TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/11 2007/18/0790

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Veröffentlicht am 11.12.2007
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §60 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des D B, (geboren 1977), vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. August 2007, Zl. E1/15451/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. August 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 87 und 86 Abs. 1 sowie 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von acht Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer dürfte um die Monatswende November/Dezember 2000 illegal nach Österreich eingereist sein. Jedenfalls habe er am 1. Dezember 2000 beim Bundesasylamt, Außenstelle Traiskirchen, den (ersten) Asylantrag unter dem Namen "D S" eingebracht. Am 7. Dezember 2000 habe er beim Bundesasylamt, Außenstelle Wien, den zweiten Asylantrag unter dem Namen "H S" eingebracht. Beide Asylanträge seien vom Beschwerdeführer am 25. Mai 2001 zurückgezogen worden. Am 25. Juli 2001 habe er schließlich den dritten Asylantrag (wieder beim Bundesasylamt, Außenstelle Wien) gestellt, diesmal unter dem Namen "R S". Diese divergierenden Identitäten hätten von der Behörde zur Kenntnis genommen werden müssen, weil der Beschwerdeführer keine identitätsbezeugenden Dokumente habe vorlegen können.

Interessant sei die nach dem dritten Asylantrag im Asylverfahren gemachte Angabe: "Ich möchte nur sagen, dass ich um Asyl bitte, um hier arbeiten zu können. Ich habe viele Schulden gemacht. Die muss ich auch bezahlen ...".

Gegen den diesen Antrag abweisenden erstinstanzlichen Asylbescheid habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben, die aber am 10. November 2004 zurückgezogen worden sei, sodass der Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

Am 2. August 2004 habe der Beschwerdeführer den Erstantrag auf Ausstellung der Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingereicht, weil er am 26. April 2004 die um neun Jahre ältere Staatsbürgerin und Bezieherin von Notstandshilfe A K geheiratet habe. Bemerkenswerterweise habe der Beschwerdeführer jetzt einen indischen Reisepass vorlegen können, der ihn als "D B, 24.10.1977 geb." ausgewiesen habe.

Der Beschwerdeführer scheine ab 28. April 2004 an der Wohnadresse seiner Ehefrau in 1020 Wien als behördlich gemeldet auf. Bei ihrer ersten niederschriftlichen Einvernahme habe die Ehefrau am 19. Oktober 2004 als Zeugin sinngemäß angegeben, dass sie den Beschwerdeführer am 1. Juli 2002 im Prater kennengelernt hätte. Der Zweck der Ehe, die nicht vermittelt worden wäre, wäre eine Lebensgemeinschaft gewesen. Allerdings wäre sie schon einmal eine Scheinehe eingegangen. Nach dem im Akt einliegenden Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 8. Jänner 1992 sei die zwischen der genannten Zeugin und einem namentlich genannten türkischen Staatsangehörigen am 10. Juli 1990 geschlossene Ehe gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt worden.

Von der Erstbehörde in Auftrag gegebene Erhebungen hätten laut Bericht vom 11. November 2004 vorerst keine Hinweise auf das Vorliegen einer Scheinehe gebracht.

Am 5. Jänner 2005 habe der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht, der aber von seinem Rechtsvertreter am 14. Jänner 2005 sofort wieder zurückgezogen worden sei, zumal dem Beschwerdeführer, offensichtlich auf Grund des Antrags vom 2. August 2004, die begehrte Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit vom 15. Jänner 2005 bis zum 15. Jänner 2006 erteilt worden sei.

Am 23. Dezember 2005 habe der Beschwerdeführer einen Verlängerungsantrag auf Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht, welcher an die ab 1. Jänner 2006 zuständige Aufenthaltsbehörde weitergeleitet und bis dato noch nicht rechtskräftig erledigt worden sei.

Am 18. April 2006 sei eine zweite niederschriftliche Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers erfolgt, in der sie sinngemäß ausgesagt habe, dass sie mit dem Beschwerdeführer an ihrer Wohnadresse von der Trauung an (26. April 2004) bis ca. Ende August zusammengelebt hätte, wonach er ausgezogen wäre. Sie wüsste nicht, wo er wohnte und hätte nur mehr telefonischen Kontakt mit ihm. Sie hätte sich deshalb noch nicht scheiden lassen, weil sie der Beschwerdeführer angefleht hätte, dies nicht zu tun, weil er ansonsten kein Visum mehr bekommen würde.

Laut den Berichten des Erhebungsorgans der Erstbehörde vom 27. April 2006 und 17. Dezember 2006 seien an der "ehelichen" Wohnadresse in 1020 Wien immer nur Frau K und deren Tochter wohnhaft gewesen. Der Beschwerdeführer hingegen wäre im Haus völlig unbekannt.

Bei ihrer dritten Einvernahme habe die Ehefrau des Beschwerdeführers schließlich am 8. März 2007 als Zeugin im Verwaltungsverfahren nach ausdrücklicher Ermahnung zur Angabe der Wahrheit unter anderem Folgendes wörtlich angegeben:

"Ich möchte reinen Tisch machen. Ich habe bisher nicht die Wahrheit gesagt, weil ich mich vor meinem Gatten gefürchtet habe, der mich bedroht hat. Ich habe S anlässlich eines Lokalbesuchs im

2. Bezirk kennen gelernt und hatte ca. ein Jahr Kontakt. Er hat in dem Lokal als Aushilfskraft gearbeitet. Während des ganzen Jahres hat er mich immer wieder gefragt, ob ich ihn nicht heiraten könne, damit er in Österreich bleiben kann. ... Er hat mir dann angeboten, für mich zu sorgen und mir monatlich 200-300 Euro zur Verfügung zu stellen. Da ich zu dieser Zeit arbeitslos war und mich in einer finanziellen Notlage befunden habe, habe ich eingewilligt, ihn zu heiraten. Er hat mich auch gefragt, ob er bei mir wohnen darf, um eine Ehegemeinschaft vorzutäuschen. Ich habe zuerst zugestimmt, jedoch ist es nie dazu gekommen, dass er bei mir eingezogen ist, da ich Angst um meine Tochter hatte. Die verschiedenen Erhebungen entsprechen daher den Tatsachen. Es hat nie einen gemeinsamen Wohnsitz gegeben und die Ehe wurde auch nie vollzogen. Er hat seine Versprechungen nicht eingehalten und habe ich von ihm nie irgendeine finanzielle Zuwendung erhalten. ... Anschließend gebe ich noch einmal an, dass dies eine reine Scheinehe war und nie eine gemeinsame Ehegemeinschaft oder sonst irgendetwas bestanden hat und tut es mir leid, dass ich mich zu der Eheschließung überreden lassen habe."

Am 25. Juni 2006 habe Frau K beim Bezirksgericht Leopoldstadt die Scheidungsklage eingereicht, wobei sie unter anderem angegeben habe, dass der Beschwerdeführer sie hätte heiraten wollen, weil es fremdenrechtlich für ihn besser wäre. Sie wäre in ihn verliebt gewesen, wüsste aber nicht, ob er es auch gewesen wäre. Im August 2004 wäre der Beschwerdeführer ohne vorherige Ankündigung aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Bereits vorher wäre er Tage weggewesen, wobei er angegeben hätte, bei Freunden aus seiner Religionsgemeinschaft gewesen zu sein. Sie hätte dies aber nicht geglaubt und vermutet, dass er bei einer anderen Frau gewesen wäre.

Am 29. August 2006 sei beim Bezirksgericht Leopoldstadt ein Schreiben von Frau K eingelangt, in dem sie unter anderem wörtlich geschrieben habe:

"Die Scheidung musste ich einreichen, weil mein Noch-Ehemann aus Indien stammt und mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Heirat überredet hatte. Da er nie bei mir einzog und wohnte und die Ehe nie vollzogen wurde, wusste ich schnell, dass mein 'Ehemann' mich nur wegen dem Visum geheiratet hatte und sich aus diesem Grund auch weigert, sich scheiden zu lassen..."

Aus dem vom Bezirksgericht Leopoldstadt am 3. April 2007 mit Frau K aufgenommenem Protokoll gehe unter anderem Folgendes hervor:

"Im Scheidungsverfahren ist 'Ruhen' eingetreten, da der Vertreter des Beklagten (des Beschwerdeführers) angegeben hat, dieser werde einer einvernehmlichen Scheidung zustimmen, wenn er ein Visum erhalten habe. ... Ich habe zugegeben (Anmerkung: vor der Fremdenpolizei), dass es sich bei der gegenständlichen Ehe um eine 'Scheinehe' handelt. Der Beklagte und ich haben nie zusammen gelebt, eine eheliche Gemeinschaft war nie beabsichtigt. Die Ehe wurde nur geschlossen, damit der .. (Beschwerdeführer) legal in Österreich leben und arbeiten kann."

Laut Mittelung der Staatsanwaltschaft Wien vom 18. Juni 2007 habe diese gegen den Beschwerdeführer und seine "Ehefrau" Ehenichtigkeitsklage gemäß § 23 des Ehegesetzes erhoben.

Die letzten maßgeblichen Ergebnisse des Beweisverfahrens seien dem Beschwerdeführer im Weg seines Rechtsfreundes zur Kenntnis gebracht worden. Anstatt einer Stellungnahme sei am 20. August 2007 die Mitteilung des Rechtsfreundes über die sofortige Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bei der Behörde eingelangt.

Der Beschwerdeführer sei Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG, weil er Drittstaatsangehöriger und (noch) Ehemann einer nicht freizügigkeitsberechtigten österreichischen Staatsbürgerin sei. Daher seien iSd § 87 FPG die §§ 85 Abs. 2 und 86 leg. cit. anzuwenden. Der Beschwerdeführer sei allerdings kein "begünstigter Drittstaatsangehöriger" nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG, weil er nicht - wie erwähnt - Ehemann einer Österreicherin sei, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Weder aus dem bisherigen Akteninhalt noch aus dem Berufungsvorbringen lasse sich erkennen, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätte.

Die §§ 86 und 87 FPG seien im wesentlichen Ausfluss der Richtlinie 2004/38/EG die in ihrem Art. 35 auch vorsehe, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen erlassen könnten, die notwendig seien, um die durch die Richtlinie den Angehörigen von EWR-Bürgern verliehenen Rechte im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug - wie z. B. durch Eingehung von Scheinehen - zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen. Daraus folge schlüssig, dass die Eingehung einer Scheinehe iSd § 86 Abs. 1 FPG zu einem Aufenthaltsverbot nach Maßgabe der genannten Kriterien führen könne, zumal Scheinehen auch durch die Entschließung des Rats vom 4. Dezember 1977 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen (97/C 382/01) ausdrücklich verpönt würden. Im Übrigen könne im Rahmen der Beurteilung von Sachverhalten, die den §§ 87 und 86 Abs. 1 FPG zu unterstellen seien, der Katalog des § 60 Abs. 2 leg. cit. als Orientierungsmaßstab für die Verhängung von Aufenthaltsverboten herangezogen werden. Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG liege ein diesbezüglicher Grund vor, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen habe, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Eheleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt habe.

Trotz der sich aus den verschiedenen Aussagen von Frau K ergebenden Widersprüche halte die belangte Behörde ihre Angaben, insbesondere jene der Niederschrift vom 8. März 2007, die unter ausdrücklicher Ermahnung zur Wahrheitsangabe gemacht worden seien, für glaubwürdiger als das bestreitende Vorbringen des Beschwerdeführers. Dies vor allem auch deshalb, weil sie durch zwei Erhebungsberichte von Organen der Erstbehörde und einigen stets auf das Bestehen einer Scheinehe weisenden Indizien gestützt würden. Diese Indizien lägen darin, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers als österreichische Staatsbürgerin in für Scheinehen ganz typischerweise um neun Jahre älter sei als der Beschwerdeführer und im Zeitpunkt der Eheschließung Notstandshilfeempfängerin gewesen sei, wobei sie überdies noch für ihre Tochter habe sorgen müssen. Sie sei somit für den für Scheinehen regelmäßig vorhandenen Geldfluss zum österreichischen Eheteil, der in ihrem Fall aber ausgeblieben sein dürfte, sehr empfänglich gewesen. Schließlich habe die Zeugin K in der von der belangten Behörde als entscheidend angesehenen Aussage den Ablauf der Gegebenheiten klar und in sich geschlossen dargestellt. Diese Aussagen deckten sich mit den nach den Erfahrungen der belangten Behörde bei nachgewiesenen Scheinehen üblichen Ablauf und klängen keineswegs konstruiert.

Demgegenüber komme dem Beschwerdeführer keine Glaubwürdigkeit zu, weil er ein massives Interesse an der Schilderung eines zumindest zeitweise aufrechten Ehelebens haben müsse, um sich die aufenthalts- und beschäftigungsrechtlichen Vorteile zu sichern. Gewicht komme in diesem Zusammenhang seinen in der obigen Sachverhaltsdarstellung gemachten Angaben im Asylverfahren zu, wonach er nur deshalb nach Österreich gekommen sei, um hier zu arbeiten und seine Schulden zu begleichen.

Nach dem Vorgesagten könne kein Zweifel bestehen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, den öffentlichen Interessen zuwider laufe und eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Fremdenwesens, darstelle, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht nur zulässig, sondern dringend geboten sei. Das im Eingehen einer Aufenthaltsehe liegende Verhalten, welches mit der (versuchten) Täuschung staatlicher Organe über den wahren Ehewillen beginne und sich bis zum dadurch bewirkten Erschleichen staatlicher Berechtigungen und Befugnisse fortsetze, stelle zweifellos eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an einer gesetzlich gesteuerten Zuwanderung, an der Einhaltung der hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften und am Interesse auf wahrheitsgetreue Angaben gegenüber Staatsorganen berühre.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG würden der ca. siebenjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers und seine beruflichen Bindungen im Bundesgebiet ins Gewicht fallen. Familiäre Bindungen - außer zur Scheinehegattin - bestünden hingegen nicht. Eine von diesem Aufenthalt ausgehende Integration in Österreich werde in ihrer Relevanz dadurch gemindert, dass das Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers längere Zeit hindurch nur durch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung abgesichert gewesen sei. Eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots würde schwerer wiegen als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, der durch sein Verhalten eine schwere Störung der öffentlichen Ordnung bewirkt habe.

Den vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich stehe gegenüber, dass er durch die rechtsmissbräuchliche Eingehung der Ehe und die Berufung darauf im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung, geordnete Besorgung des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei daher zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG), und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.). Es müsse in diesem Zusammenhang (noch einmal) darauf hingewiesen werden, dass ein Fremder, der eine Scheinehe eingehe, staatliche Organe (z.B. den Standesbeamten über den wahren Ehewillen oder die Beamten der Fremdenpolizeibehörde bzw. der Aufenthaltsbehörde) Österreichs, wo er ursprünglich angeblich sogar Schutz vor Verfolgung habe finden wollen, bewusst getäuscht bzw. zu täuschen versucht habe.

Gründe, die die belangte Behörde zu einer Ermessensentscheidung zugunsten des Beschwerdeführers hätte veranlassen können, seien weder vorgebracht noch amtswegig festgestellt worden.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbots betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass seit dem 1. Jänner 2006 die Höchstdauer u. a. auch in Fällen festgestellter Aufenthaltsehen von fünf auf zehn Jahre hinaufgesetzt worden sei. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines achtjährigen Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als Ehemann einer (das gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen habenden) Österreicherin iSd § 87 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Bei dieser Beurteilung kann auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2007, Zl. 2007/18/0365, mwH).

2. Entgegen der Beschwerde hat die belangte Behörde - wie die Wiedergabe des angefochtenen Bescheids zeigt (vgl. oben I.1.) - der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts eine eingehende Beweiswürdigung zugrunde gelegt. Im Verwaltungsverfahren wurden unstrittig (wie im bekämpften Bescheid dargestellt) wiederholt Erhebungen durchgeführt und in deren Rahmen (u.a.) die Ehefrau des Beschwerdeführers mehrmals vernommen. Wenn die belangte Behörde - auch unter Heranziehung ihrer früheren im angefochtenen Bescheid dargestellten Aussagen und Angaben - der Darstellung der Ehefrau des Beschwerdeführers bei ihrer Aussage am 8. März 2007 Glauben schenkte, so begegnet diese Beweiswürdigung im Rahmen der den Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken, wird doch die Darstellung der Ehefrau des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorliegens einer "Scheinehe" dadurch untermauert, dass an der in Rede stehenden "ehelichen" Wohnadresse in 1020 Wien nach den im angefochtenen Bescheid genannten Erhebungsberichten von April und Oktober 2006 (in der Beschwerde nicht konkret in Abrede gestellt) immer nur die Ehefrau des Beschwerdeführers und deren Tochter wohnten, der Beschwerdeführer dort aber völlig unbekannt war. Entgegen der Beschwerde hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch die gegenläufigen Angaben des Beschwerdeführers sowie die von ihrer Aussage am 8. März 2007 abweichenden Ausführungen seiner Ehefrau dargestellt und sich mit den daraus ergebenden Widersprüchen auseinandergesetzt. Die Schlüssigkeit dieser Beweiswürdigung vermag die Beschwerde mit dem Vorbringen, die Ehefrau des Beschwerdeführers hätte bei zahlreichen Einvernahmen in Wahrheit stets behauptet, dass es sich aus ihrer Sicht um eine Liebesheirat gehandelt hätte, nicht zu erschüttern. Auf dem Boden des Gesagten begegnet es keinem Einwand, wenn die belangte Behörde zu der Überzeugung gekommen ist, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der besagten österreichischen Staatsbürgerin ausschließlich zu dem Zweck eingegangen sei, sich in Österreich eine Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung zu verschaffen und mit ihr niemals ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt habe. Angesichts des hohen Stellenwerts, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, erweist sich damit die Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme, auf den die im Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung des § 87 leg. cit. verweist, gerechtfertigt sei, als unbedenklich. Von daher geht das Vorbringen, es sei zu berücksichtigen, dass es bei einer Staatsbürgerschaftsehe darauf ankomme, dass beide Ehegatten keinen Willen hätten, eine echte Ehe- und Familiengemeinschaft einzugehen, fehl.

3. Die von der belangten Behörde im Grund des § 66 Abs. 1 und 2 FPG vorgenommene Interessenabwägung wird von der Beschwerde nicht konkret bekämpft. Unter Zugrundelegung der im angefochtenen Bescheid getroffenen unbedenklichen Feststellungen besteht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot ungeachtet des damit verbundenen Eingriffs in die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG), und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers weniger schwer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit.) keine Bedenken.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180790.X00

Im RIS seit

17.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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