Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Metz als Schriftführer in der Medienrechtssache des Antragstellers Heinz Christian S***** gegen die Antragsgegnerin „Ö*****"-***** GmbH wegen § 115 StGB, § 6 MedienG, AZ 091 Hv 132/06g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO und über den Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 362 StPO den BeschlussDer Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Metz als Schriftführer in der Medienrechtssache des Antragstellers Heinz Christian S***** gegen die Antragsgegnerin „Ö*****"-***** GmbH wegen Paragraph 115, StGB, Paragraph 6, MedienG, AZ 091 Hv 132/06g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß Paragraph 363 a, StPO und über den Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß Paragraph 362, StPO den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Dezember 2006, GZ 091 Hv 132/06g-6, und des Oberlandesgerichts Wien vom 2. Juli 2007, AZ 18 Bs 56/07b (ON 13 des Hv-Aktes), werden im außerordentlichen Weg aufgehoben und die Wiederaufnahme des erstinstanzlichen Verfahrens verfügt.
Mit ihrem Erneuerungsantrag wird die Antragsgegnerin auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache des Antragstellers Heinz Christian S***** gegen die Antragsgegnerin „Ö*****"-***** GmbH, AZ 091 Hv 132/06g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wurde die Antragsgegnerin mit Urteil vom 19. Dezember 2006 (ON 6) gemäß § 6 MedienG zur Zahlung einer Entschädigung von 2.000 Euro verpflichtet, weil durch die in der periodischen Druckschrift „Ö*****" vom 5. September 2006 auf S 6 der Beilage „O*****" veröffentlichte Bildgeschichte, in welcher der Antragsteller Heinz Christian S***** als „Arsch mit Ohren" dargestellt werde, in einem Medium der objektive Tatbestand der Beschimpfung (§ 115 Abs 1 StGB) verwirklicht worden sei.In der Medienrechtssache des Antragstellers Heinz Christian S***** gegen die Antragsgegnerin „Ö*****"-***** GmbH, AZ 091 Hv 132/06g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wurde die Antragsgegnerin mit Urteil vom 19. Dezember 2006 (ON 6) gemäß Paragraph 6, MedienG zur Zahlung einer Entschädigung von 2.000 Euro verpflichtet, weil durch die in der periodischen Druckschrift „Ö*****" vom 5. September 2006 auf S 6 der Beilage „O*****" veröffentlichte Bildgeschichte, in welcher der Antragsteller Heinz Christian S***** als „Arsch mit Ohren" dargestellt werde, in einem Medium der objektive Tatbestand der Beschimpfung (Paragraph 115, Absatz eins, StGB) verwirklicht worden sei.
Die Einzelrichterin stellte dazu folgenden Sachverhalt fest:
Die Karikatur in Größe von ungefähr einer viertel Seite besteht aus vier aneinander gereihten Bildern, die jeweils eine männliche und eine weibliche Person zeigen, „während sie ein Bild in einem Museum betrachten, auf welchem - unzweideutig erkennbar - ein 'Arsch mit Ohren' abgebildet ist". Den Protagonisten der „Bildgeschichte" wird dabei folgender Dialog in den Mund gelegt: „Grandios." „Also ich finde Hazeh S***** sehr gut getroffen." „Was? Jetzt hören Sie aber auf! Das ist doch nicht H.C. S*****, das ist doch ein Arsch mit Ohren!" „Jetzt wo Sie's sagen ..."
Die vorliegende Karikatur wendet sich an die Leser der Regionalausgabe für Oberösterreich der Tageszeitung „Ö*****", die am 1. September 2006 erstmals erschienen und an öffentlichen Plätzen gratis an jedermann verteilt worden ist. Diese Zeitung ist am 5. September 2006 von Personen aller Bildungs- und Berufsschichten, sowohl von politischen informierten als auch von in dieser Hinsicht uninteressierten gelesen worden. Der Medienkonsument versteht die gegenständliche Bildgeschichte dahin, dass der Antragsteller Heinz Christian S***** darin als „Arsch mit Ohren" dargestellt wird (US 4 f).
Den Einwand der Antragsgegnerin, wonach sich diese Karikatur auf die Ausländerpolitik des Antragstellers und seiner Partei, der F*****, im Österreichischen Nationalratswahlkampf beziehe und als Kritik an derselben zu verstehen sei, verwarf die Einzelrichterin mit der Begründung, mangels eines konkreten Hinweises auf dieses Thema in der Zeichnung oder im Gesamtzusammenhang der Veröffentlichung sei eine derartige Interpretation selbst vor dem Hintergrund des polarisierenden und inhaltlich auf dieses Thema konzentrierten Wahlkampfes der F***** im September 2006 nicht nachvollziehbar. Dem durchschnittlichen Leser könne nicht zugesonnen werden, in der Verwendung des Vornamens „Hazeh" anstelle der üblicherweise vom Antragsteller verwendeten Abkürzung „H.C." eine Anspielung auf einen „ausländischen" Namen zu erkennen. Auch aus der Tatsache des Abdrucks dieser Karikatur auf der Seite „OÖ-Politik", auf der im Übrigen regional- und innenpolitische Themen behandelt werden, könne keine Verbindung zu konkreten politischen Forderungen des Antragstellers bzw der F***** in Bezug auf Ausländer erkannt werden. Es handle sich sohin um eine grobe persönliche Diffamierung des Antragstellers. Der dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 2. Juli 2007, AZ 18 Bs 56/07b (ON 13 des Hv-Aktes), nicht Folge. Gestützt auf die nach seiner Ansicht durch die Schuldberufung nicht erschütterten erstgerichtlichen Feststellungen beurteilte das Berufungsgericht den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen dahin, dass die inkriminierte Karikatur einen persönlichkeitsverletzenden Aussagekern aufweise, der weder im Licht des Art 10 MRK noch im Rahmen der Kunstfreiheit im Sinn des Art 17a StGG zulässig sei, weil sie mangels jeglicher Präzisierung der Zielrichtung allfällig mittransportierter Kritik an der Person des Antragstellers nicht geeignet sei, einen Beitrag zu einer Frage von öffentlichem Interesse zu leisten. Vielmehr handle es sich um einen persönlichkeitsverletzenden medialen Angriff ohne erkennbaren konkreten Anlass.Den Einwand der Antragsgegnerin, wonach sich diese Karikatur auf die Ausländerpolitik des Antragstellers und seiner Partei, der F*****, im Österreichischen Nationalratswahlkampf beziehe und als Kritik an derselben zu verstehen sei, verwarf die Einzelrichterin mit der Begründung, mangels eines konkreten Hinweises auf dieses Thema in der Zeichnung oder im Gesamtzusammenhang der Veröffentlichung sei eine derartige Interpretation selbst vor dem Hintergrund des polarisierenden und inhaltlich auf dieses Thema konzentrierten Wahlkampfes der F***** im September 2006 nicht nachvollziehbar. Dem durchschnittlichen Leser könne nicht zugesonnen werden, in der Verwendung des Vornamens „Hazeh" anstelle der üblicherweise vom Antragsteller verwendeten Abkürzung „H.C." eine Anspielung auf einen „ausländischen" Namen zu erkennen. Auch aus der Tatsache des Abdrucks dieser Karikatur auf der Seite „OÖ-Politik", auf der im Übrigen regional- und innenpolitische Themen behandelt werden, könne keine Verbindung zu konkreten politischen Forderungen des Antragstellers bzw der F***** in Bezug auf Ausländer erkannt werden. Es handle sich sohin um eine grobe persönliche Diffamierung des Antragstellers. Der dagegen von der Antragsgegnerin erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 2. Juli 2007, AZ 18 Bs 56/07b (ON 13 des Hv-Aktes), nicht Folge. Gestützt auf die nach seiner Ansicht durch die Schuldberufung nicht erschütterten erstgerichtlichen Feststellungen beurteilte das Berufungsgericht den Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen dahin, dass die inkriminierte Karikatur einen persönlichkeitsverletzenden Aussagekern aufweise, der weder im Licht des Artikel 10, MRK noch im Rahmen der Kunstfreiheit im Sinn des Artikel 17 a, StGG zulässig sei, weil sie mangels jeglicher Präzisierung der Zielrichtung allfällig mittransportierter Kritik an der Person des Antragstellers nicht geeignet sei, einen Beitrag zu einer Frage von öffentlichem Interesse zu leisten. Vielmehr handle es sich um einen persönlichkeitsverletzenden medialen Angriff ohne erkennbaren konkreten Anlass.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wenden sich ein Antrag der Antragsgegnerin auf Erneuerung des Strafverfahrens und ein Antrag der Generalprokuratur auf außerordentliche Wiederaufnahme des Verfahrens.
Bei der Prüfung der Akten ergaben sich für den Obersten Gerichtshof im Sinn des zuletzt genannten Antrags erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Sachverhaltsannahmen (§ 362 Abs 1 Z 2 StPO).Bei der Prüfung der Akten ergaben sich für den Obersten Gerichtshof im Sinn des zuletzt genannten Antrags erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Sachverhaltsannahmen (Paragraph 362, Absatz eins, Ziffer 2, StPO).
Auszugehen ist davon, dass bei der Tatfrage nach dem Bedeutungsinhalt einer Äußerung auch Situation und Vorverständnis maßgebend sind (vgl RIS-Justiz RS0092588 [T20, T27]).Auszugehen ist davon, dass bei der Tatfrage nach dem Bedeutungsinhalt einer Äußerung auch Situation und Vorverständnis maßgebend sind vergleiche RIS-Justiz RS0092588 [T20, T27]).
Im vorliegenden Fall haben die Gerichte den Bedeutungsinhalt der Karikatur schlicht mit dem vom Karikaturisten in Bezug auf den Antragsteller Heinz Christian S***** verwendeten Ausdruck „Arsch mit Ohren" festgestellt und einen erkennbaren Bezug zur politischen Tätigkeit des Antragstellers und der von ihm repräsentierten politischen Partei verneint. Der Platzierung der Karikatur auf der mit „OÖ-Politik" überschriebenen Seite einer Tageszeitung maßen sie keine Bedeutung bei.
Die solcherart vorgenommene Verneinung eines Zusammenhangs der Karikatur mit der politischen Tätigkeit des Antragstellers begegnet nach der vom Obersten Gerichtshof geteilten Auffassung der Generalprokuratur erheblichen Bedenken, spricht doch bei einer auf einen Spitzenfunktionär einer politischen Partei bezogenen Karikatur schon der Umstand, dass sie im Politikteil einer Tageszeitung abgedruckt ist, für die unmittelbare Verbindung zu den von eben diesem bzw seiner Partei vertretenen politischen Positionen, auch wenn die Zeichnung bzw der Text nicht ausdrücklich darauf Bezug nehmen.
Dem angesprochenen Zusammenhang kommt mit Blick auf die Rechtsprechung auch des EGMR zur Ausübung politischer Kritik im Rahmen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 MRK Bedeutung für die Frage nach Verwirklichung des Tatbestands des § 115 Abs 1 StGB zu (s zB Kienapfel/Schroll, StudB BT I Vor §§ 111 ff Rz 19 ff mwN). Ein Eingriff in Art 10 MRK ist demnach nur dann zulässig, wenn derselbe „in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich ist und einem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht" (EGMR 22. 2. 2007, Nr 5266/03, Nikowitz/Verlagsgruppe News GmbH gg Österreich [= MR 2007, 71] § 21). Bezieht sich eine Satire auf die öffentliche Position einer Person als Politiker, so hat dieser gegenüber solcher Kritik mehr Toleranz aufzubringen (EGMR 25. 1. 2007, Nr 68354/01, Vereinigung bildender Künstler gg Österreich [= MR 2007/124]).Dem angesprochenen Zusammenhang kommt mit Blick auf die Rechtsprechung auch des EGMR zur Ausübung politischer Kritik im Rahmen des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10, MRK Bedeutung für die Frage nach Verwirklichung des Tatbestands des Paragraph 115, Absatz eins, StGB zu (s zB Kienapfel/Schroll, StudB BT römisch eins Vor Paragraphen 111, ff Rz 19 ff mwN). Ein Eingriff in Artikel 10, MRK ist demnach nur dann zulässig, wenn derselbe „in einer demokratischen Gesellschaft unentbehrlich ist und einem dringenden gesellschaftlichen Bedürfnis entspricht" (EGMR 22. 2. 2007, Nr 5266/03, Nikowitz/Verlagsgruppe News GmbH gg Österreich [= MR 2007, 71] Paragraph 21,). Bezieht sich eine Satire auf die öffentliche Position einer Person als Politiker, so hat dieser gegenüber solcher Kritik mehr Toleranz aufzubringen (EGMR 25. 1. 2007, Nr 68354/01, Vereinigung bildender Künstler gg Österreich [= MR 2007/124]).
Im wiederaufgenommenen Verfahren wird daher dem angesprochenen Zusammenhang das erforderliche Augenmerk zu widmen sein.
Anmerkung
E8847415Os10.08xSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inMR 2008,239 = Newsletter Menschenrechte NL 2008,306XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0150OS00010.08X.0911.000Zuletzt aktualisiert am
20.10.2009