TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/11 2006/18/0084

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Veröffentlicht am 11.12.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des PZ, geboren 1978, vertreten durch Dr. Alexander Lindner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 61, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. November 2005, Zlen. SD 547/05 und SD 548/05, betreffend Behebung eines Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. November 2005 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. März 2005, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Dezember 2004 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" und sein Antrag vom 7. Jänner 2005 auf Aufhebung des am 30. August 2002 gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes abgewiesen worden war, Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

Die Abweisung der Anträge auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes bzw. Erteilung einer Niederlassungsbewilligung durch die Erstbehörde habe sich auf die Ansicht gestützt, dass die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 3. September 2001 gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon neun Monate bedingt, ausreichend wäre, um von einer weiteren Gefährdungsprognose hinsichtlich seines künftigen Verhaltens ausgehen zu können. Außerdem würde der Beschwerdeführer über kein Reisedokument verfügen und hätte auch sonst seine Identität nicht nachgewiesen.

Fest stehe - so die belangte Behörde weiter -, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und Vater eines minderjährigen Kindes sei. Die Erstbehörde habe es verabsäumt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer überhaupt mit seiner Ehegattin (und dem gemeinsamen Kind) ein gemeinsames Familienleben führe. Unter der Annahme, dass ein solches geführt werde, gehe die belangte Behörde grundsätzlich von einem künftigen Wohlverhalten des Beschwerdeführers aus, weil dieser durch sein zwischenzeitiges Verhalten seine soziale Integration dokumentiert habe. Die Erstbehörde habe es außerdem unterlassen, eine Überprüfung der offensichtlich vorhandenen Dokumente des Beschwerdeführers hinsichtlich Echtheit und Richtigkeit vorzunehmen. Daher sei der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe sich zu Unrecht auf § 66 Abs. 2 AVG berufen. Sie hätte aus dem Akteninhalt den gesamten für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Sachverhalt ableiten können.

1.2. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den bei ihr angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Außer diesem Fall hat die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens berechtigt die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG somit nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich dieser Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung der Behörde erster Instanz oder selbst vorzunehmen (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2006/18/0423, mwN).

Im vorliegenden Fall geht aus der Begründung des angefochtenen Bescheides (oben I.1.) hervor, dass die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, indem sie für die Zurückverweisung der Rechtssache Gründe herangezogen hat, die das Gesetz nicht vorsieht.

2. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Der Zuspruch von Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese in den Pauschalsätzen der genannten Verordnung bereits enthalten ist.

Wien, am 11. Dezember 2007

Schlagworte

Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006180084.X00

Im RIS seit

17.01.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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