TE OGH 2008/9/16 1Ob35/08s

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Veröffentlicht am 16.09.2008
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertraud B*****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien

1. Land *****, vertreten durch Dr. Anton Moser und Mag. Hubert Schmidhuber, Rechtsanwälte in Traun, und 2. Gemeinde *****, vertreten durch Weixelbaum Humer Trenkwalder & Partner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 11.946 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2007, GZ 4 R 198/07a-12, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 26. Juli 2007, GZ 31 Cg 16/07z-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Der Antrag der zweitbeklagten Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen. Der Antrag der zweitbeklagten Partei auf Zuspruch der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, Satz 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin fuhr am 2. 7. 2005 mit dem Fahrrad im Gemeindegebiet der Zweitbeklagten, und zwar zunächst auf einem als solchen mittels Verkehrszeichens gekennzeichneten und etwa 2,4 m breiten „Geh- und Radweg". Nach einem Kreisverkehr bog die Klägerin auf einen Weg neben der K*****straße ab, welcher baulich von der Fahrbahn getrennt und etwa 1,36 m breit ist. Im Übergangsbereich ist kein Verkehrszeichen „Geh- und Radweg Ende" angebracht. Die Klägerin meinte daher (fälschlicherweise), sich weiterhin auf dem Radweg zu befinden. Sie fuhr noch etwa 300 m auf diesem Weg zu einem Kaufhaus. Der Weg ist in diesem Bereich durch mehrere Betriebsausfahrten und zumindest zwei Zufahrtsstraßen zu Gewerbebetrieben unterbrochen. Zum Teil befinden sich im Bereich dieser Überquerungen Gehsteigabsenkungen, bei der Überquerungsmöglichkeit der ersten Straße jedoch nicht. Die Höhe des Randsteins beträgt dort etwa 5 cm. Vom Kreisverkehr weg bis zum Kaufhaus gibt es keine Verkehrszeichen, die auf einen Radweg hinweisen würden, und auch keine Bodenmarkierungen. Der Weg ist auch nicht als Gehweg gekennzeichnet. Die für den Verkehr aus den querenden Straßen angebrachten Verkehrszeichen „Vorrang geben" stehen jeweils noch vor diesem Weg. Die Klägerin nahm an, sich gegenüber jenen Verkehrsteilnehmern, die die querenden Straßen benützen, im Vorrang zu befinden. Unmittelbar nach Antritt der Rückfahrt vom Kaufhaus stieß die Klägerin mit einem von links aus einer Querstraße kommenden Pkw zusammen, kam zu Sturz und verletzte sich. Im Bereich der Unfallstelle befand sich aus Sicht der Klägerin links eine Hecke, die zumindest 1,30 m hoch war und die Sicht auf den seitlichen Verkehr zumindest erheblich behinderte. Hätte die Klägerin gewusst, dass es sich bei dem von ihr befahrenen Weg nicht um einen Radweg handelt, hätte sie die Fahrbahn benützt.

Mit Klage vom 16. 2. 2006 begehrte die Klägerin von ihrer Unfallgegnerin und deren Haftpflichtversicherung den Ersatz der beim Unfall entstandenen Schäden sowie die Feststellung der Haftung der dort Beklagten für zukünftige Spät- und Dauerfolgen. Nach Durchführung eines Ortsaugenscheins vereinbarten die Parteien jenes Verfahrens „einfaches Ruhen".

Die Klägerin begehrt nun den Ersatz für die beim Unfall erlittenen Schäden und die Feststellung der Haftung der Beklagten für Spät- und Dauerfolgen aus dem Titel der Amtshaftung. Sie sei zu Recht der Ansicht gewesen, im Unfallszeitpunkt einen gekennzeichneten Radweg zu benützen. Das Verschulden an diesem Irrtum treffe die Erstbeklagte, da sie rechtswidrig und unvertretbar im Nahbereich der Unfallstelle eine Beschilderung und Markierungen angebracht habe, die nur den Schluss zuließen, es handle sich dort um einen Radweg. Hätte sie gewusst, dass der Weg kein Radweg sei, hätte sie die Fahrbahn benützt und dadurch den Unfall verhindert. Die Zweitbeklagte habe es unterlassen, einen Grundeigentümer aufzufordern, seine Hecken so zu schneiden, dass keine Sichtbehinderung im Kreuzungsbereich gegeben sei.

Die Beklagten wendeten ein, dass die Beschilderung eindeutig und ausreichend gewesen sei. Das Anlegen einer Radfahrerüberfahrt sei nicht zwingend. Die Zweitbeklagte führte ergänzend aus, dass die Hecke im Bereich der Unfallstelle eine sichere Überquerung der Verbindungsstraße durch Fußgänger nicht behindert habe; überdies mangle es ihr an einer Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach § 91 Abs 1 StVO.Die Beklagten wendeten ein, dass die Beschilderung eindeutig und ausreichend gewesen sei. Das Anlegen einer Radfahrerüberfahrt sei nicht zwingend. Die Zweitbeklagte führte ergänzend aus, dass die Hecke im Bereich der Unfallstelle eine sichere Überquerung der Verbindungsstraße durch Fußgänger nicht behindert habe; überdies mangle es ihr an einer Zuständigkeit zur Erlassung von Bescheiden nach Paragraph 91, Absatz eins, StVO.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil es für die Klägerin keinen triftigen Grund zur Annahme gegeben habe, einen Radweg oder gar einen kombinierten Geh- und Radweg zu benützen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Beschilderung sei nicht unklar gewesen. Der Doppelpfeil auf der Zusatztafel sei in dem Sinn eindeutig, dass der beschilderte Geh- und Radweg entlang der H*****straße verlaufe. Daran vermöge auch nichts zu ändern, dass dieser Weg ein kurzes Stück nach rechts verlaufe, bevor er die K*****straße überquere. Würde man der Klägerin zubilligen, dass sie Zweifel über den Verlauf des Radwegs hätte haben können, so hätte ihr im Laufe der Fahrt zum Einkaufsmarkt aber klar werden müssen, dass sie sich nicht auf einem Radweg befindet. Entscheidend sei aber, dass sich der Unfall nicht auf der Hinfahrt zum Einkaufsmarkt, sondern auf der Rückfahrt ereignet habe. Die Klägerin habe auf dieser nicht den geringsten Hinweis darauf gehabt, dass sie sich auf einem Radweg oder einem Geh- und Radweg befände.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1. Nach § 2 Abs 1 Z 11a StVO ist ein Geh- und Radweg ein für den Fußgänger- und Fahrradverkehr bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg. Entscheidend ist dabei, ob und welche Kennzeichnung vorhanden ist und wie sich die vom Radfahrer benützte Verkehrsfläche darstellt (RIS-Justiz RS0105937).1. Nach Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 11 a, StVO ist ein Geh- und Radweg ein für den Fußgänger- und Fahrradverkehr bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg. Entscheidend ist dabei, ob und welche Kennzeichnung vorhanden ist und wie sich die vom Radfahrer benützte Verkehrsfläche darstellt (RIS-Justiz RS0105937).

2. Fehler bei der technisch einwandfreien Aufstellung von Verkehrszeichen entsprechend den bei der Kundmachung zu berücksichtigenden Verkehrsverhältnissen oder bei deren mangelhaften Überwachung führen zur Amtshaftung (RIS-Justiz RS0087638). Ist ein Verkehrsunfall sowohl auf die unterlassene oder mangelhafte Aufstellung von Vorschriftszeichen als auch auf die solcherart fehlerhafte Anbringung von Gefahrenzeichen zurückzuführen, ist der Unfall nach amtshaftungsrechtlichen Kriterien zu beurteilen (RIS-Justiz RS0087640).

3. Im vorliegenden Fall war zwar im Übergangsbereich zwischen H*****straße und K*****straße kein Verkehrszeichen angebracht, welches ausdrücklich auf das Ende des Geh- und Radwegs hingewiesen hätte. Dennoch durfte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass der - von ihr schon bei der Hinfahrt zum Kaufhaus in einer Länge von etwa 300 m befahrene - entlang der K*****straße verlaufende Weg ein Radweg sei. Das Fehlen jeglicher Bodenmarkierung und jeglichen auf einen Radweg hindeutenden Verkehrszeichens in den Kreuzungsbereichen mit den Querstraßen, das gesamte Erscheinungsbild der von ihr befahrenen Verkehrsfläche und insbesondere der Umstand, dass im Zuge der Überquerung einer Straße ein Randstein zu übersetzen war, hätte der Klägerin - schon auf der Hinfahrt zum Einkaufsmarkt - bewusst machen müssen, dass sie sich nicht auf einem Rad-, sondern auf einem Gehweg befindet. Auf den Umstand, dass sich der Unfall nicht auf der Hinfahrt zum Einkaufsmarkt, sondern erst auf der Rückfahrt ereignet hat, muss daher nicht weiter eingegangen werden.

Diese auch vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, die letztlich in der rechtlichen Beurteilung mündete, dass den Beklagten kein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln vorzuwerfen sei, ist im gegebenen Sachzusammenhang richtig, aber jedenfalls vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar. Die außerordentliche Revision der Klägerin wirft keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf und ist daher zurückzuweisen.Diese auch vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, die letztlich in der rechtlichen Beurteilung mündete, dass den Beklagten kein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln vorzuwerfen sei, ist im gegebenen Sachzusammenhang richtig, aber jedenfalls vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar. Die außerordentliche Revision der Klägerin wirft keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO auf und ist daher zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).

Da der Oberste Gerichtshof den Revisionsgegnern die Beantwortung der von der Klägerin erhobenen außerordentlichen Revision nicht freigestellt hatte, ist die von der Zweitbeklagten dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (1 Ob 10/07p mwN). Ein Kostenersatz findet daher nicht statt.Da der Oberste Gerichtshof den Revisionsgegnern die Beantwortung der von der Klägerin erhobenen außerordentlichen Revision nicht freigestellt hatte, ist die von der Zweitbeklagten dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, Satz 2 ZPO nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (1 Ob 10/07p mwN). Ein Kostenersatz findet daher nicht statt.

Anmerkung

E890441Ob35.08s

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inVeith, ZVR 2009/48 S 112 (Rechtsprechungsübersicht) - Veith, ZVR2009,112 (Rechtsprechungsübersicht)XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00035.08S.0916.000

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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