TE OGH 2008/9/16 11Os100/08b

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Veröffentlicht am 16.09.2008
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Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andrej M***** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen, aus Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) der von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. November 2007, GZ 54 Hv 172/07v-51 erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde sowie über deren dagegen erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nordmeyer, des Angeklagten und dessen Verteidigers Mag. Tomanek, zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die bereits mit gesondertem Beschluss zurückgewiesen worden ist, wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Andrej M***** zu II. zur Last gelegten Tat auch unter § 224 StGB (insoweit ersatzlos) und demgemäß im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die bereits mit gesondertem Beschluss zurückgewiesen worden ist, wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Andrej M***** zu römisch II. zur Last gelegten Tat auch unter § 224 StGB (insoweit ersatzlos) und demgemäß im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Andrej M***** wird für das ihm zu Punkt I. zur Last liegende Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB und das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (Punkt II.) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 164 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 (einundzwanzig) Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 14 (vierzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.Andrej M***** wird für das ihm zu Punkt römisch eins. zur Last liegende Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB und das Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (Punkt römisch II.) unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 164 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 (einundzwanzig) Monaten verurteilt, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 14 (vierzehn) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andrej M***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB (I.) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (II.) schuldig erkannt.Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andrej M***** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 4 erster, zweiter und dritter Fall StGB (römisch eins.) und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (römisch II.) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit hier von Relevanz - am 27. Juni 2007 in Nickelsdorf eine Totalfälschung eines deutschen Fahrzeugscheins, lautend auf Marcus A*****, geboren am *****, wohnhaft in *****, „sohin eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist", zum Beweis von Tatsachen, nämlich der ordnungsgemäßen Zulassung des von ihm gelenkten PKW der Marke Porsche Cayenne in Deutschland, gebraucht, indem er diesen Beamten bei der Ausreisekontrolle vorwies (II.).Danach hat er - soweit hier von Relevanz - am 27. Juni 2007 in Nickelsdorf eine Totalfälschung eines deutschen Fahrzeugscheins, lautend auf Marcus A*****, geboren am *****, wohnhaft in *****, „sohin eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist", zum Beweis von Tatsachen, nämlich der ordnungsgemäßen Zulassung des von ihm gelenkten PKW der Marke Porsche Cayenne in Deutschland, gebraucht, indem er diesen Beamten bei der Ausreisekontrolle vorwies (römisch II.).

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass einer gegen einen gleichzeitig ergangenen Teilfreispruch gemäß § 259 Z 3 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die mit gesondertem Beschluss zurückgewiesen wurde, hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, dass im angefochtenen Urteil das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs 1 StPO).

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wies der Angeklagte nämlich im Zuge einer Ausreisekontrolle Polizeibeamten gegenüber eine Totalfälschung eines deutschen Fahrzeugscheins (dieser entspricht dem österreichischen Zulassungsschein) vor, um die ordnungsgemäße Zulassung des von ihm gelenkten Personenkraftwagens zu beweisen. Er hielt es dabei „zumindest ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, dass der Fahrzeugschein ... eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, welche durch Gesetz inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt ist, darstellt" (US 9).

Ausländische öffentliche Urkunden sind jedoch vom Regelungsbereich des § 224 StGB nur dann erfasst, wenn sie durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag ausdrücklich inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind. Dies ist etwa bei von einer zuständigen Behörde eines EU-Staats ausgestellten Lenkerberechtigungen (§ 1 Abs 4 FSG) oder - ausdrücklich beschränkt auf den strafrechtlichen Schutz - bei ausländischen Reisedokumenten (§ 2 Abs 4 Z 4 FPG) der Fall, nicht jedoch bei den hier in Rede stehenden ausländischen Zulassungsscheinen (Kienapfel/Schroll in WK² § 224 Rz 38; Leukauf/Steininger³ § 224 Rz 10; ZfRV 1978, 211 ff). Die bloße Anerkennung ausländischer Zulassungscheine für den Rechtsverkehr in Österreich (§ 82 Abs 1 und Abs 3 KFG) verleiht diesen Urkunden lediglich Wirkung für den österreichischen Rechtsbereich (Grubmann, Das Kraftfahrgesetz 1967, § 82 Anm 1), ohne dass daraus die von § 224 StGB geforderte gesetzliche Gleichstellung abzuleiten wäre; eine Legaldefinition wie bei inländischen Kennzeichentafeln (§ 49 Abs 1 KFG) fehlt für ausländische Zulassungsscheine. Eine Gleichstellung durch zwischenstaatlichen Vertrag ergibt sich auch nicht aus Art 35 des im Verhältnis zu Deutschland anzuwendenden Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr (BGBl 1982/289). Der deutsche Fahrzeugschein genießt demnach nur den Schutz des § 223 StGB (vgl Kienapfel/Schmoller, StudB BT III § 224 Rz 36). Die Annahme auch des § 224 StGB gereicht dem Angeklagten zum Nachteil.Ausländische öffentliche Urkunden sind jedoch vom Regelungsbereich des § 224 StGB nur dann erfasst, wenn sie durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag ausdrücklich inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind. Dies ist etwa bei von einer zuständigen Behörde eines EU-Staats ausgestellten Lenkerberechtigungen (§ 1 Abs 4 FSG) oder - ausdrücklich beschränkt auf den strafrechtlichen Schutz - bei ausländischen Reisedokumenten (§ 2 Abs 4 Z 4 FPG) der Fall, nicht jedoch bei den hier in Rede stehenden ausländischen Zulassungsscheinen (Kienapfel/Schroll in WK² § 224 Rz 38; Leukauf/Steininger³ § 224 Rz 10; ZfRV 1978, 211 ff). Die bloße Anerkennung ausländischer Zulassungscheine für den Rechtsverkehr in Österreich (§ 82 Abs 1 und Abs 3 KFG) verleiht diesen Urkunden lediglich Wirkung für den österreichischen Rechtsbereich (Grubmann, Das Kraftfahrgesetz 1967, § 82 Anmerkung 1), ohne dass daraus die von § 224 StGB geforderte gesetzliche Gleichstellung abzuleiten wäre; eine Legaldefinition wie bei inländischen Kennzeichentafeln (§ 49 Abs 1 KFG) fehlt für ausländische Zulassungsscheine. Eine Gleichstellung durch zwischenstaatlichen Vertrag ergibt sich auch nicht aus Art 35 des im Verhältnis zu Deutschland anzuwendenden Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr (BGBl 1982/289). Der deutsche Fahrzeugschein genießt demnach nur den Schutz des § 223 StGB vergleiche Kienapfel/Schmoller, StudB BT III § 224 Rz 36). Die Annahme auch des § 224 StGB gereicht dem Angeklagten zum Nachteil.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Andrej M***** zur Last liegenden Urteilstat II. und demgemäß im Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen, dass der Angeklagte zu II. das Vergehen nach § 223 Abs 2 StGB begangen hat.Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Andrej M***** zur Last liegenden Urteilstat römisch II. und demgemäß im Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen, dass der Angeklagte zu römisch II. das Vergehen nach § 223 Abs 2 StGB begangen hat.

Bei der somit erforderlichen Strafneubemessung war das reumütige Geständnis und die Sicherstellung des von der Hehlerei betroffenen Personenkraftwagens als mildernd zu werten, als erschwerend demgegenüber die in Deutschland wegen Diebstahls geringwertiger Sachen sowie wegen Diebstahls ausgesprochenen drei einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die mehrfache Qualifikation der Hehlerei.

Unter Rücksichtnahme auf alle für und wider den Angeklagten sprechenden Umstände war eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten angemessen, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 14 Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit teilbedingt nachgesehen werden konnte. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB verbot sich aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen.

Textnummer

E88542

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0110OS00100.08B.0916.000

Im RIS seit

16.10.2008

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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