TE OGH 2008/9/9 10ObS102/08k

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Veröffentlicht am 09.09.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Gansch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ibrahim J*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. Markus Hager, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Mai 2008, GZ 12 Rs 51/08v-31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 18. 12. 1949 geborene und zum maßgeblichen Stichtag (1. 1. 2007) 57-jährige Kläger war in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag als Hilfsarbeiter im Metallbau im Akkord tätig. Seit März 2002 bezieht er einen Pensionsvorschuss. Er ist in der Lage, leichte und fallweise mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen zu verrichten. Nicht mehr möglich sind Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in Kälte-, Nässe- oder Zugluftexposition sowie Akkord-, Nacht- oder Schichtarbeit.

Das Erstgericht sprach dem Kläger die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 2007 zu. Der nach § 255 Abs 4 ASVG verweisbare Kläger könne zwar Verweisungstätigkeiten ausüben, jedoch nicht mehr im Akkord, was zu einem Einkommensverlust von 30 % führen würde. Diese gravierende Einbuße sei unzumutbar im Sinne des § 255 Abs 4 ASVG.

Infolge Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht das Ersturteil im klagsabweisenden Sinn ab. Da der Kläger die maßgebliche „eine" Tätigkeit weiterhin verrichten könne, sei er auch in der Lage, einen durchschnittlichen Verdienst in seiner Berufsgruppe zu erzielen, weil nicht feststehe, dass diese Tätigkeit am Arbeitsmarkt ausschließlich unter Akkordbedingungen angeboten werde - im Gegenteil gebe es zahlreiche Arbeitsplätze dieser Art auch ohne Akkordarbeit. Bei der Prüfung, inwieweit Lohneinbußen noch zumutbar seien, sei von der Entlohnung der bisherigen Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt (in Form des Durchschnittsverdienstes gleichartig Beschäftigter) und nicht von den bisherigen individuellen Lohnbedingungen auszugehen. Die durch den Wegfall der Akkordarbeit entstehende Lohneinbuße habe außer Betracht zu bleiben, weil es sich dabei um ein spezielles, den konkreten letzten Arbeitsplatz des Klägers kennzeichnendes Phänomen handle.

Die Revision sei unzulässig, weil sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen der höchstgerichtlichen Judikatur halte.

In der Zulassungsbeschwerde wird als erhebliche Rechtsfrage in den Vordergrund gestellt, ob die kollektivvertragliche Lohneinstufung bezüglich der gleichen Arbeit (hier: normale Arbeit anstatt der mit einem um 30 % höheren Richtsatz entlohnten Akkordarbeit) dem Erfordernis der abstrakten Prüfung der Zumutbarkeit standhalte.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

Nach § 255 Abs 4 ASVG gilt als invalid „auch der (die) Versicherte, der (die) das 57. Lebensjahr vollendet hat, wenn er (sie) infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner (ihrer) körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande ist, einer Tätigkeit, die er (sie) in den letzten 180 Kalendermonaten vor dem Stichtag mindestens 120 Kalendermonate hindurch ausgeübt hat, nachzugehen. Dabei sind zumutbare Änderungen dieser Tätigkeit zu berücksichtigen." Die Bestimmung gewährt einen Tätigkeitsschutz (oder „besonderen Berufsschutz"), nicht aber einen Arbeitsplatzschutz (10 ObS 56/03p = SZ 2003/53 = SSV-NF 17/56 = RIS-Justiz RS0087658 [T3]). Ebenso wie die Vorgängerbestimmung (§ 253d ASVG) stellt § 255 Abs 4 ASVG nicht auf die konkret vom Versicherten am jeweiligen Arbeitsplatz ausgeübten (Teil-)Tätigkeiten ab, sondern auf die „abstrakte Tätigkeit" mit dem am allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt (10 ObS 52/05b = RIS-Justiz RS0100022 [T17] = RS0087659 [T7]).

Bei der Beurteilung, ob „eine" Tätigkeit gemäß § 255 Abs 4 Satz 1 ASVG vorliegt, spielen die Entgeltbedingungen keine Rolle (vgl 10 ObS 134/04k = ARD 5578/11/2005); entscheidend ist die „Tätigkeit" mit dem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt (RIS-Justiz RS0087658 [T2]). Der Oberste Gerichtshof hat aber eingeräumt, dass eine gravierende Lohneinbuße ein Kriterium für die Unzumutbarkeit einer Verweisung nach § 255 Abs 4 Satz 2 ASVG darstellen kann (10 ObS 90/06t = SSV-NF 20/40; 10 ObS 105/06y = SSV-NF 20/51), wobei auch die Prüfung der Zumutbarkeit einer solchen Lohneinbuße grundsätzlich abstrakt zu erfolgen hat. Es ist daher nicht vom individuellen früheren Verdienst des Versicherten bei seinem konkreten Dienstgeber, sondern vom Durchschnittsverdienst gleichartig Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt auszugehen (RIS-Justiz RS0100022 [T20]).Bei der Beurteilung, ob „eine" Tätigkeit gemäß § 255 Abs 4 Satz 1 ASVG vorliegt, spielen die Entgeltbedingungen keine Rolle vergleiche 10 ObS 134/04k = ARD 5578/11/2005); entscheidend ist die „Tätigkeit" mit dem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt typischerweise gefragten Inhalt (RIS-Justiz RS0087658 [T2]). Der Oberste Gerichtshof hat aber eingeräumt, dass eine gravierende Lohneinbuße ein Kriterium für die Unzumutbarkeit einer Verweisung nach § 255 Abs 4 Satz 2 ASVG darstellen kann (10 ObS 90/06t = SSV-NF 20/40; 10 ObS 105/06y = SSV-NF 20/51), wobei auch die Prüfung der Zumutbarkeit einer solchen Lohneinbuße grundsätzlich abstrakt zu erfolgen hat. Es ist daher nicht vom individuellen früheren Verdienst des Versicherten bei seinem konkreten Dienstgeber, sondern vom Durchschnittsverdienst gleichartig Beschäftigter auf dem Arbeitsmarkt auszugehen (RIS-Justiz RS0100022 [T20]).

Die Argumentation des Klägers geht dahin, dass die von ihm erzielte Akkordentlohnung nicht ein Phänomen des individuellen Arbeitsplatzes, sondern eine Folge des kollektivvertraglichen Entlohnungsschemas ist, das bei Akkordarbeit generell eine um 30 % höhere Entlohnung als bei Nicht-Akkordarbeit vorsieht. Allerdings ist unbestritten, dass der Kläger - einmal abgesehen von den Akkordbedingungen - die bisherige Tätigkeit weiterhin ausüben könnte. Die gebotene abstrakte (und auf den Durchschnittsverdienst abgestellte) Beurteilung führt aber nun dazu, dass nicht zwischen akkord-entlohnten und nicht-akkordentlohnten Arbeitnehmern, die an sich dieselbe Tätigkeit ausüben, differenziert werden darf.

In diesem Sinn hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts innerhalb des Rahmens der höchstgerichtlichen Judikatur. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 255 Abs 4 ASVG ist die außerordentliche Revision des Klägers gemäß § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.In diesem Sinn hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts innerhalb des Rahmens der höchstgerichtlichen Judikatur. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 255 Abs 4 ASVG ist die außerordentliche Revision des Klägers gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E88956

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:010OBS00102.08K.0909.000

Im RIS seit

09.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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