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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung im Gleichheits- und im Eigentumsrecht durch Vorschreibung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer nach Feststellung der Unwirksamkeit der Befreiung von der Beitragspflicht wegen Schließung einer Arztpraxis nach Wiedereröffnung der Privatpraxis durch den Beschwerdeführer; keine Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Befreiung von der Beitragspflicht und deren Unwirksamkeit im Ärztegesetz und in der Satzung des WohlfahrtsfondsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Chirurgie. Mit Eingabe vom 17.1.1986 teilte er der für ihn zuständigen Ärztekammer für Wien die mit diesem Tag erfolgte Schließung seiner Privatpraxis mit; mit Schreiben vom 20.1.1986 ersuchte er um Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer (gemäß §7 der Satzung), weil er in einem unkündbaren Dienstverhältnis bei der Wiener Gebietskrankenkasse stehe.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 12.2.1986 von der Verpflichtung zur Beitragsleistung (mit Ausnahme des auf die Todesfallbeihilfe einzuhebenden Teils) befreit; die bereits (in näher bezeichneter Höhe) entrichteten Beiträge wurden rückerstattet.
b) Mit Eingabe vom 21.2.1986 zeigte der Beschwerdeführer der Ärztekammer für Wien die Wiedereröffnung seiner - ca. vier Wochen zuvor geschlossenen - Privatpraxis an.
c) Mit Bescheid des Verwaltungssausschusses der Ärztekammer für Wien vom 22.10.2001 stellte dieser fest, dass der Beschwerdeführer ab dem 1.7.2001 der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer unterliegt; begründend wurde Folgendes ausgeführt:
"Mit Wirkung zum 24.2.1986 haben Sie die Eröffnung einer Ordination in 1060 Wien bekanntgegeben.
Gemäß §7a der geltenden Satzung des Wohlfahrtsfonds wird eine Befreiung nach §7 Abs1, die vor dem 1. Juli 1990 ausgesprochen wurde, mit 1. Juli 2001 unwirksam, wenn eine Voraussetzung unter der die Befreiung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen ist".
Mit Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 27.11.2001, Zl. B98/01, wurde der Bescheid des Verwaltungsausschusses vom 22.10.2001 aufgehoben und die Angelegenheit gemäß §66 Abs2 AVG zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass der vorliegende Feststellungsbescheid rechtswidrig sei, "da der Verwaltungsausschuss mit der Erlassung eines Leistungsbescheids (Vorschreibung des Fondsbeitrags ab 1.7.2001)" vorgehen hätte können.
d) Daraufhin wurde mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 26.4.2002 dem Beschwerdeführer ein Beitrag zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für das Jahr 2001 in näher bezeichneter Höhe vorgeschrieben.
Mit Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 25.6.2002, Zl. B58/02, wurde das vom Beschwerdeführer gegen die bescheidmäßige Beitragsvorschreibung erhobene Rechtsmittel der Beschwerde abgewiesen.
2. Gegen den eben erwähnten Berufungsbescheid vom 25.6.2002 richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der geltend gemacht wird, dass der Beschwerdeführer durch die Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998, BGBl. I Nr. 169 in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2001 (im Folgenden: ÄrzteG 1998), und gesetzwidriger Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds in seinen Rechten verletzt worden sei. Weiters wird eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
3. Der Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher mit näherer Begründung die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
II. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
1. Bestimmungen des ÄrzteG 1998:
a) §45 Abs2 ÄrzteG 1998 lautet:
"§45 [...]
(2) Der Arzt für Allgemeinmedizin, approbierte Arzt, Facharzt, oder Zahnarzt, der seinen Beruf als freien Beruf auszuüben beabsichtigt, hat anläßlich der Anmeldung bei der Österreichischen Ärztekammer (§27) frei seinen Berufssitz oder seine Berufssitze (Abs3) im Bundesgebiet zu bestimmen. Berufssitz ist der Ort, an dem sich die Ordinationsstätte befindet, in der und von der aus der Arzt für Allgemeinmedizin, approbierte Arzt, Facharzt oder Zahnarzt seine freiberufliche Tätigkeit ausübt."
b) Gemäß §68 Abs1 ÄrzteG 1998 gehört einer Ärztekammer jeder Arzt als ordentlicher Kammerangehöriger an, der in die Ärzteliste eingetragen wurde, seinen Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausübt und keine Alters- oder ständige Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds bezieht.
c) §109 Abs1 ÄrzteG 1998 lautet auszugsweise:
"Beiträge zum Wohlfahrtsfonds
§109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, [...]."
d) §112 Abs1 ÄrzteG 1998 lautet:
"Befreiung von der Beitragspflicht
§112. (1) Erbringt ein ordentlicher Kammerangehöriger den Nachweis darüber, daß ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs-)genuß auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach einem Gesetz oder den Pensionsvorschriften einer Dienstordnung gegenüber einer solchen Körperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, ist er auf Antrag nach Maßgabe des Antragsbegehrens und der folgenden Bestimmungen von der Verpflichtung nach §109 zu befreien. Übt der Antragsteller keine ärztliche Tätigkeit im Sinne des §45 Abs2 aus, kann die Satzung vorsehen, daß die Beitragspflicht zur Todesfallbeihilfe und zu den Unterstützungsleistungen bestehen bleibt. Übt der Antragsteller eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des §45 Abs2 aus, bleibt jedenfalls die Beitragspflicht zur Grundleistung bestehen. Die Satzung kann vorsehen, daß die Beitragspflicht darüber hinaus auch für die Ergänzungsleistungen, die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen bestehen bleibt."
2. Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien hat in ihrer Sitzung vom 14.12.1999 gemäß §96 Abs2 iVm §66 Abs2 Z6 ÄrzteG 1998 die mit Wirkung vom 1.1.1999 in Kraft getretene Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beschlossen.
Am gleichen Tag hat sie gemäß §80 Z7 iVm §66 Abs2 Z6 und §92 ÄrzteG 1998 die mit Wirkung vom 1.1.1999 in Kraft getretene Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien beschlossen.
Die Satzung und die Beitragsordnung wurden in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "Wiener Arzt 7/8a 2000" vom Juli 2000, kundgemacht.
Die hier maßgeblichen Regelungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien lauten:
a) Gemäß §6 lita iVm §4 Abs2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der genannten Fassung sind die Fondsmitglieder verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu leisten:
"2. ABSCHNITT
Mitglieder des Wohlfahrtsfonds
§4 [...]
(2) Ordentliche Fondsmitglieder sind alle ordentlichen Kammerangehörigen der Ärztekammer für Wien, soferne sie nicht nach den Bestimmungen des §8 Abs1 litd, g und h der Satzung von der Verpflichtung, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu leisten, befreit worden sind.
[...]
Pflichten der Fondsmitglieder
§6
Die Fondsmitglieder sind verpflichtet:
a) die vorgeschriebenen Fondsbeiträge fristgerecht zu entrichten;
[...]"
b) §7 der Satzung lautet auszugsweise:
"Befreiung von der Beitragspflicht
§7
(1) Erbringt ein Fondsmitglied den Nachweis darüber, daß ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe- (Versorgungs-)genuß auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder einer sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach einem Gesetz oder den Pensionsvorschriften einer Dienstordnung gegenüber einer solchen Körperschaft zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, und übt es keine ärztliche Tätigkeit im Sinne des §45 Abs2 des ÄG aus,
a) ist es auf Antrag, ausgenommen den für die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen nach §107 ÄG einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages, von der Verpflichtung zur Leistung von Fondsbeiträgen gänzlich zu befreien. Das gleiche gilt bei Erbringung des Nachweises, daß das Fondsmitglied auf Grund eines solchen Dienstverhältnisses einen Ruhe-(Versorgungs-)genuß bezieht.
[...]
b) Übt der Antragsteller jedoch eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des §45 Abs2 ÄG aus, ist eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung von Fondsbeiträgen nur bis auf den zur Grundleistung einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages sowie den für die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen nach §107 ÄG einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages zulässig. [...]
(6) Eine nach Abs1 oder 2 ausgesprochene Befreiung ist unwiderruflich, solange die für die Befreiung maßgeblichen Umstände vorliegen.
(7) Eine Befreiung nach Abs1 erlischt, wenn ein für die ausgesprochene Befreiung maßgeblicher Umstand wegfällt. Ab dem dem Wegfall dieses Umstandes folgenden Monatsersten besteht die Verpflichtung zur Beitragsleistung gemäß §109 ÄG bzw. Abschnitte I, II und VI der Beitragsordnung."
c) Unter der Überschrift "Altersversorgung ab dem 1. Jänner 1994" ist in §17c der Satzung unter anderem Folgendes festgelegt:
"Altersversorgung ab dem 1. Jänner 1994
§17c
(1) [...]
(5) Die Grundpension wird nach der Höhe der Beitragsleistung auf dem Grund- und Ergänzungsleistungskonto ermittelt.
(6) In der Beitragsordnung wird ein jährlicher Richtbeitrag im zur Sicherstellung der finanziellen Leistungen erforderlichen Ausmaß festgelegt.
(7) Für jedes Jahr, für das der volle Richtbeitrag geleistet wird, wird eine Anwartschaft von 3% der Grundpension erworben; eine Anwartschaft von mehr als 3% pro Jahr kann nicht erworben werden.
(8) Wird der Richtbeitrag in einem Jahr, aus welchem Grund auch immer, nicht erreicht, wird die Anwartschaft für dieses Jahr in dem der geringeren Beitragsleistung entsprechenden Verhältnis vermindert; die Ermittlung hat auf hundertstel Prozentanteile zu erfolgen.
(9) [...]"
§17d normiert auszugsweise:
"Feststellung der Anwartschaft, Nachzahlung
§17d
(1) Für jedes Fondsmitglied ist die jährlich erworbene Anwartschaft festzustellen und bis zum 30. September des Folgejahres bekannt zu geben.
(2) Wenn festgestellt wird, daß im vorangegangenen Jahr die Beitragsleistung nicht ausreicht, um eine Anwartschaft von 3% zu erwerben, ist der fehlende Betrag sowie der darauf entfallende aliquote Beitrag zur Deckung der Altlast vorzuschreiben.
(3) [...]"
d) Die Vollversammlung der Ärztekammer für Wien hat in ihrer Sitzung vom 12.12.2000 gemäß §96 Abs2 iVm §66 Abs2 Z6 des ÄrzteG 1998 folgenden §7a beschlossen und nach §7 der Satzung eingefügt:
"§7a hat zu lauten wie folgt:
'Eine Befreiung nach §7 Abs1, die vor dem 1. Juli 1990 ausgesprochen wurde, wird mit Juli 2001 unwirksam, wenn eine Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgen konnte, nachträglich weggefallen ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn das Fondsmitglied zum Stichtag 1. Juli 2001 das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat.'"
Dieser Beschluss wurde in den Mitteilungen der Ärztekammer für Wien, "doktorinwien 9/2001" kundgemacht.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige, im Ergebnis jedoch nicht begründete - Beschwerde erwogen:
1.a) Vorerst behauptet der Beschwerdeführer, dass §112 ÄrzteG 1998 deshalb verfassungswidrig sei, weil die Wohlfahrtsvorsorge der gesetzlichen beruflichen Vertretungen nicht auf dem Kompetenztatbestand "Sozialversicherungswesen" beruhe. Dementsprechend könne sie auch nicht auf dem Gedanken der Solidarität zu den Mitgliedern einer Riskengemeinschaft aufbauen. Wenn ein Mitglied aber auf Grund eines unkündbaren Dienstverhältnisses und der daraus erwachsenden Ansprüche in der Kranken- und Pensionsversicherung in angemessener Weise versorgt sei, stelle die Mitgliedschaft und Beitragspflicht zur kammereigenen Vorsorge eine |berflüssige Zusatzversorgung dar. Es könne nicht Aufgabe des Berufsgruppengesetzgebers sein, die Mitglieder einer gesetzlichen beruflichen Vertretung mit einer Versorgung zwangsweise zu beglücken, die diese nicht wünschten und die auch aus der Sicht der sozialen Sicherheit offenkundig entbehrlich sei.
§112 ÄrzteG 1998 sei auch deshalb verfassungswidrig, weil keine Beschränkung der Bemessungsgrundlage auf die aus der freiberuflichen Tätigkeit stammenden Einkünfte vorgesehen sei; denn nach dieser Bestimmung könnten auch "befreite" Ärzte einer Beitragspflicht unterworfen werden, wenn sie neben der unselbständigen Tätigkeit auch freiberufliche Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit erzielen.
b) Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinen "kompetenzrechtlichen" Bedenken im Kern dagegen, dass ein Mitglied zum Wohlfahrtsfonds, das bereits aufgrund eines Dienstverhältnisses Ansprüche auf Kranken- und Pensionsversicherung hat, allein aufgrund einer Kammerzugehörigkeit diesem System unterliegt.
Dem ist entgegen zu halten, dass der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gegen den Grundsatz der Mehrfachversicherung keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegte.
So hat er etwa in seinem Erkenntnis VfSlg. 12.417/1990, dem u. a. auch diese Fragestellung zugrunde lag, unter Hinweis auf die Entscheidung VfSlg. 6947/1972 wörtlich ausgeführt:
"[...] Der Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von den Überlegungen der zitierten Entscheidung abzugehen; die Institutionalisierung einer Mehrfachversicherung ist demgemäß nicht verfassungswidrig. Weder die Kumulation der beiden Systeme noch das dadurch bewirkte Niveau der sozialen Sicherheit ist derart, daß es die Grenzen verletzte, die der Gleichheitsgrundsatz zieht. Wenn es dem Gesetzgeber mit der Erlassung des FSVG grundsätzlich darum ging, die freiberuflich tätigen Ärzte an den Standard des gesetzlichen Sozialversicherungssystems nach dem Allgemeinen bzw. dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz heranzuführen (...), so kann dies nicht als unsachlich angesehen werden. Dies gilt in gleicher Weise für die in der 'sozialversicherungsrechtlichen Riskengemeinschaft' (vgl. dazu VfSlg. 6947/1972) begründete Heranziehung der unselbständig tätigen Ärzte zur Beitragsleistung zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer gemäß §78 Abs1 ÄrzteG [1984], soweit die Möglichkeit einer Befreiung aufgrund der Ausnahmeregelung nach dieser Bestimmung in Fällen eines gleichwertigen Anspruches auf Ruhe(Versorgungs-)genuß aufgrund eines unkündbaren Dienstverhältnisses zu einer Gebietskörperschaft oder in gleicher Weise durch eine sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht vorgesehen ist. Der Regelung des §75 iVm §78 Abs1 ÄrzteG [1984] kann nicht der Vorwurf der Unsachlichkeit gemacht werden; diese Anordnung liegt jedenfalls im Rahmen der dem Gesetzgeber zukommenden rechtspolitischen Dispositionsbefugnis. Ob sie hingegen auch zweckmäßig ist - was der Beschwerdeführer deshalb bezweifelt, weil Ärzte stets dazu in der Lage wären, selbständig zu disponieren, welche Art der Vorsorge ihnen als geeigneter erscheine - und ob das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl. VfSlg. 10455/1985)."
Was den Vorwurf des Beschwerdeführers betrifft, die Regelung sei deshalb unsachlich, weil als Bemessungsgrundlage für die Beitragspflicht alle Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit herangezogen werden, ist zunächst auf das Erkenntnis VfSlg. 6947/1972 zu verweisen: Der Verfassungsgerichtshof hegte gegen eine Vorgängerbestimmung des §112 ÄrzteG 1998, den §45a Ärztegesetz in der Fassung der Ärztegesetz-Novelle 1969, keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wiewohl sich auch nach dieser Bestimmung, gleich dem §112 ÄrzteG 1998, die Bemessungsgrundlage für die Beitragspflicht nach den "(Gesamt-)Einnahmen" und nicht etwa bloß nach den Einnahmen aus freiberuflichen Tätigkeiten bemessen hat.
Auch vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles sieht sich der Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst, von dieser Rechtsauffassung abzugehen.
2. Das Beschwerdevorbringen, wonach §112 ÄrzteG 1998 gegen Art11 Abs2 B-VG verstoße, weil durch diese Bestimmung "in die Rechtskraft des Befreiungsbescheides" in einer Weise eingegriffen werde, die nicht durch §68 AVG gedeckt sei und "diese Abweichung vom allgemeinen Verwaltungsverfahren" nicht "als zur Regelung des Gegenstandes iSd Art11 Abs2 B-VG erforderlich angesehen" werde, ist verfehlt.
Der Beschwerdeführer scheint zu übersehen, dass §112 Abs1 ÄrzteG 1998 keine abweichende Verfahrensvorschrift iSd Art11 Abs2 B-VG enthält; es handelt sich vielmehr um eine - wie dargetan - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende gesetzliche Grundlage, die den Rahmen für das die Satzung erlassende Organ vorgibt.
3.a) Der Beschwerdeführer behauptet des weiteren, dass §7a der Satzung des Wohlfahrtsfonds, "doktorinwien 9/2001", mit Gesetzwidrigkeit belastet sei; dies deshalb, weil §112 ÄrzteG 1998 keine Ermächtigung entnommen werden könne, den Fall der erstmaligen Befreiung eines Arztes mit unkündbarem Dienstverhältnis und freiberuflicher Tätigkeit inhaltlich anders zu regeln als jenen der Wiedereinbeziehung eines Arztes in die Beitragspflicht.
b) Dem Wortlaut des §112 Abs1 ÄrzteG 1998 ist vorerst zu entnehmen, dass - "[ü]bt der Antragsteller eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des §45 Abs2 aus" - die Beitragspflicht zur Grundleistung jedenfalls bestehen bleibt. Der Verordnungsgeber wird durch den anschließenden Satz ermächtigt, die Beitragspflicht darüber hinaus auch für die Ergänzungsleistungen vorzusehen.
In Entsprechung der gesetzlichen Grundlage werden im §7 der Satzung unterschiedliche Befreiungstatbestände normiert. Einerseits ist gemäß §7 Abs1 lita einem Antrag auf gänzliche Befreiung stattzugeben, wenn keine ärztliche Tätigkeit im Sinne des §45 Abs2 ÄrzteG 1998 ausgeübt wird; gemäß §7 Abs1 litb ist eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung von Fondsbeiträgen "nur bis auf den zur Grundleistung einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages sowie den für den Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen nach §107 ÄG einzuhebenden Teil des Fondsbeitrages zulässig", wenn der Antragsteller eine ärztliche Tätigkeit im Sinne des §45 Abs2 des ÄrzteG 1998 ausübt. §7 Abs7 der Satzung sieht in beiden Fallgruppen vor, dass eine Befreiung nach Abs1 erlischt, wenn ein für die ausgesprochene Befreiung maßgeblicher Umstand wegfällt.
Gemäß §7 Abs1 der Satzung steht es jedem Fondsmitglied frei, einen Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht zu stellen.
Durch §7a der Satzung, "doktorinwien 9/2001", wurde nun festgelegt, dass eine Befreiung gemäß §7 Abs1, die vor dem 1.7.1990 ausgesprochen wurde, mit Juli 2001 unwirksam wird, wenn eine Voraussetzung, unter der die Befreiung erfolgten konnte, nachträglich weggefallen ist. Mit Blick auf §7 Abs7 der Satzung, der schon normiert, dass eine einmal erteilte Befreiung erlischt, wenn ein für die ausgesprochene Befreiung maßgeblicher Umstand weggefallen ist, stellt sich die Frage, was der darüber hinausgehende normative Gehalt des §7a der Satzung ist.
Der Verfassungsgerichtshof versteht die Bestimmung des §7a dahingehend, dass der Verordnungsgeber durch die Einfügung "Juli 2001" bewirken wollte, dass als frühester Zeitpunkt, ab dem "[e]ine Befreiung nach §7 Abs1, die vor dem 1. Juli 1990 ausgesprochen wurde" wegen Wegfalls einer Voraussetzung "unwirksam" wird, nunmehr der "Juli 2001" normiert wird; dies mag auch damit begründbar sein, dass diejenigen Ärzte, die von der Verwaltungsübung, wonach eine Befreiung trotz Wegfalls der Voraussetzungen weiterhin aufrecht blieb, nicht überraschend (sogar) mit Nachzahlungen konfrontiert wurden; somit wird durch §7a normiert, dass nach Wegfall eines für die Befreiung maßgeblichen Umstandes das Wiederaufleben der Beitragspflicht iSd §7 Abs7 - als Sonderregel hiezu - frühestens mit "Juli 2001" erfolgt. So verstanden handelt es sich für den Kreis der Betroffenen um eine diese privilegierende Regelung.
Eine "Automatik" wie die belangte Behörde in der Gegenschrift vermeint (vgl. S 8 Pkt. 3 der Gegenschrift) ist dem §7a allerdings nicht zu entnehmen.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, es sei unzulässig, "den Betroffenen durch die Wiedereinbeziehung bloß ein Sonderopfer für den Wohlfahrtsfonds abzuverlangen", geht ins Leere, weil die Frage, welcher Befreiungstatbestand heranzuziehen ist, sowohl im Falle des erstmaligen Antrages als auch im Falle des §7 Abs7 der Satzung, aber auch bei Anwendung des auf den vorliegenden Fall allein präjudiziellen §7a der Satzung gleichlautend zu beantworten ist.
Ob den auf Grund der allfälligen Befreiung zu entrichtenden Beiträgen auch entsprechende Leistungen gegenüberstehen, ist hier nicht Gegenstand des Verfahrens.
4.a) Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, durch das in §7a der Satzung angeordnete "ex-lege Erlöschen einer rechtskräftigen Befreiung" in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage enttäuscht worden zu sein.
b) Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage genießt als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Es steht dem Gesetzgeber vielmehr grundsätzlich frei, die Rechtslage für die Zukunft anders und auch ungünstiger zu gestalten. Nur unter besonderen Umständen muss zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen.
Derartige Umstände sind etwa dann anzunehmen, wenn der Normunterworfene durch eine in Aussicht gestellte Begünstigung zu einem bestimmten Aufwand veranlasst werden sollte, der dann wegen des Wegfalles der Begünstigung frustriert wird (VfSlg. 12.944/1991, Nachtfahrverbot Lofererstraße) oder nach Inangriffnahme der geplanten Maßnahmen nicht mehr aufgebracht werden kann (vgl. VfSlg. 13.655/1993 betreffend Abschaffung der Energieförderungsrücklage).
Ein damit vergleichbarer Sachverhalt liegt indessen hier nicht vor. Voraussetzung für die Befreiung gemäß §7 Abs1 lita (mit Ausnahme des für die Todesfallbeihilfe und die Unterstützungsleistungen einzuhebenden Teils) ist nämlich, dass keine ärztliche Tätigkeit gemäß §45 Abs2 ÄrzteG 1998 ausgeübt wird; diese Bestimmung war schon im Zeitpunkt der Anzeige der Wiedereröffnung der Privatpraxis des Beschwerdeführers (Schreiben vom 21.2.1986) geltendes Recht. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer also eine ärztliche Tätigkeit gemäß §45 Abs2 ÄrzteG 1998 ausübt und daher seit diesem Zeitpunkt ein wesentlicher Umstand der Befreiung gemäß §7 Abs1 lita weggefallen ist. Der Beschwerdeführer mag zwar in seinem Vertrauen darauf geschützt sein, dass die Behörde ihn - ungeachtet einer bestehenden Verwaltungsübung - nicht rückwirkend mit Beiträgen belastet; das bedeutet jedoch nicht, dass er auch in Zukunft vor einer Beseitigung des rechtswidrigen Umstandes geschützt wird. Enttäuscht werden konnte somit lediglich die Erwartung des Beschwerdeführers, dass die belangte Behörde das - durch den Wegfall maßgeblicher Umstände bewirkte - ex-lege Erlöschen der Befreiung auch in der Zukunft unbeachtet lassen würde.
Soweit der Beschwerdeführer eine "volle" Befreiung von den Beitragsleistungen trotz Nichtvorliegens der Voraussetzungen deshalb begehrt, weil dies bisher so praktiziert worden sei, genügt es darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer damit auf ein gesetzwidriges Verhalten der Behörde abzielt. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. zB VfSlg. 9169/1981, 12.417/1990), kann ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf ein gesetzwidriges Verhalten der Behörde von vornherein nicht bestehen.
5. Wenn der Beschwerdeführer im Übrigen unter näherer Begründung vorbringt, das in den §§17c und 17d der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien normierte "Anwartschaftspunktesystem" sei gesetzwidrig, gehen diese Bedenken schon deshalb ins Leere, weil diese Bestimmungen in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Verfahren seitens der Behörde gar nicht zur Anwendung kamen.
6.a) Ferner behauptet der Beschwerdeführer, durch den angefochtenen Bescheid auch in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Die belangte Behörde hätte ArtI Abs9 der Beitragsordnung anzuwenden gehabt und Beiträge maximal in der Höhe von € 5.051,81 vorzuschreiben gehabt. Auch hätte die Behörde das vom Beschwerdeführer erhobene Rechtsmittel der Beschwerde (an den Beschwerdeausschuss) als Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung zu deuten gehabt. Somit habe die belangte Behörde Willkür geübt.
Eine Gleichheitsverletzung liege insbesondere auch vor, weil es der Verwaltungsausschuss unterlassen habe, die Besonderheiten des Einzelfalls, das Alter des Beschwerdeführers, die bisher geleisteten und die noch zu erwartenden Beiträge entsprechend zu berücksichtigen; demnach hätte die belangte Behörde davon ausgehen müssen, dass ein Widerruf der Befreiung und eine volle Wiedereinbeziehung nicht in Frage kommen könne.
b) Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen käme eine Verletzung des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung, eine Verletzung des Gleichheitsgebotes käme nach der Lage des Falles nur bei einem willkürlichen Gesetzesvollzug in Frage.
Vor dem Hintergrund der Ausführungen zu den hier angewendeten Bestimmungen kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde denkunmöglich vorgegangen ist. Ebenso wenig kann von Willkür die Rede sein. Der Verfassungsgerichtshof hat im Übrigen nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und die von der belangte Behörde gewählte Gesetzesauslegung richtig ist:
Keinesfalls leidet die Begründung des Berufungsbescheids geradezu an einer - unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehenden (VfSlg. 7083/1973, 7962/1976) - Denkunmöglichkeit, und zwar weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht.
Eine allenfalls unterlaufene unrichtige Rechtsanwendung ist ebenso wie eine allfällige verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit des Bescheids vom Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
7. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
8. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Kompetenz Bund - Länder Sozialversicherung, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B1137.2002Dokumentnummer
JFT_09969699_02B01137_2_00