Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Ciresa als Vorsitzende, die Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Atria und Mag. Pöhlmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Thron und Gerhard Winter in der Sozialrechtssache des Klägers mj. D***** A*****, ***** Wien, vertreten durch *****, wider die beklagte Partei Land Wien, Magistrat der Stadt Wien MA 40 - Fachbereich Sozialrecht, Thomas- Klestil-Platz 8, 1030 Wien, vertreten durch Mag. E***** F*****, ebendort, wegen Pflegegeld, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4.6.2008, 24 Cgs 72/08s-11, gemäß §§ 2 ASGG, 492 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Ciresa als Vorsitzende, die Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Atria und Mag. Pöhlmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Thron und Gerhard Winter in der Sozialrechtssache des Klägers mj. D***** A*****, ***** Wien, vertreten durch *****, wider die beklagte Partei Land Wien, Magistrat der Stadt Wien MA 40 - Fachbereich Sozialrecht, Thomas- Klestil-Platz 8, 1030 Wien, vertreten durch Mag. E***** F*****, ebendort, wegen Pflegegeld, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4.6.2008, 24 Cgs 72/08s-11, gemäß Paragraphen 2, ASGG, 492 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ab 1.8.2007 Pflegegeld der Stufe 4 in der Höhe von derzeit EUR 632,70 monatlich unter Anrechnung von EUR 60,-- monatlich an Erhöhung der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder zu gewähren."
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 541,97 (darin EUR 90,33 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 31.5.2007 geborene Kläger leidet an einem chronischen Nierenversagen aufgrund einer embryonalen Fehlbildung, welches eine Nierenersatztherapie (chronische Peretonialdialyse) erfordert. Weiters besteht beim Kläger eine psychomotorische Entwicklungsverzögerung.
Bei der Peritonealdialyse oder Bauchfelldialyse wird das Blut nicht wie sonst üblich außerhalb des Körpers mit einen speziellen Filter gereinigt, sondern wird zur Dialyse das gut durchblutete Bauchfell des Patienten als körpereigener Filtermembran verwendet und dabei eine Dialyselösung in die Bauchhöhle eingeflößt, welche die giftigen Stoffwechselprodukte aufnimmt. Nach einiger Zeit wird die Dialyseflüssigkeit mit den Harnbestandteilen wieder aus der Bauchhöhle ausgelassen. Ansonsten gesunde Erwachsene können diese Dialyse nach einer Einschulung selbst an sich durchführen (dem ständig mit Sozialrechtssachen befassten Senat gerichtsbekannte Tatsache gem § 269 ZPO; zur Beschreibung des Dialysevorganges siehe auch 10 ObS 68/05f und 10 ObS 158/99t).Bei der Peritonealdialyse oder Bauchfelldialyse wird das Blut nicht wie sonst üblich außerhalb des Körpers mit einen speziellen Filter gereinigt, sondern wird zur Dialyse das gut durchblutete Bauchfell des Patienten als körpereigener Filtermembran verwendet und dabei eine Dialyselösung in die Bauchhöhle eingeflößt, welche die giftigen Stoffwechselprodukte aufnimmt. Nach einiger Zeit wird die Dialyseflüssigkeit mit den Harnbestandteilen wieder aus der Bauchhöhle ausgelassen. Ansonsten gesunde Erwachsene können diese Dialyse nach einer Einschulung selbst an sich durchführen (dem ständig mit Sozialrechtssachen befassten Senat gerichtsbekannte Tatsache gem Paragraph 269, ZPO; zur Beschreibung des Dialysevorganges siehe auch 10 ObS 68/05f und 10 ObS 158/99t).
Aufgrund des Antrages des Klägers vom 24.7.2007 gewährte die beklagte Partei dem Kläger mit Bescheid vom 25.1.2008 Pflegegeld der Stufe 1 unter Anrechnung des halben Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder in Höhe von monatlich EUR 88,30 (Auszahlungsbetrag) ab dem 1.8.2007 (Beil. ./B). Infolge dagegen erhobener Klage verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei mit dem angefochtenen Urteil, dem Kläger ab dem 1.8.2007 Pflegegeld der Stufe 4 in der Höhe von derzeit EUR 632,70 monatlich unter Anrechnung des halben Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder zu gewähren. Dabei legte das Erstgericht seiner Entscheidung neben dem eingangs kursiv wiedergegebenen Sachverhalt folgende weitere Feststellungen zu Grunde:
„Zur Einnahme von Mahlzeiten:
Die Nahrungsaufnahme erfolgt über eine Magensonde. Dabei wird die Nahrung in kleinen Portionen halbstündlich sondiert; dies erfolgt sechs Mal am Tag. Dadurch entsteht täglich ein zeitlicher Mehraufwand im Vergleich zu einem gesunden Kind im Alter des Klägers von ca. 20 Minuten, somit zehn Stunden monatlich.
Zur Einnahme von Medikamenten:
Der Kläger erhält täglich Maltofer Tropfen (zwei Mal acht), Thyrex Tropfen (ein Mal vier), NaC1 Lösung 1 Molar (sechs Mal 2,5). Der tägliche Zeitaufwand beträgt hiefür ca. sechs Minuten; d.s. drei Stunden monatlich.
Zur Katheter-Pflege:
Jeden zweiten Tag muss sein Peritonealkatheter gereinigt werden. Dies ist eine viel heiklere Sache als die Reinigung eines Harnkatheters, weil der Katheter nämlich direkt in den Bauchraum führt und überdies eine gründliche Vorbereitung (zum Schutz vor Infektionen) erfordert. Vor dem Verbandwechsel müssen Türe und Fenster geschlossen werden und die Arbeitsflächen desinfiziert werden, Händedesinfektion, Vorbereitung der Utensilien, neuerliche Händedesinfektion, Entfernung des Verbandes, neuerliche Händedesinfektion, Reinigung der Eintrittsstelle des Katheters (6 Stieltupfer mit Betaisodona, 6 Stieltupfer ohne Betaisodona)‚ Anlegen einer Schlitzkompresse, Sicherung des Katheters mit Pflaster, anschließend Fixa-Mull-Verband. Der tägliche Zeitaufwand für die gesamte Prozedur beträgt gemittelt 30 Minuten und somit 15 Stunden monatlich.
Zu sonstigen Pflegemaßnahmen:
Insbesondere muss beim Kläger sechs Mal täglich alle drei Stunden zwischen 6.00 Uhr morgens und 21.00 Uhr abends eine Peritonealdialyse durchgeführt werden: Zunächst läuft das Dialysat aus dem Katheter aus, wird gesammelt und entsorgt; anschließend wird das frische Dialysat über diesen Katheter eingeführt; das Auslaufen dauert länger als das Einlaufen; das Einlaufen erfolgt mit einer Pumpe. Diese Dialyse könnte ein gesunder Erwachsener nach einer Einschulung selbst an sich durchführen. Eine solche Prozedur inklusive der Vorbereitungshandlungen dauert beim Kläger ca. 45 Minuten, folglich 4,5 Stunden pro Tag; d.s. 135 Stunden monatlich.
Aufgrund des immer wiederkehrenden Erbrechens muss seine Kleidung außerordentlich häufig (bis zu zehn Mal täglich) gewechselt werden. Im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind sind etwa vier bis fünf zusätzliche Kleidungswechsel nötig. Ausgehend von einem einmaligen Zeitaufwand von ca. zehn Minuten beträgt dieser sohin insgesamt 45 Minuten täglich; d.s. 22,5 Stunden monatlich.
Zur Mobilitätshilfe im weiteren Sinn:
Der Kläger muss alle zwei Wochen Kontrollen in der Nierenambulanz der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde (im Folgenden: UKKJ) durchführen lassen. Die Fahrtzeit dorthin beträgt für eine Fahrt 60 Minuten. Die Warte- und Behandlungszeit (Blutabnahme, Warten auf Befunde, Untersuchung) dauert fünf Stunden, somit beträgt der gesamte Zeitaufwand sieben Stunden. Einmal wöchentlich muss er in die UKKJ zur Physiotherapie, welche 60 Minuten dauert; hiefür beträgt der Aufwand also insgesamt drei Stunden. Einmal wöchentlich muss der Kläger auch zum Kinderarzt; die Wegzeit für eine Richtung beträgt zehn Minuten, die Warte- und Behandlungszeit 60 Minuten; sohin liegtinsgesamt ein Zeitaufwand von 80 Minuten wöchentlich vor. Darüber hinaus muss er bei Fieber und unklaren Zuständen (ca. ein Mal im Monat) zu außerordentlichen Kontrollen in die UKKJ fahren. Bei einer durchschnittlichen Warte- und Behandlungszeit von 60 Minuten und einer Fahrtzeit von ebenso 60 Minuten in eine Richtung beträgt der gesamte Zeitaufwand dafür drei Stunden. Dazu ist anzumerken, dass die notwendige Nierenersatztherapie ausschließlich am UKKJ gemacht wird und daher nicht auf ein näher liegendes Spital ausgewichen werden kann. Somit beläuft sich der monatliche Zeitaufwand für diese Mobilitätshilfe (im weiteren Sinn) auf 34,3 Stunden monatlich. Ein gesundes einjähriges Kind muss nicht per Magensonde gefüttert werden und täglich Medikamente einnehmen; es braucht keinen Katheter und somit keine Katheterpflege; insbesondere bedarf es keiner Peritonealdialyse. Einem gesunden Kind im Alter des Klägers muss man zwar auch täglich mehrmals die Kleidung wechseln, jedoch fällt dies beim Kläger aufgrund seines krankheitsbedingten häufigen Erbrechens ungleich öfter an. Ein gesundes Kind im selben Alter müsste zwar auch zu Arztterminen gebracht werden, allerdings würden diese nicht in der Häufigkeit notwendig sein, wie sie beim Kläger aufgrund seiner Krankheit und der notwendigen regelmäßigen Kontrollen und Behandlungen gegeben ist."
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass bei der Beurteilung des Pflegebedarfes von Kindern nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen sei, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen nicht behinderten Kindern hinausgeht. Ein pflegebedingter Mehraufwand sei auch dann zu bejahen, wenn auch ein gleichaltriges Kind ohne Beeinträchtigung bestimmte Verrichtungen nicht selbständig vornehmen kann, aber dieser Verrichtung gar nicht bedarf, weil es gesund ist. Der Oberste Gerichtshof habe wohl in seiner Entscheidung 10 ObS 158/99d ausgesprochen, dass die Peritonealdialyse eine therapeutische Maßnahme sei, welche nicht als Pflegebedarf zu beurteilen sei. Dies widerspreche jedoch der generellen Auffassung, dass bei der Beurteilung des Pflegebedarfes bei Kindern ein Vergleich zwischen behinderten Minderjährigen mit gleichaltrigen nicht behinderten Minderjährigen angestellt wird. Bei diesem Vergleich könne die Notwendigkeit einer Peritonealdialyse nicht unberücksichtigt bleiben und dürfe die strenge Abgrenzung zwischen „therapeutischer" und „unqualifizierter" Betreuung nicht gelten. Es sei zwar klar, dass ein einjähriges nicht behindertes Kind eben so wenig wie der Kläger die Peritonealdialyse selbst durchführen könnte, jedoch bedürfte ein gesundes Kind dieser Maßnahmen gar nicht. Die Peritonealdialyse bei dem Kläger sei daher - wie krankheitsbedingte häufigere Arztbesuche - als „behinderungsbedingter Mehraufwand" zu berücksichtigen.
Der festgestellte Zeitaufwand für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (das heißt die Arztbesuche) könnte wohl durch die Durchführung der Kontrollen und Behandlungen beim Kläger zu Hause stark reduziert werden, doch sei dies dem Kläger wirtschaftlich nicht zumutbar bzw. von ihn wirtschaftlich kaum zu tragen. Der Pflegebedarf berechne sich für den minderjährigen Kläger daher wie folgt:
Einnahme der Mahlzeiten 10 Stunden
Einnahme von Medikamenten 3 Stunden
Katheterpflege 15 Stunden
Sonstige Pflegemaßnahmen
Peritonealdialyse 135 Stunden
Kleiderwechsel 22,5 Stunden
Mobilitätshilfe im weiteren Sinn 34,5 Stunden
GESAMT 219,8 Stunden
Der Pflegebedarf übersteige daher 160 Stunden bei Weitem und sei dem Kläger Pflegegeld in Höhe der Stufe 4 ab dem Stichtag zuzuerkennen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der beklagten Partei aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn (erkennbar: in Herstellung des angefochtenen Bescheides) abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung
nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung wendet sich die Berufungswerberin zunächst gegen die festgestellte Dauer der Wegzeit des Klägers von seinem Wohnort zum AKH Wien im Ausmaß von 60 Minuten. Unter Hinweis auf die bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Fahrplanauskunft der Wiener Linien wird stattdessen die Feststellung eines Zeitaufwandes von je 45 Minuten pro Fahrtstrecke begehrt.
Der Hinweis auf die vorgelegte Fahrplanauskunft mit einer dort angegebenen Wegdauer von 43 Minuten überzeugt bereits deswegen nicht, als in der Auskunft als Zielort die U-Bahnstation Wien Michelbeuern-AKH angegeben wird. Es ist allgemein bekannt, dass man von dort noch zu Fuß zum AKH gehen muss und auch noch am weitläufigem Gelände des AKH eine nicht vernachlässigbare Gehstrecke zurücklegen muss. Zutreffend hat das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung auch festgehalten, dass das Zurücklegen eines Weges mit einem Kleinkind im Kinderwagen eine längere Zeit benötigt (zB notwendiges Anhalten, wenn das Kind nach einem Fläschchen oder Sauger verlangt oder dieselben Dinge verliert, Passieren lassen einer Straßenbahn oder U-Bahn wegen Platzmangels ua). Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass für die Behandlungen an der UKKJ Termine vergeben werden, sodass für die pünktliche Wahrnehmung dieser Termine zusätzlich zur reinen Wegstrecke auch ein gewisser „Zeitpuffer" zu berücksichtigen ist. Zusammengefasst begegnet es daher keinerlei Bedenken, wenn das Erstgericht für die Wegstrecke vom Wohnort des Klägers zur UKKJ im AKH Wien als Behandlungsort eine Wegdauer von jeweils 60 Minuten festgestellt hat.
Die Berufungswerberin bringt weiters vor, dass die vom Erstgericht festgestellte Zeit von 5 Stunden für die (alle zwei Wochen stattfindenden) Kontrollen in der Nierenambulanz der UKKJ zu hoch erscheine. Bei einem Säugling sei in einer Kinder- und Jugendambulanz bei Terminvergabe nicht mit einer durchschnittlichen Wartezeit von 5 Stunden zu rechnen.
Diesem Berufungsvorbringen ist entgegenzuhalten, dass das Erstgericht - dem schriftlichen Sachverständigengutachten ON 5 folgend - nicht 5 Stunden Wartezeit festgestellt hat, sondern eine Behandlungszeit von 9:00 Uhr bis 14:00 Uhr, darin Blutabnahmen, Warten auf Befunde und anschließende Untersuchung. Diese gesamte Behandlungsdauer erscheint keinesfalls unrealistisch und hätte die beklagte Partei im Rahmen der Gutachtenserörterung in der Tagsatzung vom 4.6.2008 die Möglichkeit gehabt, diesbezügliche Bedenken gegen diesen Zeitaufwand dem Sachverständigen vorzuhalten. Dies hat sie nicht getan (ON 10). Die Berufungswerberin wendet sich in ihrer Beweisrüge weiters gegen den festgestellten Zeitaufwand der Kindesmutter für die Durchführung der sechsmal täglich erforderlichen Peritonealdialyse im Ausmaß von jeweils 45 Minuten (ergibt täglich 4,5 Stunden und monatlich 135 Stunden). Ausgehend von der im Anstaltsgutachten festgestellten Dauer der einzelnen Verrichtungen bei der Dialyse und der Tatsache, dass die Mutter in der Zeit zwischen dem Ein- und Absaugen des Dialysatkonzentrates nicht anwesend sein müsse, ergäbe sich nur ein Pflegebedarf von maximal jeweils 20 Minuten sechsmal täglich, was einem Pflegebedarf von 60 Stunden monatlich entspricht. Auch diese Beweisrüge überzeugt nicht.
Entgegen dem Berufungsvorbringen hat der Sachverständige die Zeit zwischen dem Einlauf der Dialyseflüssigkeit und dem Auslauf des Dialysates nicht als Pflegeaufwand berücksichtigt. Der Sachverständige hat vielmehr ausgeführt, dass zunächst das Dialysat aus dem Katheter ausläuft, gesammelt und entsorgt wird, was 30 Minuten in Anspruch nimmt; anschließend wird das frische Dialysat eingeführt, was ca. 5 Minuten in Anspruch nimmt; das Auslaufen dauert länger als das Einlaufen; das Einlaufen erfolgt mit einer Pumpe; dieser Zyklus dauert mit den Vorbereitungshandlungen ca. 45 Minuten (ON 5 Seite 3; ON 10 Seite 2).
Abgesehen davon, dass im Anstaltsgutachten ausschließlich die Dauer des Auslaufens und des Einlaufens der Flüssigkeit und nicht die vom Sachverständigen auch berücksichtigten Vorbereitungshandlungen und sonstigen manipulativen Tätigkeiten festgehalten wurden, hätte die beklagte Partei auch hier im Rahmen der Gutachtenserörterung Gelegenheit gehabt, dem Sachverständigen die im Anstaltsgutachten festgehaltenen anderen Zeitwerte vorzuhalten. Die zeitlichen Angaben des Sachverständigen waren jedenfalls schlüssig und nachvollziehbar und hat sie das Erstgericht zu Recht seinen diesbezüglichen Feststellungen zu Grunde gelegt.
Dasselbe gilt für die Beweisrüge der Berufungswerberin gegen den festgestellten zusätzlichen Zeitaufwand für Kleidungswechsel im Ausmaß von 45 Minuten täglich oder 22,5 Stunden monatlich. Auch dieser - im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind - erhöhte Zeitaufwand infolge häufigen Erbrechens des Kindes beruht auf dem schlüssigen und nachvollziehbaren schriftlichen Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Kinderheilkunde (ON 5 Seite 3f). Das Körpergewicht des Kindes ist per se kein dem entgegenstehendes Beweisergebnis und hat die beklagte Partei die Möglichkeit gehabt, bei Bedenken gegen die Ausführung des Sachverständigen dies dem Sachverständigen im Rahmen der Erörterung entgegenzuhalten. Soweit die Berufungswerberin vorbringt, dass ein 10-maliges Erbrechen täglich (bei fünf- bis sechsmal täglicher Fütterung) nicht nachvollziehbar sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Sachverständige zu dem festgestellten Zeitaufwand ausgehend von 4 bis 5 zusätzlichen Kleidungswechseln mit einer Dauer von ca. 10 Minuten (Wechseln und Reinigung) gekommen ist (ON 5, Seite 3f). Schließlich wendet sich die Berufungswerberin gegen den vom Erstgericht festgestellten Zeitaufwand für die Pflege des Peritonealkatheters im Ausmaß von 30 Minuten jeden zweiten Tag, entspricht 15 Stunden monatlich. Stattdessen wird die Feststellung begehrt, dass es sich dabei um eine kurze, geübte Verrichtung der Mutter handle, die jeden dritten Tag durchgeführt werde, sodass von einem Zeitaufwand von 5 Stunden monatlich für die Hautpflege mit Verbandwechsel im Bereich des Katheters auszugehen sei. Der Sachverständige hat die Prozedur der Katheterpflege bereits in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten beschrieben (ON 5 Seite 3) und hat im Rahmen der Gutachtenserörterung ergänzend ausgeführt, dass so eine Katheterpflege viel aufwendiger ist als etwa die Pflege eines Harnkatheters und insbesondere aufgrund der Gefahr einer Bauchfellentzündung die aufwendigen Desinfektionsmaßnahmen im Raum, an den Händen und bei der Reinigung des Katheters selber genauest einzuhalten sind (ON 10, Seite 2). Vor dem Hintergrund dieser beschriebenen Prozedur erscheint ein gemittelter Zeitaufwand von 30 Minuten durchaus realistisch. Der Verweis der Berufungswerberin auf das anstaltsärztliche Gutachten vermag dies nicht zu entkräften, wird doch darin ohne nähere Ausführung der einzelnen Verrichtungen nur von der Hautpflege im Bereich des Katheters und dem Verbandwechsel gesprochen und enthält das Anstaltsgutachten auch keine Angabe zur zeitlichen Dauer dieser Pflege. Auch die Berufungswerberin spricht in ihrer gewünschten Feststellung bloß von der Hautpflege mit Verbandwechsel im Bereich des Katheters und lässt dabei die notwendige Reinigung der Eintrittsstelle des Katheters selber (unter Verwendung von insgesamt 12 Stieltupfern) unberücksichtigt.
Es begegnet auch keinen Bedenken, wenn das Erstgericht dem Sachverständigen gefolgt ist, der eine notwendige Katheterpflege jeden zweiten Tag festgestellt hat. Auch hier hätte die beklagte Partei die - tatsächlich nicht genutzte - Möglichkeit gehabt, dem Sachverständigen im Rahmen der Gutachtenserörterung die Angabe der Kindesmutter laut anstaltsärztlichem Gutachten (Verrichtung der Katheterpflege nur jeden dritten Tag) vorzuhalten.
Das Berufungsgericht legt somit seiner Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zu Grunde (§ 498 Abs 1 ZPO). Hinsichtlich der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, des Kleiderwechsels und der Katheterpflege geht die Berufungswerberin in ihrer Rechtsrüge nicht vom festgestellten zeitlichen Aufwand aus. Die Berufung ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt. Das Erstgericht hat daher zutreffend für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn einen monatlichen Zeitaufwand von 34,3 Stunden, für das An- und Auskleiden einen zusätzlichen Zeitaufwand von monatlich 22,5 Stunden, für die Pflege des Peritonealkatheters einen monatlichen Zeitaufwand von 15 Stunden sowie – in der Berufung nicht mehr bekämpft - für die Medikamenteneinnahme einen monatlichen Zeitaufwand von 3 Stunden und für Einnahme von Mahlzeiten einen zusätzlichen monatlichen Zeitaufwand von 10 Stunden als Pflegebedarf berücksichtigt, was – als Zwischensumme - einen monatlichen Pflegebedarf von 84,8 Stunden ergibt.Das Berufungsgericht legt somit seiner Entscheidung den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt zu Grunde (Paragraph 498, Absatz eins, ZPO). Hinsichtlich der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, des Kleiderwechsels und der Katheterpflege geht die Berufungswerberin in ihrer Rechtsrüge nicht vom festgestellten zeitlichen Aufwand aus. Die Berufung ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt. Das Erstgericht hat daher zutreffend für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn einen monatlichen Zeitaufwand von 34,3 Stunden, für das An- und Auskleiden einen zusätzlichen Zeitaufwand von monatlich 22,5 Stunden, für die Pflege des Peritonealkatheters einen monatlichen Zeitaufwand von 15 Stunden sowie – in der Berufung nicht mehr bekämpft - für die Medikamenteneinnahme einen monatlichen Zeitaufwand von 3 Stunden und für Einnahme von Mahlzeiten einen zusätzlichen monatlichen Zeitaufwand von 10 Stunden als Pflegebedarf berücksichtigt, was – als Zwischensumme - einen monatlichen Pflegebedarf von 84,8 Stunden ergibt.
Insbesondere entspricht die Berücksichtigung des tatsächlichen Zeitaufwandes für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn im Ausmaß von 34,3 Stunden für den minderjährigen Kläger auch der jüngeren oberstgerichtlichen Rechtssprechung, wonach die Pauschalwerte in den Einstufungsverordnungen zu den Pflegegeldgesetzen bei Kindern und Jugendlichen nicht verbindlich sind und nur der gesamte Zeitaufwand für alle Hilfsverrichtungen mit 50 Stunden monatlich begrenzt ist (10 ObS 68/05f). Ebenso hat der Oberste Gerichtshof bereits entschieden, dass bei Kleinkindern nicht nur die Begleitung zur Behandlung bzw. Therapie, sondern auch die Anwesenheit der Betreuungsperson in der Ordination bzw. Therapieeinrichtung erforderlich ist und als Mobilitätshilfe im weiteren Sinn zu berücksichtigen ist (10 ObS 10/08f).
Einer näheren Auseinandersetzung bedarf das Argument der Berufungswerberin, wonach der Zeitaufwand für die Durchführung der Peritonealdialyse nicht zu berücksichtigen sei.
Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 10 ObS 158/99d vom 31.08.1999 ausgeführt, dass die Handlungen der Betreuungsperson im Zusammenhang mit der Vornahme einer Peritonealdialyse an einem Kleinkind weder als „Betreuung", noch als „Hilfe" im Sinne der (einheitlich geregelten) Pflegegeldgesetze (des Bundes und der Länder) zu qualifizieren seien. Unter Pflegebedarf bzw. Betreuung und Hilfe (im Sinne der Einstufungsverordnungen zu den Pflegegeldgesetzen) seien zumindest im weiteren Sinn lebenswichtige Verrichtungen nicht medizinischer Art zu verstehen. Die Abgrenzung zwischen dem anzurechnenden Pflegeaufwand und den nicht im Rahmen der Pflegegeldgesetze zu ersetzenden medizinischen Behandlungen sei so vorzunehmen, dass ein Pflegeaufwand jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die ein nicht behinderter Mensch gewöhnlich selbst vornimmt. Der notwendige Aufwand für das Verbinden der Unterschenkel bei Unterschenkelgeschwüren oder die Vornahme von Insulininjektionen, welche Maßnahmen von nicht Pflegebedürftigen selbst vorgenommen werden können, sei daher etwa als Pflegeaufwand zu berücksichtigen, nicht jedoch therapeutische Verfahren, die von vornherein auch an Nichtpflegebedürftigen von dritten Personen durchgeführt werden müssen. Bei Kleinkindern sei ein Pflegebedarf nur zu berücksichtigen, wenn es sich um notwendige Verrichtungen handelt, die auch von gesunden Kindern in diesem Alter nicht selbständig vorgenommen werden können. Da auch ein nicht beeinträchtigtes Kleinkind - anders als ein nicht pflegebedürftiger Erwachsener (Anmerkung des Berufungsgerichtes) - eine Peritonealdialyse nicht selbständig durchführen könne, komme eine Berücksichtigung der Vornahme der Peritonealdialyse durch die Betreuungsperson für das Kleinkind bei der Ermittlung des Pflegebedarfes nicht in Betracht. Diese Entscheidung wurde von Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld (2004), kritisiert. Die Frage, ob eine Verrichtung systematisch der Pflege oder der Krankenbehandlung zuzuordnen ist, sei rein nach der „Art der Verrichtung" zu beantworten und unabhängig vom Alter der betroffenen Person; so könne schon denklogisch eine Verrichtung, die ein ansonsten gesunder erwachsener Mensch regelmäßig selbständig an sich durchführen kann und somit keine Krankenbehandlung darstellt, nicht bloß deshalb zur Krankenbehandlung werden, weil der Behinderte ein Kleinkind ist und aus diesem Grund diese Verrichtung nicht selbständig durchführen kann; für die Abgrenzung von Pflege und Krankenbehandlung könne daher das Alter des Behinderten keine Rolle spielen (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld Rz 7 und Rz 380). Das Erstgericht hat bereits zutreffend aufgezeigt, dass der Oberste Gerichtshof nach der zitierten Entscheidung zur Peritonealdialyse einen pflegebedingten Mehraufwand bei Kindern auch dann bejaht hat, wenn zwar ein gesundes Kind im Alter des Pflegebedürftigen bestimmte Verrichtungen nicht selbst vornehmen kann, aber dieser Verrichtungen gar nicht bedarf, weil es gesund ist (RIS-Justiz RS0106555 T18 und T26). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Sinne einen zu berücksichtigenden Pflegebedarf nicht nur bei der notwendigen Begleitung eines Kleinkindes zu Untersuchungen, Behandlungen und Kontrollen als Mobilitätshilfe im weiteren Sinn (10 ObS 403/01i, 10 ObS 102/01z, zuletzt 10 ObS 10/08f), sondern auch bei der Durchführung von Inhalationen und sogenannter „Koagu-Checks", subsumiert unter den pflegegeldrelevanten Bereich der „Einnahme von Medikamenten" (10 ObS 172/01v, 10 ObS 403/01i), bejaht. In der Entscheidung 10 ObS 142/04m vom 23.11.2004 hat der Oberste Gerichtshof das erforderliche Dehnen und Bewegen der Knie- und Knöchelgelenke bei einem Kleinkind im Sinne von Mobilitätshilfe im engeren Sinn als Pflegebedarf bejaht und sich dabei ausdrücklich der oben zitierten Auffassung von Greifeneder/Liebhart angeschlossen, wonach die Frage, ob eine Verrichtung systematisch der Pflege oder der Krankenbehandlung zuzuordnen ist, rein nach der „Art der Verrichtung" und unabhängig vom Alter der betroffenen Person zu beantworten ist.
Nach Ansicht des Berufungsgerichtes kann daher die noch in 10 ObS 158/99d vertretene Beurteilung der Vornahme einer Peritonealdialyse an einem Kleinkind als nicht pflegegeldrelevante therapeutische Maßnahme nicht aufrecht erhalten werden und ist der dafür erforderliche Zeitaufwand vielmehr als sonstige Betreuungsmaßnahme, subsumierbar unter den Betreuungstatbestand der Einnahme von Medikamenten, im festgestellten zeitlichen Ausmaß von 135 Stunden monatlich zu berücksichtigen. Eine unterschiedliche Behandlung der Peritonealdialyse eines Kleinkindes wegen Nierenversagens einerseits und notwendiger Inhalationen wegen ständiger Bronchialinfekte oder des Durchbewegens und Ausdehnens von Knie- und Knöchelgelenken bei einem diesbezüglich beeinträchtigten Kleinkind andererseits erscheint nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht hat daher zutreffend auch den für die Vornahme der Peritonealdialyse festgestellten Zeitaufwand von 135 Stunden monatlich als Pflegebedarf berücksichtigt, was einen Pflegebedarf von insgesamt 219,80 Stunden monatlich ergibt.
Voraussetzung für Pflegegeld der Stufe 4 ist ein Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 160 Stunden monatlich. Der ausschließlich von der beklagten Partei erhobenen Berufung gegen die Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 4 war daher nicht Folge zu geben. Das Urteil war lediglich mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder entsprechend § 7 WPGG in der anzuwendenden und geltenden Fassung zu formulieren war.Voraussetzung für Pflegegeld der Stufe 4 ist ein Pflegebedarf von durchschnittlich mehr als 160 Stunden monatlich. Der ausschließlich von der beklagten Partei erhobenen Berufung gegen die Zuerkennung von Pflegegeld der Stufe 4 war daher nicht Folge zu geben. Das Urteil war lediglich mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Anrechnung der erhöhten Familienbeihilfe für erheblich behinderte Kinder entsprechend Paragraph 7, WPGG in der anzuwendenden und geltenden Fassung zu formulieren war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Zif 2 lit a und Abs 2 ASGG.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 77, Absatz eins, Zif 2 Litera a und Absatz 2, ASGG.
Aufgrund der dargestellten Entwicklung der höchstgerichtlichen Rechtssprechung liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor und war die ordentliche Revision demnach zuzulassen.Aufgrund der dargestellten Entwicklung der höchstgerichtlichen Rechtssprechung liegt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO vor und war die ordentliche Revision demnach zuzulassen.
Anmerkung
EW0066010Rs146.08aEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2008:0100RS00146.08A.1029.000Zuletzt aktualisiert am
24.01.2009