TE Vwgh Erkenntnis 2007/12/11 2007/18/0561

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Veröffentlicht am 11.12.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
20/02 Familienrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §38;
EheG §23 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §11 Abs1 Z4;
NAG 2005 §30 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des D D, (geboren 1971), in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Juli 2007, Zl. 317.108/2- III/4/07, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 11. Juli 2007 wurde der vom Beschwerdeführer, einem serbischen Staatsangehörigen, am 23. November 2004 gestellte Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittsta. - EWR, § 47 Abs. 3 FrG") gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 und § 30 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe den besagten Antrag persönlich bei der Bundespolizeidirektion Wien gestellt, weil er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. Mai 2005 sei dieser Antrag gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 und § 8 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997 - FrG abgewiesen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhoben. Daraufhin habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien den besagten Bescheid am 10. Jänner 2006 behoben, weil mit dem Inkrafttreten des NAG am 1. Jänner 2006 die Zuständigkeit an den Landeshauptmann übergegangen sei.

Der Landeshauptmann von Wien habe den in Rede stehenden Antrag - nach Wahrung des Parteiengehörs - mit Bescheid vom 21. März 2007 gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG abgewiesen. Dagegen habe der Beschwerdeführer (wiederum) Berufung erhoben.

Der Aktenlage könne entnommen werden, dass dem Beschwerdeführer schon mehrmals auf Grund von Verpflichtungserklärungen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet erteilt worden seien, zuletzt im Jahr 1993. Am 11. Mai 1999 habe der Beschwerdeführer über die österreichische Botschaft in Budapest einen Erstantrag für den Aufenthaltszweck "Künstler" gestellt und einen Aufenthaltstitel mit der Gültigkeitsdauer vom 12. Oktober 1999 bis 8. August 2000 erhalten. Danach sei kein weiterer Antrag bei der Behörde eingelangt, der Beschwerdeführer habe offensichtlich das österreichische Bundesgebiet verlassen und somit seinen Niederlassungswillen aufgegeben. Dieser Umstand werde vor allem durch die Tatsache bekräftigt, dass der Beschwerdeführer erst im Jahr 2004 mit einem Visum der Kategorie C nach Österreich zurückgekehrt und seinerzeit bis November 2004 keine Antragstellung erfolgt sei. Am 11. November 2004 habe der Beschwerdeführer am Standesamt in Wien-Favoriten eine namentlich genannte österreichische Staatsbürgerin, geboren am 12. Juli 1970, geheiratet und daraufhin am 23. November 2004 den in Rede stehenden Antrag gestellt.

Auf Grund des am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG sei dieser Antrag als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu werten. Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG dürften Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 NAG) vorliege. Gemäß § 30 Abs. 1 leg.cit. dürften sich Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führten, für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.

Nach der dem Antrag beigelegten Heiratsurkunde habe der Beschwerdeführer (wie bereits erwähnt) am 11. November 2004 eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht. Recherchen der belangten Behörde hätten ergeben, dass der Beschwerdeführer vom 17. September 2004 bis 17. April 2007 bei seiner Ehegattin in 1100 Wien aufrecht gemeldet gewesen sei. Seit dem 17. April 2007 sei er nicht mehr bei seiner Ehefrau, sondern in 1050 Wien gemeldet. Die Behörde erster Instanz (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten: die seinerzeit zuständige Bundespolizeidirektion Wien) habe auf Grund des begründeten Verdachts, dass der Beschwerdeführer die besagte Ehe mit einer Österreicherin nur zum Schein und zum Zweck der Erlangung von aufenthaltsrechtlichen Berechtigungen geschlossen habe, Erhebungen durchgeführt. Die Erhebungen seien an der angeblich gemeinsamen Adresse in 1100 Wien vorgenommen worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer dort unbekannt sei und als einzige männliche Person der geschiedene Mann seiner Ehefrau an dieser Adresse verkehre und nächtige. Trotz Vorlage des Lichtbildausweises des Beschwerdeführers habe ihn dort niemand erkannt. Die Erhebung sei durch die Aussage der zuständigen Hausbesorgerin untermauert worden. Die erstinstanzliche Behörde habe dazu festgestellt, es wäre unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer ein Eheleben mit seiner Ehefrau führte, wenn er an der gemeinsamen Wohnung unbekannt wäre und auch Poststücke als unbekannt retourniert werden müssten. Zudem sei die Ehefrau von anderen Hausparteien als "alleinerziehende Mutter von zwei Kindern" bezeichnet worden. Die Erhebungen hätten das Bild ergeben, dass hier ein Eheleben vorgetäuscht würde, um dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.

Auf Grund des geschilderten Sachverhaltes stehe für die belangte Behörde eindeutig fest, dass der Beschwerdeführer seine Ehe mit einer Österreicherin nur zu dem Zweck geschlossen habe, um aufenthaltsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen. Er sei somit zwecks Erlangung einer Niederlassungsbewilligung eine Aufenthaltsehe eingegangen. Das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung aufenthaltsrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stelle ein Verhalten dar, welches dazu führe, dass die öffentliche Ordnung durch einen weitern Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre.

Die vom Beschwerdeführer und seiner Ehefrau im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Erklärungen, dass es keine Scheinehe (nunmehr Aufenthaltsehe) wäre, und dass der Beschwerdeführer nach wie vor mit seiner Ehefrau in aufrechter Ehe leben würde, habe die oben angeführten Feststellungen der belangten Behörde nicht zu entkräften vermocht. Außerdem seien diese Angaben durch nichts belegt, die Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien seien (daher) von höherer Beweiskraft als diese Angaben. Die belangte Behörde schließe sich auf Grund der geprüften Fakten, Aussagen und des gesamten Ermittlungsergebnisses der Meinung der Behörde erster Instanz in vollem Umfang an. Für das Berufungsverfahren stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin nur deshalb geschlossen habe, um sich dadurch einen Aufenthaltstitel und ein arbeitsmarktrechtliches Dokument zu verschaffen, um eine Anwartschaft für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen und um ohne Weiteres Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt zu haben. Der Beschwerdeführer habe sich in einem Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. eines aufenthaltsrechtlichen Dokuments auf diese Ehe berufen, obwohl eine eheliche Lebens-, Vermögens- und Geschlechtsgemeinschaft, sohin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK, nie geführt worden sei. Überdies habe der Beschwerdeführer durch sein Verhalten entgegen der Vorschrift des § 30 Abs. 1 NAG gehandelt, wonach er sich für die Erteilung und Beibehaltung eines Aufenthaltstitels mangels Führens eines gemeinsamen Familienlebens iSd Art. 8 EMRK auf die in Rede stehende Ehe nicht hätte berufen dürfen.

Das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung aufenthaltsrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stelle einen Rechtsmissbrauch dar, welcher als Gefährdung der Ordnung auch iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK zu qualifizieren sei, sodass diesfalls ein durch Versagung des Aufenthaltstitels allenfalls bewirkter Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte des Fremden schon allein deshalb gerechtfertigt sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn (u.a.) eine Aufenthaltsehe vorliegt. Gemäß § 30 Abs. 1 leg. cit. dürfen Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führen, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen.

2. Die Beschwerde stellt die im angefochtenen Bescheid dargestellten Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (oben I.1.), denen zufolge der Beschwerdeführer seine Ehe mit einer Österreicherin nur zu dem Zweck geschlossen habe, um aufenthaltsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, nicht in Abrede. Wenn die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Auffassung vertrat, dass diese Ergebnisse von den unbelegten Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau nicht entkräftet werden könnten, kann dies nicht als unschlüssig und daher auf dem Boden der dem Verwaltungsgerichtshof bezüglich der Beweiswürdigung zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Der Einwand der Beschwerde, die belangte Behörde hätte sich nicht auf die von der Bundespolizeidirektion Wien vorgenommenen Ermittlungen stützen dürfen, weil diese Behörde nicht die Behörde erster Instanz im vorliegenden Verwaltungsverfahren darstelle, versagt schon deshalb, weil diese Ermittlungen nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten vor dem 1. Jänner 2006 durchgeführt wurden, als die besagte Bundespolizeidirektion nach § 89 Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG zur Entscheidung über den in Rede stehenden Antrag zuständig war, und ferner der von der genannten Bundespolizeidirektion nach dem 1. Jänner 2006 übermittelte (die bisherigen Ermittlungen bestätigende) "Bericht" an den Landeshauptmann von Wien als (nunmehr zuständiger) Erstbehörde im Rahmen des § 37 Abs. 4 NAG im Hinblick auf den Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe erfolgte. Entgegen der Beschwerde besteht keine gesetzliche Regelung, die einer Verwertung dieser Ermittlungen durch die belangte Behörde entgegen gestanden wäre.

Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde hätte lediglich die Beweise aufgelistet, die für den Verdacht einer Scheinehe sprächen, es aber unterlassen darzulegen, dass "einige Zeugen vor der erstinstanzlichen fremdenpolizeilichen Behörde ... einstimmig angegeben" hätten, dass keine Scheinehe vorliege, zeigt die Beschwerde keinen Verfahrensmangel auf, der den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belasten könnte. In der Beschwerde wird nämlich in keiner Weise substantiiert, um welche Zeugen es sich konkret handelt und was von diesen konkret ausgesagt wurde.

Weiters war die belangte Behörde - entgegen der Beschwerde - auch nicht dazu gehalten, im Grund des § 38 Abs. 1 AVG eine Entscheidung in dem von der Beschwerde erwähnten von der Bundespolizeidirektion Wien eingeleiteten Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots abzuwarten. Die belangte Behörde war (anders als die Beschwerde meint) auch durch keine gesetzliche Bestimmung verpflichtet, den Ausgang des in der Berufung angesprochenen gegen die Ehefrau des Beschwerdeführers eingeleiteten Strafverfahrens beim Bezirksgericht Josefstadt wegen Verdachts der unrichtigen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde im Zusammenhang mit der vorliegend in Rede stehenden Eheschließung abzuwarten; zudem bewirkt die materielle Rechtskraft eines Urteils in diesem Verfahren nur für den Fall eines (dem Standpunkt des Beschwerdeführers gegenläufigen) Schuldspruchs eine Bindung in dem Sinn, dass dadurch (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die betroffene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Vielmehr war die belangte Behörde auf dem Boden der angesprochenen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dafür zuständig, den bekämpften Bescheid auf Grund der von ihr anzuwendenden Regelungen der §§ 11 Abs. 1 Z. 4 und 30 Abs. 1 NAG zu erlassen.

Entgegen der Beschwerde ist es schließlich unerheblich, dass bisher keine Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 23 Abs. 1 des Ehegesetzes erfolgte, und ob durch die Ehefrau des Beschwerdeführers eine Scheidungsklage erhoben wurde, weshalb die Rüge, diesbezüglich sei das Ermittlungsverfahren unzureichend geführt worden, fehl geht.

3. Da dem angefochtenen Bescheid die in der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war diese gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. Dezember 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007180561.X00

Im RIS seit

17.01.2008

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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