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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des F S in B, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 21. September 2005, Zl. 78/8-DOK/05, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Gruppeninspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Polizeiinspektion X.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 12. Mai 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe
1. am 26. und 27. sowie 28. Oktober 2004 die ihm dienstlich zugewiesenen Gegenstände, Pistole Glock 17, Magazin und Munition, sowie Pfefferspray, nicht wie vom Postenkommandanten, Abteilungsinspektor G.L. angeordnet, auf einem Gendarmerieposten (entweder B oder P), sondern angeblich bei sich zu Haus in einem Waffenschrank verwahrt;
2. am 28. Oktober 2004 seinen privaten Personenkraftwagen der Marke Fiat Tipo, Kennzeichen XX, dazu benützt, um an diesem Tag zum Unterricht im Rahmen der beruflichen Fortbildungswoche im Bildungszentrum T zu fahren und nach Beendigung des Unterrichtstages von dort mit seinem privaten Personenkraftwagen wieder wegzufahren, obwohl er laut Befehl des Bezirksgendarmeriekommandos und laut Dienstvorschreibung Nr. 486 des Gendarmeriepostens X bei Wien als Mitfahrer im Streifenwagen des Gendarmeriepostens P vorgesehen bzw. eingeteilt gewesen sei;
3. am 28. Oktober 2004 um 23.30 Uhr seinen Personenkraftwagen der Marke Fiat Tipo, Kennzeichen XX, außer Dienst und in Zivil, im Ortsgebiet von B nächst dem Gewerbelagerweg 25 - mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,33 mg/l - gelenkt, und
4. am 9. November 2004 um 23.27 Uhr während seines Krankenstandes denselben Personenkraftwagen im Ortsgebiet von B bis vor das Haus Gewerbelagerweg 20 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, nämlich mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,72 mg/l, gelenkt.
Er habe dadurch über die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit hinaus seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 hinsichtlich der Verpflichtung zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung sowie nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 hinsichtlich der Befolgung von Weisungen in Verbindung mit Punkt 61 der Dienstvorschrift für die Pistole Glock 17 und 19, sowie § 11 Abs. 1 der Richtlinien für das Fahrzeugwesen der österreichischen Bundesgendarmerie im Sinne des § 91 BDG schuldhaft verletzt.
Über den Beschwerdeführer wurde wegen dieser Dienstpflichtverletzungen die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.200,-- verhängt.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer "dem Grunde und der Höhe nach, ...wobei sich diese Anfechtung nicht auf die festgestellten objektiv verwirklichten Tatbestandsmerkmale bezieht" Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 2005 wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 105, 126 Abs. 2 und 92 Abs. 1 der Z. 3 BDG 1979 keine Folge gegeben und das angefochtene Disziplinarerkenntnis dem Grunde und der Höhe nach bestätigt. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung nach Darlegung des erstinstanzlichen Verfahrens und der von ihr in Anwendung gebrachten Rechtsvorschriften im Wesentlichen damit, unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses mit Strafverfügung der BH Mödling vom 16. November 2004 gemäß §§ 14 Abs. 8 und 37a Führerscheingesetz (FSG) zu einer Geldstrafe in der Höhe von 218 EUR (Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verwaltungsstrafbehördlich verurteilt worden sei. Ferner stehe fest, dass über den Beschwerdeführer im Hinblick auf Spruchpunkt 4. mit Straferkenntnis der BH Mödling vom 9. Dezember 2004 wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs. 1, 99 Abs. 1a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 872,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) verhängt worden sei. Überdies sei dem Beschwerdeführer mit Bescheid der BH Mödling vom 29. November 2004 im Hinblick auf sein in den Spruchpunkten 3 und 4 dargestelltes Verhalten im Straßenverkehr die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse A und B bis einschließlich 9. März 2005 entzogen und das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen bis zum selben Datum gemäß § 57 Abs. 1 AVG in Verbindung mit §§ 24 Abs. 1 Z. 1, Abs. 3, 25 Abs. 1, 26 Abs. 1 Z. 3 und 32 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz - FSG, untersagt worden.
Verstoße ein Gendarmeriebeamter, dem kraft Gesetzes und interner Weisung ein besonders vorschriftengetreues Verhalten vorgeschrieben werde und zu dessen allgemeinen dienstlichen Obliegenheiten die Überwachung der Einhaltung straßenverkehrsrechtlicher Normen und die Verhinderung verwaltungsrechtlich strafbarer Handlungen zähle, selbst gegen grundlegende Bestimmungen dieser Rechtsgebiete, indem er in einem nach vorangegangenem Alkoholkonsum erheblich beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug in Betrieb nehme und lenke, so sei dieses Verhalten zweifellos geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten zu schädigen. Einem Exekutivbeamten werde auf Grund seiner Stellung, in der er der Kritik der Bevölkerung ständig ausgesetzt sei, ein besonders normenkonformes Verhalten vorgeschrieben. Dem Ansehen der Gendarmerie sei es besonders abträglich, wenn ein Gendarm im einschlägigen Bereich des Straßenverkehrs selbst straffällig werde und Vorschriften verletze, die er im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben beinahe täglich zu exekutieren habe. Gegen diese ihm auferlegten Dienstpflichten habe der Beschwerdeführer - wenn auch außerdienstlich - in gravierender Weise verstoßen. Die Bedeutung der Verfehlungen des Beschwerdeführers seien aber im vorliegenden Verfahren nicht aus verwaltungsstrafrechtlicher, sondern aus disziplinärer Sicht zu beurteilen. Der für die disziplinäre Verfolgung wesentliche Gesichtspunkt, nämlich das Funktionieren der Verwaltung zu gewährleisten, werde bei der Verhängung einer verwaltungsbehördlichen Strafe in keiner Weise berücksichtigt, weil das Verhalten des Beschwerdeführers im Verfahren vor den Verwaltungsstrafbehörden nur an jenen Maßstäben zu messen sei, die für alle Normunterworfenen zu gelten hätten. Daraus folge aber, dass die verwaltungsbehördliche Bestrafung in jenen Fällen, in denen das strafbare Verhalten zugleich eine Verletzung des in § 43 Abs. 2 BDG 1979 festgelegten Tatbestandsmerkmales des "Vertrauens der Allgemeinheit" beinhalte, den mit der Disziplinarstrafe verfolgten Zweck, den Beamten nämlich an die ihn auf Grund seines Beamtenstatus obliegenden besonderen Pflichten zu mahnen, nicht miterfüllen und daher objektiv auch nicht die mit der Disziplinarstrafe beabsichtigte Wirkung auf den betreffenden Beamten entfalten könne. Es könne daher keinem Zweifel unterliegen, dass hinsichtlich der Spruchpunkte 3 und 4 im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer Exekutivbeamter sei, der eben auch mit Aufgaben der Verkehrsüberwachung betraut sei, vom Vorliegen eines disziplinären Überhanges im Sinne des § 95 Abs. 1 in Verbindung mit § 43 Abs. 2 BDG 1979 auszugehen sei, handle es sich bei den von ihm verletzten Verwaltungsvorschriften doch gerade um jene Normen, deren Einhaltung er kraft seines Dienstes als Beamter sicherzustellen gehabt hätte.
Auch der für die Subsumierbarkeit des inkriminierten Verhaltens unter § 43 Abs. 2 BDG 1979 geforderte besondere Funktionsbezug liege vor, weil die rechtskräftig geahndeten Verhaltensweisen des Beschwerdeführers mit dessen Aufgabenbereich in einem konkreten Zusammenhang stünden. Diese beträfen den Kernbereich seines engsten Pflichtenkreises und seien Gegenstände von rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafungen, was das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beschwerdeführer ernstlich in Zweifel zu ziehen geeignet sei und sein Ansehen sowie das Ansehen seines Exekutivkörpers in der Öffentlichkeit schädige. Zur Verwirklichung einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 reiche es aus, wenn das Verhalten des Beschuldigten geeignet sei, dieses Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch ihn zu schädigen. Dabei sei ohne Belang, ob eine Schädigung des Vertrauens der Allgemeinheit tatsächlich eingetreten sei.
Plausible Anhaltspunkte für ein gänzliches Fehlen oder eine Einschränkung der Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers zu den Tatzeiten seien nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer habe in der mündlichen Verhandlung vor der Erstinstanz auch keinen Antrag auf Freispruch, sondern einen solchen auf Verhängung einer Geldbuße gestellt. Erstmals in der Berufung habe der Beschwerdeführer sich zum Nachweis mangelnder bzw. eingeschränkter Schuldfähigkeit zu den inkriminierten Tatzeitpunkten auf nicht näher konkretisierte familiäre Schwierigkeiten und das Vorliegen gesundheitlicher Probleme in Form von Schlafstörungen und orthopädischen Beschwerden berufen, die eine fallweise Medikamenteneinnahme erforderlich machten. Dieses Vorbringen habe aber bei der belangten Behörde keine Zweifel an der vollen subjektiven Zurechenbarkeit der verfahrensgegenständlichen Dienstpflichtverletzungen begründen können. Zudem hätte die Dienstbehörde, wären bei ihr irgendwelche diesbezüglich begründeten Verdachtsmomente oder Zweifel an der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers gekommen, hinterfragen müssen, ob dieser zum Lenken eines Dienst-Kfz sowie als Waffenträger weiterhin geeignet sei, Exekutivdienst auszuüben. Ein Umkehrschluss aus den Verfahrensgrundsätzen der Offizialmaxime und der materiellen Wahrheit sei insoweit unzulässig, dass die Behörde im Fall der (bloßen) Behauptung irgendwelcher gesundheitlicher Beeinträchtigungen und/oder familiärer Schwierigkeiten eines Beschuldigten ohne Vorliegen objektiver Anhaltspunkte das Vorliegen seiner vollen Zurechnungsfähigkeit jedenfalls und immer von Amts wegen durch Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen aus den Fachgebieten der Neurologie und Psychiatrie zu klären habe. Dem diesbezüglichen Berufungsantrag sei somit nicht Folge zu geben gewesen. Die geltend gemachten gesundheitlichen Einschränkungen (Schlafprobleme und Bandscheibenvorfall) seien von der Erstinstanz und auch vom erkennenden Senat im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt worden, indem von dem vom Disziplinaranwalt beantragten Strafausmaß zu Gunsten des Beschuldigten nach unten abgewichen worden sei.
Als Schuldform nahm die belangte Behörde grobe Fahrlässigkeit an. Abgesehen von der Schwere der Dienstpflichtverletzung sei zu berücksichtigen gewesen, inwiefern die beabsichtigte Strafhöhe spezial- und generalpräventiven Erfordernissen entspreche und im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten angemessen sei. Die Schwere der begangenen Dienstpflichtverletzungen sei eine ausreichende Grundlage für die Verhängung einer zusätzlichen, über die rechtskräftige Verhängung der Verwaltungsstrafe hinausgehenden Disziplinarstrafe, diese sei auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen erforderlich (die belangte Behörde beschäftigte sich sodann mit der Auslegung des § 95 Abs. 3 BDG 1979, welche Überlegungen im Beschwerdeverfahren aber nicht mehr von Relevanz sind).
Im Rahmen der Strafbemessung sei das im Spruchpunkt 4 umschriebene Verhalten des Beschwerdeführers als schwerste Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 93 Abs. 2 BDG 1979 zu werten gewesen und alle weiteren Dienstpflichtverletzungen als erschwerend. Strafverschärfend sei die Wiederholung der unterschiedlichen Dienstpflichtverletzungen sowie das beträchtliche Ausmaß der Alkoholisierung hinsichtlich des vom Spruchpunkt 4 umfassten außerdienstlichen Verhaltens, das zudem während eines Krankenstandes begangen worden sei. Als strafmildernd wertete die belangte Behörde das Geständnis, vier Belobigungen und drei Belohnungen des Beschwerdeführers sowie den Umstand, dass er im Tatzeitraum an - die Frage seiner Zurechnungsfähigkeit nicht berührenden - gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Schlafprobleme, Bandscheibenvorfall) gelitten habe. Bei Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe erweise sich die verhängte Disziplinarstrafe der Geldstrafe als tat- und schuldangemessen und stelle keine Überschreitung des der Behörde eingeräumten Ermessens dar. Zudem sei die Höhe der verhängten Geldstrafe auch im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen und entspräche den spezial- und generalpräventiven Zielsetzungen.
Von der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung nahm die belangte Behörde gemäß § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG Abstand.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, sowie die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden, wobei sie sich ihrem Inhalt nach nur gegen die Strafbemessung richtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt - soweit dies für die Begründung dieses Erkenntnisses relevant ist - sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit unter Heranziehung verschiedener Argumente, er habe in seiner Berufung das Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit zu den Tatzeiten ins Treffen geführt und vorgebracht, er leide an einer schweren depressiven Verstimmung, aus der sich eine für die Strafbemessung relevante Verminderung der Schuldfähigkeit hätte ergeben können. Dies hätte sich herausgestellt, wenn die belangte Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt hätte, wie dies in der Berufung zum Ausdruck gebracht worden sei.
Zu Unrecht sei die belangte Behörde ferner unter Hinweis auf § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 davon ausgegangen, von der Durchführung einer Berufungsverhandlung Abstand nehmen zu können. Gerade die dort genannte Voraussetzung, nämlich die Klärung des zu beurteilenden Sachverhaltes, sei nicht gegeben gewesen. Auch ein Unterbleiben der Berufungsverhandlung nach § 125a Abs. 3 Z. 4 BDG 1979 wäre nicht in Betracht gekommen, weil zwar lediglich die Strafbemessung bekämpft worden sei, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nur Abstand hätte genommen werden können, wenn bei bloßer Bekämpfung der Strafbemessung auf Basis unbestrittener oder jedenfalls nicht weiter bekämpfbarer Tatsachenfeststellungen nach den dafür relevanten Faktoren (Schwere der Tat, Erschwerungs- und Milderungsgründe) das Strafausmaß ermittelt werden könne. Im Beschwerdefall seien aber gerade die für die Strafbemessung relevanten Tatsachenelemente strittig bzw. ungeklärt geblieben, zumal die belangte Behörde auch weitere wesentliche Milderungsgründe nicht berücksichtigt habe, nämlich insbesondere das Geständnis und die Unbescholtenheit in Verbindung mit der langen Dienstzeit und den Umstand, dass absolut keine negativen Folgewirkungen von den inkriminierten Verhaltensweisen ausgegangen seien.
Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 ist, wenn der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurde und sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft, von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung ist die Disziplinarbehörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
Nach Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung ist, wenn von der Verfolgung nicht abgesehen wird und sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Gemäß § 92 Abs. 1 BDG 1979 sind Disziplinarstrafen
1.
der Verweis,
2.
die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage,
4. die Entlassung.
Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung ist in den Fällen des Abs. 1 Z. 2 und 3 von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Beamten auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses beziehungsweise im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.
Nach § 125a Abs. 2 BDG 1979 kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zu Grunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
1.
die Berufung zurückzuweisen ist,
2.
die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
3.
ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet, oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.
Die Verwirklichung der objektiven Tatseite der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen wird in der Beschwerde nicht bestritten; die Beschwerdeausführungen weisen vielmehr sogar darauf hin, dass bereits in der Berufung " die Schuldsprüche nicht angefochten" worden seien. Damit erwuchsen sämtliche Schuldsprüche in Rechtskraft, weshalb es auch vor diesem Hintergrund keinen Begründungsmangel darstellt, dass die belangte Behörde lediglich im Rahmen ihrer Strafbemessungserwägungen auch auf die unter Punkten 1 und 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses enthaltenen Dienstpflichtverletzungen Bezug nahm.
Dem Beschwerdeführer hat aber bereits in seiner Berufung ausdrücklich vorgebracht, es seien die Strafbemessung berührende Umstände der Schuldfrage unberücksichtigt geblieben, da seine Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt infolge seiner depressiven Erkrankung vermindert gewesen sei. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen zwar - soweit es die rein physiologischen Befindlichkeiten des Beschwerdeführers betraf - inhaltlich auseinander gesetzt, doch hätte sie die Frage einer Beeinträchtigung der Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers zu den relevanten Tatzeiten durch krankhafte Zustände nicht ohne Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beurteilen dürfen, weil es sich dabei um eine medizinische Frage handelt, die nicht ohne Sachkenntnis und bloß auf Grund eigener Wahrnehmung umfassend beantwortet werden konnte. Jedenfalls unrichtig ist die Meinung der belangten Behörde, eine bloße Behauptung gesundheitlicher Beeinträchtigung verpflichte sie dann nicht zu amtswegigem Vorgehen, wenn sie selbst diese Behauptungen nicht objektivieren könne. Vielmehr hätte sie zur Frage der eingeschränkten Schuldfähigkeit und/oder des Vorliegens schuldmildernder Umstände ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen müssen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0153 und vom 22. Mai 1997, Zl. 94/09/0063).
Damit lag aber auch die Voraussetzung eines "nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärten Sachverhaltes" im Sinne des § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 jedenfalls nicht mehr vor, sodass die belangte Behörde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 125a Abs. 3 BDG 1979 nicht hätte absehen dürfen. Sie ist damit rechtsirrig von der Anwendbarkeit dieser Bestimmung ausgegangen.
Bereits aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerde im derzeitigen Verfahrensstadium schon einzugehen war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, unter anderem auch mit der Auslegung des § 95 Abs. 3 BDG 1979, mit der Beziehung dieser Vorschrift zu der die Strafbemessung regelnden Bestimmung des § 93 Abs. 1 leg. cit. sowie deren Auslegung auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass sich für die Verhängung einer Disziplinarstrafe in den Fällen des § 95 Abs. 3 leg. cit. aus der dort normierten Voraussetzung der spezialpräventiven Erforderlichkeit einer zusätzlichen Bestrafung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach eine absolute Grenze ergibt. Diese Grundsätze wird die belangte Behörde auch im fortzusetzenden Verfahren zu beachten haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. November 2007
Schlagworte
Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005090155.X00Im RIS seit
07.01.2008Zuletzt aktualisiert am
30.09.2008