TE OGH 2008/9/9 10ObS51/08k

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Gansch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl K*****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. März 2008, GZ 12 Rs 135/07w-50, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. September 2007, GZ 16 Cgs 41/06k-46, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinem klagestattgebenden Teil dahin abgeändert, dass auch das auf Gewährung einer Invaliditätspension vom 1. 10. 2005 bis 30. 9. 2008 gerichtete Klagebegehren abgewiesen wird.

Der Kläger hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der im Dezember 1951 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Von Dezember 1976 bis Dezember 2004 war er als Chemiearbeiter bei der L***** AG beschäftigt. Zuletzt übte er eine Tätigkeit als Anlagenfahrer aus. Er verfügt nicht über die Kenntnisse, die gelernte Chemiewerker oder Chemielabortechniker am allgemeinen Arbeitsmarkt üblicherweise aufweisen. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit kann der Kläger aufgrund seines eingeschränkten - näher festgestellten - medizinischen Leistungskalküls nicht mehr verrichten. Am allgemeinen Arbeitsmarkt ist er in der Lage, noch eine Reihe von Tätigkeiten, wie jene eines Bürohausboten oder einer Hilfskraft im Gastgewerbe, wie etwa die Tätigkeit eines Abräumers oder Abwäschers, zu verrichten. Für „diese Tätigkeit" existiert bundesweit ein Arbeitsmarkt von jeweils mehr als über 200 Arbeitsplätzen. Im Bereich einer Tagespendlerdistanz - vom Wohnsitz des Klägers gerechnet - existieren seinem Leistungskalkül entsprechende „derartige Arbeitsstellen in einem Ausmaß von jeweils 15-20".

Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Kläger ein Wochenpendeln zumutbar ist. Bei einer Wohnsitzverlegung würde seine Depression vorübergehend zunehmen. Bei einer adäquaten Behandlung würde diese Verschlechterung für einen Zeitraum von ca sechs bis acht Wochen eintreten. Wenn seine Gattin nicht mitzieht, kann sich seine Depression für immer verschlechtern. Es ist aber auch möglich, dass diese Verschlechterung nach einem halben Jahr bis zu einem Jahr wieder abklingt.

Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 16. 11. 2005 den Antrag des Klägers vom 30. 9. 2005 auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab.

Das Erstgericht traf die eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen und wies das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1. 10. 2005 gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es sprach dem Kläger die Invaliditätspension für den Zeitraum vom 1. 10. 2005 bis 30. 9. 2008 zu und wies das Mehrbegehren ab. Zur Tatsachenrüge führte es aus, diese zeige zutreffend auf, dass der berufskundliche Sachverständige die ursprüngliche Angabe von 15 bis 20 Arbeitsplätzen (gemeint offenbar je Verweisungstätigkeit) im Ergänzungsgutachten dahin revidiert habe, dass ein dem Kläger offenstehender regionaler Arbeitsmarkt von 40 Arbeitsplätzen oder mehr auszuschließen sei. Diese Korrektur habe das Erstgericht in seinen Feststellungen nicht berücksichtigt. Dies sei jedoch unerheblich, weil die beklagte Partei für das Vorhandensein eines ausreichenden regionalen Arbeitsmarkts beweispflichtig sei und bei „von - bis - Angaben" der Beweispflichtige nur den für ihn ungünstigeren Wert bewiesen habe. Bei jeweils 15 bis 20 Arbeitsplätzen in den zwei Verweisungsberufen seien daher nur insgesamt 30 Arbeitsplätze nachgewiesen. Dies reiche für einen regionalen Arbeitsmarkt, der nach der Rechtsprechung zumindest 40 oder mehr Arbeitsplätze bieten müsse, nicht aus. Beim Kläger seien die Voraussetzungen des Anspruchs auf Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG zu prüfen. Aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts sei davon auszugehen, dass ihm aus medizinischen Gründen eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden könne. Das Erstgericht habe offen gelassen, ob ihm ein Wochenpendeln zumutbar sei. Betrachte man die Ausführungen des neuropsychiatrischen Sachverständigen, die das Erstgericht in der Beweiswürdigung anführe, so ergebe sich, dass ein Wochenpendeln in der derzeitigen Situation problematisch und eher nicht zumutbar sei, wenngleich eine sichere Aussage dazu nicht getroffen werden könne. Damit werde deutlich, dass auch das Wochenpendeln mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden sei, das der Kläger nicht in Kauf nehmen müsse. Daher stehe für die Verweisbarkeit des Klägers nur der regionale Arbeitsmarkt zur Verfügung, der für die zwei Verweisungstätigkeiten Bürohausbote und Hilfskraft im Gastgewerbe jeweils 15 bis 20 Arbeitsplätze biete. Da nur insgesamt 30 Arbeitsplätze in den zwei Verweisungsberufen nachgewiesen seien und diese Anzahl für die Annahme eines regionalen Arbeitsmarkts nicht ausreiche, habe der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung der Invaliditätspension nach § 255 Abs 3 ASVG erfüllt.Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es sprach dem Kläger die Invaliditätspension für den Zeitraum vom 1. 10. 2005 bis 30. 9. 2008 zu und wies das Mehrbegehren ab. Zur Tatsachenrüge führte es aus, diese zeige zutreffend auf, dass der berufskundliche Sachverständige die ursprüngliche Angabe von 15 bis 20 Arbeitsplätzen (gemeint offenbar je Verweisungstätigkeit) im Ergänzungsgutachten dahin revidiert habe, dass ein dem Kläger offenstehender regionaler Arbeitsmarkt von 40 Arbeitsplätzen oder mehr auszuschließen sei. Diese Korrektur habe das Erstgericht in seinen Feststellungen nicht berücksichtigt. Dies sei jedoch unerheblich, weil die beklagte Partei für das Vorhandensein eines ausreichenden regionalen Arbeitsmarkts beweispflichtig sei und bei „von - bis - Angaben" der Beweispflichtige nur den für ihn ungünstigeren Wert bewiesen habe. Bei jeweils 15 bis 20 Arbeitsplätzen in den zwei Verweisungsberufen seien daher nur insgesamt 30 Arbeitsplätze nachgewiesen. Dies reiche für einen regionalen Arbeitsmarkt, der nach der Rechtsprechung zumindest 40 oder mehr Arbeitsplätze bieten müsse, nicht aus. Beim Kläger seien die Voraussetzungen des Anspruchs auf Invaliditätspension nach Paragraph 255, Abs 3 ASVG zu prüfen. Aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts sei davon auszugehen, dass ihm aus medizinischen Gründen eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden könne. Das Erstgericht habe offen gelassen, ob ihm ein Wochenpendeln zumutbar sei. Betrachte man die Ausführungen des neuropsychiatrischen Sachverständigen, die das Erstgericht in der Beweiswürdigung anführe, so ergebe sich, dass ein Wochenpendeln in der derzeitigen Situation problematisch und eher nicht zumutbar sei, wenngleich eine sichere Aussage dazu nicht getroffen werden könne. Damit werde deutlich, dass auch das Wochenpendeln mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden sei, das der Kläger nicht in Kauf nehmen müsse. Daher stehe für die Verweisbarkeit des Klägers nur der regionale Arbeitsmarkt zur Verfügung, der für die zwei Verweisungstätigkeiten Bürohausbote und Hilfskraft im Gastgewerbe jeweils 15 bis 20 Arbeitsplätze biete. Da nur insgesamt 30 Arbeitsplätze in den zwei Verweisungsberufen nachgewiesen seien und diese Anzahl für die Annahme eines regionalen Arbeitsmarkts nicht ausreiche, habe der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung der Invaliditätspension nach Paragraph 255 &, #, 160 ;, A, b, s, 3 ASVG erfüllt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den klagestattgebenden Teil des Berufungsurteils gerichtete außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Frage, ob ein regionaler Arbeitsmarkt gegeben ist, wenn dem Versicherten in zwei Verweisungstätigkeiten insgesamt mindestens 30 und in jeder dieser Tätigkeiten mindestens 15 Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, in Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs noch nicht entschieden ist. Sie ist auch berechtigt.

Es ist zutreffend nicht strittig, dass der noch nicht 57-jährige Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichts keinen erlernten oder angelernten Beruf ausübte und das Vorliegen von Invalidität des Klägers nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen ist.Es ist zutreffend nicht strittig, dass der noch nicht 57-jährige Kläger nach den Feststellungen des Erstgerichts keinen erlernten oder angelernten Beruf ausübte und das Vorliegen von Invalidität des Klägers nach Paragraph 255, Abs 3 ASVG zu beurteilen ist.

Die Revisionswerberin bekämpft ausdrücklich nicht die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger aus medizinischen Gründen weder eine Wohnsitzverlegung noch ein Wochenpendeln zumutbar ist. Sie vertritt die Auffassung, die Anzahl der vom Versicherten erreichbaren Arbeitsplätze in den seiner Leistungsfähigkeit adäquaten Verweisungstätigkeiten reiche für die Annahme eines regionalen Arbeitsmarkts aus.

Der Kläger vertritt in seiner Revisionsbeantwortung den gegenteiligen Standpunkt und überdies, es müsse bei der Beurteilung des Vorliegens eines Arbeitsmarkts von der Anzahl der Arbeitsplätze in den jeweiligen Verweisungstätigkeiten ausgegangen werden. Wenige Arbeitsplätze verteilt auf mehrere Verweisungstätigkeiten in verschiedenen Branchen seien für einen Arbeitssuchenden nicht „eruierbar". Stünden nur 15 freie oder besetzte Arbeitsplätze je Verweisungstätigkeit in unterschiedlichen Bereichen zu Verfügung, könne von einem regionalem Arbeitsmarkt nicht gesprochen werden.

Hiezu hat der Senat erwogen:

Nach der im Anlassfall maßgebenden Bestimmung des § 255 Abs 3 ASVG gilt ein Versicherter als invalid, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht mehr im Stande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Es müssen daher Arbeitsplätze in einer solchen Anzahl vorhanden sein, dass noch von einem „Arbeitsmarkt" gesprochen werden kann, wobei es allerdings gleichgültig ist, ob diese Stellen frei oder besetzt sind. Es müssen demnach solche Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl für eine Verweisung zur Verfügung stehen. Ist hingegen die Zahl der für einen körperlich oder geistig eingeschränkt arbeitsfähigen Versicherten in Frage kommenden Arbeitsplätze (frei oder besetzt) so gering, dass der Arbeitsmarkt dem Versicherten praktisch auf Dauer verschlossen ist, mangelt es diesem an der Möglichkeit, durch Ausübung einer zumutbaren Tätigkeit ein seinem Lebensunterhalt dienendes Entgelt erwerben zu können. Diesem Versicherten steht dann ein Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (10 ObS 143/03g = SSV-NF 17/67 mwN; RIS-Justiz RS0084857).Nach der im Anlassfall maßgebenden Bestimmung des Paragraph 255 &, #, 160 ;, A, b, s, 3 ASVG gilt ein Versicherter als invalid, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht mehr im Stande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgelts zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Es müssen daher Arbeitsplätze in einer solchen Anzahl vorhanden sein, dass noch von einem „Arbeitsmarkt" gesprochen werden kann, wobei es allerdings gleichgültig ist, ob diese Stellen frei oder besetzt sind. Es müssen demnach solche Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl für eine Verweisung zur Verfügung stehen. Ist hingegen die Zahl der für einen körperlich oder geistig eingeschränkt arbeitsfähigen Versicherten in Frage kommenden Arbeitsplätze (frei oder besetzt) so gering, dass der Arbeitsmarkt dem Versicherten praktisch auf Dauer verschlossen ist, mangelt es diesem an der Möglichkeit, durch Ausübung einer zumutbaren Tätigkeit ein seinem Lebensunterhalt dienendes Entgelt erwerben zu können. Diesem Versicherten steht dann ein Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (10 ObS 143/03g = SSV-NF 17/67 mwN; RIS-Justiz RS0084857).

Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob ein für eine Verweisung ausreichender Arbeitsmarkt besteht, ist die Zahl der in diesem Verweisungsberuf bestehenden Arbeitsplätze. Stehen in Österreich in den der Arbeitsfähigkeit des Versicherten angemessenen Verweisungsberufen nicht wenigstens 100 Arbeitsplätze zur Verfügung, so kann nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht vom Bestehen eines Arbeitsmarkts gesprochen und der Versicherte nicht auf diese Tätigkeiten verwiesen werden (10 ObS 143/03g mwN; 10 ObS 262/03g mwN; RIS-Justiz RS0084772 [T2]; vgl aber 10 ObS 369/91 = SZ 65/4 = SSV-NF 6/4: „etwa" 100 Arbeitsplätze in Österreich). Dabei ist nicht entscheidend, wie viele Arbeitsplätze konkret im näheren Umkreis des Wohnsitzes des Versicherten zur Verfügung stehen (RIS-Justiz RS0084743 [T13]). Die Lage des Wohnorts im Einzelfall stellt nämlich ein persönliches Moment dar, das bei der Prüfung der Frage, ob Invalidität besteht, außer Betracht zu bleiben hat (RIS-Justiz RS0084871).Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob ein für eine Verweisung ausreichender Arbeitsmarkt besteht, ist die Zahl der in diesem Verweisungsberuf bestehenden Arbeitsplätze. Stehen in Österreich in den der Arbeitsfähigkeit des Versicherten angemessenen Verweisungsberufen nicht wenigstens 100 Arbeitsplätze zur Verfügung, so kann nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht vom Bestehen eines Arbeitsmarkts gesprochen und der Versicherte nicht auf diese Tätigkeiten verwiesen werden (10 ObS 143/03g mwN; 10 ObS 262/03g mwN; RIS-Justiz RS0084772 [T2]; vergleiche aber 10 ObS 369/91 = SZ 65/4 = SSV-NF 6/4: „etwa" 100 Arbeitsplätze in Österreich). Dabei ist nicht entscheidend, wie viele Arbeitsplätze konkret im näheren Umkreis des Wohnsitzes des Versicherten zur Verfügung stehen (RIS-Justiz RS0084743 [T13]). Die Lage des Wohnorts im Einzelfall stellt nämlich ein persönliches Moment dar, das bei der Prüfung der Frage, ob Invalidität besteht, außer Betracht zu bleiben hat (RIS-Justiz RS0084871).

Sind aber - wie im Anlassfall - dem Versicherten Wohnsitzverlegung und Wochenpendeln nicht möglich, kommt für ihn nur ein regionaler Arbeitsmarkt in Betracht. Ihm stehen dann nur noch die seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeitsplätze in seinem (aktuellen) Wohnort und in dessen durch Tagespendeln in zumutbarer Weise erreichbarem Umkreis zur Verfügung (10 ObS 143/03g mwN). In diesem Sinn ist die Frage zu stellen, ob es in der betreffenden Region für zumutbare Verweisungstätigkeiten eine solche Zahl von - offenen oder besetzten - Stellen gibt, die die Annahme rechtfertigen, dass ein Arbeitsfähiger und Arbeitswilliger einen solchen Arbeitsplatz abstrakt auch erlangen kann (10 ObS 262/03g mwN = SSV-NF 18/5; 10 ObS 143/03g mwN; RIS-Justiz RS0084415).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung erkannte der Senat in der Entscheidung 10 ObS 143/03g, dass die Annahme eines regionalen Arbeitsmarkts nicht berechtigt sei, wenn maximal 20 für den Versicherten (einen Hilfsarbeiter) erreichbare, seiner Leistungsfähigkeit adäquate Arbeitsplätze bestehen. Der Entscheidung lag die Feststellung der Vorinstanzen zugrunde, dass der Kläger in dem von ihm durch Tagespendeln erreichbaren Gebiet noch vier Verweisungstätigkeiten ausüben konnte, für die es insgesamt maximal 20 Arbeitsplätze gab.

Hingegen genügen für die Annahme eines regionalen Arbeitsmarkts 40 Arbeitsplätze in einer einzigen Verweisungstätigkeit, die dem ungelernten Versicherten zur Verfügung stehen; eine für die Verweisbarkeit ausreichende Nachfrage nach Arbeitskräften ist in diesem Fall gewährleistet (10 ObS 262/03g = SSV-NF 18/5).

In der Entscheidung 10 ObS 85/88 (= SSV-NF 2/46) wurde die Verweisung eines (in seiner Mobilität nicht eingeschränkten) gelernten Spenglers auf die Tätigkeiten eines Kühlerspenglers und eines Galanteriespenglers bejaht, auch wenn für Kühlerspengler nur 90 bis 100 und für Galanteriespengler noch wesentlich weniger Arbeitsplätze in Österreich vorhanden sind.

Aus der zuletzt genannten Entscheidung ist abzuleiten, dass die vom Kläger befürwortete strikte isolierte Betrachtung - maßgeblich sei nur die Anzahl der Arbeitsplätze in der jeweiligen Verweisungstätigkeit - unzutreffend ist. Für die berechtigte Annahme eines Arbeitsmarkts kommt es im Allgemeinen auf die Anzahl der dem eingeschränkt leistungsfähigen Versicherten in seinem Verweisungsfeld insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze an. Aus dem Verweisungsfeld sind jedoch Tätigkeiten auszuscheiden, die der Versicherte zwar noch ausüben könnte, in denen die Anzahl der Arbeitsplätze aber so gering ist, dass sie praktisch die Arbeitsmöglichkeiten für den Versicherten nicht vermehren (vgl 10 ObS 85/88 = SSV-NF 2/46).Aus der zuletzt genannten Entscheidung ist abzuleiten, dass die vom Kläger befürwortete strikte isolierte Betrachtung - maßgeblich sei nur die Anzahl der Arbeitsplätze in der jeweiligen Verweisungstätigkeit - unzutreffend ist. Für die berechtigte Annahme eines Arbeitsmarkts kommt es im Allgemeinen auf die Anzahl der dem eingeschränkt leistungsfähigen Versicherten in seinem Verweisungsfeld insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze an. Aus dem Verweisungsfeld sind jedoch Tätigkeiten auszuscheiden, die der Versicherte zwar noch ausüben könnte, in denen die Anzahl der Arbeitsplätze aber so gering ist, dass sie praktisch die Arbeitsmöglichkeiten für den Versicherten nicht vermehren vergleiche 10 ObS 85/88 = SSV-NF 2/46).

Im Vergleich zu dem in 10 ObS 143/03g entschiedenen Fall stehen dem Kläger in zwei Verweisungstätigkeiten je zumindest 15 Arbeitsplätze im Tagespendelbereich zur Verfügung. Nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs reicht diese Gesamtanzahl erreichbarer, adäquater Arbeitsplätze aus, um die Annahme eines für den Kläger bestehenden „Arbeitsmarkts" zu rechtfertigen. Die Anzahl der Arbeitsplätze in jedem der Verweisungstätigkeiten ist so hoch, dass sie Arbeitsmöglichkeiten für den Kläger faktisch vermehrt. Dass die Verweisungstätigkeiten nicht verwandt und in verschiedenen Branchen auszuüben sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil der Kläger keinen Berufsschutz genießt. In diesem Sinn war die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zu bestätigen.

Damit ist in Stattgebung der Revision wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 77, Absatz eins, Z 2 Litera b, ASGG.

Textnummer

E88756

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:010OBS00051.08K.0909.000

Im RIS seit

09.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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