TE OGH 2008/11/6 6Ob229/08g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2008
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef E*****, vertreten durch Anzböck & Brait Rechtsanwälte GmbH in Tulln, gegen die beklagte Partei C***** S.P.A., *****, Italien, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in Wien, wegen 35.629,70 EUR sA, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. Juni 2008, GZ 15 R 268/07b-27, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 6. September 2007, GZ 2 Cg 261/05s-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.959,48 EUR (darin 326,58 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (Paragraph 526, Absatz 2, ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine abschließende Stellungnahme zur Frage, wen das Sprachrisiko einer fremdsprachigen Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Art 23 EuGVVO trifft.Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine abschließende Stellungnahme zur Frage, wen das Sprachrisiko einer fremdsprachigen Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Artikel 23, EuGVVO trifft.

1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu Art 17 EuGVÜ, dessen Bestimmungen im Wesentlichen in Art 23 Abs 1 EuGVVO fortgeschrieben wurden (6 Ob 253/04f = RdW 2005/475; 8 Ob 83/05x = RdW 2006/160), unter Übernahme deutscher Rechtsprechung (BGH IPRax 1991, 326, 299 [Kohler]; OLG Hamm NJW-RR 1995, 189; dem zustimmend Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht8 [2005] Art 23 EuGVVO Rz 37) und unter Billigung der österreichischen Lehre (vgl etwa Simotta in Fasching, ZPO² [2000] § 104 JN Rz 253; Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² [2003] Art 23 EuGVVO Rz 33; Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 104 JN Rz 23, Seite 378) ausgesprochen, dass fremdsprachige Allgemeine Geschäftsbedingungen trotz Sprachunkenntnis des Vertragspartners (nur) dann als wirksam vereinbart angesehen werden können, wenn in der Verhandlungs- und Vertragssprache auf die fremdsprachigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wurde und der Vertragspartner (dennoch) eine uneingeschränkte Annahmeerklärung abgegeben hat (7 Ob 176/98b = JBl 2000, 121). In der Folge hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsprechung zu Art 8 UN-K (7 Ob 275/03x = JBl 2004, 449) und zu §§ 35 ff IPRG in der Fassung vor BGBl I 1999/18 (1 Ob 30/04z = ÖBA 2004/1240 [Iro] = ecolex 2004/370 [M. Leitner]) bzw zu Art 5 EVÜ (10 Ob 17/04d = ecolex 2005/436 [M. Leitner]) fortgeschrieben. Für den Fall unterschiedlicher Verhandlungs- und Vertragssprachen hat der Oberste Gerichtshof in den beiden letztgenannten Entscheidungen klargestellt, dass jener Vertragsteil, der unter Einbeziehung bestimmter, in der Vertragssprache gehaltener Allgemeiner Geschäftsbedingungen mit einer Bestimmung über eine kollisionsrechtliche Rechtswahl kontrahieren will, den anderen Vertragsteil - als primäre Voraussetzung deren Geltung - in einem durch dessen (schließliche) Unterschrift gedeckten Abschnitt der Vertragsurkunde in der Verhandlungssprache deutlich auf die Einbeziehung solcher Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis hinzuweisen habe; mangelt es daran, würden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon deshalb nicht Vertragsbestandteil.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu Artikel 17, EuGVÜ, dessen Bestimmungen im Wesentlichen in Artikel 23, Absatz eins, EuGVVO fortgeschrieben wurden (6 Ob 253/04f = RdW 2005/475; 8 Ob 83/05x = RdW 2006/160), unter Übernahme deutscher Rechtsprechung (BGH IPRax 1991, 326, 299 [Kohler]; OLG Hamm NJW-RR 1995, 189; dem zustimmend Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht8 [2005] Artikel 23, EuGVVO Rz 37) und unter Billigung der österreichischen Lehre vergleiche etwa Simotta in Fasching, ZPO² [2000] Paragraph 104, JN Rz 253; Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² [2003] Artikel 23, EuGVVO Rz 33; Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] Paragraph 104, JN Rz 23, Seite 378) ausgesprochen, dass fremdsprachige Allgemeine Geschäftsbedingungen trotz Sprachunkenntnis des Vertragspartners (nur) dann als wirksam vereinbart angesehen werden können, wenn in der Verhandlungs- und Vertragssprache auf die fremdsprachigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen wurde und der Vertragspartner (dennoch) eine uneingeschränkte Annahmeerklärung abgegeben hat (7 Ob 176/98b = JBl 2000, 121). In der Folge hat der Oberste Gerichtshof diese Rechtsprechung zu Artikel 8, UN-K (7 Ob 275/03x = JBl 2004, 449) und zu Paragraphen 35, ff IPRG in der Fassung vor BGBl römisch eins 1999/18 (1 Ob 30/04z = ÖBA 2004/1240 [Iro] = ecolex 2004/370 [M. Leitner]) bzw zu Artikel 5, EVÜ (10 Ob 17/04d = ecolex 2005/436 [M. Leitner]) fortgeschrieben. Für den Fall unterschiedlicher Verhandlungs- und Vertragssprachen hat der Oberste Gerichtshof in den beiden letztgenannten Entscheidungen klargestellt, dass jener Vertragsteil, der unter Einbeziehung bestimmter, in der Vertragssprache gehaltener Allgemeiner Geschäftsbedingungen mit einer Bestimmung über eine kollisionsrechtliche Rechtswahl kontrahieren will, den anderen Vertragsteil - als primäre Voraussetzung deren Geltung - in einem durch dessen (schließliche) Unterschrift gedeckten Abschnitt der Vertragsurkunde in der Verhandlungssprache deutlich auf die Einbeziehung solcher Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis hinzuweisen habe; mangelt es daran, würden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon deshalb nicht Vertragsbestandteil.

Art 23 EuGVVO ist zwar vertragsautonom auszulegen (Kropholler aaO Rz 18); der EuGH hat außerdem schon festgehalten, dass das Recht eines Staats die Unwirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung nicht allein deshalb vorsehen dürfe, weil eine andere als die nach diesem Recht vorgeschriebene Sprache verwendet worden ist (Slg 1981, 1671 Nr 27 [Elefanten Schuh/Jacqmain]). Es ist jedoch auch anerkannt, dass wegen der weitreichenden Folgen einer Zuständigkeitsvereinbarung die in Art 23 EuGVVO aufgestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen streng auszulegen sind (7 Ob 176/98b; Kropholler aaO Rz 38); im Übrigen genügt die Verwendung einer Fremdsprache in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann dem Transparenzgebot, wenn die Kenntnis dieser Sprache in dem für das Verständnis des Klauselwerks notwendigen Maß vom betreffenden Kundenkreis erwartet werden kann (M. Leitner, ecolex 2004/370 [Entscheidungsanmerkung]; in diesem Sinn auch 7 Ob 275/03x).Artikel 23, EuGVVO ist zwar vertragsautonom auszulegen (Kropholler aaO Rz 18); der EuGH hat außerdem schon festgehalten, dass das Recht eines Staats die Unwirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung nicht allein deshalb vorsehen dürfe, weil eine andere als die nach diesem Recht vorgeschriebene Sprache verwendet worden ist (Slg 1981, 1671 Nr 27 [Elefanten Schuh/Jacqmain]). Es ist jedoch auch anerkannt, dass wegen der weitreichenden Folgen einer Zuständigkeitsvereinbarung die in Artikel 23, EuGVVO aufgestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen streng auszulegen sind (7 Ob 176/98b; Kropholler aaO Rz 38); im Übrigen genügt die Verwendung einer Fremdsprache in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur dann dem Transparenzgebot, wenn die Kenntnis dieser Sprache in dem für das Verständnis des Klauselwerks notwendigen Maß vom betreffenden Kundenkreis erwartet werden kann (M. Leitner, ecolex 2004/370 [Entscheidungsanmerkung]; in diesem Sinn auch 7 Ob 275/03x).

2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen enthielten die in italienischer Sprache abgefassten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten eine auf M*****, Italien, lautende Gerichtsstandsvereinbarung. Weder der Kläger noch seine Ehegattin sprechen italienisch, die Vertragsverhandlungen auf dem landwirtschaftlichen Hof des Klägers in Österreich wurden daher in deutscher Sprache geführt. Der Mitarbeiter der Beklagten füllte das - ebenfalls in italienischer Sprache verfasste - Bestellformular in deutscher Sprache aus; er händigte dem Kläger jedoch weder eine deutschsprachige Übersetzung des Formulars aus noch übersetzte er ihm dessen Text ganz oder teilweise; er verwies ihn auch nicht auf die letzte Seite des Formulars mit den „Condizioni generali di vendita".

2.1. Vor dem Hintergrund der zu 1. dargestellten Rechtslage ist die Auffassung des Rekursgerichts, zwischen den Parteien sei es zu keiner Willenseinigung im Sinne des Art 23 EuGVVO gekommen, nicht zu beanstanden. Der Kläger, von dem der Mitarbeiter der Beklagten wusste, dass er der italienischen Sprache nicht mächtig ist, wurde auf das Vorhandensein von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht hingewiesen; sie können daher auch nicht Vertragsbestandteil geworden sein.2.1. Vor dem Hintergrund der zu 1. dargestellten Rechtslage ist die Auffassung des Rekursgerichts, zwischen den Parteien sei es zu keiner Willenseinigung im Sinne des Artikel 23, EuGVVO gekommen, nicht zu beanstanden. Der Kläger, von dem der Mitarbeiter der Beklagten wusste, dass er der italienischen Sprache nicht mächtig ist, wurde auf das Vorhandensein von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht hingewiesen; sie können daher auch nicht Vertragsbestandteil geworden sein.

2.2. Die Beklagte meint in ihrem Revisionsrekurs, der Kläger hätte - wenn auch nicht in allen Details - erkennen müssen, dass es sich bei dem von ihm unterfertigten Formular um ein „Vertragsregelwerk" einschließlich Allgemeiner Geschäftsbedingungen handelte. Maßgeblich ist jedoch, ob die gewollte Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch deren Anwender (die Beklagte) für den Adressaten (den Kläger) erkennbar war (7 Ob 275/03x); diese Frage haben die Tatsacheninstanzen ausdrücklich verneint.

2.3. Schließlich vertritt die Beklagte die Auffassung, bei Einhaltung der Form einer Gerichtsstandsvereinbarung bestehe die Vermutung für das Vorliegen einer Vereinbarung; Art 23 EuGVVO normiere neben Formerfordernissen keine weiteren Voraussetzungen für das Zustandekommen der Vereinbarung.2.3. Schließlich vertritt die Beklagte die Auffassung, bei Einhaltung der Form einer Gerichtsstandsvereinbarung bestehe die Vermutung für das Vorliegen einer Vereinbarung; Artikel 23, EuGVVO normiere neben Formerfordernissen keine weiteren Voraussetzungen für das Zustandekommen der Vereinbarung.

Tatsächlich bilden die Formerfordernisse mit den Fragen der materiellen Willenseinigung eine Einheit (Kropholler aaO Rz 27 mwN), wobei ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht zwar so weit ausscheidet, als aus den Formerfordernissen des Art 23 EuGVVO materielle Einigungskriterien gewonnen werden können (Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² [2003] Art 23 EuGVVO Rz 23 mwN). Voraussetzung ist aber immer die tatsächliche Willenseinigung (vgl Tiefenthaler aaO Rz 21; Kropholler aaO Rz 25 je mwN), weil Art 23 EuGVVO gewährleisten soll, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden (Kropholler aaO). Unterscheiden sich daher Verhandlungs- und Vertragssprache, bedarf es eben eines Hinweises des Anwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Verhandlungssprache, dass der fremdsprachige Vertragstext eine Gerichtsstandsvereinbarung bzw Allgemeine Geschäftsbedingungen (die eine Gerichtsstandsvereinbarung umfassen) beinhaltet.Tatsächlich bilden die Formerfordernisse mit den Fragen der materiellen Willenseinigung eine Einheit (Kropholler aaO Rz 27 mwN), wobei ein Rückgriff auf das innerstaatliche Recht zwar so weit ausscheidet, als aus den Formerfordernissen des Artikel 23, EuGVVO materielle Einigungskriterien gewonnen werden können (Tiefenthaler in Czernich/Tiefenthaler/Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht² [2003] Artikel 23, EuGVVO Rz 23 mwN). Voraussetzung ist aber immer die tatsächliche Willenseinigung vergleiche Tiefenthaler aaO Rz 21; Kropholler aaO Rz 25 je mwN), weil Artikel 23, EuGVVO gewährleisten soll, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden (Kropholler aaO). Unterscheiden sich daher Verhandlungs- und Vertragssprache, bedarf es eben eines Hinweises des Anwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Verhandlungssprache, dass der fremdsprachige Vertragstext eine Gerichtsstandsvereinbarung bzw Allgemeine Geschäftsbedingungen (die eine Gerichtsstandsvereinbarung umfassen) beinhaltet.

3. Da die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage bereits gelöst ist und das Rekursgericht diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt ohne Rechtsirrtum angewendet hat, war der ordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf Paragraphen 41,, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Anmerkung

E891676Ob229.08g

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZfRV-LS 2009/8 = ecolex 2009/141 S 403 - ecolex 2009,403XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0060OB00229.08G.1106.000

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten