TE OGH 2008/11/4 11Os118/08z (11Os153/08x, 11Os154/08v)

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Veröffentlicht am 04.11.2008
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Der Oberste Gerichtshof hat am 4. November 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eilenberger als Schriftführerin, in der Auslieferungssache des Manfred L*****, AZ 27 HR 131/08v des Landesgerichts Feldkirch, über die von der Generalprokuratur gegen die Durchführung der öffentlichen Verhandlung über die Zulässigkeit der Auslieferung in Abwesenheit der betroffenen Person und die Beschlussfassung (§ 31 Abs 6 ARHG) durch das Oberlandesgericht Innsbruck erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und über den Antrag des Manfred L***** auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, und der Verteidigerin Dr. Neyer zu Recht erkannt:

Spruch

Im Auslieferungsverfahren AZ 27 HR 131/08v des Landesgerichts Feldkirch verletzen

1. die Durchführung der öffentlichen Verhandlung über die Zulässigkeit der Auslieferung am 24. Juli 2008 durch das Oberlandesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht in Abwesenheit des in Auslieferungshaft befindlichen Beschwerdeführers und

2. der Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom selben Tag, AZ 7 Bs 393/08i, 414/08b,

das Gesetz in der Bestimmung des § 31 Abs 6 ARHG iVm § 294 Abs 5 StPO.das Gesetz in der Bestimmung des § 31 Abs 6 ARHG in Verbindung mit § 294 Abs 5 StPO.

Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Innsbruck die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des Manfred L***** aufgetragen.

Mit seinem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens wird Manfred L***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 13. Juni 2008, GZ 27 HR 131/08v-15, wurde die Auslieferung des Manfred L***** an das Fürstentum Liechtenstein zur Strafverfolgung wegen Straftaten, die nach österreichischem Recht als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB zu beurteilen wären, für zulässig erklärt und die Auslieferungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und b StPO iVm § 29 ARHG fortgesetzt.Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 13. Juni 2008, GZ 27 HR 131/08v-15, wurde die Auslieferung des Manfred L***** an das Fürstentum Liechtenstein zur Strafverfolgung wegen Straftaten, die nach österreichischem Recht als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB zu beurteilen wären, für zulässig erklärt und die Auslieferungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und b StPO in Verbindung mit § 29 ARHG fortgesetzt.

Über die von Manfred L***** dagegen erhobene Beschwerde verhandelte das Oberlandesgericht Innsbruck am 24. Juli 2008 öffentlich in Gegenwart des Verteidigers, jedoch in Abwesenheit des Beschwerdeführers, wobei die Vorsitzende zu Beginn der Verhandlung bekannt gab, die Justizanstalt Feldkirch habe mitgeteilt, dass sich der Betroffene weigere, vorgeführt zu werden (ON 24/S 3 im Auslieferungsakt). Der Verteidiger erhob dagegen keinen Einwand.

Der Beschwerde wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom selben Tag, AZ 7 Bs 393/08i, 414/08b (ON 25), nicht Folge gegeben und die Auslieferungshaft aus den bisherigen Haftgründen fortgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Vorgangsweise des Oberlandesgerichts Innsbruck wendet sich der Antrag des Manfred L***** auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO analog). Sie steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Zur Entscheidung über die Beschwerde gegen einen nach § 31 Abs 1 ARHG ergangenen Beschluss über die Zulässigkeit der Auslieferung ist das Oberlandesgericht berufen. Es hat dabei die Bestimmungen über das Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht (§ 89 StPO) mit der Maßgabe zu beachten, dass eine öffentliche mündliche Verhandlung unter sinngemäßer Anwendung des § 294 Abs 5 StPO durchzuführen ist, soweit nicht das Rechtsmittel gemäß § 89 Abs 2 erster Satz StPO als unzulässig zurückzuweisen wäre (§ 31 Abs 6 ARHG).

Der zweite Satz des § 294 Abs 5 StPO sieht vor, dass vom Oberlandesgericht von Amts wegen die Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag über die öffentliche Verhandlung zu veranlassen ist, es sei denn, dieser hätte durch seinen Verteidiger ausdrücklich darauf verzichtet (s auch Ratz, WK-StPO § 294 Rz 14). Dieser Verzicht soll, um Wirksamkeit zu erlangen, gerade deshalb einer ausdrücklichen Erklärung des Verteidigers bedürfen, um dem Angeklagten (bei sinngemäßer Anwendung des § 294 Abs 5 StPO im Auslieferungsverfahren der von der Auslieferung betroffenen Person) die Möglichkeit einer vorhergehenden rechtlichen Beratung zu gewährleisten (vgl JAB 289 BlgNR 21. GP 9). Eine solche dezidierte Erklärung hat der Verteidiger jedoch im vorliegenden Fall nicht getätigt.Der zweite Satz des § 294 Abs 5 StPO sieht vor, dass vom Oberlandesgericht von Amts wegen die Vorführung des verhafteten Angeklagten zum Gerichtstag über die öffentliche Verhandlung zu veranlassen ist, es sei denn, dieser hätte durch seinen Verteidiger ausdrücklich darauf verzichtet (s auch Ratz, WK-StPO § 294 Rz 14). Dieser Verzicht soll, um Wirksamkeit zu erlangen, gerade deshalb einer ausdrücklichen Erklärung des Verteidigers bedürfen, um dem Angeklagten (bei sinngemäßer Anwendung des § 294 Abs 5 StPO im Auslieferungsverfahren der von der Auslieferung betroffenen Person) die Möglichkeit einer vorhergehenden rechtlichen Beratung zu gewährleisten vergleiche JAB 289 BlgNR 21. GP 9). Eine solche dezidierte Erklärung hat der Verteidiger jedoch im vorliegenden Fall nicht getätigt.

Da nicht auszuschließen ist, dass die Tatsache einer öffentlichen Verhandlung ohne ausdrückliche Verzichtserklärung des Verteidigers auf Vorführung seines Mandanten diesem zum Nachteil gereicht, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, den in Rede stehenden Beschluss aufzuheben und dem Oberlandesgericht Innsbruck die neuerliche Entscheidung über die Beschwerde des Manfred L***** aufzutragen (§ 292 letzter Satz StPO).

Mit seinem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens war Manfred L***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Textnummer

E89286

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0110OS00118.08Z.1104.000

Im RIS seit

04.12.2008

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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