es könne doch nicht sein, dass sich der Beschwerdeführer rechtswidrig verhalten müsse, um so die Nichtbesteuerung der Entschädigung für die Enteignung zu erreichen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung hinsichtlich Einkommensteuer 1994 als unbegründet ab.
Die Behandlung der dagegen vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde hat dieser mit Beschluss vom 24. Februar 2003, B 1343/02 - 3, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft der Beschwerdeführer den Bescheid der belangten Behörde in seiner - ergänzten - Beschwerde sowohl wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes als auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "Nichtfestsetzung von sonstigen Einkünften (Spekulationsgewinn gemäß § 30 EStG) in Höhe von S 231.472,-- sohin in seinem Recht gemäß § 30 Abs. 3 Z 2 EStG auf Nichtberücksichtigung der dem Beschwerdeführer für die Abtretung von rd. 56 m2 vom Grundstück (Nr. EZ, KG) in das öffentliche Gut zuerkannten Entschädigung im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für 1994 als Spekulationsgewinn" verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht in Streit, ob die Grundabtretung gegen Entschädigung zum Zweck der Erlangung einer Bau- bzw. Benützungsbewilligung für ein vom Beschwerdeführer zu errichtendes Mietswohnhaus ein Spekulationsgeschäft iSd § 30 EStG 1988 ist.
§ 30 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 in der auf den Beschwerdefall anzuwendenden Fassung, BGBl. Nr. 400/1988, lautet:
"(3) Spekulationsgeschäfte liegen nicht vor:
1.
...
2.
Wenn Wirtschaftsgüter infolge eines behördlichen Eingriffes oder zur Vermeidung eines solchen nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffes veräußert werden."
Gemäß § 120 EStG 1988 gilt § 30 leg. cit. für Veräußerungsvorgänge nach dem 31. Dezember 1988.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausgeführt, gemäß § 30 Abs. 3 Z. 2 EStG sei ein Spekulationsgeschäft nicht anzunehmen, "wenn Grundstücke im Wege eines Enteignungsverfahrens oder freiwillig zur Abwendung eines nachweisbar unmittelbar drohenden Enteignungsverfahrens veräußert werden". Die Ausnahme greife also auch ein, wenn ein Grundstück zwar vor Einleitung des Enteignungsverfahrens veräußert werde, jedoch damit zu rechnen sei, dass ohne Veräußerung ein Enteignungsverfahren kurzfristig eingeleitet werde und vom Enteignungswerber auch mit Erfolg durchgeführt werden könne. Gewinne, die bei Enteignungen oder enteignungsvermeidenden Veräußerungen von Grundstücken des Privatvermögens erzielt würden, unterlägen keiner Einkommensteuer nach § 30, auch wenn die Enteignung (Veräußerung) innerhalb der Spekulationsfrist durchgeführt werde.
Wenn auch die gegenständliche Vereinbarung allenfalls mit später zu ergreifenden Maßnahmen, wie etwa einem Gehsteigbau oder auch einer Straßenverbreiterung in einem gewissen Zusammenhang stehe, sei doch keine behördliche Zwangsmaßnahme vorgelegen und sei auch in nächster Zeit keine zu erwarten gewesen. Die belangte Behörde sei daher zu der Ansicht gelangt, dass die unabdingbare Voraussetzung einer behördlichen Zwangsmaßnahme in Form einer angedrohten oder zumindest unmittelbar drohenden Enteignung für die Befreiung gemäß § 30 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. nicht erfüllt sei, weshalb die Berufung in diesem Punkt abzuweisen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag dieser Rechtsansicht nicht zu folgen. Ein behördlicher Eingriff im Sinne des § 30 Abs. 3 Z. 2 EStG 1988 liegt auch dann vor, wenn er sich in der Folge gesetzlicher Vorschriften eines über Antrag des Steuerpflichtigen eingeleiteten Verfahrens ergibt. Dies hat die belangte Behörde - anders als die dem Prüfer insoweit folgende erstinstanzliche Behörde - auch zutreffend erkannt. Sie hat jedoch die Ansicht vertreten, der behördliche Eingriff müsse unmittelbar drohen. Sie geht dabei jedoch in der Begründung des angefochtenen Bescheides selbst davon aus, dass im Beschwerdefall - wäre der behördlich angeordneten Abtretung durch den Beschwerdeführer nicht Folge geleistet worden - die Baubehörde amtswegig enteignet hätte. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang auch auf § 5 VVG verwiesen, wonach die Verpflichtung zur Grundabtretung durch Zwangsstrafen zu vollstrecken sei. Damit ist die belangte Behörde aber selbst von der Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung der dem Beschwerdeführer auferlegten Verpflichtung ausgegangen. Aus der Sicht des Beschwerdefalles ist es unerheblich, ob die Verwaltungsbehörde bereits mit einem Enteignungsverfahren begonnen oder andere rechtliche Schritte zur Durchsetzung der bereits feststehenden Verpflichtung unternommen hat, zumal keine Zweifel bestehen, dass die Behörde, hätte der Beschwerdeführer die Grundfläche nicht abgetreten, dies durchgesetzt hätte.
Dadurch, dass die belangte Behörde das Vorliegen eines Spekulationsgeschäftes - ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - bejaht hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Es erübrigte sich daher, auf die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften näher einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 28. November 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007140009.X00Im RIS seit
17.01.2008Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013